Die Welt, an die wir einst glaubten - Elina Bo - E-Book

Die Welt, an die wir einst glaubten E-Book

Elina Bo

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Beschreibung

Wenn Träumen die einzige Möglichkeit ist einer Realität zu entfliehen, von der man nie geglaubt hat, dass sie einmal das eigene Leben werden kann. Dann sollte man eben genau an diesen Träumen festhalten oder nicht? Ein perfektes Leben mit einer aufregenden Zukunft. Das beschreibt Freyas Situation in Manhattan ziemlich genau. Sie lebt ein Leben, von dem jede Mitte zwanzig jährige junge Frau träumt. Ein kleines Apartment, in dem sie mit ihren zwei besten Freundinnen und ihrem Hund lebt. Ein Studienplatz an einer der renommiertesten Kunst-Unis in Manhattan. Partys. Weinabende. Warme Sommernächte mit guten Freunden. Doch das Schicksal hat eine seltsame Art einen der Realität ins Auge blicken zu lassen. Vom einen auf den anderen Tag verliert sie das Vertrauen in eine Welt, an die sie so fest geglaubt hatte. Sie wird zur Marionette ihres Schicksals. Freya muss ihr altes Leben in Manhattan hinter sich lassen. Aus Manhattan wird San Francisco. Aus Weinabenden mit Freunden werden einsame Nächte auf der Couch. Aus ihren besten Freunden wird Bobby. Ein selbstbewusster junger Polizist der Spezialeinheit, der seine Vergangenheit erfolgreich hinter sich gelassen hat. Freya passt nicht in sein Leben, doch hängen sie gezwungenermaßen aneinander. Welten kollidieren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wer rettet wen? Kann man sich selbst wiederfinden, wenn man nicht mehr weiß, wo man sich verloren hat?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4 – Bobby

Kapitel 5

Kapitel 6 – Bobby

Kapitel 7

Kapitel 8 – Bobby

Kapitel 9

Bobby

Freya

Bobby

Kapitel 10 – Bobby

Freya

Bobby

Freya

Kapitel 11 – Bobby

Freya

Bobby

Freya

Kapitel 12 – Bobby

Freya

Bobby

Kapitel 13

Bobby

Freya

Bobby

Kapitel 14 – Bobby

Freya

Kapitel 15

Kapitel 16 – Bobby

Kapitel 17

Bobby

Freya

Kapitel 18

Bobby

Freya

Kapitel 19

Bobby

Freya

Kapitel 20

Kapitel 1

Ich hörte Lynn hinter mir lauthals mit einigen unserer Kommilitonen reden. Sie klang fröhlich. Obwohl das nichts Außergewöhnliches bei ihr war. Lynn war schon immer ein strahlendes Mädchen gewesen und jetzt, wo ich sie so aus der Entfernung betrachtete, stellte ich fest, dass sie eine strahlende, wunderschöne, junge Frau geworden war. Sie besaß die perfekten Maße und ihre langen blonden Haare schmeichelten ihrem engelshaften Gesicht. Sie war eitel, sehr sogar. Die täglichen Streitigkeiten um die Zeit im Bad würde ich niemals vermissen. Aber es machte sich bei ihr auf jeden Fall bezahlt. Sie wurde von den Männern auf dem Campus nur so angehimmelt und wenn wir gemeinsam ausgingen, kam Lynn nur gelegentlich mal alleine nach Hause.

Um es nicht zu übertreiben, aber nennen wir es mal so, ihre Selbstfindungsphase dauerte noch immer an. Sie war jetzt 24 und ein Ende war noch nicht in Sicht.

‚Ach was solls‘, dachte ich, sie war glücklich und blühte nur so vor Glückseligkeit.

Das war es doch was zählte, nicht wahr? Lynn studierte mit mir gemeinsam englische Literatur und Kunst, wobei unsere Beweggründe unterschiedlicher nicht hätten sein können. Ich tat es, weil mir die Fotografie lag und ich mit meiner Leidenschaft später Geld verdienen wollte. Tja und die englische Literatur studierte ich aus den Gründen, aus denen es vermutlich viele taten. Jane Austen. Ich sah meine Welt durch ihre Augen. Romantisch und voller Hoffnung in ein immer besser werdendes Leben. Sie hatte mich mit meinem ersten Buch verzaubert und ich wollte dieses Gefühl, das ich beim Lesen ihrer Werke hatte, für immer in mir tragen. Kitschig, aber ich habe gelernt meinem Gefühl zu folgen. Lynn studierte es meinetwegen. Wir kannten uns von dem Moment an, als wir laufen konnten und so teilten wir alles. Unsere Betten, unsere Schulzeit, unsere Pausenbrote und irgendwann wurde es eben auch die Wohnung und der Studiengang.

Wer weiß, wann das einmal enden würde. Hoffentlich nie. Sie war ein Teil von mir und meinem Leben geworden, genauso wie ich eines von ihrem war.

Lynn drehte sich zu mir um und ihr Lächeln wurde nur noch breiter, als sie mich sah.

„Hey Freya, wir haben es geschafft! Wir haben die letzten Prüfungen in diesem Semester endlich hinter uns gebracht.“

Mit diesen Worten und einem lauten Quietschen in ihrer Stimme umarmte sie mich stürmisch. Fast so als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen. Ich liebte sie dafür. Für ihre Art mir zu zeigen wie wichtig ich war und wie sehr sie mich mochte.

„Ach komm schon du Schmollbraten, darauf trinken wir heute Abend im Beths´ einen. Wir waren seit einer Woche nicht mehr aus und außerdem sollten die scharfen Jungs vom Revier deines Vaters kommen. Heute ist schließlich Freitag.“

Sie zwinkerte mir zu nachdem sie ihr letztes Wort ausgesprochen hatte und sah mich erwartungsvoll an. War ja klar, dass sie wieder daran denken musste. Ich neigte den Kopf ein wenig und versuchte meine, von ihr zerwühlten Haare wieder in Ordnung zu bringen. Ich lächelte sie schief an und was hätte ich denn sagen sollen…

„Natürlich, darauf wird angestoßen. Hast du Kati schon gesehen? Wir wollten doch gemeinsam nach Hause fahren“, fragte ich sie.

Und ich freute mich tatsächlich sehr auf unseren gemeinsamen Abend im Beths´. Wir standen nebeneinander vor dem Campustor des Marymount Manhattan College und warteten darauf, dass Kati endlich zu uns stieß. Sie war insgesamt etwas, naja nennen wir es langsamer. Wenn man auf jemanden warten musste, dann war es stets Kati. Wir hielten Ausschau nach ihr, sie war schließlich nicht so leicht zu übersehen. Sie war die kleinste von uns Dreien und auch ihr Kleidungsstil stach in einer Menge von 1000 Menschen hervor. Sie kleidete sich wie immer sie es mochte, ohne auf die Blicke oder Kommentare Anderer zu hören oder sie auch nur zu bedenken. Ich sah sie bereits, als sie aus dem Hauptgebäude des Colleges kam. Sie hatte ihre blonden kurzen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Es stand ihr, sie sah gut aus. Wenn sie sich bewegte, sah es so aus, als würde sie tänzelnd durch die Gegend laufen. Sie trug einen schwarzen Rock, der gerade lang genug war, um ihren Po zu bedecken, darüber trug sie ein beiges oversized T-Shirt mit der Aufschrift „Nope. Not today.“ Es stand ihr, aber man konnte es drehen und wenden wie man wollte, es passte nicht zusammen. Eine Mischung aus sexy und naja ich wusste nicht mal zu welchem Kleidungsstil ihr T-Shirt zählte.

„Komm schon Kati, wir müssen uns schließlich noch für heute Abend fertig machen. Du Lahmarsch“, rief Lynn neben mir mit einem Lachen in ihrer Stimme.

