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Welches Tier frisst was? Welche Aufgabe hat welches Insekt? Welche Pflanzen eignen sich besonders zur Vogel- oder Bienenbeobachtung? Und allgemein: Wie fügen sich alle Tiere und Pflanzen im Garten zu einem einzigartigen Ökosystem zusammen? Cynthia Nagels fulminanter Prachtband beschreibt diese komplexen ökologischen Zusammenhänge erstmals vollumfassend und anschaulich. Der eigene Garten als Lebensraum vor der Haustür, in dem das Zusammenspiel der Arten und ihre Vielfalt gezielt gefördert werden können: Gegliedert nach Tier- und Pflanzengattungen und ergänzt durch über 800 brillante Bilder der Autorin erhält man einen einmaligen Überblick über das faszinierende Wunder der Natur im Ökosystem Garten.
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Seitenzahl: 572
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© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Susanne Kronester-Ritter, Folko Kullmann
Lektorat: Angelika Lang
Bildredaktion: Hannah Crawford, Natascha Klebl
Covergestaltung: kral & kral design, Dießen a. Ammersee
eBook-Herstellung: Chiara Knell
ISBN 978-3-96747-132-8
1. Auflage 2023
Bildnachweis
Coverabbildung: Marion Nickig
Illustrationen: AdobeStock; Dover Publications, aus: »Animals -1,419 Copyright Free Illustrations of Mammals, Birds, Fish, Insects, etc.«; Getty Images; Cynthia Nagel; Gisela Rüger
Fotos: Cynthia Nagel; AdobeStock; Alamy Stockfoto; Dorothea Baumjohann; FloraPress; iStock; LBV-Bildarchiv - naturfotos.lbv.de/Christoph Bosch; Markus Glaessel; Dr. Eberhard Pfeuffer; Rosi Roessner; Jocelyn Nagel; Noël Nagel; OKAPIA; Pixabay; Shutterstock
Syndication: www.seasons.agency
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Wenn ich durch meinen Garten gehe, dann möchte ich manchmal gerne nach der Devise »die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen« sortieren. Nicht nur Unkräuter, die letztendlich nur Pflanzen sind, die am falschen Platz wachsen, sondern auch Insekten und Tiere. Oder gleich nach dem Motto »Tausche Waschbär gegen Eichhörnchen« verfahren. Ich freue mich über Tagpfauenauge und Schwalbenschwanz, kann aber Kohlweißling und Gespinstmotte nicht die gleichen Sympathien entgegenbringen. Rotkehlchen liebt jeder, aber bei Spatzen und Tauben scheiden sich die Geister. Alle möchten Wildbienen im Garten, aber Wespen müssen doch nicht wirklich sein. Bei Fliegen, Mücken und Schnecken sind sich alle einig, dass die doch bitte schön wegkönnen.
Die Faszination, die Naturbeobachtung bieten kann, beschränkt sich oft auf Vögel, Eichhörnchen, Igel, bunte Schmetterlinge und Bienen. Seit die sogenannte Krefelder Studie im Herbst 2017 erschienen ist, ist Bienensterben oder Insektensterben ein Thema in Medien und Politik. Oft ist dabei von der Honigbiene, manchmal von Wildbienen und gelegentlich von Schmetterlingen die Rede. Jetzt sollen die Gärten retten, was an Artenvielfalt noch übrig ist. Auch hier beschränken sich die Publikationen auf Bienen und Schmetterlinge und suggerieren sehr oft, dass, wenn man nur die richtige Pflanze wählt, alles gut wird. Die restlichen Insekten gehören dann weiterhin zu den eher weniger gern gesehenen Tieren. So ist allzu oft alles, was krabbelt, eklig und gibt man einen Insektennamen in Suchmaschinen ein, so wird dieser hauptsächlich mit Begriffen wie töten, gefährlich, entfernen, tödlich, bekämpfen, Plage, vertreiben ergänzt und seltener mit nützlich. Zwar tauchen unter den ersten Suchanfragen Wikipedia und die Seiten des NABU auf, aber dann folgen gleich Seiten mit Tipps, wie man Insekten bekämpft, tötet und vertreibt. Schnecken gelten als die Ausgeburt des Bösen, Wespen als gefährlich und der Rest fällt unter Schädling/Lästling.
Die Erde ist nicht mehr Mutter Erde, der Quell allen Lebens, sondern höchstens Dreck. Oftmals steht dann auch eine rein kommerzielle Betrachtungsweise im Vordergrund. Bienen sind als Bestäuber nützlich, da sie damit zu unserer Ernährung beitragen, der Rüsselkäfer dagegen frisst an den Gartenpflanzen. Der eine darf durch die Anlage von Blumenwiesen gefördert, der andere weiterhin mit allen Mitteln vernichtet werden.
In einem Ökosystem gibt es keine Nützlinge und keine Schädlinge und weder gut noch böse. Dies ist eine rein menschliche Betrachtungsweise, in der sich auch die komplette Entfremdung von der Natur widerspiegelt. Diese Entfremdung manifestiert sich sowohl in der Vermenschlichung und der Verniedlichung der Natur, zum Beispiel in Disney-Filmen, wie auch in oft irrationalen Ängsten vor dieser. Man möchte im Garten nur die erwünschten Bewohner haben und als solche gelten natürlich alle Bienen, die hübschen, bunten Tagfalter und Singvögel. Wenn ein Garten aber nicht nur Oase zur Erholung sein soll, sondern auch helfen soll, die Biodiversität zu erhalten, dann gehören auch alle anderen dazu. Spinnen, Asseln, Wespen, Käfer, Läuse und Wanzen haben zum Beispiel einen durchaus berechtigten Platz im Garten. Sie alle haben ihren Anteil und ihre Aufgabe im Ökosystem Garten und regulieren sich gegenseitig. Mit jeder Art, die verschwindet, verschwinden etliche andere.
Die Natur, die uns umgibt und deren Teil auch wir letztendlich sind, ist faszinierend, bunt, vielfältig, aus menschlicher Sicht gesehen oft grausam und vor allem vielen doch sehr unbekannt. Selbst im Garten sind vielen die Zusammenhänge und die vielen kleinen Krabbeltiere, die sich auf Blüten, an Blättern und im Boden befinden, fremd.
Dieses Buch erläutert diese Zusammenhänge, stellt die verschiedenen Bewohner eines Gartens von Tier über Pflanze bis Pilz vor und zeigt auf, wie sie zusammengehören. So werden nicht nur viele Tierarten – von Insekten über Vögel bis zu Schlangen und Mäusen – vorgestellt, sondern auch ihre Feinde, sodass am Ende das Netzwerk (web of nature), welches die Natur eigentlich ist, verständlich wird. Daneben wird aber auch die Pflanzenwelt und der Zusammenhang zwischen Blüte und Bestäuber betrachtet und erklärt, was überhaupt eine einheimische Pflanze ist. Dem oft vergessenen Leben im Boden, welches so wichtig für die Bodenfruchtbarkeit ist, ist ebenfalls ein ausführliches Kapitel gewidmet. Da es letztendlich ein Buch für Gärtner ist, gibt es auch immer wieder praktische Tipps neben den biologischen Erläuterungen. Wie siedele ich Wildbienen richtig an, wie lebt man friedlich mit Wespen zusammen, was darf ich im Herbst abschneiden, welche Pflanzen eignen sich zur Insektenbeobachtung, biologische Schädlingsbekämpfung und letztendlich auch Bestimmungshilfe, damit Schwebfliegen, Wespen und Bienen zum Beispiel nicht verwechselt werden.
