Die Vorgaben des Lehrplans und die Schreibpraxis in der Sekundarstufe I Deutsch - Marc-André Seemann - E-Book

Die Vorgaben des Lehrplans und die Schreibpraxis in der Sekundarstufe I Deutsch E-Book

Marc-André Seemann

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Didaktik - Germanistik, Note: 1,0, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Veranstaltung: Schreib- und Text(sorten)kompetenz in der Sekundarstufe, Sprache: Deutsch, Abstract: Die curricularen Vorgaben sind ein kontrovers diskutiertes Thema in der Deutschdidaktik. Aus diesem Grund wird im ersten Teil der vorliegenden Arbeit über die Anforderungen dieser gesprochen. Zunächst wird ein Blick auf die Theorie geworfen. Dabei wird rückblickend auf den Primabereich geschaut, um zu sehen, mit was für Kompetenzen die Schreiberinnen und Schreiber (SuS) in die Sekundarstufe ankommen und anschließend auf die Anforderungen der Sekundarstufe I, um zu erfahren, mit welchen Kompetenzen die SuS diese verlassen (sollen). Die Institution Schule spielt hierbei den Gegenpart, und soll eventuelle Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis aufzeigen. Dabei wird vor allem auf die Perspektive der SuS eingegangen. Der zweite und somit der Kernteil der Arbeit wird sich mit den Schreibentwicklungsphasen befassen, um der Frage „Was lässt sich bezüglich der Schreibentwicklung der SuS festhalten respektive was kann von ihnen erwarten werden?“ nachzugehen. Da in jüngster Gegenwart im Hinblick auf die Schreibentwicklung immer wieder von Textsorten gesprochen wurde (u. a. Feilke 2005; Becker-Mrotzek/Böttcher 2006; 2009; Richter 2008), werde ich auf die klassischen Textsorten innerhalb der Institution Schule kurz Bezug nehmen.

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Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

1 Curriculare Vorgaben und Praxis des Deutschunterrichts

1.1.1 Was wird am Ende der Primarstufe erwartet?

1.1.2 Was wird am Ende der Sekundarstufe I erwartet?

1.2 Schreibpraxis in der Schule

1.2.1 Schülerperspektive

1.3 Zwischenfazit

2 Schreibentwicklungsphasen

2.1 Startphase: Erste Schreibversuche (ca. 5-7 Jahre)

2.2 Ausbauphase 1: Orientierung am Erlebtem (ca. 7-10 Jahre)

2.3 Ausbauphase 2: Orientierung am der Sache und an den Leser (ca. 10-14 Jahre)

2.4 Ausbauphase 3: Literale Orientierung (ca. ab der Adoleszenz)

2.5 Zwischenfazit

3 Textsorten

3.1 Erzählende Aufsatzformen

3.1.1 Erzählen

3.2 Sachliche Aufsatzformen

3.2.1 Berichten

3.2.2 Beschreiben

3.3 Argumentierende Kommunikations- und Ausdrucksformen

3.3.1 Argumentation

3.4 Zwischenfazit

Fazit

Literaturverzeichnis

 

Einleitung

Die curricularen Vorgaben sind ein kontrovers diskutiertes Thema in der Deutschdidaktik. Aus diesem Grund wird im ersten Teil der vorliegenden Arbeit über die Anforderungen dieser gesprochen. Zunächst wird ein Blick auf die Theorie geworfen. Dabei wird rückblickend auf den Primabereich geschaut, um zu sehen, mit was für Kompetenzen die Schreiberinnen und Schreiber (SuS) in die Sekundarstufe ankommen und anschließend auf die Anforderungen der Sekundarstufe I, um zu erfahren, mit welchen Kompetenzen die SuS diese verlassen (sollen). Die Institution Schule spielt hierbei den Gegenpart, und soll eventuelle Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis aufzeigen. Dabei wird vor allem auf die Perspektive der SuS eingegangen.

1 Curriculare Vorgaben und Praxis des Deutschunterrichts

 

Um einen Überblick zu gewährleisten, werde ich nachfolgend zunächst auf die curricularen Vorgaben in der Schule eingehen. Die Frage wird anschließend sein, ob die Schülerinnen und Schüler dem gerecht werden (können), was die Anforderungen verlangen.

 

1.1.1 Was wird am Ende der Primarstufe erwartet?

 

Für die Primarstufe lassen sich in den Bildungsstandards unter dem Segment Schreiben die Teilkomponenten „über Schreibfertigkeiten verfügen“, „richtig schreiben“ und „Texte verfassen“ (KMK 2005, S. 10f.) festhalten. Für die Relevanz dieser Arbeit wird jedoch nur der Aspekt „Texte verfassen“, der das Verfassen von Textteilen und ganzen Texten beinhaltet, weiter erörtert. Dieser beschreibt sich wie folgt:

 

verständlich, strukturiert, adressaten- und funktionsgerecht schreiben: Erlebtes und Erfundenes; Gedanken und Gefühle; Bitten, Wünsche, Aufforderungen und Vereinbarungen; Erfahrungen und Sachverhalte (KMK 2004, S. 11)

 