Ich musste schmunzeln, atmete noch einmal tief ein und genoss den leichten Wind und die wärmende Sonne auf meinen freien Schultern. Ich zuppelte noch schnell an meinem Kleid, das vom Wind ein wenig unvorteilhaft lag, bevor Kati bei uns ankam und Lynn mich erneut in eine ihrer stürmischen Umarmungen drängte. Sie freute sich, da konnte man sich nur mitfreuen. Wieder einmal konnte ich meine braunen schulterlangen Haare richten.

„Kommt Mädels, auf geht’s nach Hause. Ich muss noch mit Bowie raus bevor wir uns fertig machen“, sagte ich, während ich meinen Autoschlüssel in die Luft hielt.

„Ich fahre“, rief Lynn und schnappte sich den Schlüssel bevor ich auch nur die geringste Chance hatte zu reagieren.

„Ich muss die alte Möhre schließlich noch ausnutzen, solange bis sie den Geist aufgibt. Kann ja nicht mehr allzu lange dauern“, schob sie noch schmunzelnd hinterher.

Kati erwiderte den Spruch mit einem süßen Lächeln. Elegant drehte sie sich um und wir gingen in Richtung des Parkplatzes wo mein Auto stand. Sie hatte recht, es war eine „alte Möhre“. Ein hellgrüner VW Golf, der nur so von Rostflecken übersäht war. Jedes Mal, wenn ich mit ihm fuhr hatte ich das Gefühl es sei das letzte Mal. Doch er ist mir bis heute stets treu geblieben. Es war noch immer mein erstes eigenes Auto, welches mir mein Vater geschenkt hatte, als ich 18 Jahre alt wurde. Ich konnte mir momentan einfach kein neues Auto leisten, was mich offensichtlich jedoch weniger störte als Lynn und Kati.

Auf dem Weg zum Auto brabbelte Lynn nur so vor sich hin. Hauptsächlich war jedoch die Garderobe von heute Abend das Thema. Ich musste gestehen, dass ich mein Outfit für heute Abend auch schon im Kopf zurechtgelegt hatte. Auch Kati überlegte laut, was sie tragen würde und so wuchs unsere Vorfreude auf die Semesterferien und unsere damit verbundene Freiheit und gemeinsame Zeit.

„Dann wollen wir doch mal sehen, ob Frank heute anspringt und wie weit er uns bringen wird“, gab Lynn frech von sich.

Frank nannte sie liebevoll meine „alte Möhre“. Den Namen hat er wohl von einem von Lynns Exfreunden, den sie immer als eingerostet und nicht mehr zu gebrauchen betitelte. Er sprang wie immer zuverlässig an und wir begaben uns in den Tumult der Straßen von Manhattan.

Es lief ‚Ain´t No Mountain High Enough‘ von Marvin Gaye im Radio und wir sangen lauthals bei offenem Seitenfenster mit. Es war ein schöner Tag. Einer von denen an welchem ich mein Glück kaum fassen konnte und ich glaube es ging den beiden genauso wie mir. Wir fuhren auf der 5th Avenue am Central Park vorbei. Es war viel los auf den Straßen, sodass wir nur langsam vorankamen. Die Tatsache, dass es draußen 32 Grad Celsius waren und meine Klimaanlage vor geraumer Zeit versagt hatte, machte die Fahrt nicht unbedingt angenehmer. Nach guten 20 Minuten kamen wir bei unserem Appartement an. Ich hörte Bowie, meinen Altdeutschen Schäferhund schon kläffen, da bin ich noch nicht einmal von der engen Rücksitzbank ausgestiegen. Er erkannte das Motorengeräusch von Weitem. Er freute sich immer wieder, uns nach der Uni im Appartement begrüßen zu dürfen. Ja seine Freude ist beinahe mit der von Lynn zu vergleichen, wobei Lynn mit Abstand den Platz des Spitzenreiters für sich beanspruchte.

„Kati, kannst du mir eben noch helfen meine Bücher aus dem Kofferraum mit hochzutragen? Die werden nur noch nass beim nächsten Regen“, fragte ich, während ich den klapprigen Kofferraum öffnete.

„Klar. Moment“, antwortete sie und nahm mir meine Bücher ab.

Lynn war schon längst durch unsere Haustür ins Innere des alten Gemäuers verschwunden, als Kati mich fragte, ob ich wisse, dass Lynn mit einem aus unserem Literaturkurs etwas am laufen hätte. Ich verneinte ihre Frage, obwohl ich genau wusste, dass sich zwischen Lynn und Peter etwas anbahnte. Aber sie würde es Kati sowieso heute Abend erzählen, da musste sie es nicht von mir erfahren.

80, 81, 82… 90 zählte ich im Kopf mit und wunderte mich, dass ich trotz der schweren Last der Bücher nicht außer Atem war, als ich im vierten Stock an unserer Appartementtür angekommen war. Kati machte eine Pause im zweiten Stock des Treppenhauses. Das tat sie immer. Sie war nicht sonderlich sportlich. Manchmal leistete ich ihr zu liebe Gesellschaft, doch heute musste ich mich ein wenig beeilen. Bowie war acht Stunden alleine gewesen und ich wusste, wie sehr er sich auf einen Spaziergang durch den Central Park freuen würde.

„Du Arsch, hättest wenigstens ein bisschen langsamer laufen können, dann käme ich mir nicht allzu unsportlich vor“, sagte Kati keuchend, als sie in die Wohnung kam.

Ich drehte mich um, lächelte ihr zu und sagte:

„Komm doch mit mir und Bowie eine Runde laufen. Aller Anfang ist schwer.“

„Ohhh nein, hab ich mich einmal auf einen Lebensstil festgelegt, dann zieh ich den auch durch. Außerdem hast du mal auf das Thermometer geschaut? Du hast sie ja wohl nicht mehr alle“, antwortete mir Kati augenrollend, während sie sich provokant den letzten Schokoriegel aus dem Kühlschrank in den Mund steckte.

„Danke übrigens, dass du mal wieder einkaufen warst“, warf sie mir noch hinterher.

„Kein Problem, bei eurem Essverhalten könnte ich jeden Tag gehen“, sagte ich.

Sie warf mir, immer noch den Schokoriegel kauend, einen umwerfenden Blick zu und verschwand in ihrem Zimmer. Ich tat es ihr gleich und zog meine Sportsachen über. Als ich an mir hinuntersah, stellte ich fest, dass meine Laufschuhe zur Abwechslung mal eine Wäsche vertragen konnten. Und mal ganz davon abgesehen, der Rest auch. Ich schmunzelte, als ich Bowie sah, der meine Gedanken mit einem Bellen quittierte.

„Ich komm ja schon mein Junge“, sagte ich zu ihm und zupfte sanft an seinen langen Haaren am Ohr.

Ich zog ihm sein Halsband an, schnappte mir seine Leine und ging zur Tür des Appartements. Bowie konnte kaum still sitzen bleiben vor Aufregung, er wusste allerdings, dass ich vorher nicht die Tür öffnen würde. Ich sah ihn an und er starrte zurück. Mit einem leichten Winseln ließ er sich schließlich zu Boden sinken.

Dieser Hund war mein Ein und Alles. Seit fünf Jahre war er nun bei mir und er wich mir niemals von der Seite. Verträumt sah ich ihn an, doch er holte mich durch ein weiteres Winseln aus dem Träumen heraus.

„Ciao Mädels, wartet auf uns mit dem Fertigmachen“, rief ich noch in die Wohnung und ging mit Bowie durch das Treppenhaus auf die Straße.

Er ging brav am linken Bein. Ich blickte zum Himmel und konnte keine einzige Wolke feststellen. Es war wirklich heiß heute, sodass wir keine große Runde laufen gehen konnten. Wir überquerten die 5th Avenue und liefen in den Central Park. Der leichte Wind war angenehm, man sollte die Sonne hier in New York dennoch nicht unterschätzen. Wir liefen 5 km, bis wir an einer Wiese ankamen, auf der die Leute ihre Hunde umhertollen ließen. Ich ließ Bowie mit den Worten:

„Geh spielen Bo“ von der Leine und sah ihm hinterher, wie er sich in das Getümmel von anderen Hunden mischte.