Cynthia Nagel
Grüne Oasen und bunte Blumenbeete sind nicht nur eine Wohltat für die menschliche Psyche, sie bieten auch Raum für viele unterschiedliche Lebewesen.
Jeder Garten kann eine Vielzahl von Lebensräumen bieten und so einen Beitrag gegen das Artensterben leisten.
In einem Garten nehmen wir in erster Linie die Blüten und dann vielleicht auch bei näherem Hinsehen die Blütenbesucher wahr. Die Blätter der Bäume, Sträucher und Stauden sind Hintergrund und selten ein Hauptaugenmerk unserer Wahrnehmung – es sei denn, es handelt sich um besonders auffällige Blattstrukturen und Muster. Genauso selektiv beobachten wir auch das Leben im Garten. Singende Vögel, die Bestäuber auf den Blüten und bunte Schmetterlinge lösen positive Empfindungen aus, während viele andere Tiere als störend oder gar schädlich eingestuft werden. Die meisten Lebewesen nehmen wir überhaupt nicht wahr, und selten ist uns bewusst, wie viel Leben sich eigentlich in einem Garten befinden kann, da wir uns fast ausschließlich auf Blüten konzentrieren.
Blüten des Purpursonnenhuts (Echinacea purpurea) und der Rudbeckie (Rudbeckia fulgida var. sullivanti) ‘Goldsturm’
Betrachten wir als Beispiel das Bild rechts. Die bunten Blüten des Purpursonnenhuts (Echinacea purpurea) und der Rudbeckie (Rudbeckiafulgida var. sullivanti) ‘Goldsturm’ ziehen alle Blicke auf sich. Der Rasen im Hintergrund, die Blätter der Stauden und der Boden unter ihnen entgeht unserer Aufmerksamkeit. Dabei beherbergen sie erheblich mehr Lebewesen, als Bestäuber auf den Blüten sitzen. Während wir Letztere noch problemlos zählen können, ist dies beim Leben im Boden schon nicht so einfach (siehe >).
Besteht ein Garten nicht nur aus Pflaster, Schotter und Rasen, dann wachsen dort unterschiedliche Pflanzen, die verschiedene Lebensbereiche bilden. Diese sind in dem Schaubild auf > zusammengefasst. Geht man von oben nach unten, kann man den Garten in mehrere Zonen einteilen.
Sie bilden das Gerüst eines Gartens. Sie spenden Schatten, bilden einen Sichtschutz oder den Hintergrund für Blumenbeete, gliedern den Garten und liefern oft auch Früchte oder Samen. Diese wiederum sind Nahrung für eine Vielzahl von Lebewesen wie Vögel. Die Blätter bilden die Nahrungsgrundlage zum Beispiel für Falterraupen, Käfer, Läuse und Pflanzenwespen, liefern aber auch Nistmaterial für Blattschneiderbienen. Die Wurzeln der Bäume und Sträucher halten den Boden und schützen vor Erosion. Zweige und Äste bieten Nistmöglichkeiten und können auch Nahrung sein. So können sich vom obersten Baumwipfel bis zur Wurzelspitze die unterschiedlichsten Lebewesen an den Bäumen und Sträuchern einfinden. Die höchste Anzahl an Lebewesen unterstützt in unseren Breitengraden die Stieleiche (Quercus robur).
Der Übergang von Baum zu Strauch ist fließend. Während ein Baum einen Haupttrieb herausbildet, verzweigt sich ein Strauch von der Basis aus. Beide verholzen. Viele Sträucher können in Baumform, also mit einem Hauptstamm und einer Krone, gezogen werden und mancher Baum verzweigt sich schon kurz über dem Boden, sodass er wie ein Strauch wirkt. Eine Sonderstellung nehmen die Halbsträucher ein. Sie verholzen nur zum Teil, ein Teil ihrer Triebe stirbt im Winter ab. Sie stehen zwischen Sträuchern und Stauden. Zu den Halbsträuchern gehören der Küchensalbei (Salvia officinalis) und die Perovskie (Perovskia atriplicifolia). Auch der Efeu ist ein Halbstrauch.
Unterhalb der Sträucher wachsen die Blumen, die man unterteilen kann in einjährig, zweijährig und Stauden. Während einjährige Pflanzen innerhalb eines Jahres keimen, wachsen, blühen, Samen ansetzen und absterben, überstehen zweijährige Pflanzen eine Kälteperiode, bevor sie blühen und sich aussäen. Sie keimen und wachsen im ersten Jahr und blühen dann nach dem Winter. Pflanzen, die Jahr für Jahr blühen, im Winter zwar scheinbar absterben, aber im Frühjahr wieder austreiben, bezeichnen Gärtner als Stauden. Auch Geophyten, also Zwiebelblumen wie Schneeglöckchen, gehören demnach zu den Stauden. Dies sind ausdauernde, also mehrjährige Pflanzen, die länger als zwei Jahre leben. Natürlich gibt es hier auch fließende Übergänge und Ausnahmen.
1 Bäume spenden Schatten, speichern Kohlendioxid, sind das Gerüst eines Gartens, schützen den Boden vor Erosion, bieten Nistmöglichkeiten und sind Nahrung vieler Arten.
2 Sträucher haben die gleichen Funktionen wie Bäume, sind aber weniger raumgreifend und damit platzsparender.
3 Blüten dienen der Fortpflanzung der Pflanze und bieten vielen Insekten, nicht nur Bienen, Nektar und Pollen.
4 Krautschicht besteht aus den Blättern der bodenbedeckenden Pflanzen. Sie schützt den Boden vor Austrocknung, bietet Verstecke, Schutz und Nahrung für viele Arten.
5 Mulm besteht aus dem auf dem Boden liegenden organischen Material wie Laub und Streu und bietet nicht nur Winterschutz für Pflanzen und Tiere, sondern gehört auch essenziell zum Recycling-Kreislauf.
