Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 722 - Ruth von Warden - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 722 E-Book

Ruth von Warden

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Beschreibung

Neun Monate lang wurde Andreas Graf von Venenburg wegen seines schweren Lungenleidens in einem Sanatorium behandelt. Nun ist die Krankheit besiegt, und er wird entlassen. Er kann sein Glück kaum fassen, zu seiner geliebten Frau und seinen beiden kleinen Mädchen zurückkehren zu dürfen und endlich wieder Gudruns Stimme zu hören. Sie hatten nämlich vereinbart, nicht zu telefonieren, sondern sich nur zu schreiben, um die Sehnsucht nacheinander nicht ins Unerträgliche zu steigern.
Doch die Briefe in den letzten Monaten schrieb nicht seine Frau, sondern ihre Schwester Janice. Sie hat das Zepter daheim übernommen und kümmert sich voller Liebe um ihre süßen Nichten. Gerade noch taumelnd vor Glück über seine Gesundung, stürzt der Graf in tiefste Verzweiflung, als er die bittere Wahrheit erfährt: Gudrun ist tot!

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Inhalt

Cover

Sie liebte ihn so sehr

Vorschau

Impressum

Sie liebte ihn so sehr

Doch sagen durfte sie es ihm nicht

Neun Monate lang war Andreas Graf von Venenburg wegen seines schweren Lungenleidens in einem Sanatorium behandelt worden. Nun ist die Krankheit besiegt, und er wird als geheilt entlassen. Er kann sein Glück kaum fassen, zu seiner geliebten Frau und seinen beiden kleinen Mädchen zurückkehren zu dürfen und endlich wieder Gudruns Stimme zu hören. Sie hatten nämlich vereinbart, nicht zu telefonieren, sondern sich nur zu schreiben, um die Sehnsucht nacheinander nicht ins Unerträgliche zu steigern.

Was er nicht weiß: Die Briefe in den letzten Monaten schrieb nicht seine Frau, sondern ihre Schwester Janice. Sie hat das Zepter daheim übernommen und kümmert sich voller Liebe um ihre süßen Nichten. Gerade noch taumelnd vor Glück über seine Gesundung, stürzt der Graf in tiefste Verzweiflung, als er die bittere Wahrheit erfährt: Gudrun ist tot!

»Nun, mein lieber Graf von Venenburg, wie geht's uns denn heute?«

»Danke, Herr Doktor, ich fühle mich ausgezeichnet und habe gar nicht mehr das Gefühl, krank zu sein.«

»Fein, Herr Graf, Sie sind ein sehr verständiger Patient gewesen. Nun kann ich Ihnen die freudige Mitteilung machen, dass Sie heimfahren können.«

»Bin ich gesund?«

»Ja, Graf von Venenburg, das sind Sie. Dank Ihrer Hilfe können wir Sie als geheilt entlassen. Sie können heim zu Frau und Kindern.«

»O mein Gott, endlich!«

Der Graf legte die Hände über die Augen. Was er seit Monaten gewünscht hatte, geschah nun so unvorbereitet. Er konnte heim, heim zu seinen Kindern, zu Melitta und Monika. Würden sie ihn überhaupt noch erkennen? Monika war erst drei Jahre alt, und er war immerhin neun Monate im Sanatorium gewesen. Neun lange Monate – neun Monate hoffen und bangen ...

»Graf von Venenburg, was haben Sie?«, fragte der Arzt.

»Nichts, Doktor, es ist nur die Freude. Sie ahnen nicht, was es für mich bedeutet, nach Hause fahren zu können. Und ich bin wirklich ganz gesund?«

»Ja, vollkommen gesund. Natürlich müssen Sie sich noch ein bisschen einschränken, keine kalten Getränke, nicht so sehr anstrengen, dass Sie sich übermäßig erhitzen, Zugluft meiden und auch ein wenig ruhen.«

»Ich werde alles tun, Herr Doktor. Wann kann ich fahren?«

»Ruhen Sie sich heute noch aus, und packen Sie in Ruhe Ihre Sachen. Morgen können Sie den Frühzug erreichen. Man wird Ihnen noch heute alle nötigen Papiere übergeben.«

»Ich danke Ihnen so sehr, Herr Doktor!«

»Viel Glück, Graf von Venenburg«, wünschte der Arzt ihm mit einem freundlichen Lächeln.