Die Textpassage und somit die Standards für den Primarbereich selbst müssen nicht nur kritisch begutachtet werden, sondern sie sollten dringend überarbeitet werden, genauer, sie sollten „an ein für Grundschüler angemessenes Niveau“ (Baurmann/Pohl 2009, S. 75) angepasst werden. Die „gesetzten Textqualitätskriterien“ (Pohl, 2008, S. 110) fordern von den jungen SuS genau das, was deutlich entwicklungsfortgeschrittenere SuS besitzen. Besonders der Aspekt „adressaten- und funktionsgerecht schreiben“ (KMK 2005, S. 11) stellt eine enorme Herausforderung für die SuS aus dem vierten Schuljahr dar, wie Pohl (2008, S. 110) konstatiert: „Adressaten- und Funktionsgerechtigkeit korrespondiert mit der oben vorgesehen Synthese von im Text etablierten Perspektiven zur Realisierung einer Textsorten adäquaten Textfunktion.“ (H. i. O.) Ein Entwicklungszuwachs würde somit ausgeschlossen werden, und dies bereits nach vier (!) Schuljahren. Die jungen SuS werden sozusagen mit Autoren gleichgesetzt, deren „Schreibentwicklung deutlich weiter fortgeschritten [ist]“ respektive die Qualitätsmerkmale „sind Eigenschaften, die mit jeglicher optimaler Textproduktion zusammenfallen.“ (Baurmann/Pohl 2009, S.75, E. d. V) Damit stellt sich die Frage, was kann von den SuS aus dem vierten Schuljahrgang erwarten werden? Die SuS sollte erlernet haben, dass Texte dafür vorhanden sind, um von einem Rezipienten gelesen zu werden:

 

Was aber Viertklässler erworben haben sollten, ist die grundlegende Einsicht, dass Texte überhaupt Leser haben, verbunden mit einem Bewusstsein dafür, dass Texte von Lesern miss- oder anders verstanden werden können und dass der Schreibende den Verstehensprozess und auch die Wirkungsweise durch die Textgestaltung beeinflussen kann. (Baurmann/Pohl 2009, S. 76, H. i. O.)

 

1.1.2 Was wird am Ende der Sekundarstufe I erwartet?

 

Der Blick in die Standards für den Primarbereich zeigte die enormen Anforderungen an die SuS. In der Sekundarstufe soll an diesen angeknüpft. So wird in diesen davon ausgegangen, dass die SuS nach der Sek I eigenständig adressatenbezogene, selbstständige und selbstkritische Texte niederschreiben können:

 

Die Schülerinnen und Schüler kennen die vielfältigen Möglichkeiten des Schreibens als Mittel der Kommunikation, der Darstellung und der Reflexion und verfassen selbst adressatengerecht Texte. Dem Schreibanlass und Auftrag entsprechende Texte verfassen sie eigenständig, zielgerichtet, situations- und adressatenbezogen und gestalten sie sprachlich differenziert, wobei sie sprachliche Mittel gezielt und überlegt einsetzen. Sie beherrschen die zentralen Schreibformen und gestalten ihre Texte sprachlich und stilistisch stimmig, verfassen sie unter Beachtung von Strategien zur Fehlervermeidung und mit Hilfe eines Wörterbuches weitgehend fehlerfrei, schätzen sie selbstkritisch ein und überarbeiten sie gegebenenfalls. Im produktiven Umgang mit Sprache entwickeln sie eigene Ideen und bringen sie gestalterisch zum Ausdruck. (KMK 2004, S. 8f.)

 

Inwiefern diese nun homogen mit der Wirklichkeit in der Schule sind, oder ob es diesbezüglich eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis besteht, soll nun unter 1.2 erörtert werden.

 

1.2 Schreibpraxis in der Schule

 

Eine wichtige Studie zum Schreibverhalten der SuS in der Schule liefern Hanser/Mayor (1994). Aus der Untersuchung lassen sich zwei Kategorien des Schreibprozesses differenzieren. So produzieren die SuS entweder einen Text, der von der Lehrkraft diktiert wird – besonders hervorzuheben ist hier das Diktat, welches als Klausur fungiert – oder durch das Abschreiben von Stichwörtern, Sätzen und Textpassagen, die auf die Tafel niedergeschrieben worden sind oder von der Wand, die mithilfe eines Overhead-Projektor auf dieser projiziert wurden (vgl. Hanser/Mayor 1994, S. 133). Die Frage, die sich hier stellt, ist, was wollen die Lehrkräfte mit dem reinen Abschreiben erreichen? Soll etwa damit die Schreibkompetenz gefördert werden? Eher nicht, da einerseits die geforderte Abstraktionsfähigkeit und anderseits das Hineinversetzen in die Leserperspektive beim Abschreiben an Bedeutung verloren geht respektive erst gar nicht entwickelt werden kann (vgl. Richter 2008, 14). Wie zweifelhaft der Gedanke der Förderung der Schreibkompetenz mithilfe des Abschreibens von Stichwörtern etc. ist, zeigt die Selbsteinschätzung eines Schülers:

 

‚Stichworte’ scheint zur eigenetlichen Unterrichts-Technik zu werden. Wie chaotisch diese Notizen oft sind, zeigt erst recht, wenn man damit lernen sollte, oder eine Zusammenfassung schreiben will (Lücken, Wiederholungen, keine Unterscheidung zwischen Wichtigem und Eingeschobenem). Bei solchen Gelegenheiten stelle ich dann auch einen Mangel an einschlägigen Ausdrücken, Verben, Adjektiven usw. fest, um etwas genau zu beschreiben.“ (Hanser/Mayor 1994, S. 132, H. i. O.)