Ich setzte mich auf eine Parkbank und sah dem spielenden und glücklich wirkenden Bowie zu, wie er sich immer wieder zu mir umdrehte, um sicherzugehen, dass ich auch nicht fortging. Auf der Bank rechts von mir saß ein junger Mann, vielleicht Anfang 30, genau konnte ich es nicht einschätzen. Er las ein Buch und kaute dabei auf seiner Lippe. Es machte den Anschein, als würde er Träumen, als wenn er gar nicht lesen würde, sondern das Buch lediglich zur Tarnung benutzte. Mit geneigtem Kopf sah ich ihm dabei zu und ärgerte mich, dass ich meine Kamera zu Hause gelassen hatte. Ich hätte diesen Moment, dieses friedlich wirkenden Mannes, so gerne festgehalten. Er schien nicht zu bemerken, dass ich ihm zusah.

Etwas Feuchtes auf meiner Hand ließ mich wieder ins Hier und Jetzt zurückkommen. Ich erschrak, bis ich bemerkte, dass es Bowie war, der meine schwitzigen Finger abschleckte. Ich wuschelte ihm über den Kopf und verstand dies als Aufforderung nach Hause zu gehen. Als ich mich von der Bank erhob, sah ich aus dem Augenwinkel, dass nun der Mann MICH beobachtete.

„Ein schöner Hund“, sagte er zu mir, während er seine Hand nach Bowie ausstreckte.

„Wie ist sein Name?“

„Bowie, vielen Dank“, gab ich knapp zurück.

Er sah gut aus. Sehr gut sogar. Ich hatte die dumme Angewohnheit unsicher zu werden, wenn ich in der Gegenwart von schönen Menschen war. Absurd, ich weiß. Ich zog meinen Pferdeschwanz nochmal fest, nahm Bowie an die Leine und verabschiedete mich von dem schönen Mann.

„Viel Spaß noch, man sieht sich bestimmt nochmal“, sagte er zum Abschied.

‚Süße Vorstellung‘, dachte ich.

New York ist riesig, da war es eher unwahrscheinlich, dass man sich nochmal über den Weg lief und falls doch, dann wäre die erste Begegnung bereits in den Tiefen der Erinnerung verschwunden, sodass man diese Person niemals mehr mit den gesagten Worten in Verbindung bringen könnte. Dann lief ich mit Bowie in Richtung nach Hause.

‚Ach Freya, was bist du nur manchmal für ein unbeholfenes Kind.‘

Ich war 24 Jahre alt. Eigentlich alt genug, nicht wahr? Doch ein einfaches Gespräch mit einem Fremden bekam ich nicht auf die Kette.

Ich selbst empfand mich immer als durchschnittlich, kaum auffallend. Ich hatte braune mittellange Haare, ja ich hatte eine sportliche Figur, aber mir würden einige Dinge einfallen, die ich verbessern würde. Ich erhellte den Raum nicht wie Lynn, sobald ich ihn betrat. Ich musste immer erstmal warm mit meiner Umgebung und den Menschen werden. In Lynns und Katis Gegenwart steigerte sich mein Selbstbewusstsein um ein Vielfaches. Das lag vermutlich an deren Angewohnheit, mich ihren Freunden immer zuerst vorzustellen und mich in den Himmel zu preisen. Bowie blieb stehen und erst dann bemerkte ich, dass wir uns der 5th Avenue schon annäherten.

„Danke mein Bester“, sagte ich zu ihm, „gleich haben wir es geschafft.“

Ich fühlte mich etwas schummrig, was vermutlich an der Hitze lag. Umso erfreuter war ich, als ich die Tür zum Treppenhaus aufschloss und mir eine kühle Brise entgegenkam. Ich atmete auf und lief die 90 Stufen hoch zu unserem Appartement. Jeder Treppengang war in unserem Fall ein Training für sich. Lynn hielt mir sogleich ein kaltes Glas Wasser und für Bowie ein Leckerchen entgegen.

„Du siehst geschafft aus. Sieh zu, dass sich das in zwei Stunden geändert hat“, sagte sie mit einem Lächeln und ihren bereits salonfertigen Haaren.

„Lynn das ist nicht dein Ernst, ich habe gesagt ihr sollt auf mich warten mit dem Fertigmachen“, sagte ich in einem tatsächlich genervten Ton.

„Du warst über eine Stunde weg und außerdem habe ich dann mehr Zeit mich mit deiner Frisur zu beschäftigen“, gab sie wieder, während sie mir durch die verschwitzen Haare ging und ein Gesicht zog, als wollte sie sagen ‚Da ist alles verloren‘.

Ich stieß ihre Hand von mir und wollte ins Badezimmer, um mich zu duschen. Abgeschlossen.

‚Tja so ist es wohl, wenn man mit zwei feinen Ladys in einer WG wohnt‘, dachte ich nur und beschloss, mich noch etwas auf die Couch zu setzen und Bowie zu streicheln.

Als sich die Tür des Badezimmers öffnete, kam Kati hinaus. Ihre Haare hatte sie gelockt und sie fielen sanft an ihrem runden Gesicht vorbei. Ihre Lippen waren rot angemalt und ihre Augen umschmeichelte ein dezent goldener Glitzerton.

„Wow“, bekam ich raus.

„Mach dich endlich mal fertig Freya, ich habe keine Lust wieder auf dich zu warten. Wir wollen doch pünktlich da sein, um noch einen Sitzplatz zu bekommen“, gab Kati ein wenig eingebildet, aber amüsiert von sich.

„Jemand hat das Badezimmer blockiert…“, erwiderte ich mit einem noch arroganteren Blick als den ihrem und ging ins Badezimmer.

Hatte gerade ernsthaft Kati zu mir gesagt, ich solle mich beeilen? Ich würde sie beim nächsten Mal daran erinnern, wenn Lynn und ich mal wieder bei brütender Hitze auf sie warten müssen.

Die Dusche fühlte sich wahnsinnig gut an. Ich duschte wegen der Temperaturverhältnisse kalt, was meinen Kreislauf ein wenig stärken sollte. Und genau das Gefühl hatte ich auch. Die kalten Tropfen liefen meine glatte, leicht gebräunte Haut hinunter. Ich weiß nicht genau, wie lange ich so unter der Dusche gestanden habe, ein Klingeln an der Tür riss mich jedoch aus den Gedanken. Ich stellte das Wasser ab und zog meinen Bademantel über. Ich horchte nochmal, es machte sich jedoch weder Kati noch Lynn bemerkbar. Sichtlich genervt ging ich zur Tür und öffnete mit den Worten:

„Ich laufe jetzt bestimmt nicht so herunter, nur um die Post zu holen.“

Ich erschrak, als Bowie bellte und vor mir Lucas stand.

„Mit dir… habe ich… ähm… nicht gerechnet“, sagte ich erstaunt, doch gleichzeitig erfreut.

Lucas war eigentlich mein bester Freund, wir hatten jedoch eine kleine, naja nennen wir es Pause?! Er unterbreitete mir vor einigen Wochen seine Gefühle, woraufhin ich es für besser gehalten hatte, auf Abstand zu gehen.

‚Na toll und dann steh ich jetzt so in der Tür, mit einem knappen Bademantel und nassen Haaren‘, dachte ich genervt von mir selbst.

Mir war noch kalt von der Dusche, was man an meinen erhärteten Brustwarzen, die sich unter dem Bademantel abbildeten erkennen konnte. Ich war mir sicher, das fiel nicht nur mir auf.