»Muss ich nun in der Angst leben, dass ich wieder krank werden könnte?«

»Nein. Wie gesagt, nicht überanstrengen, aber sonst können Sie wie jeder Gesunde leben. Wie ich ja von Ihnen weiß, sind Sie vermögend, und Sie haben ein Haus, einen schönen Garten und viel frische Luft. Das alles wird Ihrer Gesundheit dienen. Denken Sie gar nicht mehr an die vergangenen Monate zurück, nehmen Sie das Leben dort wieder auf, wo Sie es verlassen mussten.«

»Danke, Herr Doktor. Vielen, vielen Dank.«

Die beiden Männer wechselten einen festen Händedruck. Der Arzt wandte sich ab und verließ er das Zimmer.

Graf von Venenburg setzte sich in den Sessel, der in seinem Zimmer stand. Er dachte an den Tag, als der Arzt ihm gesagt hatte, dass seine Lunge nicht in Ordnung sei. Warum gerade er erkrankt war, wusste niemand zu sagen. Scheinbar wahllos hatte die Krankheit zugeschlagen, und es hatte eben ihn getroffen, obwohl er ja wirklich gut aß und viel an der frischen Luft gewesen war, denn er hatte ein kleines Gut, das er von seinem Vater geerbt hatte.

Andreas Graf von Venenburg war achtunddreißig Jahre alt, und er hatte nun neun Monate seines Lebens verschenken müssen. Er hatte gebangt und gehofft, und endlich wurde er belohnt! Er war wieder gesund, er konnte seine Kinder und seine Frau wieder in die Arme schließen.

Früher hatte er niemals über Krankheiten nachgedacht. Mal eine Grippe, ein Schnupfen, dann war es ausgestanden gewesen, und dann hatte das Schicksal ihm doch diese Last auf die Schultern gelegt. Diese Angst, vielleicht nicht mehr zu gesunden, die Kinder nicht heranwachsen zu sehen ...

Niemand hatte ihm sagen können, wie lange sein Aufenthalt im Sanatorium dauern würde, und nun war der ersehnte Tag der Heimkehr so überraschend gekommen!

Graf von Venenburg erhob sich. Voller Schwung nahm er den Koffer vom Schrank und begann zu packen.

In der Schublade seines Nachtschrankes fand er die Briefe seiner Frau.

Gudrun war nie eine große Schreiberin gewesen. Die ersten Briefe waren alle kühl und nüchtern gewesen, aber dann musste auch sie den Schock überwunden haben, denn seit etwa drei Monaten klangen die Briefe fröhlich. Gudrun berichtete ausführlich von den Kindern, und er war ihr dankbar dafür. Sie wusste ja, wie sehr er die Kinder liebte.

Der Graf trat an den Spiegel. Er betrachtete sich. Ohne eitel zu sein, musste er feststellen, dass er gut aussah. Die dunklen Augen sprühten jetzt vor Freude, das Haar, ebenfalls dunkel, lag leicht gewellt um den Kopf. Sein Gesicht war markant zu nennen.

Seine Gedanken gingen wieder zu Gudrun. Er machte sich nichts vor. Ehe er fortgefahren war, hatte ihre Ehe in einer Krise gesteckt. Vielleicht hatten die Kinder Gudrun nervös gemacht, jedenfalls war es zu häufigen Streitigkeiten gekommen. Doch die Briefe der letzten Monate waren so sanft, so rührend gewesen, dass er berechtigte Hoffnung haben konnte, dass nun alles wieder gut war.

Neun Monate waren eine lange Zeit. Gudrun hatte die Möglichkeit gehabt nachzudenken, und er hatte es auch getan. Er hatte seine Frau schließlich aus Liebe geheiratet, und kleine Reibereien kommen wohl mal in einer Ehe vor, wenn zwei kleine Kinder für Unruhe im Haus sorgten.

Andreas war so aufgeregt, dass er schlucken musste, als er nun an den Telefonapparat ging.

In den ganzen neun Monaten hatte er seine Frau nicht angerufen. Sie hatte es nicht gewollt.