6 Boden ist die Grundlage allen Lebens, ein gesunder Boden enthält Milliarden von Lebewesen.
Was wir an Blumen am ehesten wahrnehmen, sind die Blüten. Sie sind das Fortpflanzungsorgan einer Pflanze. Sie können unscheinbar sein, aber auch groß und auffällig. Wir bevorzugen natürlich eher die auffälligen Blüten und haben durch Züchtung und Auslese viele Gartenpflanzen mit besonders großen, leuchtenden Blüten geschaffen. Für die Tierwelt bieten Blüten Pollen (eigentlich der männliche Samen der Pflanze) und oft auch Nektar (Lockstoff). Ein großer Teil der Pflanzen benötigt Tiere zur Bestäubung, aber viele Pflanzen wie zum Beispiel Gräser, Koniferen, Buchen, Birken, Pappeln, Haselnuss und Beifuß werden durch den Wind bestäubt. Ihr Pollen wird aber durchaus auch von Insekten genutzt. Die Beziehung zwischen Blüte und Bestäuber ist kompliziert, und nur weil ein Insekt eine Blüte besucht, heißt das noch lange nicht, dass es diese auch bestäubt (siehe >).
Eine Blattschneiderbiene sammelt mittels ihrer Bauchbürste Pollen an einer Rosenblüte und bestäubt dabei auch die Rose.
Eine Honigbiene füllt ihre Pollenkörbchen mit den Pollen einer Haselnuss. Diese wird vom Wind bestäubt.
Die meisten Blumen bestehen nicht nur aus der Blüte, sondern auch aus Blättern, über die sie Fotosynthese betreiben. Nur Schmarotzer wie die Sommerwurze (Orobanche) kommen ohne Blätter aus. Bis auf Blattschmuckstauden spielen die Blätter der Pflanzen in den Blumenrabatten im Garten eine untergeordnete Rolle. Sie sind aber nicht nur für die Existenz der Pflanzen essenziell, sondern auch Lebensraum. Diese Krautschicht bietet Nahrung und Verstecke. Sie beschattet den Boden und bewahrt ihn vor Austrocknung.
Diese Schicht besteht aus Laub, Streu und in verschiedenen Stadien der Verrottung befindlichen organischen Stoffen, die auf der Erde liegen. Sie wird gern von übereifrigen Gärtnern aus dem Garten entfernt. Dabei ist Mulm für den Kreislauf des Lebens und damit auch für das Leben der Pflanzen unerlässlich. Außerdem schützt auch er den Boden vor Trockenheit, stellt die Nahrung für eine Menge unterschiedlicher Lebensformen dar und ist letztendlich auch Rückzugsort und Schutz für viele Tierarten. Ohne Mulm fehlen der Pflanze wichtige Nährstoffe und der Winterschutz. Die Entfernung dieser Schicht aus Ordnungsgründen gehört daher zu den größten Fehlern, die man beim Gärtnern begehen kann.
Herbstlaub ist nicht nur wichtig, um den Pflanzen Nährstoffe zurückzuführen, es ist auch Winterquartier für viele Lebewesen.
Wenn im Herbst die prächtig gefärbten Blätter der Laubbäume langsam zu Boden fallen, sehen viele Gartenbesitzer nicht die Schönheit dieses Vorgangs, sondern Dreck und Arbeit. Dann beginnen viele hektisch, mit Schaufel, Besen, Rechen und Laubsauger jedes Blatt von Wegen, Rasen und den Beeten zu entfernen – sofern sie nicht schon alle Bäume entfernt haben und das Grundstück unter Folie und Stein vergraben ist. Etliche Gartenbesitzer pflanzen daher sogenannte Immergrüne wie Kirschlorbeer und Thuja, um dieser Arbeit zu entgehen. Aber auch immergrüne Pflanzen werfen einmal im Jahr Laub und Nadeln ab – allerdings nur einen Teil des Blattwerks und daher fällt es weniger auf.
Letztlich schützt sich der Baum durch den Abwurf der Blätter vor dem Austrocknen im Winter. In dieser Jahreszeit nehmen die Wurzeln weniger Wasser auf, aber die Blätter würden weiterhin Wasser verdunsten und an die Umgebung abgeben. Immergrüne haben einen eingebauten Schutz vor diesem Vorgang, beispielsweise eine wachsartige Schicht, und werfen daher ihre Blätter und Nadeln nicht ab. Vor dem Abwurf werden wertvolle Nährstoffe im Blatt abgebaut und im Stamm und in den Zweigen eingelagert. Chlorophyll, der grüne Blattfarbstoff, der für die Fotosynthese verantwortlich ist, wird nicht mehr neu gebildet. Dadurch werden die gelben und orangefarbenen Farbstoffe in den Blättern sichtbar. Die Farbstoffe schützen das Blatt vor UV-Strahlung und sichern den erfolgreichen Abbau der Nährstoffe vor dem Laubabwurf. Während die wertvollen Inhaltsstoffe der Blätter weiterhin dem Baum zur Verfügung stehen, kann dann alles Erkrankte, Verletzte, Alte abgeworfen werden. Die Pflanze führt also mit dem Laubfall eine Detox-Kur durch.
Dies bedeutet aber nicht, dass man das Herbstlaub aus dem Garten entfernen sollte. Ein von Laub bedeckter Boden trocknet weniger leicht aus und friert in Frostperioden auch weniger schnell durch. Das Laub schützt also die Pflanzen vor Wassermangel und Gefriertrocknung. Dies gilt auch für Stauden und Gräser, die ebenfalls auf den Schutz ihrer verwelkten Blätter angewiesen sind, um den Winter unbeschadet zu überstehen. Zudem bietet eine dicke Laubschicht vielen Lebewesen ein Winterquartier (siehe >). Außerdem unterbricht man mit dem Entfernen des Laubs den Zyklus des Lebens der Pflanzen und nimmt ihnen die Nährstoffe für den Frühling, wenn diese wieder austreiben. Dies wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Pflanzen aus. Schädlinge können die geschwächten Pflanzen besser angreifen und Pilzinfektionen können sich ausbreiten. Laub sollte also im Garten verbleiben und dort, wo es entfernt werden muss (Wege, Rasen), eingesammelt werden, um auf Beeten verteilt zu werden oder zumindest auf den Komposthaufen zu wandern.
Durch die überwiegend kommerzielle Nutzung von Wäldern sind viele Lebewesen, die von Totholz leben, selten geworden und stehen auf den roten Listen. Aber auch in den Gärten werden abgestorbene Bäume und Baumstümpfe rigoros entfernt, obwohl so ein von Moos überwachsener Baumstumpf durchaus attraktiv ist. Wird Totholz im Garten gelagert, so handelt es sich oft um Kaminholz und dies wird vielen Insekten sogar zum Verhängnis. Etliche der von Totholz lebenden Insektenlarven besitzen eine mehrjährige Entwicklungszeit und werden verbrannt, bevor sie sich fertig entwickeln konnten. Zudem sind von Totholz lebende Arten oft schlechte Flieger und können nur in einem begrenzten Gebiet Totholz für ihre Brut suchen. Auch für Vögel und Fledermäuse ist das Verschwinden von abgestorbenen bzw. alten Bäumen verhängnisvoll. Sie finden keine Höhlen zum Brüten, Schlafen und Überwintern.