„Ich freue mich auch dich zu sehen“, gab Lucas amüsiert von sich und umarmte mich zur Begrüßung.

Dabei bemerkte ich, wie sein Arm ein kleines bisschen zu weit meinen Rücken hinunterrutschte. Unangenehme Situation. Ich glaube das hatte er früher schon immer getan, doch so wirklich aufgefallen war es mir erst, nachdem er mir gesagt hatte, dass er mehr für mich empfinden würde als bloße Freundschaft. Ich löste mich aus der Umarmung und entschuldigte mich nochmals für mein Auftreten.

„Du siehst gut aus Frey“, sagte Lucas leise, während er mich ernst ansah.

„Ähm, danke“, stotterte ich als Antwort und merkte, wie meine Wangen erröteten.

„Ich geh mir nur eben schnell was anziehen, dann komme ich wieder zu dir. Gehst du heute Abend mit?“, brachte ich noch heraus und dann verschwand ich schnellen Schrittes, ohne eine Antwort abzuwarten, in meinem Zimmer.

Ich atmete einmal tief ein und wieder aus.

‚Ruhig bleiben Freya‘, sagte ich zu mir selber. Ich. Bringe. Lynn. Um. Sie hatte ihn eingeladen. Ich konnte mir ihre Intention dahinter sehr wohl vorstellen. Sie war der Meinung, dass Lucas perfekt zu mir passen würde und ich mich endlich mal an einen Mann binden sollte.

Ich war aber anders. Ich liebte meine Freiheit. Ich liebte es einfach mal irgendwen zu küssen, ohne mich erklären zu müssen. Ich aß mein Frühstück morgens gerne mit den Mädels und ich duschte gerne alleine und ich ging abends gerne alleine schlafen. Nicht, dass ich die Zuneigung eines Mannes nicht manchmal vermisste, aber die ständige Aufmerksamkeit brauchte ich einfach nicht. Und schon gar nicht von Lucas. Er unterstützte mich in jeglicher Hinsicht. Ich habe von ihm tausende Fotos geschossen. An ihm hab ich das Fotografieren, meine große Leidenschaft, gelernt. Es waren atemberaubende Bilder geworden, jedes Einzelne. Aber ich empfand nun mal nicht mehr als Freundschaft für ihn. Und das sollte man nicht erklären müssen oder? Dafür durfte man nicht verurteilt werden.

Weg von den Gedanken, nahm ich meine blaue enge Jeans und ein weit ausgeschnittenes schwarzes Top mit dünnen Trägern aus meinem Schrank und zog es mir über. Ich zog meine schwarzen Sneakers an und föhnte mir meine Haare. Ohne großartig mehr mit ihnen zu machen, war ich recht zufrieden mit meiner Frisur. Meine Haare glänzten bis in die Spitzen und fielen zunächst glatt bis zu meinen Ohrläppchen hinunter, ab dort drehten sie sich gleichmäßig zu Löckchen, bis sie kurz unter den Schultern liegen blieben. Ich schminkte mich dezent, wie eigentlich immer. Ich wusste, dass Lynn mir nochmal meine Lippen nachziehen und mein Gesicht nochmal pudern würde. Aus diesem Grund hielt ich das mit dem Make-Up stets sparsam. Ich legte meine feine goldene Kette, mit dem Anhänger meines Sternzeichens um, trug die dazu passenden Ohrringe und sah mich nochmal im Spiegel an. Ich lächelte mir zufrieden selbst zu und sagte möglichst überzeugend zu meinem Spiegelbild:

„Du bist schön Frey, das wird ein toller Abend.“

Und das hoffte ich inständig. Ich wollte den anstrengenden Uni-Alltag hinter mir lassen und endlich mal wieder einen Abend mit meinen besten Freundinnen genießen. Wenngleich ich wusste, dass Lynn nicht mit uns nach Hause gehen würde. Ach was sag ich da, ich konnte mich von solchen Dingen auch nicht freisprechen. Wir hatten alle unsere Storys, aus denen wir nicht als Engel hinausgegangen waren.

Ich ging in unser großes helles Wohnzimmer mit den Backsteinwänden und dem knarzenden Dielenboden. Die Tür war noch nicht ganz offen, da hielt Lynn mir bereits ein Weinglas hin. Ich zischte ihr noch ins Ohr:

„Lynn was macht Lucas hier? Ich habe dir doch erklärt wie unsere Situation zurzeit ist.“

Meine Worte schienen angekommen zu sein. Sie drehte sich mit ihrem perfekten Lächeln zu mir um und sagte:

„Du siehst umwerfend aus Liebling. Ich habe ihn eingeladen, weil es ein schöner Abend werden soll. Es hat nichts mit euch zu tun, aber er ist nun mal auch ein Freund von uns allen. Du hättest nein gesagt, wenn ich dich gefragt hätte.“

Darauf gab es aus meiner Sicht nichts mehr zu antworten. Sie hatte recht, ich reagierte manchmal etwas über. Ich nickte ihr mit zusammengekniffenen Lippen zu, nicht gerade erfreut, aber vergebend.

„Ich ziehe deine Lippen mit einem dezenten altrosafarbenen Lippenstift noch nach Freya. Der passt perfekt zu deiner etwas geröteten Haut heute“, sagte sie, während sie leichtfüßig in ihrem Zimmer verschwand.

Ich habe es gewusst. Ich hasste es angemalt auszusehen, aber wenn es sie glücklich machen würde, ergab ich mich meinem Schicksal. Kati unterhielt sich mit Lucas, der meinen Hund streichelte. Bowie schien die Streicheleinheit sichtlich zu genießen, was mir irgendwie missfiel. Ich nahm mir seinen Futternapf und füllte seine tägliche Portion Trockenfutter hinein. Unverzüglich sprang er auf, um sich über sein Futter herzumachen. Es tat mir leid, dass ich ihn heute Abend schon wieder alleine lassen würde, obwohl er doch schon den ganzen Vormittag alleine gewesen war. Aber Bowie steckte das immer gut weg. Er war alt genug und bevor wir uns zum Beths´ aufmachen würden, würde ich nochmal eine kleine Runde mit ihm raus gehen. Er schien meinen Gedankengang verfolgt zu haben, denn er schob seinen Kopf dankend zwischen meine Beine. Ich streichelte ihn sanft, nicht zu sehr, da ich sonst aussehen würde wie ein haariger Kumpan von ihm. Die Musik in unserem Appartement war so laut, dass ich mich wunderte, dass Kati und Lucas sich überhaupt unterhalten konnten.

‚This is the life‘ von Amy Macdonald lief und das war der Moment, in dem ich mich entschied für heute mal loszulassen. Einfach den Abend genießen. Ich konnte das gelegentlich ganz gut, wenn nicht gerade einer der beiden Mist baute, den ich dann ausbaden durfte.

Bei dem Gedanken an viele solcher Nächte, musste ich lachen und ging tanzend zu den anderen hinüber. Ich sah Bowie hinterher, der gerade in mein Zimmer verschwand, vermutlich weil es ihm doch ein wenig zu laut war. Dann ging ich zum Kühlschrank, da ich mit Erschrecken feststellen musste, dass ich mein Glas bereits geleert hatte. Die anderen hatten ebenfalls nichts mehr und ich schenkte uns allen Wein nach. Die Stimmung war ausgelassen. Lucas lachte und erzählte Geschichten von unserer Zeit in Australien. Kati tanzte zwischendurch und lachte befreit. Auch Lynn forderte mich immer wieder zum Tanzen auf. Als wir zu viert in unserem geräumigen Wohnzimmer standen und uns alle in die Augen sahen, hob Lynn ihr Glas in die Mitte und sagte:

„Auf uns und unsere ewig währende Freundschaft. Ich liebe euch.“

Wir stießen an und ich war verliebt. Verliebt in den Moment. In das Gefühl, das ich hatte, wenn ich mit ihnen zusammen war. Mit jeder Faser meines Körpers war ich verliebt in mein eigenes Leben. Ich weiß nicht, ob auch der Alkohol seinen Teil dazu beitrug, doch ich genoss es und so taten es die anderen auch.