»Schreibe mir«, hatte sie zum Abschied gesagt, »aber telefoniere nicht. Es wird eine lange Zeit werden, und ich will nicht jeden Tag durch deine Stimme an das Schwere erinnert werden.«

Er hatte sich gefügt, hatte ihren Wunsch – obwohl er ihn absurd fand – akzeptiert. Genau betrachtet war es auch für ihn besser gewesen, nicht voller Sehnsucht jeden Tag ihre Stimme hören zu müssen. Vielleicht hatte sie die Worte nur gesagt, damit er selbst nicht hin- und hergerissen wurde. Er sollte gesund werden, und nun war er gesund.

Wie hatte Gudrun gesagt? »Rufe mich erst an, wenn du mir mitteilen kannst, dass du heimkommst.« Nun war dieser herrliche Augenblick gekommen.

Der Graf nahm den Hörer ab, wählte die Eins.

»Hier ist Zimmer vierzehn, ich hätte bitte gern ein Amt«, sagte er mit heiserer Stimme.

Es tutete verheißungsvoll, und dann wählte er die bekannte Nummer.

»Hier bei Graf von Venenburg.«

»Wer spricht dort, bitte?«, fragte er, denn er erkannte enttäuscht, dass Gudrun nicht am Telefon war.

»Hier ist Janice Harstel, und wer spricht dort?«

»Janice, bist du es? Hier ist Andreas.«

In Gedanken stellte sich der Graf die jüngere Schwester seiner Frau vor. Er mochte sie, sie war immer heiter, anders als Gudrun, weicher, und früher hatte er sogar eine Zeit lang geschwankt, welches der beiden Mädchen ihn mehr faszinierte. Dann aber hatte er sich für Gudrun entschieden.

»Wo ist Gudrun? Kannst du sie mir an den Apparat holen?«, fragte der Graf.

»Nein, das geht jetzt nicht, Andreas. Sei nicht böse, sie ist nicht hier.«

»Und die Kinder?«

»Sie sind auch nicht im Haus. Bist du gesund, Andreas? Gudrun sagte mir, dass du erst anrufen würdest, wenn du heimkommst. Ist es so weit?«

»Ja, ich werde morgen entlassen. Ich nehme hier den Frühzug und muss einmal umsteigen. Ich werde genau um achtzehn Uhr auf unserem kleinen Bahnhof eintreffen.«

»Das ist schön, Andreas. Das ist sehr schön.«

»Deine Stimme klingt so komisch. Was ist denn, Janice?«

»Ich freue mich, Andreas. Es war eine lange Zeit, nicht wahr? Ich bin glücklich, dass du es endlich geschafft hast.«

»Wohin ist Gudrun gegangen?« Schweigen. »Janice, hörst du mich noch?«

»Ich höre dich sehr schwach, ich habe deine Frage nicht verstanden, die Verbindung ist sehr schlecht.«

»Grüße Gudrun und die Kinder. Sag Anton bitte, dass er mich mit dem Wagen vom Bahnhof abholen soll.«

»Ja, Andreas, und gute Fahrt.«

»Janice ...«

»Ich verstehe dich kaum, Andreas«, sagte sie, und dann war das Gespräch unterbrochen.

Kopfschüttelnd legte der Graf auf. Seltsam, dass die Verbindung so schlecht gewesen war. Egal, er war zu glücklich, um sich dadurch die Stimmung verderben zu lassen.

♥♥♥

Kurz nach dem Telefonat klopfte es an seiner Tür. Ein junger Mann steckte den Kopf zur Tür herein.

»Graf von Venenburg, stimmt es, was man sich erzählt?«

»Ja, ich kann heimfahren.«

»Oh, Sie Glückspilz!«

Der Graf versuchte die Freude etwas zu unterdrücken. Er ahnte, wie es in dem jungen Mann aussah. Er war schon über ein Jahr hier, und auch er hatte Frau und Kind.

»Vielleicht können auch Sie bald ...«, begann er.

Doch der junge Mann, mit dem der Graf Freundschaft geschlossen und mit dem er an vielen Abenden Schach gespielt hatte, unterbrach ihn.

»Kein Mitleid jetzt, Graf von Venenburg. Sie haben ja selbst vielmals erlebt, dass ein anderer ging. Nun sind Sie an der Reihe. Irgendwann werde auch ich es geschafft haben. Freuen Sie sich einfach. Wir sehen uns heute Abend noch, und morgen begleite ich Sie zur Bahn.« Damit ging der junge Mann hinaus.

