Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 684 - Ruth von Warden - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 684 E-Book

Ruth von Warden

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Beschreibung

Anna Wallner erbt von ihrem Onkel einen kleinen Hof in Oberbayern, den sie eigentlich verkaufen will. Doch ihre neuen Freundinnen Doris und Christa sind Feuer und Flamme. Die beiden Mädchen träumen von einer Veränderung in ihrem tristen Leben und bieten Anna an, gemeinsam mit ihr den kleinen Hof in Neukirchen zu bewirtschaften.
Anna willigt ein und stellt den Lohhof als neues Daheim für alle zur Verfügung. Dafür müssen sie alle geloben, ihre gesamte Energie einzusetzen, um den heruntergewirtschafteten Hof auf Vordermann zu bringen. Männer sind in den nächsten drei Jahren für alle tabu.
Daran halten sie sich auch zunächst. Aber schließlich schleicht sich doch die Liebe in das Leben der drei hübschen Mädchen, doch keine von ihnen möchte das Gelöbnis brechen ...


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Inhalt

Cover

Heimlichkeiten der Liebe

Vorschau

Impressum

Heimlichkeiten der Liebe

Jedes Herz braucht eine Heimat

Anna Wallner erbt von ihrem Onkel einen kleinen Hof in Oberbayern, den sie eigentlich verkaufen will. Doch ihre neuen Freundinnen Doris und Christa sind Feuer und Flamme. Die beiden Mädchen träumen von einer Veränderung in ihrem tristen Leben und bieten Anna an, gemeinsam mit ihr den kleinen Hof in Neukirchen zu bewirtschaften.

Anna willigt ein und stellt den Lohhof als neues Daheim für alle zur Verfügung. Dafür müssen sie alle geloben, ihre gesamte Energie einzusetzen, um den heruntergewirtschafteten Hof auf Vordermann zu bringen. Männer sind in den nächsten drei Jahren für alle tabu.

Daran halten sie sich auch zunächst. Aber schließlich schleicht sich doch die Liebe in das Leben der drei hübschen Mädchen, nur möchte keine von ihnen das Gelöbnis brechen ...

Es war ein wunderschöner milder Herbstvormittag. Christa beschloss, zu Fuß nach Hause zu gehen.

Zuweilen blieb sie vor der Auslage eines Geschäfts stehen und betrachtete die hübschen Dinge. Sie kam an einem Reisebüro vorbei. Plakate mit blauem Himmel und weiß schäumender See, mit grünen Palmen und gelben Mimosen lockten: Komm mit mir nach Sizilien!

Nach Sizilien! Ja, das wäre schön, dachte Christa. Aber solche Wünsche waren für sie unerfüllbar.

Ein Krachen auf der Straße und ein Schmerzensschrei rissen Christa aus ihren Gedanken und ließen sie jäh herumfahren. Ein paar Meter von ihr entfernt lag ein zerbeultes Fahrrad und daneben eine junge Frau, die anscheinend von dem großen Lastwagen gestreift worden war, der jetzt am Bordstein hielt. Menschen strömten neugierig herbei. Man hob die Frau auf und legte sie auf den Gehsteig.

Christa sah, dass es sich um ein junges Mädchen handelte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt die Verunglückte ihren Fußknöchel zwischen den beiden Händen. Sie hatte braune Haare und braune Augen. Ihr hübsches Kostüm war staubig und voller Flecken.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Christa und beugte sich zu ihr hinunter.

»Wenn Sie sich um mein Rad kümmern wollten, wäre ich Ihnen sehr dankbar«, erwiderte das Mädchen.

Ein Junge hatte das verbogene Rad bereits aufgehoben und half Christa, es in einen Hausflur zu tragen.

Jemand hatte telefoniert. Schon nach ein paar Minuten kam die Funkstreife mit heulender Sirene angebraust und dahinter ein Krankenwagen.

Der Fahrer des Lastwagens schnaufte erregt.

»Sie muss an das Hinterrad des Lkws gekommen sein«, sagte er. »Ich kann nichts dafür.«

»Ich will nicht ins Krankenhaus, sondern nach Hause«, erklärte das Mädchen schluchzend.

Die Sanitäter wickelten einen festen Verband um ihren linken Fußknöchel. Es war zum Glück kein Bruch, sondern vermutlich ein Bänderriss.

Christa erfuhr, dass die Verunglückte Doris Schaller hieß, dreiundzwanzig Jahre alt und von Beruf Schneiderin war. Sie wohnte ganz in Christas Nähe, in der Gartenstraße, nur wenige Minuten von ihr entfernt.