Kapitel 2

„Los, los, los. Es ist schon halb 10“, schrie Kati.

Sie klang beinahe wie ein aufgeregtes Kind, das den Weihnachtsmann nicht verpassen wollte. Aber wem konnte man es übelnehmen. Wir waren in jedem Falle bereits angeheitert und ich freute mich auch endlich ins Beths‘ zu kommen, wenn auch nicht so euphorisch wie Kati.

„Jahaaa, ich bin ja gleich da“, kam es aus Lynns Zimmer, die sich mal wieder die Haare kämmte und ihre Lippen nachzog.

Ich war fertig, hatte meine dunkelbraune Lederjacke an und streichelte Bowie nochmal über sein weiches Fell. Er wusste, dass wir jetzt aufbrechen würden. Aber ich denke es gefiel ihm, nach dem Lärm, dem er die letzten vier Stunden ausgeliefert war. Er leckte über meine Finger, was seinerseits eine kleine Liebeserklärung darstellte. Das war schon immer das Schönste am Fortgehen, dass ich wusste, wenn ich nach Hause kam, würde Bowie in meinem Zimmer neben dem Bett liegen und mich erwarten.

„Wir kommen später wieder Bo“, flüsterte ich ihm ins Ohr.

„Du bist verrückt Frey“, lachte Lucas, während er mir seinen Arm um die Schulter legte und mich zur Tür hinausschob.

Ich checkte noch ein letztes Mal meine Tasche. Handy, Portemonnaie und meinen Schlüssel. Jap ich hatte an alles gedacht. Wir zogen los.

Lynn sprang die 90 Stufen elegant, aber stürmisch herunter. Dass sie sich noch nicht ein einziges Mal in den letzten vier Jahren den Fuß umgeknickt hatte, war ein unerklärbares Wunder. Es waren jetzt vier ganze Jahre vergangen, in denen wir hier in unserem Appartement unsere Zeit teilten.

‚Wow‘, dachte ich, ‚wo ist die Zeit geblieben.‘

Kati kam von hinten an Lynn und mich heran, legte ihre Arme über unsere Schultern und sagte:

„Heute lassen wir es krachen Ladies.“

Sie hielt eine Flasche Bier in ihrer Hand und ich forderte sie auf, ein wenig unauffälliger zu trinken. Ich wollte ihr den Spaß zwar nicht verderben, aber sie war schon manchmal ein kleiner Rebell, der in seine Schranken verwiesen werden musste.

„Ja Mama“, sagte sie in einem gespielt ernsten Ton und trank noch einen letzten Schluck aus ihrer Bierflasche.

Dann stellte sie sie an den Straßenrand. Schon von Weitem konnte ich den rot blinkenden Schriftzug vom Beths‘ erkennen. Eine besondere kleine Bar mitten in Manhattan. Ein Geheimtipp konnte man schon fast sagen. Die Bar war immer mit singenden, tanzenden und gut gelaunten Menschen gefüllt. Zugegeben, sie war altmodisch eingerichtet, wenn man sie bei Tageslicht betrachtete, aber bis zum Sonnenaufgang hatten wir schließlich nicht vor zu bleiben. Wir liebten es dort, hatten viele Freunde kennengelernt, schon fast mehr als im College. Unvergessliche Abende gingen jedem Einzelnen von uns durch den Kopf, wenn wir den roten Schriftzug sahen. Vorfreude machte sich breit. Lucas wirkte etwas besorgt, was mich aber nicht weiter beschäftigen sollte. Wir sahen uns alle nochmal an, lächelten uns zu und betraten unser Stammlokal. Heute lief Live-Musik, eine Country-Band spielte und füllte den Raum mit einer Leichtigkeit, wie ich sie wirklich vermisst hatte. Wir bewegten uns in Richtung Bar und ehe ich mich richtig umsehen konnte, kam Lynn mit vier Tequila und vier weiteren Caipirinhas auf einem Tablett zu uns.

„Nehmt euch, erste Runde geht auf mich“, brüllte sie, um die Musik zu übertönen.

Uff, ich weiß ja nicht, ob ich die Einzige war, die so dachte, aber wenn der Abend so weitergehen würde, würde ich mindestens zwei Tage brauchen, um mich hiervon zu erholen. Dabei musste ich doch am nächsten Tag arbeiten. Wir kippten zunächst den Tequilashot mit Salz und einer Zitrone herunter. Ich verzog das Gesicht, es war nun mal nicht mein Lieblingsgetränk. Lucas verzog ebenfalls auf eine unelegante Weise das Gesicht. Ich glaubte ein Foto von ihm zu haben, bei dem er genau diesen Gesichtsausdruck hatte. Doch sicher war ich mir nicht. Ich nahm mir vor, am nächsten Morgen nachzusehen und es ihm zu zeigen. Ich wünschte mir, er hätte mir seine Gefühle nie offenbart. Eine gewisse Distanz machte sich in mir breit, ich konnte ihm nicht um den Hals fallen, nicht so wie ich es immer getan hatte. Das würde doch falsche Signale senden, oder nicht? Es gibt Dinge, die sollten ungesagt bleiben, um nicht zu zerstören was man hat. Hätte er mir trotz allem seine Gefühle offenbart, auch wenn er gewusst hätte, dass unsere Freundschaft nicht mehr die Gleiche sein konnte?

Wir tanzten, lachten und sangen. Zwischendurch stießen wir mit einem weiteren Tequila auf unsere absolvierten Prüfungen an.

„Ich hab nichts gegessen Lynn, fuck“, schrie ich, wobei ich nicht wusste, ob auch genau das bei ihr ankam.

„Nimm Lucas mit zur Pizzeria gegenüber und hol dir was. Wir bleiben hier“, gab sie etwas lallend zurück.

Ich nickte, hatte aber nicht vor Lucas zu fragen, ob er mich begleiten würde. Also ging ich alleine. Ich hatte Mühe geradeaus zu gehen, bekam es aber trotz allem ganz gut hin. Dachte ich zumindest. Ich lief auf die Straße in Richtung der Pizzeria, die Lynn meinte. Sie war keine fünf Gehminuten vom Beths‘ entfernt. Die laute Musik verstummte mit jedem Schritt, den ich mich weiter entfernte und ich nahm wieder die Stimmen der Leute wahr, die vor der Bar auf der Straße standen und sich unterhielten. Bei der Pizzeria angekommen bestellte ich mir eine kleine Margherita. Kurz darauf war sie fertig und ich kramte in meiner Tasche, um an mein Portemonnaie zu gelangen. Da fiel mir ein, dass Kati es hatte. Sie wollte die letzte Runde Bier holen gehen und ich sollte bezahlen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Es war mir unangenehm. Ich verdrehte die Augen und sah den Kassierer an, der dankend Geld von dem Mann neben mir annahm.

„Stimmt so“, sagte der Mann zu dem Pizzaverkäufer. Dann sah er mich an und ich konnte kaum glauben wen ich da sah.

„Die schöne Frau von vorhin. Hast du deinen Hund zu Hause gelassen?“, fragte er mich mit einem selbstbewussten Lächeln auf den Lippen.

„Ähm, ja… ähm ich hab mein Geld in der Bar vergessen. Danke man“, wollte ich es gelassen klingen lassen und presste meine Lippen aufeinander, damit ich nicht über mich selbst lachen konnte.

„Danke man“, wiederholte er ernst, während er mir direkt in die Augen sah.

‚Was Besseres ist dir auch nicht eingefallen Freya?‘, sagte ich zu mir selbst in Gedanken.

„Ich bin Louis und du?“, sagte er sichtlich amüsiert.