 

Des Weiteren ist das selbständige Verfassen von Textteilen oder ganzen Texten als Schreibprozess festzuhalten, wobei es hier zwei Gruppen von SuS gibt, nämlich diejenigen, die regelmäßig etwas niederschreiben und die, die (fast) nie schreiben (vgl. ebd., S. 137).

 

Diese Ergebnisse werden durch die Studie[1] von Merz-Grötsch (2011) bekräftigt. Hier finden sich ähnliche Kategorisierungen, so lassen sich dort Textproduktion durch Klausuren, wie Aufsätze, Diktate, Inhaltsangaben und Interpretationen und durch die Beantwortung von Fragen aus den Schulbüchern und oder von Arbeitsblättern als Schreibprozess konstatieren (vgl. Merz-Grötsch 2001, S. 145.).

 

Aus den beiden Untersuchungen geht außerdem hervor, wie wenig Gelegenheit geboten wird, einen eigens zusammenhängenden Text zu verfassen, wie auch ein Schüler selbst bemängelt:

 

Es fällt mir auf, wie selten ich einen zusammenhängenden Text zu einem bestimmten Thema verfassen muss. Ebenfalls unter enormen Zeitdruck stehen die SuS beim Abschreiben von Stichwörtern, Textpassagen usw. (Hanser/Mayor 1994, S. 132)

 

Bestätigt wird die Selbstwahrnehmung des Schülers durch die Untersuchung von Hanser/Mayor (1994), die das Zeitdefizit und die daraus resultierende sprachliche Unfähigkeit konstatieren:

 

Was Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts aufschreiben, schreiben sie meist unter enormen Zeitdruck. Sie sollten einerseits verstehen, was die Lehrperson vorträgt, anderseits – mit leichter zeitlicher Verzögerung – Notizen so anlegen, dass diese zu Hause, beim Repetieren und beim Vorbereiten der Prüfungen, noch verständlich sind. Dass sorgfältiges Formulieren unter diesen Umständen nicht nur nicht geübt werden kann, sondern geradezu unmöglich ist, liegt auf der Hand. (Hanser/Mayor 1994, S. 133, H. i. O.)

 

1.2.1 Schülerperspektive

 

Die zu bestehende Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis führt zwangsläufig dazu, sich auf die Perspektive der SuS zu begehen. Merz-Grötsch (2011, S. 163) Studie zeigt interessanterweise die stark verbreitete Meinung der SuS, man könne das Schreiben nicht erlernen. Die Auffassung der SuS scheint durch das fehlende Bewusstsein von Strategien und Schreibübungen hervorgerufen zu sein (vgl. Richter, 2008, S. 13). So konnte der Großteil der SuS sich nicht an Methoden zur Durchführung oder Nachbereitung von Textproduktionen erinnern (vgl. Merz-Grötsch, 2001, S. 217). Folglich lernen die SuS nicht, wie sie, und vor allem, dass sie ihre Texte stets verbessern können. Thematiken der Aufsätze entsprechen kaum bis gar nicht den Interessen der SuS, weshalb auch kaum reale Schreibsituationen entstehen können (vgl. ebd.). Exemplarisch hierfür ist das Aussage eines Sechstklässlers einer Hauptschule: „Ich würde viel lieber selbst mal ein Thema vorschlagen, das wir dann im Unterricht behandeln könnten.“ (Merz-Grötsch 2001, S.69)

 

Auch der Einsatz des immer gleichen Rezipienten (Lehrer) spiegelt die höchstproblematische Situation wieder, mit der sich die SuS bei der Textproduktion auseinandersetzen müssen, vor allem dann, wenn die Lehrkraft auch noch sehr starrsinnig ist, wie folgenden Zitate bekräftigen:

 

„Man muss immer so schreiben, wie die Lehrerin das will und das ist schwer und ziemlich blöd.“; Man kann nie die eigene Meinung schreiben, muss immer denken, ob es dem L. gefällt oder nicht.“; Man muss auf die Meinung der Lehrerin achten, sich merken und dann aufschreiben.’; Schlimm, dass Gefühle im Aufsatz korrigiert werden, das ist doch Unsinn!“; In der Schule schreibt man halt was hin, ohne Gefühl und so.“ (Merz-Grötsch 2001, S. 144)

 

Hier wäre es angebracht, um das kommunikative Schreiben zu erleichtern, „dass die Kinder hier nicht nur für die (korrigierende) Lehrperson, sondern auch für die anderen Kinder oder andere Adressaten schreiben und dass ihnen das von Anfang an bewusst ist.“ (Bremerich-Vos 2009, S. 35). Erschreckend ist zudem die Tatsache, inwieweit (Ab)Schreiben als eine Art Disziplinierungsmaßnahme gesehen wird: „Beim Abschreiben ist die Klasse halt friedlicher als beim Diskutieren.“ (Merz-Grötsch 2001, S. 146) Die verfassten Texte werden „meist ausnahmslos zur Beurteilung und Bewertung der individuellen Leistung geschrieben, und nicht um Spaß am Schreiben zu haben, Neugier oder Interesse zu wecken oder die Entwicklung selbstbestimmter Arbeitsweisen zu fördern“ (Merz-Grötsch, 2001, S. 71), weshalb das Schreiben eher einen ,Ablauf’ darstellt, welcher „extrinsisch motiviert zu sein scheint.“ (Merz-Grötsch 2001, S. 70)

 

1.3 Zwischenfazit

 

Der Lehrplan zeigt auf, was die SuS an Kompetenzen zum Ende des Sekundarstufe I erworben haben sollten. Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, wie auch die Studien von Hanser/Mayor und Merz-Grötsch belegen, lässt sich jedoch nicht leugnen. Das Zeitdefizit für das Produzieren von Texten und der extrem hohe Anteil an Abschreiben sind alles andere als förderlich, um den Sprachausdruck zu verbessern. Weitere Probleme sind die unberücksichtigten Interessen der SuS und die monotone Leseradressierung, indem nur an die Lehrkraft geschrieben wird. „Schreiben als disziplinierende Maßnahme“ evoziert bei den SuS eine falsche Wahrnehmung. Es stellt sich nun die Frage, was denn von den SuS erwartet werden kann, weshalb es dienlich erscheint, einen genaueren Blick auf die Schreibentwicklung der SuS zu werfen.