»Ich kümmere mich um Ihr Rad«, versprach sie Doris. »Und wenn es Ihnen recht ist, besuche ich Sie.«

»Das wäre sehr lieb von Ihnen«, erwiderte Doris und reichte Christa die Hand.

Von zwei Sanitätern gestützt, humpelte sie zum Krankenwagen. Sie winkte Christa noch zu, ehe man sie in den Wagen hob.

♥♥♥

Christa Dörner strebte nun auf dem kürzesten Weg nach Hause. Sie wohnte in einem großen Wohnblock mit Hinterhäusern. Ihr Zimmer kostete nur vierzig Mark, wies aber auch keinerlei Komfort auf. Das Fenster war klein, die Wände hellhörig und der Fußboden abgetreten. Mit ein paar hübschen Accessoires hatte sie den Raum ein wenig wohnlicher gestaltet.

Sie legte ihre Mappe auf die Liege, die ihr nachts als Bett diente. Dann ging sie in das Badezimmer, um sich die Hände zu waschen. Sie waren vom Tragen des Fahrrads schmutzig geworden.

Es war ein sonderbarer Tag. Christa hatte ihre Stellung ganz plötzlich aufgegeben. Die Arbeit hatte sie nicht ausgefüllt. Außerdem war sie Zeugin eines Verkehrsunfalls geworden.

Christa goss sich aus der Thermosflasche die blaue Steinguttasse voll, die sie sich aus der kleinen Küche von Frau Ernst geholt hatte. Dann wickelte sie die Brote aus. Auf dem Fensterbrett lagen noch zwei Tomaten.

Ein wenig lustlos aß sie ihr bescheidenes Mahl. Es war erst elf Uhr vorbei, und sie wusste nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte.

Frau Ernst hatte die Zeitung auf das Tischchen im Flur gelegt. Christa holte sie herein. Die Stellenangebote sprangen ihr ins Auge.

Eine Telefonistin, eine Sekretärin und eine vertrauenswürdige Bürohilfe wurden gesucht.

Sie brauchte keine Angst zu haben, keine neue Stelle zu finden. Aber sie hatte gar nicht das Verlangen, sich sofort wieder etwas zu suchen. Sie wollte sich noch ein paar Tage Zeit damit lassen.

♥♥♥

Doris lag im Bett. Auf dem kleinen Tisch neben ihr standen ein paar Hausmittelchen, unter anderem Camphergeist und essigsaure Tonerde und eine Schüssel Wasser, in der zwei weiße Tücher schwammen.

»Guten Tag!«, sagte Christa verlegen.

»Kommen Sie nur. Ich bin gerade dabei, mir Umschläge zu machen«, erwiderte Doris munter. »Ich probiere es mit allem Möglichen. Seit ich den Fuß hochlege, ist es auch schon etwas besser geworden.«

»Haben Sie schon gegessen, oder soll ich Ihnen etwas kochen?«, fragte Christa.

»Keine schlechte Idee. Außer dem Frühstück habe ich nämlich noch nichts zwischen die Zähne bekommen. Im Wandschrank dort drüben finden Sie alles.«

Christa entdeckte ein paar Konserven, ein halbes Brot, ein Stück Butter und einen Kanten Käse. Hinter dem Plastikvorhang unter der Dachschräge stand ein Herd.

Nach kurzer Suche fand sie einen Büchsenöffner und öffnete eine Dose Gulasch.

»Es tut mir sehr leid, dass Sie den Unfall hatten«, sagte Christa dabei zu Doris.

»Dass mir das auch ausgerechnet jetzt passieren musste, wo ich den Wintermantel für eine Kundin fertig zu nähen habe!«, erwiderte Doris mit betrübter Meine. »Seit dem Tod meiner Mutter schlage ich mich schlecht und recht allein durch. Früher habe ich davon geträumt, einmal die Meisterschule für Mode zu besuchen und später ein eigenes Atelier zu eröffnen, aber dann ist doch nur eine kleine Hausschneiderin aus mir geworden.«

Christa ließ ein Stück Butter in die Pfanne gleiten.

»Sie sind aber wenigstens selbstständig und können sich Ihre Arbeit einteilen. Das ist doch angenehm.«

»So einfach ist das alles nicht. Wenn ich nicht bei der Stange bleibe und meine acht Stunden an der Nähmaschine sitze, dann sieht es düster aus mit dem Geld.« Sie richtete sich vorsichtig im Bett auf, als Christa das Tablett heranbrachte. »Das riecht aber gut. Jetzt spüre ich erst, wie hungrig ich bin. Wollen Sie nicht mitessen?«

»Ich habe schon zu Hause gegessen«, erklärte Christa.