Der Graf dachte an seine Familie. Ob Melitta und Monika ihm wohl durch den Garten entgegenliefen, wenn er heimkam? Ob vielleicht Gudrun selbst zum Bahnhof kam, um ihn abzuholen?

In dieser Nacht schlief Graf von Venenburg sehr unruhig. Er konnte es kaum erwarten, nach Hause zurückzukehren.

Endlich graute der Morgen.

Er bekam sein Frühstück zeitig, denn der Zug fuhr schon um sieben Uhr. Hastig trank Graf Andreas den aromatischen Kaffee.

Viele Patienten, mit denen er hier Bekanntschaft und teilweise Freundschaft geschlossen hatte, brachten ihn zum Bahnhof. Hände wurden geschüttelt, und als der Zug anfuhr, war der Graf ganz gerührt. Er winkte so lange, bis der Bahnsteig nicht mehr zu sehen war.

Bequem lehnte er sich in die Polster zurück und schaute hinaus in die freundliche Landschaft.

Ich komme, schien der Zug zu rattern. Die Gedanken des Grafen eilten voraus. Er sah Gudrun vor sich und schloss voller Sehnsucht die Augen, als er an den ersten Kuss dachte, den sie tauschen würden.

Würde diese Trennung ihre Liebe neu entfacht haben? Würden sie wieder zärtlich zueinander sein wie damals, als sie so verliebt und glücklich gewesen waren? Er hoffte es, hoffte es von ganzem Herzen. Die Krise musste überwunden sein.

Gegen Mittag musste Graf von Venenburg umsteigen. Er aß im Speisewagen eine Kleinigkeit. Dann starrte er wieder aus dem Fenster und versuchte sich die Kinder vorzustellen. Gewiss waren sie größer, als er sie in Erinnerung hatte.

Er merkte, dass er Angst hatte, dass eines der kleinen Mädchen ihn nicht erkennen würde.

Je näher er seinem Ziel kam, umso nervöser wurde Graf Andreas, und schließlich brachte er seine Koffer zur Tür des Zuges, um gleich als Erster aussteigen zu können.

Schnaufend lief der Zug in den Bahnhof ein.

♥♥♥

Janice Harstel hatte den Hörer aufgelegt, nachdem sie das Klicken im Apparat vernommen hatte.

»O mein Gott!«, stöhnte sie und zitterte am ganzen Körper. Ihr Gesicht war bleich. Sie presste die Hand aufs Herz, als gelänge es ihr so, das wilde Klopfen in der Brust zu beruhigen.

Morgen kommt er zurück, dachte sie nur – und immer wieder diesen einen Satz.

Erst nach etwa zehn Minuten betätigte sie die Klingel. Bald darauf trat ein älterer Mann ein, dessen Rücken gebeugt war.

»Haben Sie einen Wunsch, Fräulein Janice?«, fragte er.

»Ja, Anton. Graf von Venenburg kommt morgen heim. Er hat soeben telefoniert. Richten Sie seine Zimmer, lassen Sie Blumen aufstellen. Es soll ...«

»Haben Sie es ihm gesagt?«

»Nein, Anton. Ich bekam es nicht über die Lippen. Ich werde es ihm morgen sagen.«

»Soll ich ihn abholen?«

»Ich werde selbst zum Bahnhof fahren, Anton.«

»Fräulein Janice, wenn ich mir eine Frage erlauben darf?«

»Ja?«

»Werden Sie im Haus bleiben?«

»Ich weiß es nicht, Anton. Das alles muss mein Schwager entscheiden«, murmelte das junge Mädchen.

»Die Kinder lieben Sie sehr«, sagte der Diener, ehe er das Zimmer verließ.

Janice stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Sie sah die blühende Pracht des Gartens nicht, sah nicht die Rosen – nur sein Gesicht. Immer nur sein Gesicht, das Gesicht des Mannes, den sie seit Jahren hoffnungslos liebte!

Die Jahre schienen zurückzuweichen. Sie sah sich im Elternhaus neben Gudrun, die immer ein wenig hübscher als sie selbst gewesen war. Und nicht nur hübscher, sondern auch selbstbewusster und etwas härter. Gudrun hatte immer erreicht, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte auch den Mann bekommen, den Janice sich so sehr gewünscht hatte. Und Janice hatte auf einer Hochzeit getanzt, bei der sie selbst gern die Braut gewesen wäre.