„Freya“, gab ich von mir.

Ich wollte nicht mehr sagen als nötig. Ich konnte es nur noch schlimmer machen. Ich nahm meine Pizza und schlenderte über den Gehweg. Er ging neben mir her und hielt mich am Arm fest, als ich stolperte. Er war nett und zuvorkommend. Zumindest glaubte ich das in meinem Zustand so wahrzunehmen. Er fragte, ob er mich nach Hause bringen sollte.

„Nein das geht nicht, meine Freunde sind noch im Beths‘. Ich kann sie nicht einfach stehen lassen“, sagte ich widerwillig.

Doch ich wollte mit ihm nach Hause gehen. Ich konnte nicht leugnen, dass ich einen Heißhunger auf Sex mit diesem unglaublich gutaussehenden Mann hatte. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und sagte, dass ich meinen Freunden eine SMS schreiben würde. Was sollte schon schiefgehen. Ich kannte schließlich seinen Vornamen, dachte ich ironisch und musste über meine eigene Naivität lachen.

„Machst du dich über mich lustig?“, fragte er, während er nicht aufhörte nach vorne zu schauen.

„Nein, niemals“, sagte ich.

‚Gott Freya, was machst du hier?‘, war mein Gedanke.

Unsere beiden Intentionen für heute Abend waren klar. Wir wollten Sex haben. Das war der Zauber, den ein Abend im Beths´ bewirken konnte. Oder auch einfach ein paar Cocktails zu viel. Wir gingen einen Block weiter durch die Straßen von Manhattan, bis er mit den Worten:

„Da wären wir meine Liebe“, stehen blieb, mir den Pizzakarton abnahm und ihn neben mich stellte.

Der Himmel war klar und durch die nur spärliche Straßenbeleuchtung schienen die Sterne dort oben nur so zu strahlen. Es war wunderschön. Ich liebte was ich tat und ich liebte vor allem diese Stadt mit all ihren Facetten. Ich liebte mein Leben mit jeder Faser meines Körpers.

Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Alkohol tat auf jeden Fall seinen Job. Er stand vor mir und sah mich an, ohne eine Miene zu verziehen. Ich atmete schwer, er tat es mir gleich. Dann nahm er mein Gesicht in beide Hände und küsste mich leidenschaftlich. Er hob mich hoch und ging mit mir ins Treppenhaus. Ich spürte seine Erregung ganz deutlich an meinem Schritt. Er war heiß, keine Frage.

„Weißt du, was ich als nächstes mit dir machen werde?“, sagte er, während er mit seiner linken Hand an meinen Schritt drückte.

Ich konnte nicht antworten, ich wollte ihn.

„Ich bringe dich jetzt in mein Appartement und dann werde ich dich ficken.“

Seine Worte klangen wie Musik in meinen Ohren. Ich nickte und ließ mich von ihm in das erste Stockwerk tragen. Zwischen unseren Küssen stöhnte ich erregt, um Luft zu holen. Er schloss die Tür auf, ohne von mir abzulassen.

„Du siehst heiß aus Babe“, flüsterte er anzüglich, während er mir die Hose herunterzog und mich auf seinen Glastisch im Wohnzimmer setzte.

Er sah perfekt aus, seine Muskeln bildeten sich unter seinem grauen T-Shirt ab und sein lüsterner Blick verführte mich. Er war trainiert, was er wohl beruflich und in seiner Freizeit tat? Doch das war mir in diesem Moment egal, ich wusste, dass es bei dieser einen Nacht bleiben würde. Mehr wollte ich nicht und es machte den Anschein, als würde er genauso empfinden.

Mit seinen großen Händen strich er meine glatte Haut an meinen Brüsten entlang. Er ließ mich dabei nicht aus den Augen. Sein Daumen strich an meiner Unterlippe entlang. Ich wusste was er wollte und ich war bereit es ihm zu geben. Langsam nahm ich seinen Daumen zwischen meine Lippen und begann an ihm zu saugen. Es steigerte zweifelsohne seine Lust.

„Gut so, dafür geb ich dir jetzt was“, flüsterte er, während er heiße Luft gegen meinen Hals atmete.

Erst führte er einen Finger unter mein Höschen, dann zwei, dann drei. Ich stöhnte. Er sollte nicht aufhören. Er drang immer wieder in mich ein und drückte meine Klitoris zwischen seinen Fingern.

„Gefällt dir das?“, fragte er, was eher nach einer rhetorischen Frage klang.

Wie sollte einem das nicht gefallen? Ich nickte und forderte ihn auf, nicht aufzuhören. Er nahm meine Hand und führte sie zu seinem Schritt.

„Ich will den hier in dir haben“, flüsterte er mir ins Ohr, meine Hand an seinem Glied reibend.

Ich stand auf und ließ mich vor ihm auf die Knie nieder. Langsam öffnete ich den Knopf und Reißverschluss seiner Hose. Ich war feucht und auch ihm war seine Lust anzusehen. Ich holte sein steifes Glied aus der Hose und rieb es. Auf und ab, bis er stöhnte.

„Genau so, du machst das gut“, stöhnte er, während er sich mit seinem Arm an der Wand über mir abstützte.

Dann hob er mich hoch, ich schlang meine Beine um ihn und er drang in mich ein. Immer wieder stieß er zu, hart, aber kontrolliert. Er legte mich wieder auf den Glastisch. Er war kalt und unbequem, aber aus irgendwelchen Gründen turnte mich das an. Er zog mein Top und den BH aus und umkreiste meine Nippel mit seinem Daumen und Zeigefinger. Drückte sie zusammen, sodass mir immer wieder ein Stöhnen entwich.

„Willst du jetzt kommen?“, fragte er, während er weiter in mich eindrang.

„Ja, bitte.“

Und dann kam ich. Es war ein unglaubliches Gefühl, das mir nur allzu bekannt vorkam. Ich ließ los. Er tat es mir gleich.

Kapitel 3

Ich wurde durch ein leichtes Vibrieren neben meinem Kopf geweckt. Ich wünschte es wäre die Sonne gewesen, die mich sanft aus dem erholsamen Schlaf holte, es war jedoch eine Nachricht auf meinem alten Samsung Galaxy S6.

„Ich war mit Bowie spazieren, mach dir keine Sorgen. Allerdings hättest du kleines versautes Ding uns ruhig Bescheid sagen können. So hat es Lucas für dich gemacht “

Es war eine Nachricht von Lynn. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Mein Kopf schmerzte. Ich drehte mich in der weichen Decke auf die linke Seite. Ich war alleine im Bett. Aber das war nicht mein Bett.

‚Okay, ruhig bleiben Freya, wo bist du?‘, ging es mir durch den Kopf.

Ich sah aus dem Fenster und hatte freien Blick auf den Central Park. Dann fiel es mir wieder ein. Ich hatte nach dem Beths‘ gestern den heißen Typen aus dem Park getroffen und bin mit ihm nach Hause gegangen.

‚Wie hieß er noch gleich? Oh Gott Frey, du hattest Sex mit ihm.‘

Bei dem Gedanken vergrub ich meinen Kopf in dem Kissen. Ich sah auf die Uhr, 10:26 Uhr morgens.

„Fuck“, rief ich.

Ich musste um 12 Uhr bei der Arbeit sein. Ich schnappte mir meine Sachen und versuchte meine Hose anzuziehen. Ist die Hose eingelaufen oder bin ich über Nacht 3 kg schwerer geworden? Ich bekam die Hose nicht über mein linkes Bein und fiel hin. Ja das war schmerzhaft und vermutlich nur der Anfang mehrerer Strafen für die letzte Nacht und mein Verhalten. Ich stand auf, hatte endlich meine Hose angezogen und suchte nach meinem Top.

‚Im Wohnzimmer‘, fiel es mir ein.