»Dann erzählen Sie mir etwas von sich«, bat Doris, die mit gesundem Appetit über das Essen herfiel.

»Ich bin auch alleine, genau wie Sie. Meine Eltern kamen im letzten Kriegsjahr durch Bomben bei einem Angriff um. Ich wurde in ein Waisenhaus gesteckt, und nach der Schule begann ich eine kaufmännische Lehre. Danach habe ich drei Jahre in einer ganz kleinen Firma gearbeitet. Heute habe ich gekündigt.«

»Und warum?«

»Die Arbeit füllte mich nicht mehr aus. Ich werde mich nach einer neuen Stellung umsehen.«

»Können Sie nähen?«, fragte Doris sie.

»Höchstens Knopflöcher und einen halbwegs geraden Saum«, gestand Christa.

»Das ist wenigstens etwas.« Doris lachte. »Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, das gute Stück fertig zu bekommen.« Sie deutete auf den Mantel in der Ecke.

»Ich möchte es ganz gern lernen«, meinte Christa, die das Geschirr wegräumte und gleich abwusch.

»Dann machen wir uns doch daran. Ich zeige Ihnen, was Sie tun müssen.«

Eine Viertelstunde später saßen beide über die Arbeit gebeugt. Sie unterhielten sich über Theater und Musik, über Filme und Bücher. Doris war sehr belesen und besaß zahlreiche Bücher.

Der Tag verging wie im Flug. Nachmittags tranken sie Tee, und zum Abendessen gab es Bücklinge mit Bratkartoffeln.

Mit dem Mantel waren sie inzwischen gut vorangekommen.

»Ich bin heilfroh, dass ich Sie habe«, sagte Doris. »Dann brauche ich nicht hinzuhinken und den Mantel abzuliefern. Ich möchte nämlich ungern dem Kurt begegnen.«

Den Grund dafür erfuhr Christa am nächsten Vormittag.

Kurt war der erste Gehilfe in der Drogerie um die Ecke. Doris arbeitete schon seit zwei Jahren für die Frau des Drogisten. Eines Tages hatte sie Kurt Westendorf kennengelernt. Sie waren zusammen ausgegangen und hatten die Sonntage gemeinsam verbracht. Das war einige Monate so gegangen.

Doris hatte bereits Zukunftspläne geschmiedet, obwohl sie einige Dinge an Kurt sehr störten. Das waren vor allem seine fast an Geiz grenzende Sparsamkeit, sein humorloses Wesen und seine lächerliche Eitelkeit. Aber da sie ihn gernhatte, sah sie darüber hinweg.

Eines Tages hatte sie eine peinliche Entdeckung gemacht. Kurt hatte ihr für den nächsten Sonntag abgesagt, weil er an diesem Tag seine Eltern besuchen wollte, die auswärts lebten. Doris hatte sich zu einem Zoobesuch entschlossen, um sich das neugeborene Elefantenbaby anzusehen.

Und genau im Zoo war ihr Kurt Westendorf mit einem Mädchen über den Weg gelaufen.

»Ich war nicht die Einzige«, erzählte Doris. »Er hatte mehrere Eisen im Feuer. Natürlich machte ich sofort Schluss. Ich schickte seine Briefe zurück und vermied jede Aussprache mit ihm. Am liebsten würde ich von hier wegziehen. Ich schäme mich, dass ich überhaupt jemals etwas an diesem Menschen finden konnte.«

Die neue Freundin tat Christa leid. Sie selbst hatte mit ihren zweiundzwanzig Jahren auch noch keinen Freund gefunden. Ein paarmal war sie zum Tanzen gegangen, aber unter den jeweiligen Tanzpartnern war nie einer gewesen, der ihr Herzklopfen verursacht hätte.

»Ich kann überhaupt nicht mitreden«, gestand sie Doris.

»Da können Sie nur froh sein. Die Männer taugen sowieso nichts. Eines Tages kommt schon der Richtige für Sie«, meinte Doris.

♥♥♥

Die beiden Mädchen freundeten sich im Laufe der Woche miteinander an. Sie entdeckten, dass sie gemeinsame Neigungen und Hobbys hatten und gingen schnell zum Du über.

Als Doris nach zwei Wochen imstande war, wieder die Treppe hinabzusteigen, beschlossen sie, einmal essen zu gehen.

Auf diese Weise lernten sie Anna kennen, ein hübsches junges Mädchen mit rotblondem Haar und graugrünen Augen.