Totholzbewohner leisten einen wichtigen Anteil in einem Ökosystem, da sie das ansonsten schwer verdauliche Holz wieder in den Kreislauf zurückführen und so dessen Nährstoffe anderen Lebewesen, zum Beispiel Pflanzen, wieder zugänglich machen.
Gartenbesitzer können mit einfachen Maßnahmen einen Beitrag zum Erhalt der Diversität der Totholzbewohner beitragen. Dies kann ein Reisighaufen sein, den nicht nur Igel schätzen, sondern auch die Larven einiger Bockkäfer. Diese entwickeln sich in trockenen Ästen verschiedener Laubgehölze. Die meisten Käferarten, aber auch auf Holz spezialisierte Fliegenlarven, Pilze oder der Große Westliche Bandfüßer (Polydesmus angustus), ein Tausendfüßer, benötigen massive Stämme oder Baumstümpfe zur Entwicklung. Und viele können sich, wie Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus) oder Gebänderter Pinselkäfer (Trichius fasciatus), nur in weißfauligem Holz entwickeln. Daher sollte man Baumstümpfe stehen lassen und den einen oder anderen dickeren Ast oder Baumstamm in den Garten integrieren. Pilze wie Baumschwämme entwickeln sich an abgestorbenen Bäumen und Baumstümpfen, helfen beim Abbau derselben und bieten wiederum auf sie spezialisierten Käfern und Fliegen einen Lebensraum.
Der Boden, die Erde, ist die Grundlage allen Lebens. In ihm wachsen die Pflanzen, die nicht nur die Nahrungsgrundlage vieler Geschöpfe darstellen, sondern auch den Sauerstoff liefern, den wir atmen. In ihm leben Milliarden von Lebewesen, mehr als im Raum über ihm. Durch Versiegelung, Verdichtung und Erosion geht jeden Tag Boden und damit Lebensgrundlage für uns alle verloren. Und Gärtner, die das Laub entfernen, tragen ihren Teil dazu bei, denn dadurch werden vor allem Mineralstoffe dem Boden entzogen. Die Humusschicht verarmt und baut sich ab. Die Anzahl an Bodenlebewesen (siehe >), die das Laub zersetzen und die Humusschicht aufbauen, wird geringer. Der Boden wird dadurch zunehmend unfruchtbar. Haben frühere Generationen die Bedeutung von Mutter Erde noch verstanden, so ist er heute für viele nur noch Dreck. Dabei kann nur ein gesunder Boden, also einer, in dem es vor Lebewesen nur so wimmelt, ausreichende Erträge liefern. Mehr dazu ab >.
Sollte sich im Garten ein Teich befinden, so gehört auch dieser zu den Strukturen im Garten. Er bietet durch den Uferbereich und die verschiedenen Teichzonen eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume.
So ist ein Garten nicht ein einziger Lebensraum, sondern er besteht aus vielen verschiedenen Lebensräumen und steht außerdem immer mit seiner Umgebung im Austausch. Die Diversität der sich im Garten einfindenden Fauna hängt immer auch von der umgebenden Landschaft ab.
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Der Begriff Biodiversität geistert seit einigen Jahren durch etliche Publikationen und wird sehr oft mit der Anzahl und Vielzahl von Bestäubern gleichgesetzt. Biodiversität bedeutet biologische Vielfalt, aber nicht die Vielfalt an Bestäubern wie Wildbienen, sondern er umfasst alle Lebewesen von der Mikrobe über Pflanzen und Pilze, die Insekten und letztendlich auch die Säugetiere, Amphibien, Reptilien und Vögel. Nicht nur die Lebewesen von sehr klein bis groß gehören zu diesem Begriff, sondern außerdem die Vielzahl an unterschiedlichen Lebensräumen. Auch die genetische Variabilität innerhalb einer Population wird mit diesem Begriff erfasst. Biodiversität bedeutet also weit mehr als nur Artenvielfalt.
Je mehr Pflanzen also in einem Garten wachsen, die vielen unterschiedlichen Lebewesen Nahrung und Nistplatz bieten, umso höher ist die Biodiversität. Die Laus gehört dabei ebenso dazu wie die Hummel oder das Rotkehlchen. Auch umso abwechslungsreicher ein Garten gestaltet ist, beeinflusst die Biodiversität. Totholz und Reisighaufen, Trockenmauern, ein Teich oder eine Wasserstelle, Hecken, Komposthaufen, große Bäume, kaum versiegelter Boden, Staudenbeete und Blumenwiesen bieten alle unterschiedliche Lebensräume und je mehr ich davon im Garten besitze, desto höher ist die Biodiversität.
Bietet aber nur ein Garten all dies und die Umgebung besteht aus versiegeltem Boden und gepflegtem Rasen, so entstehen Inselpopulationen und es sinkt die genetische Vielfalt und damit die Biodiversität. So reicht es nicht, für eine hohe Biodiversität hier und da ein paar Blumen zu pflanzen, sondern es müssen unterschiedliche Lebensräume geschaffen werden und diese müssen mithilfe von Korridoren miteinander verbunden sein.
Nur wenn viele Gartenbesitzer ihre Gärten umweltfreundlicher gestalten und bewirtschaften und auch in Gemeinden und Landwirtschaft ein Umdenken stattfindet, werden wir die derzeit existierende Biodiversität erhalten.
Gärten können vielen Tieren eine Heimat bieten, aber nicht jeder Garten stellt ein geeignetes Habitat (Lebensraum) für Insekten, Vögel, Igel usw. dar. Die beliebten Schottergärten zum Beispiel versiegeln den Boden. Hier findet keine Biene Nektar und Pollen und kein Vogel einen Wurm. Sie bieten weder Nahrung noch Schutz. Auch ein gepflegter englischer Rasen, der nur mit dem Einsatz von Unkraut- und Moosvernichtungsmitteln, Wasser sowie Dünger in dieser sattgrünen Form gehalten werden kann, unterstützt kaum Biodiversität. Aufgeräumte Beete, in denen jedes welke Blatt entfernt wird und nackter Boden überwiegt, sind ebenfalls wenig geeignet als Lebensraum. Generell schließen sich Ordnung und Biodiversität eher aus. Auch kann sich ein ökologisches Gleichgewicht nur einstellen, wenn konsequent auf Insektizide, Pestizide und Kunstdünger verzichtet wird.
Eine Raubfliege (Asilidae) hat einen Käfer gefangen und dämmt so die Käferpopulation ein.
Das Nest einer Amsel ist aus vielen dünnen Grashalmen geflochten. Zusätzlich wird es mit Moos gepolstert. Im äußeren Bereich befinden sich gröbere Pflanzenteile, wie Taglilienblätter.
Eine Gartenwollbiene sammelt am Wollziest Nistmaterial für ihr Nest.
Wie sieht nun ein Garten aus, der der einheimischen Fauna eine Heimat bietet? Darf er nur einheimische Pflanzen beherbergen und aus unordentlichem Wildwuchs bestehen?