Ich errötete bei dem Gedanken an letzte Nacht. Aber es war schön und ich würde ihn schließlich nie wiedersehen. Louis hieß er, stimmt. Im Wohnzimmer fiel mein Blick auf mehrere Fotos, die auf der Anrichte neben dem Fernseher standen.

‚Nein, nein, nein, Fuck‘, dachte ich und sah mir das Foto, auf dem mein Blick festhing, genauer an.

Auf dem Foto befanden sich einige Polizeibeamte vor dem Revier in Manhattan. Einer davon war Louis. Ein anderer war mein Vater. Das konnte doch nicht wahr sein.

„Fuck“, wiederholte ich.

Das waren ganz schön viele ‚Fucks‘ für einen sonnigen Morgen. Ich musste so schnell wie möglich hier weg. Er kannte meinen Vater. Der durfte davon nicht erfahren, denn was ist bitteschön unangenehmer als ein Vater, der über das Sexleben seiner Tochter Bescheid wusste? Genau, rein gar nichts. Ich nahm alles, was ich in der Wohnung von mir finden konnte und rannte auf die Straße. Ich hinterließ keine Nachricht. Was hätte ich auch schreiben sollen? Grüß meinen Dad?

Ich musste mich kurz orientieren, wusste dann aber schnell, wo ich war. Ich hatte kein Geld dabei, weswegen ich von der Fahrt mit einem Taxi absehen musste.

‚Na super, das fängt ja alles wunderbar an.‘

Ich musste mich beeilen. Schließlich wollte ich vor der Arbeit noch duschen gehen und nicht wie eine stinkende Kneipe dort auftauchen.

Ich schlenderte durch die Straßen von Manhattan nach Hause.

‚Wie schön es doch hier ist‘, versuchte ich mich abzulenken, was mir jedoch nur bedingt gelang. Ich schloss die Tür zum Treppenhaus auf und ging die Stufen nach oben. Heute fiel es mir verdammt schwer und ich wünschte, ich hätte im zweiten Stock eine Pause eingelegt. Bowie winselte leise an der Tür. Er hatte mich schon kommen hören. Noch bevor ich klopfen konnte, öffnete Lynn die Tür mit den Worten:

„Dein Hund ist besser als jede Klingel oder Alarmanlage. Erzäääähl Frey, ich will alles wissen.“

Ich verdrehte die Augen und begrüßte zunächst Bowie, der sich freute, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen.

„Ist ja gut mein Junge“, beruhigte ich ihn.

„Wird es mir genehmigt zuerst duschen zu gehen und in ein Sandwich zu beißen, bevor ich vernommen werde?“, fügte ich in Lynns Richtung hinzu.

Ich sah wie sie amüsiert in meine Richtung blickte und dann auf ein fertiges Sandwich auf dem Wohnzimmertisch deutete. Dankend lächelte ich zurück. Was würde ich nur ohne meine beste Freundin machen. Wie konnte sie immer wissen, was ich gerade am meisten brauchte? Ich könnte ihr niemals genug dafür danken.

„Da ist ja unser Ausreißer, erzähl, und zwar alles“, kam es aus Katis Zimmer.

Wieder verdrehte ich die Augen und verschwand ohne ein weiteres Wort im Badezimmer. Das war ausnahmsweise mal nicht besetzt. Die Dusche tat wieder mal gut. Ich hatte das Gefühl alles von mir abzuwaschen, was mich zu diesem Zeitpunkt bedrückte. Ich musste meinen Vater anrufen, unbedingt. Vielleicht würde ich heraushören, ob er etwas wusste. Andererseits hatte ich ihm nicht meinen Nachnamen gesagt. Woher also sollte er wissen, dass wir verwandt waren? Ich schob die Gedanken beiseite und trocknete meinen nassen Körper ab. Dann ging aus dem Badezimmer und zog mich an, ehe ich mich zu Lynn und Kati ins Wohnzimmer setzte.

Erschöpft ließ ich mich auf die Couch sinken, mein Kopf auf Lynns Schoß, die augenblicklich begann mich zu krabbeln. Mein Kopf hämmerte. Ich atmete schwer aus. Das war meine erste ruhige Minute heute und die wollte ich auskosten.

„Haben wir also wieder mal Rollen getauscht letzte Nacht?“, sagte Lynn amüsiert und auch Kati musste darüber lachen.

Ich warf mit einem Kissen nach ihr, was sie mit einem Kreischen abwehrte.

„Wir hatten Sex, heute Morgen war er weg und ich hab ein Foto gefunden… Er ist Kollege auf dem Revier meines Vaters“, sagte ich so schnell und unbetont wie nur möglich.

Ich glaube, dass ich dem nicht viel mehr hinzufügen musste.

„Ach du scheiße. Polizisten sind die Schlimmsten, Frey. Das weiß morgen das ganze Revier“, antwortete Lynn belustigt.

Warum hatte ich das Gefühl, dass sie aus Erfahrung sprach?

„Wenn es überhaupt bis morgen hält“, fügte ich dem grinsend hinzu.

„Ich halt die Ohren steif, ich war doch mal mit einem vom Revier auf einigen Dates. Ich frag ihn aus.“

Sie sprach also aus Erfahrung. Damit war unser kleines Gespräch auch schon beendet. Ich aß noch schnell das Sandwich, welches mir Lynn zubereitet hatte und nahm meinen Rucksack.

„Bowie, komm. Wir müssen los“, rief ich und schon kam er angetapst.

Ich legte ihm die Leine an, doch bevor ich mich umdrehen konnte, nahm mich Kati in den Arm. Ohne ein Wort zu sagen drückte sie mich fest. Dann ließ sie von mir ab, küsste mich auf die Wange und ging wieder in ihr Zimmer. Die musste mal einer verstehen. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und ging dann aus der Tür hinaus.

Wir brauchten ungefähr 10 Gehminuten bis zur Tierhandlung PetCare. Dort arbeitete ich. Es war ein Studentenjob ohne feste Zeiten. Es war schnell verdientes Geld und außerdem konnte ich Bowie mit hinnehmen, sodass er nicht den ganzen Tag alleine sein musste. Es war ein guter Job mit netten Kollegen. Meistens gingen wir nach der Arbeit noch auf einen Kaffee zum ‚Prestige‘. Man konnte sich draußen vor dem Café an die verzierten Holztische setzen und vorbeigehende Menschen beobachten. Ja manchmal sogar fotografieren. Das kam ganz darauf an, ob sie mich bemerkten.

Gut, dass ich meine Kamera eingepackt hatte. Ich liebte es, Fotos von Menschen zu machen, die dachten, dass sie unbeobachtet waren. Das waren die tollsten und meiner Meinung nach die intimsten Fotos. Man erwischte die Menschen ohne, dass sie jemandem gefallen wollten und genau das waren die wahren Farben von ihnen. Da fiel mir ein, dass ich nach dem Bild von Lucas sehen wollte. Lucas. Hatte Lynn mir nicht geschrieben, dass er sie darüber informiert hatte, dass ich mit Louis nach Hause gegangen war? Oh Gott, ich musste ihn später anrufen. Nicht, dass ich mich um ihn sorgte, aber ich wollte ihn nicht mit meinem Verhalten verletzen. Ich wusste ja was er empfand, da musste ich seine Gefühle nicht noch mit Füßen treten. Wenn ich das nicht schon längst getan hatte. Schuldgefühle breiteten sich in mir aus. Ich blickte zu Bowie hinunter, der wie immer brav am linken Bein lief. Dann betrat ich das Geschäft und die warme Sonne auf meinen Schultern wurde durch die kühle Luft im Inneren ausgetauscht.

Kapitel 4 – Bobby

„Sauber Bobby“, war das Erste, was Conner zu mir sagte, als ich den Raum betrat, in dem unsere Spinde momentan standen. Ich schwitzte, war vollkommen geschafft. Aber es fühlte sich gut an.