Anna war Kellnerin in einem Speiselokal, das wegen seiner preiswerten Gerichte viel besucht wurde. Vor allem Berufstätige, die nur eine kurze Mittagspause hatten, schätzten das Restaurant.

An diesem Tag schien Anna Pech zu haben. Sie wurde von einem Gast angerempelt, und da fiel ihr klirrend ein Teller, den sie gerade servieren wollte, aus der Hand und zu Boden.

Der Besitzer kam angerannt und zischte Anna wütend an. Sie sagte kein Wort und holte einen neuen Teller.

»Sie bezahlen natürlich den Schaden!«, schrie der Wirt. »Und wenn noch einmal etwas passiert, dann fliegen Sie! Das ist jetzt das dritte Mal.«

»Ein unangenehmer Patron«, bemerkte Doris zu Christa. »Das arme Mädchen konnte doch überhaupt nichts dafür.«

»Entschuldigen Sie sich wenigstens!«, ereiferte sich der Wirt noch immer. »Was man sich heutzutage mit dem Personal ärgern muss ...«

Anna band ihre weiße Schürze ab.

»Sie brauchen sich meinetwegen nicht länger zu ärgern«, sagte sie ruhig. »Ich habe es satt, mich von Ihnen dauernd anschnauzen zu lassen. Suchen Sie sich jemand anderen!«

»Aha!«, sagte er mürrisch. »Sie glauben, weil Sie jetzt eine Erbschaft gemacht haben, können Sie sich alles erlauben!«

Anna gab ihm keine Antwort mehr.

Doris zog die Geldbörse.

»Ich möchte gern zahlen, Fräulein Anna. Es tut mir leid, dass wir Zeugen dieses unangenehmen Vorfalls wurden.«

»Eigentlich bin ich ganz froh, dass es so gekommen ist«, gab Anna lächelnd zurück. »Ich selbst hätte sonst nie den Absprung gefunden. Jetzt weiß ich wenigstens, was ich zu tun habe.«

»Dürfen wir Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?«, fragte Doris, der Anna auf den ersten Blick sympathisch war.

»Gern. Wenn Sie einen Augenblick warten wollen, bis ich abgerechnet habe, dann können wir nach nebenan gehen. Dort gibt es einen ausgezeichneten Kaffee.«

♥♥♥

Eine Viertelstunde später saßen die drei Mädchen an einem Fenstertisch des kleinen Cafés und plauderten miteinander.

Ruhig und leidenschaftslos berichtete Anna den beiden Mädchen, dass sie seit einem Jahr in dem Restaurant beschäftigt gewesen war, ohne es dem Besitzer in der ganzen Zeit auch nur einmal recht machen zu können.

»Er hat mich zu Beginn meiner Tätigkeit eingeladen, aber ich habe ihm eine Absage erteilt. Seither konnte er mich nicht mehr leiden. Aber ich finde schon wieder eine andere Stellung. Ich muss mich ohnehin zuerst um meine Erbschaft kümmern.«

»Sie haben geerbt?«, fragte Doris.

»Ja, es ist aber nichts Besonderes. Mein Onkel, ein verknöcherter Junggeselle, ist vor vier Wochen gestorben und hat mir eine kleine Landwirtschaft vermacht. Ich werde sie verkaufen. Sie liegt nämlich in Oberbayern, und ich kann damit nichts anfangen. Der Bürgermeister schrieb mir, dass er schon einen Interessenten dafür hätte.«

»Verkaufen?«, rief Doris beinahe entrüstet. »Das dürfen Sie nicht tun! Grund und Boden behalten immer ihren Wert.«

»Ich habe keine Ahnung von Landwirtschaft«, entgegnete Anna.

»Das wird man doch lernen können«, wandte Christa ein. »Jedenfalls würde ich mir das reiflich überlegen.«

»Dazu müsste ich mir die Klitsche erst einmal ansehen. Ich bin noch nie dort gewesen und weiß nur, dass etwas Wald dazugehört, ein Dutzend Schafe und ein kleiner Hof.«

»Oh! Wald und Schafe!«, rief Doris begeistert. »Das ist doch wunderbar. Ich würde den Hof sofort bewirtschaften, wenn er mir gehören würde.«

»Ich auch«, stimmte Christa zu.

Anna war nachdenklich geworden.