Wenn es um Insekten und Artensterben geht, so wird meistens nur ihre Beziehung zu Blüten betrachtet. Für die erfolgreiche Ansiedlung unterschiedlicher Insekten – und dies gilt auch für Vögel, Reptilien, Amphibien und Säugetiere – müssen aber mehrere Faktoren zusammenpassen. Die Verfügbarkeit von Nahrung ist dabei nur ein Teilaspekt für ein Tier, wenn auch ein wichtiger. So reicht es meistens nicht, ein paar Blumen zu pflanzen oder eine Nisthilfe aufzustellen. Neben der richtigen Nahrungsquelle müssen auch ein Nistplatz, Nistmaterial und gegebenenfalls Schutz vor Feinden gegeben sein.
Nahrung muss für den gesamten Lebenszeitraum eines Tieres in ausreichender Menge vorhanden sein. Im Fall von Insekten gilt dies auch für alle Entwicklungsstadien, wobei eine Larve eine andere Nahrungsquelle benötigen kann als das erwachsene Insekt. Die Beziehung zwischen Nahrung und Tier kann dabei sehr speziell sein. So brauchen manche Wildbienen bestimmte Pflanzenpollen für ihre Larven, während die Honigbiene ein Generalist ist, das heißt, sie ernährt sich von vielen verschiedenen Pflanzen. Nahrung kann dabei pflanzliches Material sein, wie Blätter, Wurzeln, Pollen, Nektar oder abgestorbene pflanzliche Masse (Laub, Totholz, Kompost). Sie kann aber auch tierischen Ursprungs sein. Oft genug wird beides benötigt.
Eine Blaumeise nimmt im Winter gern Sonnenblumenkerne. Ihre Brut muss sie jedoch mit proteinreicher Insektenkost wie Läusen ernähren. Eine Hainschwebfliege saugt genügsam Nektar, ihre Larven dagegen fressen Läuse und würden sich mit Nektar nicht entwickeln. Beeren aller Art, Zieräpfel und Hagebutten bieten auch Vögeln wie Amseln oder Wacholderdrosseln Nahrung.
Ohne einen geeigneten Nistplatz ist keine Fortpflanzung möglich. Dieser kann einfach nur die Nahrungsquelle einer Raupe sein, also eine Pflanze, muss aber auch ganz bestimmte Anforderungen bei anderen Tieren genügen. Die schon erwähnte Hainschwebfliege legt ihre Eier in der Nähe von Läusekolonien ab. Weitere Ansprüche stellt sie nicht. Der Buntspecht benötigt eine geeignete Höhle für sein Nest. Die Blaue Holzbiene kann ohne Totholz kein Nest bauen. Die Dunkle Erdhummel nistet bevorzugt in verlassenen Bauten von Mäusen. Für viele Tiere reicht deshalb nur das Angebot einer Nahrungsquelle nicht aus, um sich zu vermehren.
Manche Arten benötigen spezielles Nistmaterial, das heißt Baumaterial für die Anlage eines Nestes. Bei Wildbienen können dies Lehm, Sand und Blätter sein, bei Papierwespen wird Totholz verarbeitet und Vögel nutzen unterschiedlichstes Pflanzenmaterial wie Zweige, Gras oder Moos. Ist kein Material vorhanden, um ein Nest zu bauen, so wird auch kein Vogel im Garten brüten. Einige Wildbienenarten stellen sehr spezielle Ansprüche und siedeln sich nicht an, wenn ihr Nistmaterial nicht in der Nähe ist. So bauen etliche Mauerbienen ihre Brutzellen aus Lehm. Die Garten-Wollbiene ist auf Pflanzenwolle für ihr Nest angewiesen. Diese gewinnt sie zum Beispiel beim Wollziest (Stachys byzantina), der Vexiernelke (Silene coronaria) oder Strohblume (Helichrysum bracteatum).
Letztendlich ist auch Schutz vor Feinden, vor dem Winter oder vor anderen Witterungseinflüssen entscheidend, ob sich ein Tier im Garten ansiedeln wird. Ohne Unterholz wird sich kein Igel in den Garten verirren. In abgeräumten Beeten können keine Insekten überwintern.
Lässt man die Pflanzen über den Winter stehen, so können mit Raureif traumhaft schöne Gartenbilder entstehen.
Lässt man Gräser und Samenstände von Stauden über den Winter stehen, so können mit Raureif zauberhafte Winterbilder entstehen, die den Garten in der kalten Jahreszeit aus seiner braungrünen Tristesse reißen. Wenn dann die ersten Schneeglöckchen und Krokusse erscheinen und die Stauden beginnen auszutreiben, greift mancher Gärtner beherzt zur Schere. Nun heißt es aber oft, genau dies sollte man nicht tun. Andererseits – wenn man nichts abschneidet, kann man eigentlich den Garten vor August nicht mehr genießen, so jämmerlich sehen die Beete aus. Das neue Grün der Gräser braucht bis zum Hochsommer, um sich durch das vorjährige braune Grasbüschel zu schieben. Die langen, schmalen Blätter des Chinaschilfs verteilen sich schon oft ab Februar überall im Garten. Auch bei Stauden sieht es nicht besser aus und die alten Samenstände liegen auch schnell kreuz und quer in den Beeten herum. Frühblüher kommen kaum zur Geltung und Frühsommerstauden sehen auch nicht gerade optimal aus. Außerdem dürfte man schnell entweder besorgte Nachfragen erhalten, ob man krank sei, weil man sich nicht um den Garten kümmert, oder naserümpfende Kommentare hören zu der ungepflegten Wildnis.
Wie sinnvoll ist es aber nun eigentlich, Gräser und Stauden nicht abzuschneiden? Was soll man stehen lassen? Wie lange? Und welche Pflanze wird wie genutzt?
Generell muss man hier zwischen vier Dingen unterscheiden: Überwinterung, Nahrung, Nistplatz und Nistmaterial.
Überwinterung: Der größte Teil aller Insekten bzw. ihrer Larven überwintert im Boden oder in der Mulmschicht. Als Mulm bezeichnet man die auf dem Boden aufliegende Schicht aus halb verrottendem Pflanzenmaterial, also zum Beispiel Laub. Insekten benötigen keineswegs den Schutz alter Blätter von Stauden, wenn diese Mulm- und Streuschicht nur dick genug ist. Auch Igel schätzen einen Laubhaufen zum Überwintern. Adulte Insekten ziehen sich oft in den Boden zurück wie etwa Hummelköniginnen.