 

2 Schreibentwicklungsphasen

 

Innerhalb der Schreibentwicklung ist die Schreibanziehung von Vier- und Fünfjährige zu beobachten. So versuchen die SuS, sich mit ihrer Umwelt „nach eigenen, äußerst kreativen semiotischen Prinzipien“ (Merz-Grötsch 1001, S. 70) schriftlich mitzuteilen. Die Schreibentwicklung(sphasen) soll aufzeigen, was von den SuS erwartet werden kann. Es sei aber zuvor darauf hingewiesen, dass die Altersangaben in der Realität stark variieren können und das biologische Alter nichts mit dem Schreibalter zu tun haben muss, „denn die Schreibentwicklung ist kein autonomer Reifungsprozess, sondern in hohem Maße abhängig von der unterrichtlichen Förderung und auch individuellen Umständen“ (Böttcher/Becker-Mrotzek 2009, S. 39), welcher durch externe Faktoren beeinflusst wird, wie Weinhold (2000) konstatiert: „Wie und wann sie [also die SuS] zur Äußerung kommen, hängt von vielen Umständen ab, von Schreiberfahrungen, Unterrichtskonzeptionen und Themen.“ (S. 66, E. d. V.) Ich orientiere mich jedoch an einem zu erwartenden Niveau der Schreibentwicklung, so wie es auch Becker-Mrotzek/Böttcher (2006, S. 66-75; 2009, 40-45) und Richter (2008, S. 31ff.) tun.

 

2.1 Startphase: Erste Schreibversuche (ca. 5-7 Jahre)

 

Die Startphase in etwa gleichzusetzten mit dem Beginn der Schullaufbahn der SuS. Hier kommen die SuS – sofern vorschulische Schrifterfahrungen unberücksichtigt bleiben – zum ersten Mal mit der Schrift und dem Schreiben in Kontakt (vgl. Becker-Mrotzek 1997, S. 41). „Es geht nicht nur um den Erwerb einer neuen Fähigkeit, sondern um die Teilhabe an der literalen Kultur überhaupt […].“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 66; 2009, S. 40) Erkennbar ist die assoziative und expressive Art und Weise, in der die produzierten Texte kommuniziert werden. Die Niederschrift der SuS ist stark von der Mündlichkeit geprägt (vgl. Becker-Mrotzek 1997, S. 41). Verfasst wird das, was den SuS einfällt, ohne dabei auf die Reihenfolge ihres Geschriebenes zu achten; dies geschieht so lange bis sie keinen weiteren Einfall haben oder die Begeisterung zum Thema abnimmt. Die Folge sind inhaltliche Brüche, die für den Rezipienten eventuell nicht logisch nachvollziehbar sind (vgl. Baurmann/Pohl 2009, S. 81). Die SuS stehen hierbei im Mittelpunkt und die Rolle des Rezipienten ist – wenn überhaupt – peripher. Im Text wird weitgehend auf „strukturierenden Hilfen für den Leser“ (Becker-Mrotzek/ Böttcher 2006, S. 66) verzichtet. Ebenfalls verzichten die SuS auf eine „systematische Überarbeitung“, da ihnen die Differenzierung „zwischen Konzepten, Notizen, Entwürfen und fertigem Text“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 67f.; 2009, S. 41) nicht publik sind.

 

2.2 Ausbauphase 1: Orientierung am Erlebtem (ca. 7-10 Jahre)

 

Die erste Ausbauphase lehnt sich stark an der Startphase, sprich, die SuS verfassen aus einer „subjektiven Erlebnisperspektive“ und dabei bedienen sie sich „bekannter Frames und Scripts (Richter 2008, S. 32), wobei Frames unser „deklaratives Wissen in Netzwerken und begrifflichen Strukturen“ ordnen und „Scripts haben es dagegen mit mit einem Wissen über typische Handlungsabläufe zu tun“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 68; 2009, S. 42). Das bedeutet, Frames geben uns Auskunft darüber, was ein Auto, ein Stuhl oder ein Hund ist, sozusagen helfen sie uns dabei unsere Umwelt zu verstehen. Scripts hingegen sagen uns, inwiefern ein Abendessen mit der Familie, das Weihnachtsfest oder ein Besuch in einem Lokal verlaufen wird. Frames und Scripts unterstützen uns dabei, Wahrnehmungen – auch wenn sie etwas Unvollständiges oder Neues beinhalten – zu verstehen“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 68; 2009, S. 42.), was auch bei den ersten Schreibanfängen zu erkennen ist. So nutzen die SuS die ihnen bekannte mündliche Gesprächsform (Erzählen), um sich schriftlich (chronologisch) mitzuteilen. So hilft „[ihnen das] darin enthaltene Geschichtenschema als vorstrukturierte Folge von Ereignissen […]“ (ebd., S. 68f.; 42, E. d. V.), um selbst Geschichten, die sie erlebt oder erfunden haben, niederzuschreiben. Durch die Aneinanderreihung von Ereignissen folgt eine gewisse Textkohärenz, „ohne dass die Schreiber die sprachliche Form reflektieren oder gar einen Leser ins Auge fassen müssten“ (ebd. S. 70; S. 44). Für die SuS, die weder die Proposition noch die Illokution kreieren müssen, kann dies eine kognitive Entlastung darstellen (vgl. ebd., S. 70; 44). Aufgrund dieser Entlastung greifen SuS auch im Laufe der Sekundarstufe I immer wieder auf diese Schreibstrategie zurück, besonders dann, wenn der Schreibprozess höhere und zusätzliche Anforderungen stellt (vgl. ebd., S, 70; S. 44). Es sei jedoch zu erwähnen, neben der kognitiven Entlastung entsteht bei den SuS auch eine kognitive Herausforderung, da sie ihren Text normorientiert[2] verfassen (sollen), so wird beispielsweise auf die korrekte Orthografie und oder Interpunktion geachtet (vgl. Späker 2013, S. 19f.)