Doch sie hatte der Schwester das Glück nicht geneidet. Andreas Graf von Venenburg konnte schließlich nur eine Frau wählen, und dass er sich für die hübschere Gudrun entschieden hatte, war ganz selbstverständlich für sie gewesen. Sie hatte immer ein bisschen im Schatten der Schwester gestanden.

Niemand ahnte, wie sehr Janice den Grafen liebte, nicht einmal Gudrun hatte es erfahren, es war ihr Geheimnis.

Janice strich sich das Haar aus der Stirn und verließ das Zimmer. Wie sie diesen letzten Abend hinter sich brachte, hätte sie später nicht zu sagen gewusst. Sie fühlte eine große Leere in sich.

Morgen würde sie zum Bahnhof fahren und ihren Schwager begrüßen.

»Morgen«, hauchte sie, ehe sie später in einen unruhigen Schlaf fiel, »morgen ist der Tag der Wahrheit.«

♥♥♥

Die große Bahnhofsuhr zeigte genau die sechste Abendstunde, als der Zug schnaufend einfuhr. Es war nur ein kleiner Bahnhof, und es stiegen nicht viele Menschen aus.

Janice Harstel spähte umher, und dann sah sie ihn! Für einen Augenblick schien ihr Herz stillzustehen. Sie wollte den Arm hochreißen und seinen Namen rufen, doch es kam nur ein heiseres Flüstern über ihre Lippen.

Graf von Venenburg hatte die Koffer ergriffen und schaute sich ebenfalls um.

»Janice«, sagte er, und sie hörte die Enttäuschung in seiner Stimme.

Mühsam nur zwang sie ein Lächeln auf die Lippen.

»Hallo, Andreas, wie schön, dich zu sehen! Ich möchte dich willkommen heißen.«

»Danke, Janice. Danke, dass du gekommen bist.«

Er fragte nicht, warum Gudrun nicht selbst gekommen war, und sie war dankbar, dass er nicht jetzt die Frage stellte.

Schweigend ging sie neben ihm, wagte kaum zu atmen. Sie wollte ihm einen Koffer abnehmen.

»Nein, Janice, das ist nichts für eine Frau«, sagte er lachend. »Behandle mich bitte nicht wie einen Kranken. Ich bin vollkommen gesund.«

»Ich freue mich unsagbar für dich, Andreas. Es muss schwer für dich gewesen sein, hilflos zum Warten verdammt im Sanatorium zu leben.«

»Reden wir nicht mehr davon. Es ist vorbei, und ich fühle mich ausgezeichnet.«

»Da steht der Wagen!«, sagte Janice. »Willst du selbst fahren?«

»Ja, das möchte ich gern.«

Sie setzte sich neben ihn und starrte hinaus. Hörte er ihr Herz hämmern? Sie merkte selbst, dass sie verkrampft wirkte.

»Janice?«

»Ja?«

»Bist du ständig auf dem Gut? Gudrun hat es mir gar nicht geschrieben.«

»Seit drei Monaten bin ich dort. Ich hoffe, dass es dich nicht stört.«

»Aber Janice, wie kannst du so etwas sagen? Natürlich stört es mich nicht. Aber es wundert mich, denn ein so hübsches Mädchen, wie du es bist, hat sicherlich andere Dinge im Kopf, als kleine Kinder zu hüten und die Schwester zu trösten.«

»Es gibt keinen Mann in meinem Leben, Andreas«, sagte sie leise und dachte: Das ist eine Lüge, denn ich liebe ja von ganzem Herzen, aber das darfst du, geliebter Mann, nie erfahren.

Die Stille wurde lastend zwischen ihnen. Janice fühlte, dass sie etwas sagen musste.

»Der ganze Garten ist ein Blumenmeer«, murmelte sie schließlich und wünschte sich bis ans Ende der Welt.

Graf von Venenburg betrachtete sein Land. Schon war das Haus zu sehen. Die bunten Farben des Gartens leuchteten durch die Bäume.

»Daheim«, sagte er, und unsagbares Glück schwang in diesem Wort mit.

Janice stieg aus, und in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und zwei kleine Mädchen stürmten heraus.