Einige Insekten überwintern aber auch in Pflanzenstängeln. Geeignet dafür sind nur hohle Stängel mit einem Durchmesser von über einem halben Zentimeter. Hier findet man dann Spinnen in ihren Kokons, kleine Fliegen oder das Rothalsige Getreidehähnchen (Oulema melanopus), einen Getreideschädling. Hohle Stängel bilden zum Beispiel Staudenpfingstrosen und Hohe Fetthenne (Sedum). Die Stängel sollten allerdings älter als ein Jahr sein. Gern genutzt werden auch die Blütenstiele der Taglilien. Diese sind dann schon am Ende des Sommers hohl. Allerdings sind nur Stängel zugänglich, die abgeschnitten wurden. Hier reicht es, ca. 10 bis 20 Zentimeter stehen zu lassen. Sobald es warm wird, verlassen die Insekten ihr Winterquartier und die hohlen Taglilienstiele können entfernt werden. Gräserhorste werden als Winterquartier genutzt, die Stiele der Blütenähren aber eher nicht. Diese sind meistens zu schmal oder nicht hohl.
Nahrung: Das gesamte abgestorbene Pflanzenmaterial stellt Nahrung für eine Reihe unterschiedlicher Organismen dar, wie Regenwürmer, Doppelfüßer, Käferlarven, Haarmückenlarven, Asseln, Springschwänze und Pilze, um nur einige zu nennen. Dafür müssen die abgestorbenen Pflanzen aber nicht unbedingt auf den Beeten verbleiben. Es reicht, wenn sie auf einen Kompost wandern oder als Häckselgut auf den Beeten ausgebracht werden. Hauptsache, man entfernt nicht große Mengen an pflanzlichem Material aus dem Garten, weil man dadurch den Kreislauf aus Werden und Vergehen unterbricht.
Verschiedene Stauden wie Rudbeckia, Disteln, Wilde Karde und Sonnenblumen besitzen auch im Winter eine gute Silhouette. Ihre Samen werden aber auch gern von Vögeln wie dem Stieglitz oder Erlenzeisig gefressen. Die Samen verschiedener Unkräuter, die normalerweise auf dem Speiseplan vieler Vögel stehen, hat man sowieso oft nicht im Garten bzw. sie sind, wie die Vogelmiere, längst vom Frost vorübergehend dahingerafft.
Nistplatz: Pflanzenstängel dienen auch als Brutplatz. Hier muss man aber zwischen zwei Brutplatztypen unterscheiden. Beim ersten Typ wird die Nahrung der Insektenlarve von außen eingebracht, der Stängel ist nur der Wohnraum der Larve, beim zweiten Typ ist die Pflanze Larvennahrung. Letzteres begeistert den Gärtner weniger, da die Pflanze geschädigt wird. Blattwespen, Falter und Käfer bohren die Pflanze an und legen ihre Eier in diese. Die Larven fressen sich dann durch die Pflanze und verpuppen sich auch manchmal dort. Allerdings verlassen viele Larven die Pflanze und verpuppen sich im Boden. Je toleranter der Gärtner und je weniger aufgeräumt ein Garten ist, umso mehr dieser teils recht hübschen und interessanten Insekten wird man finden, wie zum Beispiel den Himbeer-Glasflügler (Pennisetia hylaeiformis). Da es sich in diesem Fall aber um auf bestimmte Pflanzen spezialisierte Insekten handelt, wird man diese in erster Linie an einheimischen Pflanzen entdecken.
Ein weiterer Grund, die Pflanzenstängel nicht komplett zu entfernen, ist, dass einige Wildbienen und Grabwespen ihre Brutzellen darin anlegen. Ihre Eier, Larven oder Puppen verbringen den Winter in diesen Stängeln. Hierfür werden aber nur markhaltige Stiele mit einem ausreichenden Durchmesser genutzt, in erster Linie Brombeere, Holunder und Königskerzen, von Letzteren aber nur die zweijährigen Arten Verbascum phlomoides und V. thapsus. Damit Wildbienen und Grabwespen in Blütenstielen und Ruten ihre Brutzellen anlegen können, muss das Mark zugänglich sein. In der Natur sorgen Tiere und Witterung (Sturm, Regen, Frost) für abgebrochene Pflanzenstiele. Im Garten muss der Gärtner dies übernehmen, das heißt, man lässt ca. 50 Zentimeter der verblühten Pflanze stehen. Wen dies stört, der kann auch die abgeschnittenen Ruten und Stiele an einem Zaun senkrecht anbringen. Diese müssen dort allerdings erstens ausreichend gut befestigt sein und zweitens ein Jahr verbleiben.
Nistmaterial: Das Material, das die Vögel für den Nestbau benötigen, muss biegsam sein und sich in die Form eines Nestes bringen lassen. Dies sind Zweige, trockenes Gras und diverses abgestorbenes Pflanzenmaterial, das der Gärtner den Winter über stehen lässt. Dafür reicht es aber, das Material auf einen Kompost- und Reisighaufen zu legen. Es muss nicht unbedingt auf den Beeten verbleiben – außer als Mulmschicht natürlich. Abgeräumte Beete bedeuten immer fehlenden Winterschutz und eine schlechtere Bodenqualität, da der Humusanteil abnimmt. Zusätzlich wird noch Moos und Lehm in den Nestern verarbeitet.
Spät im Jahr blühende Königskerze – mit Raureif ein besonderes Gartenbild.
Möchte man der Natur in seinem Garten eine Chance geben, so ist letztendlich Toleranz und ein gewisses Maß an Unordnung notwendig. Trotzdem können bestimmte Maßnahmen durchgeführt werden, um ein schönes Gartenbild zu erhalten, ohne die Natur zu schädigen. Pflanzen, die nach dem ersten Frost ihre Form verlieren und zermatschen, können entfernt werden. Alles mit sehr dünnen Stängeln ebenfalls. Stattdessen sollte man mulchen. Eine unordentliche Ecke mit Kompost, Reisig, Moos und Brennnesseln erhöht die Biodiversität im Garten. Diese kann mit einer immergrünen Hecke gut kaschiert werden. Gezieltere Maßnahmen lassen sich allerdings nur ergreifen, wenn man die im Garten und in der näheren Umgebung vorkommenden Arten kennt. Eine Möglichkeit wäre es zum Beispiel, in der Umgebung wachsende einheimische Pflanzen in den Garten zu integrieren.
Schneeheide Eine männliche Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) stärkt sich mit Nektar an der Schneeheide (Erica carnea). Viele Wildbienen finden sich an der Schneeheide ein, sammeln dort aber nicht Pollen für ihre Brut, sondern versorgen sich dort nur mit Nahrung für sich selbst. Durch die warmen Winter tauchen viele Wildbienen, wie die Hummelköniginnen, schon im Februar im Garten auf und finden an der Schneeheide Nahrung. So überbrücken sie die Zeit, bis ihre Pollenpflanzen blühen. Oder eben wie im Fall der Sandbiene, bis die Weibchen auftauchen.
Die Zaubernuss Hybride ‘Jelena’ bereichert mit ihrer Wuchsform, den aparten Blüten und der schönen Herbstfärbung jeden Garten.