 

2.3 Ausbauphase 2: Orientierung am der Sache und an den Leser (ca. 10-14 Jahre)

 

Innerhalb der zweiten Ausbauphase spielen externe Faktoren, wie etwa der Unterricht selbst, die Wahl der Schreibaufgabe(n) und die Textart(en), bei der Schreibentwicklung eine enorme Rolle (vgl. Becker-Mrotzek 2006, S, 70). Dazu kommt viel neuartiges Wissen über die Sprache (insbesondere Grammatik und sprachliche und stilistische Mittel), was die SuS für sich entdecken, um es in ihren Texten einzubringen. Auffallend in dem Entwicklungsniveau ist die Verwendung der „neu erworbenen Mittel“ im morpho-syntaktischen Bereich, welche „zunächst über die Konventionen“ (ebd., S. 72) hinaus genutzt werden. Grund hierfür scheint die Einübung der neu dazugewonnenen sprachlichen und stilistischen Mittel zu sein (vgl. Becker-Mrotzek 2006, S, 72). Eine Struktur innerhalb des Textes ist ebenfalls zu bemerken. Hierbei greifen die SuS auf ihr „eigenes thematisches Wissen“ (Richter 2008, S. 32) zurück. Verfasst wird der Text auch nicht mehr primär aus der „subjektive erlebnisorientierte Perspektive“, sondern „die Logik der Sache selbst“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2009, S. 44) dominiert, was sich beispielsweise sprachlich durch die „direkten Leseradressierungen (,Sie müssen den Knopf drücken’)“ (ebd., S. 44, H. i. O.) zeigt. Der Rezipient wird nunmehr berücksichtigt (vgl. Richter 2008, S. 33) respektive die integrierende Fähigkeit der „Sozial Cognition (Bereiter 1980, S. 84), um einen Perspektivenwechsel von Schreiber zu Leser zu gewährleisten, wird aufgebaut. Merz-Grötsch (2005, S. 132 u. S. 269) spricht hier auch vom Überwinden der Egozentrik, um die Fähigkeit der soziale Kognition zu entwickeln und einen „Perspektivenwechsel“ durchzuführen. Sieber (2003, S. 217) konstatiert: „Es wird für einen oder mehrere tatsächliche oder vorgestellte Adressaten geschrieben, indem die Perspektive des Lesers [...] eingenommen und seine Bedürfnisse antizipiert werden.“ Becker-Mrotzek/Böttcher (2006, S. 73) halten zudem fest, SuS nutzen ihr Wissen über Textmuster: „Textmuster werden zunehmen für die globale Strukturierung und einzelne Formulierungen genutzt.“ Dennoch sei darauf hingewiesen, dass sich die Forscher bisweilen uneinig darüber sind, „welche Faktoren dazu führen, wann und wie Schreiber die Textmuster einsetzen“ (Richter 2008, S. 33). Konvergent ist man sich jedoch, inwiefern Textartenwissen beim Schreiben helfen kann: „Es stellt Strukturierungs- und Formulierungshilfen bereit und entlastet so den Schreibprozess.“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006 S. 73; 2009, S. 45)

 

2.4 Ausbauphase 3: Literale Orientierung (ca. ab der Adoleszenz)

 