„Ja man, war auf jeden Fall ein erfolgreicher Trainingstag Jungs“, gab ich zurück und klopfte Conner und Leo auf die Schulter, deren Spinde sich neben meinem befanden.

Auch der Rest des Teams im Raum wirkte erschöpft und gleichzeitig erheitert. Wir hatten einen anstrengenden Trainingstag hinter uns. Die Stimmung glich nach einem solchen Tag, der in einer Männerumkleide nach einem erfolgreichen Footballspiel.

„Männer, top Arbeit. Ihr seid das beste SWAT Team, das ich bis jetzt anführen durfte. Bin stolz auf euch“, sagte Jay als er die Tür, ebenfalls vollkommen verschwitzt, hereinkam.

Man hätte fast meinen können, dass ihm gleich die Tränen kommen, so emotional betonte er seine Worte. Wir konnten seinen Gemütszustand alle nachvollziehen. Den ganzen Tag mit Adrenalin vollgepumpt zu werden und den simulierten Einsatz erfolgreich abzuschließen, förderte einen, nennen wir es, emotionalen Ausbruch.

Ich war nun seit 9 Jahren bei der SWAT Einheit und so erging es jedem Einzelnen, nach einem erfolgreich bewältigten Einsatz. Manchmal fielen wir uns in die Arme. Manchmal priesen wir uns gegenseitig in den Himmel und manchmal war die Stimmung einfach nur ausgelassen. Aber es war immer ein Gefühlshoch, ganz gleich in welche Richtung es ging. Und genau dafür liebte ich diesen Job. Die Jungs und das Gefühl etwas Bewirkendes zu tun, wollte ich nie wieder vermissen. Ich zog mir mein klebriges weißes T-Shirt über den Kopf. Man hätte es beinahe auswringen könne, so nass war es. Ich sah in den Spiegel, richtete meine Haare und betrachtete meine, durch die Anstrengung ausgeprägten Muskeln. Es roch hier drin nach Männerschweiß und Testosteron. Leo ging an mir vorbei und wuschelte mir durch die Haare mit den Worten:

„Na wen wollen wir denn heute noch beeindrucken? Wir gehen doch nur was trinken.“

Rückwärts entfernte er sich von mir mit einem anzüglichen Grinsen und dem für ihn typischen Klicken in der Stimme. Ich grinste zurück und folgte ihm zu den anderen unter die Dusche. Es fühlte sich gut an, den Dreck und die Anstrengung vom Tag abzuwaschen. Gleich nach dem Umziehen hatten wir geplant, in der BayBar etwas trinken zu gehen. Ich trank nicht viel Alkohol, was damit zusammenhing, dass ich mich betrunken nicht ausstehen konnte. Es gab weitere persönliche Gründe, die mich den Alkohol verteufeln ließen. Private, unangenehme Gründe. Doch darüber wollte ich nicht mehr nachdenken müssen.

Ich war 31 Jahre alt und ich würde sagen die schlimme Phase als SWAT-Aufreißer hatte ich überwunden. Jeder von uns hatte sie durchgemacht. Einige steckten noch mitten drin. Es war stets amüsant den anderen dabei zuzusehen, umso mehr wusste ich allerdings, dass ich diese Rolle nicht mehr übernehmen wollte.

„Kommt schon, Bo, Leo, Victor, Hale, Conner, Harvey. Wenn ihr eure Ärsche im Einsatz so bewegen würdet, würde ich euch auf der Stelle rausschmeißen“, drängte Jay, der sich schon umgezogen hatte.

Ich schnürte mir mein Handtuch um die Hüfte und ging grinsend in Richtung Spind. Ich zog mein weißes T-Shirt und meine Jeans an, wohlwissend, dass Weiß vermutlich nicht die vorteilhafteste Farbe für einen Abend mit den Jungs war. Ich ging mir nochmal durch meine kurzen braunen Haare.

„Siehst geil aus Bobby“, sagte Leo, als er seine Tasche nahm und den Raum vor mir verließ. Wir brachten unsere Taschen noch in die Autos und gingen dann zu Fuß in Richtung BayBar. Es waren vielleicht 10 Gehminuten. Die frische Luft tat gut.

„Ey Leute vielleicht ist die geile Braut von letzter Woche da, heute nehm ich die mit. Ich sag´s euch“, rief Conner, während er rückwärts vor uns lief.

Ich ging weiter mit den Händen in der Hosentasche, ohne den Spruch groß zu quittieren.

„Ach komm schon Bo, eigentlich bist du mal wieder dran. Musst wieder was lockerer werden“, fügte er lachend hinzu.

„Halt dein Maul Conner“, war meine Antwort darauf, die er mit einem Faustschlag gegen meine Brust beantwortete.

Ich täuschte lachend einen Schmerz vor, der meine Brust durchfuhr. Er war einer derjenigen, die sich noch immer in der, von uns liebevoll getauften, SWAT-Aufreißer-Phase befanden. Er war 29 Jahre alt und ich war der festen Überzeugung, dass er diese Phase bis zu seinem 50. Lebensjahr nicht hinter sich lassen würde. Er war das beste Beispiel für einen Frauenheld. Aber wer von uns konnte sich schon davon freisprechen. Man konnte es verstehen, die Männer von den SWAT-Einheiten hatten ein gewisses Übermaß an Selbstbewusstsein und ja sie waren außerdem top trainiert. Mir selbst wurde bei dem Gedanken allerdings übel. Ich wollte mich mit meiner eigenen Vergangenheit nicht mehr auseinandersetzen müssen.

Wir kamen mit sieben Mann in der Bar an und setzten uns an unseren Stammtisch. Von hier aus hatten wir den ganzen Laden im Blick. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb Jay diesen Tisch zu unserem Stammtisch erklärt hatte. Ich ging zur Bar und bestellte eine Runde Pils bei Mila, der Barkeeperin. Eine hübsche blonde junge Frau, die zudem den Eindruck erweckte als sei sie recht clever.

„Na klar Bo, auf dich?“, fragte sie mit einem süßen Lächeln und sah mir dabei in die Augen.

Wann ist es eigentlich dazu gekommen, dass sie mich bei meinem Spitznamen nannte? Es störte mich, auch wenn ich nicht einordnen konnte weshalb. Ich erinnerte mich an die Nacht, in der ich sie gefickt hatte. Wie lange war das jetzt her? Es müssten um die 3 Jahre gewesen sein. Das war einer der Abende, in denen ich zu viel getrunken hatte. Mila war seitdem recht anstrengend. Vermutlich hatte sie sich mehr davon erhofft, als lediglich eine abenteuerliche Nacht, aber wir haben nie darüber gesprochen. Ich genoss meine Freiheit. Nicht in dem Sinne, dass ich mit vielen Frauen schlafen wollte, nein eher im Gegenteil. Zumindest nicht mehr. Meine Freizeit füllte ich mit Trainingseinheiten und der Intention eines Tages Jay´s Platz als Einheitsführer der SWAT-Einheit zu übernehmen.

„Ja auf mich bitte“, gab ich zwischen meinen Gedankengängen wieder, verzog jedoch keine Miene.

Danach drehte ich mich mit dem Tablett Bier wieder um und ging zum Tisch zurück.

„Haste keinen Bock auf die Kleine? Sonst nehm ich die nochmal“, prustete Conner und sah dabei in Milas Richtung.

„Conni ich sag´s nicht nochmal, halt dein Maul“, sagte ich ihm in einem ernsten Ton und mit einem Grinsen um die Lippen, weil ich wusste wie sehr ihm sein Spitzname missfiel. Er schluckte den Spruch und griff nach seinem Bierglas. Jay klopfte mir auf die Schulter und bedankte sich für die Runde Bier bei mir. Ein Bier war für mich heute auf jeden Fall ausreichend. Ich war müde und wollte für den morgigen Tag fit sein.