Im Winter blühende Pflanzen sind eine Bereicherung für den Garten, aber zum Erhalt der Biodiversität tragen sie weniger bei. Sinnlos sind sie aber nicht. Es kommt auf die Art und den Blühzeitpunkt an. In erster Linie profitiert aber die Honigbiene von sehr früh im Jahr blühenden Pflanzen. Das Schneeglöckchen (Galanthus) wird ausschließlich von der Honigbiene besucht. Am Winterling (Eranthis hyemalis), bei dem es sich nicht um eine einheimische Pflanze, sondern um einen Neophyten handelt, beobachtet man auch andere Insekten, die von der Wintersonne hervorgelockt wurden. Die Zaubernuss (Hamamelis) ist ein Windbestäuber und wird auch von keinem Insekt besucht. Anders verhält es sich mit der Gattung Helleborus. Während sich an der Christrose (Helleborus niger) aufgrund des sehr frühen Blühzeitpunkts noch keine Insekten einfinden, sieht dies bei den Lenzrosen (Helleborus orientalis-Hybriden) und vor allem bei der Stinkenden Nieswurz (Helleborus foetidus) schon ganz anders aus. Die Nieswurz schiebt bereits im Dezember ihren Blütenstand aus ihren palmartigen Blättern hervor. Die Blüten öffnen sich aber erst je nach Wetterlage frühestens im Februar. Die glockenblumenförmigen Blüten enthalten Hefezellen im Nektar, die diesen teilweise zersetzen und so dafür sorgen, dass die Temperatur in der Blüte höher ist als in der Umgebung. Neben der Honigbiene besuchen vor allem Hummeln die Blüten. Aber auch Andrena bicolor, die Zweifarbige Sandbiene, sammelt dort Pollen.
Auch die Gehörnte Mauerbiene, Blaue Holzbiene und Rostrote Mauerbiene habe ich schon an den Blüten beobachtet. Die Lenzrosen werden in erster Linie von der Honigbiene besucht. Ebenfalls sehr früh im Jahr blüht die Schneeheide (Erica carnea). Sie öffnet die ersten Blüten oft schon im Januar. Sobald es wärmer wird, finden sich alle Insekten, die sich nicht mehr in der Winterruhe befinden, hier ein, um Nahrung zu finden: Honigbiene, Blaue Holzbiene, Gehörnte Mauerbiene, Rostrote Mauerbiene, Graue Sandbiene und diverse andere Sandbienen, Hummelköniginnen, Fliegen und sogar Tagfalter wie der Kleine Fuchs. Die ebenfalls sehr früh im Jahr blühenden Krokusse, vor allem der Elfen-Krokus (Crocus tommasinianus) blüht sehr früh, werden nur von Honigbienen und Hummeln besucht und bestäubt. Mahonia×media, eine Kreuzung aus Mahonia japonica und Mahonia lomariifolia, blüht ebenfalls im Winter und damit erheblich früher als die Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolium). Wenn ihre Blütezeit in den Spätwinter fällt, wird sie fleißig von verschiedenen Insekten besucht. Das Gleiche gilt für den Winterjasmin (Jasminum nudiflorum), der allerdings von erheblich weniger Insekten aufgesucht wird. Die Blaue Holzbiene besucht die noch geschlossenen Blüten und begeht dort Nektarraub.
Letztendlich sind im Winter blühende Gehölze, Geophyten und Stauden nicht nur eine Bereicherung für den Garten, weil er dann weniger langweilig in einer tristen Zeit aussieht, sondern sie besitzen durchaus auch einen ökologischen Nutzen. Durch die milden Winter taucht nicht nur die Honigbiene schon sehr früh auf, auch viele andere Insekten sind dadurch früher auf der Suche nach Nahrung.
Ein buntes Beet wie hier mit Korsischer Nieswurz (Helleborus lividus), Primeln, Lenzrosen-Hybriden, Narzissen und Anemone blanda bietet unterschiedlichen Insekten Nahrung.
Winterjasmin (Jasminum nudiflorum).
Lenzrosen-Hybriden kommen in vielen unterschiedlichen Farben vor und sind eine Bereicherung für den Frühlingsgarten.
Nicht nur Fressen und Gefressenwerden, sondern auch das Zusammenwirken zwischen allen Tieren und Pflanzen bestimmen das Netzwerk der Natur.
Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, gehört neben Höhenangst zu den häufigsten Ängsten der Menschen. Spinnen gelten als eklig und in Filmen als böse, obwohl sie äußerst nützliche Räuber sind. Schillernde Tagfalter dagegen werden geliebt. Allerdings wird ein vermeintlicher Schmetterlingsgarten nur für die bunten, hübschen Falter bepflanzt, während die gefräßigen Raupen der Spanner und Zünsler, jene braunen und grauen unscheinbaren Verwandten der Tagfalter, bekämpft werden. Läuse an den Rosen lassen viele zur Spritze greifen, der Marienkäfer, ihr natürlicher Feind, ist dagegen gern gesehen. Nur ohne Läuse auch kein Marienkäfer.
Wir würden also gern die hübschen Arten selektieren und die anderen eliminieren. Doch die einen gibt es nicht ohne die anderen, da vieles in dem komplexen Netzwerk der Natur zusammengehört. Drehen wir an einer Stellschraube, verändern wir an anderer, eigentlich nicht beabsichtigter Stelle ebenfalls das Gefüge der Natur – mit anderen Worten das ökologische Gleichgewicht. Denn kein Lebewesen existiert auf diesem Planeten, ohne in Beziehung zu einem anderen Lebewesen zu stehen. Wenn eine Art im Garten überhandnimmt und zum Problem wird (Läuse, Schnecken, Raupen etc.), so ist dies in erster Linie ein Anzeichen dafür, dass das ökologische Gleichgewicht im Garten gestört ist.
Diese Wechselbeziehungen der Arten, das Netzwerk der Natur (web of nature), sind vielfältig und gehen über die Dramatik des Fressens und Gefressenwerdens hinaus. Auch der Mensch ist Teil dieses Netzwerks und die Behauptung, der Mensch hätte keine Feinde mehr und stände an der Spitze aller Nahrungsketten, ist keineswegs richtig. Unsere Feinde sind nur eher klein (Bakterien, Pilze und diverse Parasiten) und auch wir sind auf viele Lebewesen auf diesem Planeten angewiesen. Zum Beispiel würden wir ohne die Pflanzen und ihre Fähigkeit, mithilfe der Fotosynthese Kohlendioxid in Sauerstoff und Nahrung zu verwandeln, schnell ersticken und verhungern. Und ohne unsere Darmflora, die aus Billionen von Bakterien und anderen Kleinstlebewesen besteht, wären viele Nährstoffe für uns nicht zugänglich. So stehen letztendlich alle Lebewesen in unterschiedlichen Beziehungen zueinander. Im Idealfall liegt ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen den einzelnen Arten vor, in dem keine Art überwiegt und jede Art den Bestand einer anderen Art kontrolliert.
Aber wie funktionieren diese Beziehungen und Abhängigkeiten? Welche Mechanismen hat die Natur entwickelt, um den Kreislauf des Lebens und das Gleichgewicht zu erhalten?