»Vielleicht haben Sie recht. Da wohne ich nun in einem muffigen möblierten Zimmer in der Großstadt, umgeben von Lärm und Staub, und hätte auf dem Land etwas Eigenes. Es ist nur sehr schwer für mich, so ganz allein, wissen Sie. Das schaffe ich nie.«

»Und wenn wir drei gemeinsam losziehen würden?«, schlug Christa vor. »Ich suche nämlich gerade eine neue Stellung. Und meine Freundin Doris wollte eigentlich wegziehen. Sie ist Schneiderin und kann sich ihr Brot überall verdienen.«

»Das ist eine gute Idee, Christa!«, stimmte Doris begeistert zu.

»Zu dritt wäre es natürlich etwas anderes«, meinte Anna. »Das müsste man sich überlegen.«

»Aber nicht hier«, sagte Doris. »Wir gehen jetzt alle drei zu mir und besprechen die Sache in Ruhe.«

Sie zahlten und machten sich auf den Weg zu Doris. Dort schmiedeten sie Zukunftspläne und beschlossen, sich sogleich zu duzen. Schließlich waren sie alle im gleichen Alter und verstanden sich auf Anhieb prima.

»Wir könnten Hühner halten und Schweine züchten«, schlug Christa vor.

Anna wurde von der Begeisterung mitgerissen.

»Keine schlechte Idee«, sagte sie. »Ich stelle mein Erbe zur Verfügung und ihr eure Arbeitskraft. Der Verdienst wird geteilt. Aber jede von euch muss sich verpflichten, mindestens drei Jahre lang durchzuhalten. Ich tue dasselbe. Wir machen einen Vertrag miteinander.«

»Und wenn eine von uns heiraten sollte?«, warf Christa ein.

»Das darf natürlich nicht passieren«, erklärte Doris.

»Männer sind im Augenblick ganz nebensächlich«, stellte Anna klar. »Ich finde es wunderbar, dass ich euch getroffen habe! Ihr gefallt mir. Mit euch kann man sicher die Zukunft erobern.«

»Das wollen wir begießen!«, rief Doris, die noch eine angebrochene Flasche Wein im Schrank stehen hatte.

Sie prosteten sich zu und tranken auf gute Freundschaft und auf das Gedeihen des Unternehmens. Dann machten sie sich daran, den Vertrag aufzusetzen. Ohne zu zögern, setzten sie ihre Unterschrift unter das Dokument. Jetzt sollte für alle drei ein neues Leben beginnen!

♥♥♥

Zwei Wochen später saßen Anna, Christa und Doris im Zug nach München. Im Gepäcknetz lagen die Koffer mit ihren Habseligkeiten.

Sie hatten ihre Wohnungen aufgegeben. Doris hatte jemanden gefunden, der ihre Möbel ablöste. Außer persönlichen Gegenständen nahm sie nur ihre elektrische Nähmaschine mit, die sich in einem passenden Koffer gut transportieren ließ. Sogar das Fahrrad hatte sie verkauft.

Alle drei hatten die letzten Tage in fieberhafter Ungeduld verbracht. Schließlich war es ein vollkommen neues Leben, das sie beginnen wollten. Sie hatten täglich ihre Pläne besprochen, Bücher über Landwirtschaft und Kleintierzucht gelesen und sich ausgemalt, wie die Zukunft aussehen würde.

Eines wurde mit größtem Ernst festgelegt: Männer hatten bei ihnen nichts zu suchen. Sie wollten allein ihren Mann stehen. Für Torheiten hatten sie keine Zeit.

Anna erhielt von der alten Wirtschafterin ihres Onkels, die ihm über zwanzig Jahre lang den Haushalt geführt hatte und über siebzig war, die Mitteilung, dass sie nach dem Tod ihres Brotherrn in ein Altersheim gehen würde. Sie wollte aber die Ankunft der jungen Nichte des Verstorbenen noch abzuwarten.

Christa packte zwischen Stuttgart und Ulm die Wurstbrote aus, die sie für die Reise mitgenommen hatte, und verteilte sie gerecht. Es war vereinbart worden, dass Christa die Küche und die Abrechnung übernehmen sollte, während Doris mit ihrer Näherei zum Lebensunterhalt beisteuern musste. Anna würde sich um die Landwirtschaft kümmern.

»Ich habe mir schon immer ein Haus auf dem Lande gewünscht«, sagte Doris, während sie aßen. »Als Kind wollte ich gern Bäuerin werden und täglich zwei Liter frische Milch trinken. Wie viele Kühe haben wir eigentlich?«

Anna wusste es nicht. Im Testament hatte nur gestanden mit lebendem und totem Inventar.

»Wenn wir Kühe haben, dann muss sie auch eine von uns melken«, sagte Christa.