Charakteristisch für die dritte Ausbauphase ist ihre „Optionalität“ Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 74), da sie nicht von allen SuS erreicht wird. Dies liegt zum einen an die Förderung und zum anderen an die Motivation der SuS, sprich, nur, wenn die SuS entsprechend gefordert sind und gefördert werden, können sie die Kompetenzstufe ausbilden (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 74). Somit ist sie, die Ausbauphase 3, „weniger das Resultat der Entwicklungslogik als vielmehr eines Entwicklungserfordernisses.“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 74) Auch Merz-Grötsch (2005, S. 135f.) verweist auf Studien von Hartmann/Blatt (1990, S. 47-54; 1990, S. 60), die aufzeigen, dass viele SuS nicht einmal in der Lage sind leserbezogen zu schreiben, geschweige denn die nächsthöheren Kompetenzstufen zu erreichen. Besonders der Institution Schule, die es nicht schafft, genügend Schreibanlässe zu kreieren, um die Schreibkompetenz der SuS zu fördern, kann Schuld zugeschrieben werden. Kennzeichnend ist die Phase zudem für ihren vollständigen Erwerb der literalen Kompetenz, sprich, die SuS „erwerben nun die Fähigkeit, ganz und gar im Medium der Schriftlichkeit zu agieren. (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 73; 2009, S. 45) Generell kann somit davon ausgegangen werden, SuS stellen einen Sachverhalt einem unbekannten, generalisierten Leser dar. Durch das erlernte Wissen können sich die SuS auf die Erwartungen des Rezipienten einlassen, indem sie sich selbst als solchen wahrnehmen, was jedoch nur gelingt, wenn sie eine Art „Critical Judgement“ (Bereiter 1980, S. 87) ausbilden, sozusagen eine kritische literarischer als auch in logischer Urteilsfähigkeit entwickelt haben. Baurmann/Ludwig (1990, S. 20, H. i. O.) kommen jedoch zum theoretischen Ergebnis „[…] daß Schüler zu einer solchen Art von ,Perspektivenwechsel’ etwa ab dem 5. Schuljahr in der Lage sind.“ Die Praxis zeigt jedoch, wie weit sie SuS von dem „Perspektivenwechsel“ entfernt sind, so „zeigen zahlreiche Versuche, Bilderfolgen in kontextbezogenen Erzählungen umzuformen, mit welchen Schwierigkeiten viele Schüler noch in diesem Alter zu kämpfen haben und wie weit sie vom kommunikativen Schreiben entfernt sind.“ Merz-Grötsch (2005, S. 135) projiziert dieses Ergebnis auch auf die älteren SuS (Studierende inklusive), da auch sie „oft nicht in der Lage sind, den potentiellen Leser beim Schreibprozess zu berücksichtigen.“

 

2.5 Zwischenfazit

 

Der geschilderte Entwicklungsverlauf darf nicht als Norm missverstanden werden. Gründe hierfür sind zum einen die Relevanz des Schreibunterrichtes bei der Schreibentwicklung und zum anderen die auftretenden Varianzen, insbesondere in der mittleren Entwicklungsphase (Ausbauphase 2). Die Schreibkompetenz ist auch keinen Stufen untergeordnet, somit verläuft sie nicht geradlinig, sondern muss vielmehr als paralleler, mehrdimensionaler Prozess verstanden werden. So nutzen SuS Umwege, um die Zielkompetenz zu erreichen, indem sie auf „bekannte, aber unzulängliche Strategien“ zurückgreifen „oder indem neuen Mittel und Formen überdehnt werden.“ (Becker-Mrotzek/Böttcher 2006, S. 74) Da das biologische Alter nicht mit der Entwicklung der Schreibkompetenz einhergeht, ist es im Unterricht zwingend erforderlich zu lesen und zu schreiben, um den gegenwärtigen Zustand zu steigern. Des Weiteren ist der Schreibvorgang ein hochkomplexer Vorgang, der weit über die graphomotorischen Kompetenzen hinausgeht und als solcher zu verstehen ist, der „nie wirklich abgeschlossen ist und somit eine lebenslange Weiterentwicklung bedeutet.“ (Späker 2013, S. 25).

 

Zu konstatieren ist generell, dass die SuS vom anfänglichen assoziativen Schreiben, hin zu einem inhaltlichen strukturierten Text gelangen. Des Weiteren extensiviert sich die Distanz zum Text, um so auf den Rezipienten einzugehen. Eine zentrale Rolle in der Schreibentwicklung spielt außerdem die Textsorten, weswegen nun in (3) auf diese in stark komprimierter Form eingegangen wird.

 

3 Textsorten

 

Das Wissen über Textsorten wird weitgehend in den Schreibentwicklungsmodellen außer Acht gelassen, obwohl „Kenntnis[e] von Produktkonventionen“ (Feilke 2005, S. 45) konstruktiv für die Textproduktion – vor allem beim Planen und Überarbeiten – sein können. Daher werden im Folgenden die Textsorten Erzählen (3.1.1), Berichten (3.1.2), Beschreiben (3.1.3) und Argumentieren (3.1.4) näher klassifiziert.

 

3.1 Erzählende Aufsatzformen

 

Vorrangig wird in der Institution Schule bei erzählenden Aufsatzformen zwischen Erlebnis-, Fantasie- und Nacherzählung sowie Bild(er)geschichten differenziert.[3] Auf die Unterscheidung der Erzähl-Unterarten wird jedoch nicht näher eingegangen, sondern lediglich auf das Grundmuster der Erzählung.

 

3.1.1 Erzählen

 

Aus den Entwicklungsphasen bezüglich des Schreibens konnte aufgezeigt werden, dass die Textsorte Erzählen in jungen Jahren vorwiegend behandelt und diese in der Sekundarstufe anschließend erweitert bzw. verfeinert wird. Besonders in führen Jahren lernen die SuS die Gattung des Erzählens kennen, genauer, sie nehmen durch die Mündlichkeit wahr, inwiefern etwas sprachlich wiedergegeben wird. Besonders hilfreich ist hier die Einbringung der persönlichen Erlebnisse der SuS, so kann dementsprechend ein Sachverhalt relativ ‚emotional’ (aufgrund der Betroffenheit) nach Außen kommuniziert werden (vgl. Fix 2006, S. 94). Das Strukturschemata für Erzählungen nach dem Modell von Boueke/Schülein (1998, S. 134) lässt sich in drei Hauptphasen unterteilen:

 

Orientierung:Einleitung, die neben Ort und Zeit die Aktanten beinhaltet und näher bestimmt

 

Episode(n):Hauptteil mit einer Abfolge von „Ereignis(sen), einer Handlungskomplikation mit Resultat oder einer überraschenden Wende, die in einer Auflösung mündet“ (Fix 2006, S. 95) mit Höhepunkt der Spannungskurve

 

Koda:Schlussteil mit eventueller „Evaluation des Geschehenen“ (Fix 2006, S. 95)

 

Es sei jedoch nicht obligatorisch, die „Einleitung mit klassischen Ankündigungselementen“ (ebd.) zu beginnen, da man sich auch an Kurzgeschichten orientieren könne, welche durch in media res klassifiziert sind. Es gibt somit „klare strukturelle Erwartungen an diese Textform“, doch im Fokus steht „die kommunikative Funktion des Erzählens“ (Richter 2008, S. 35), damit die SuS an die Perspektive des Rezipienten herangeführt werden können.

 

3.2 Sachliche Aufsatzformen

 

Bei sachlichen Aufsatzformen, wie es etwa der Bericht und die Beschreibung sind, so „geht es um eine informationsbezogene Darstellung eines vergangenen Ereignisses“ (Fix 2006, S. 97). Primär wichtig dabei ist, „dass der Sachverhalt den Charakter der Abgeschlossenheit hat“ (Rehbein 1984, S. 92).

 

3.2.1 Berichten

 

In der Grundschule hat das Berichten eine eher untergeordnete Rolle, wie sich aus dem Schaubild „Angeleitete Textsortenkompetenz“ von Ulrich (2001, S. 37f.) erkennen lässt, weil junge SuS Probleme mit dem Charakter der Abgeschlossenheit des Textes und der Abstraktion haben (vgl. Richter 2008, S. 36). Es geht somit primär darum, eine Erfahrung zu rekapitulieren: „Im Bericht oder in der Erzählung dagegen erfolgt die Rekapitulation im Blick auf andere oder zumindest einen anderen.“ (Ludwig/Wolf 1978, S. 17) Dabei spielt die detaillierte Charakterisierung der Akteure kaum noch eine Rolle, sondern es geht vielmehr um die Funktion dieser. Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Textsorte Berichten in der Sekundarstufe, wie auf dem Schaubild von Ulrich (2001, S. 37f.) festzuhalten ist, was auf die zunehmende Distanz zum Geschehen als auch auf die Berücksichtigung des Rezipienten zurückzuführen ist (vgl. Richter 2008, S. 36).

 

Versucht man nun den Bericht von der Erzählung zu unterscheiden, so kann (vorsichtig ausgedrückt) davon ausgegangen werden, dass die Erzählung eher durch Subjektivität und der Bericht eher durch Objektivität (durch Sachlichkeit) gekennzeichnet ist. Oder wie Fix (2006, S. 97) schreibt: „Bei der Lektüre einer Erzählung wird man eine subjektive Färbung als normal akzeptieren, während das Berichten eine Erwartung nach einer sachbezogenen Darstellung auslöst.“

 

3.2.2 Beschreiben

 

Im Gegensatz zum Bericht, der zumeist „ein singuläres Ereignis wiedergibt“, kann der Beschreibung ein „präsentischen und allgemeingültiger Gestus“ (Fix 2006, S. 99), zugeschrieben werden. So ist syntaktisch eine Zunahme von Attributen und sprachlich „präzise Formulierungen, passende Verknüpfungen und angemessene, eventuell fachsprachliche Wörter“ (ebd.) festzuhalten. Ein weiterer Unterscheid zum Bericht scheint die Struktur zu ein. So ist es essentiell, eine Vorgangsbeschreibung, wie es vor allem in jungen Schreibjahren der Fall ist, zu strukturieren, sprich, die Vorgänge müssen in chronologischer Reihenfolge geschildert werden, um überhaupt das Resultat zu gewährleisten. Anders ausgedrückt: Die jungen SuS berücksichtigen „den funktionalen Gesichtspunkt dieser Textsorte.“ (Richter 2008, S. 37) Hinzu kommt die antizipierende Perspektive des Rezipienten, weshalb im Laufe der Schreibentwicklung „an einen abstrakten generalisierten Adressaten“ (Richter 2008, S. 37) geschrieben werden kann.

 

3.3 Argumentierende Kommunikations- und Ausdrucksformen

 

Argumentierende Kommunikations- und Ausdrucksformen sollen Probleme erfassen und abwägen. Dazu dienen sich Diskussion, Debatten und Streitgespräche. In der Schule wird von den SuS außerdem eine schriftlich begründete Stellungnahme mittels einer Argumentation erwartet.

 

3.3.1 Argumentation

 

Die Argumentation stellt untern den Textsorten die anspruchsvollste Produktion von Texten dar. So findet sie sich in den Bildungsstandard, meist unter den Namen „Erörterung“, erst im Sekundarbereich wieder. Die Plausibilität ist hier von enormer Relevanz, da es darum geht „den Leser von einem bestimmten Standpunkt zu überzeugen“ (Richter 2008, S. 38). Dies gelingt mithilfe von „Fakten, Autoritäten oder allgemeine[n] Normen“ (Fix 2006, S. 102, E. d. V.), „denn ohne die Angabe von Daten, auf die man sich als unmittelbare Belege für die aufgestellte These berufen muss, gibt es keine Argumentation“ (Brinker/Cölfen/Pappert 2014, S. 74). Für die SuS kommt somit die Schwierigkeit hinzu, ihren Leser von ihrer aufgestellten These, mittels der Verknüpfung mehrerer Argumente, zu persuadieren. Dazu ist es wichtig, sich die Perspektive des Rezipienten bewusst zu machen, sich in diese empathisieren und den eigens selbstproduzierten Text zu reflektieren, um eine erfolgsversprechende Argumentation zu verschriften.

 

3.4 Zwischenfazit

 

Die Textsorten bestärken, wie schon in der Schreibentwicklung festzuhalten war, dass die SuS von einem anfänglichen assoziativen Schreibstil hin zu einem strukturierten und an einem generalisierten Rezipienten niedergeschriebenen Text gelangen. So ist es nachvollziehbar, weshalb zu Anfang der Schullaufbahn auf die Textsorte des Erzählens besonderen Wert gelegt wird. So wird beim Erzählen auf den assoziativen Schreibstil der SuS eingegangen, während am Ende von den SuS erwartet wird, eine Distanz zum Text aufzubauen, die auch das Empathisieren des Rezipienten beinhaltet. Ohne nun auf didaktische Methoden einzugehen, wie es u. a. Richter (2008) und Becker-Mrotzek (2005) tun, sei hier zu erwähnen, dass die Lehrkräfte zum einen Transparenz über die Schreibfunktion(en) der jeweiligen Textform(en) schaffen (müssen) und zum anderen die Lebenswelt respektive die Interessen der SuS bei der Gestaltung einer Aufsatzthematik miteinbeziehen.

 

Fazit

Zu Anfang der Arbeit wurde die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis aufgezeigt. So sind die Bildungsstandards nicht mit dem homogen, was vor Ort in der Schule geschieht. Dies wurde besonders durch die Studien von Merz-Grötsch und Mayor bekräftigt. Die Schülerperspektive gab einen Einblick, woran es liegen könnte, dass die SuS den curricularen (Schreib)Anforderungen nicht gerecht werden. So lassen sich u. a. Zeitdefizit, ein zu hoher Anteil an Abschreibprozessen, unberücksichtigte Schülerinteressen und eine monotone Leseradressierung festhalten, die alles andere als produktiv für die Textproduktion sind.

Im Kernteil der Arbeit wurde auf den Schreibentwicklungsverlauf der SuS eingegangen. Hier konnte aufgezeigt werden, dass das Schreiben schon früh eine Anziehungskraft auf die SuS hat. Die Schreibentwicklungsphasen gehen mit den curricularen Textformen einher. So wird zu Beginn der Primarstufe, mithilfe der Textform Erzählen, auf die Bedürfnisse der SuS eingegangen, um so zunächst ihre Mündlichkeit in einem assoziativen und expressiven Text zu verschriften. Im weiteren Verlauf wird die subjektive (Erzähl)Ebene mehr und mehr verlassen. Das bedeutet: die Distanz zum Text vergrößert sich und die Logik der Sache steht im Vordergrund, um so einen Perspektivenwechsel in Richtung Rezipienten hervorzurufen. Des Weiteren lernen die SuS viel Neues über die Sprache selbst kennen, sprich, die erworbenen sprachlichen als auch stilistischen Mittel werden für die Textproduktion nunmehr verwendet. Die Berücksichtigung des Rezipienten erscheint hierbei als größte Herausforderung, da die wenigsten SuS adressatenbezogen schreiben können, was vor allem der monotonen Leseradressierung sowie der Intransparenz der einzelne Schreibfunktionen und der ungenügenden Schreibanlässen geschuldet ist. Hieraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Die Institution Schule und die Lehrkräfte sind dazu verpflichtet, die Schreibkompetenz der SuS zu fördern. Ohne nun auf didaktische Umsetzungsmöglichkeiten – was sicherlich für einen weitere Arbeit interessant wäre – einzugehen, geschieht dies am ehesten, wenn die SuS motiviert werden, was mittels der Berücksichtigung der Schülerinteressen gelingt. Um seine Schreibfähigkeiten stets zu verfeinern bedarf es zudem viele Schreibanlässe an heterogene Rezipienten.

Literaturverzeichnis

 

Baurmann, J./Ludwig, O. (1990): Die Erörterung – oder: ein Problem schreibend erörtern? Versuch einer Neubestimmung. In: Praxis Deutsch 17, Heft 99, S. 16-25.

 

Baurmann, J./Pohl, T. (2009): Schreiben – Texte verfassen. In: Bildungsstandards für die Grundschule. Deutsch konkret. Hrsg. v. Albert Bremrich-Vos, Dietlinde Granzer, Ulrike Behrens & Olaf Köller. Berlin: Cornelsen. S. 75-103.

 

Becker-Mrotzek, M. (2005). Das Universum der Textsorten in Schülerperspektive. Der Deutschunterricht (1), S. 68-77.

 

Becker-Mrotzek, M./Böttcher, I. (2006). Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor.

 

Becker-Mrotzek, M./Böttcher, I. (2009). Texte bearbeiten, bewerten und benoten. Schreibdidaktische Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen (4. Aufl.). Berlin: Cornelsen Scriptor.

 

Becker-Mrotzek, M. (1997): Schreibentwicklung und Textproduktion. Der Erwerb der Schreibfertigkeit am Beispiel der Bedienungsanleitung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

 

Bereiter, C. (1980): Development in Writing. In: Gregg, L. W. / Steinberg, E. R. (Hrsg.): Cognitive processes in writing. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates, S. 73-96.