Ein blütenreicher, dicht bepflanzter Garten erhält die Artenvielfalt und hilft auch gegen das Artensterben. Herbst-Astern zum Beispiel sind für viele Insekten eine wertvolle Nahrungsquelle.
Die einfachste Form, die Beziehungen zwischen den Arten abzubilden, ist die Nahrungskette. Am Anfang steht eine Art, meistens eine Pflanze, die von einer anderen Art, einem Pflanzenfresser (Herbivore, Phytophage), konsumiert wird. Dieser Pflanzenfresser wird wiederum von einem Fleischfresser (Carnivore) verspeist. Und dieser seinerseits von der nächsten Art, bis am Ende eine Art steht, die von niemandem mehr gefressen wird. Dies kann ein Raubtier oder der Mensch sein. Diese sind wiederum nach ihrem Tod Nahrung für Aasfresser und Zersetzer (Destruenten). Dabei limitiert die Menge der vorhergehenden Art in der Nahrungskette die Anzahl an Individuen der nachfolgenden Art. Da die Menge der vorhergehenden Art in der Kette immer größer sein muss als die der nachfolgenden Art, entsteht eine Pyramide und gleichzeitig aber auch ein Kreislauf. Dies ist sehr vereinfacht dargestellt, da in der Natur letztendlich viele Lebewesen Allesfresser (Omnivoren) sind und es sich außerdem nicht um Ketten, sondern eher um Nahrungsnetze handelt. So kann die Entfernung oder Bestandsänderung einer der Arten in einer Nahrungskette das Ökosystem stark verändern (trophische Kaskade), aber auch keinerlei sichtbare Wirkung entfalten. In der Geschichte gab es zum Beispiel mehrmals Versuche, die Sperlinge (Spatzen) auszurotten, da man ihnen unterstellte, dem Menschen das Getreide wegzufressen. Der Letzte, der diese Ausrottung anordnete, war Mao Zedong 1958. Nun fressen Spatzen keineswegs dem Menschen das Getreide weg, sondern sie dezimieren vor allem durch die Aufzucht von vielen Nachkommen die Insektenpopulation. So bekam China statt mehr Getreide eine Hungersnot.
Allerdings kann auch das Hinzufügen einer Art zu einem bestehenden Ökosystem verheerende Wirkungen entfalten. Neobiota (vom Menschen eingeführte Arten), egal ob Pflanze (Neophyt) oder Tier (Neozoon), können einheimische Arten verdrängen und so Nahrungsnetze zerstören.
In der Abbildung ist eine einfache Nahrungskette abgebildet. Eine Rose wird von Pflanzenläusen befallen, diese werden vom Feldsperling gefressen und dieser wiederum wird vom Sperber gejagt. Stirbt der Sperber, so wird er mithilfe von Aasfressern und Destruenten wieder Teil des Erdreichs, in dem die Rose wächst.
Letztendlich sind die Beziehungen in der Natur aber nicht so einfach, wie in der Abbildung links dargestellt. Am Beispiel der Hundsrose (Rosa canina) sollen hier die komplizierten Beziehungen in der Natur beleuchtet werden. Jede Rose und damit auch die Hundsrose ist Nahrungsquelle für unterschiedliche Tiere. Wenn sie blüht, sammeln dort Honigbienen, diverse Hummelarten und einige Wildbienen wie die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis), die gern Nisthilfen besiedelt, Pollen für ihre Nachkommenschaft. Der Pollen wird auch von Käfern gefressen, wie dem Gold-Rosenkäfer (Cetonia aurata) oder anderen Rosenkäfern. Dabei profitieren nicht nur die Bienen und Käfer von dem Pollen der Rose, sondern auch die Rose selbst, da sie bestäubt wird. Die aus den Blüten dann entstehenden Hagebutten sind Nahrung für etliche Vogelarten, zum Beispiel Drosseln, die so die Samen der Rose verteilen. Natürlich fressen verschiedene Insekten an den Rosen, über die wir weniger glücklich sind als über den Bienenbesuch. Von der Großen Rosenblattlaus (Macrosiphum rosae) über diverse Blattwespen, wie die Weißgegürtelte Rosenblattwespe (Allantus cinctus), Spinnmilben, Thripse (Frankliniella occidentalis), Rosenzikade (Edwardsiana rosae), Gefurchter Dickmaulrüssler (Otiorhynchus sulcatus), Rosen- bzw. Heckenwickler (Archips rosana), einem Nachtfalter, bis zur Schwarzen Rosengallwespe (Diplolepis rosae) besiedelt eine Reihe von Insekten Rosen. Diese besitzen eine ganze Reihe von Feinden bzw. Gegenspielern (Antagonisten). Die Große Rosenblattlaus wird nicht nur vom Feldsperling, sondern auch von anderen Vögeln gefressen bzw. an die Jungvögel verfüttert. Neben den Blattläusen picken die Vögel auch alle anderen Insekten ab, sofern sie sie erwischen. Die Große Rosenblattlaus ist wiederum auch Nahrung für die Larven diverser Marienkäfer, Weichkäfer, Schwebfliegen und für den Blattlauslöwen (Larve der Florfliegen) sowie auch der erwachsenen Tiere. Auch die Rote Weichwanze (Deraeocoris ruber) sowie die Blumenwanzen (Anthocoridae) ernähren sich von Blattläusen. Daneben sammeln Grabwespen (Passaloecus ssp.) die Blattläuse für ihre Brut. Die Rosenzikade wird von kleinen Erzwespen parasitiert und auch die Raupen von Blattwespen und Nachtfaltern besitzen etliche Gegenspieler, die sie fressen oder parasitieren und so ihre Zahl dezimieren. Jede dieser Arten hat selbst wiederum Gegenspieler. Die Grabwespen werden von der Schlupfwespe Perithous septemcinctorius parasitiert. Marienkäfer werden im Bestand unter anderem von der Marienkäfer-Brackwespe (Dinocampus coccinellae) reduziert. Auch die Bienen, die Blütenbesucher, besitzen eine ganze Reihe von Gegenspielern, wie zum Beispiel etliche Wespenarten, aber auch Vögel, Fliegen und Spinnen. Spinnen leben natürlich ebenfalls auf einer Rose und ernähren sich von denjenigen, die die Rose zur Nahrungssuche besuchen.
So ist bis zu diesem Punkt schon ein kompliziertes Geflecht aus Beziehungen entstanden. Wenn unser Feldsperling vom Sperber erwischt wird, so ist damit auch nicht das Ende dieser Nahrungskette erreicht, da dieser ebenfalls Gegenspieler besitzt. Wanderfalke, Adler, Habicht, Fuchs und Marder sind dessen Antagonisten. Jedes dieser Tiere dient dann nach seinem Tod einer ganzen Reihe von Lebewesen als Nahrung. Die Federn und Haare werden zum Beispiel von Speckkäfern verwertet. Viele Insekten, Würmer und Asseln leben von pflanzlichen Resten. Bakterien, Pilze und Einzeller zersetzen organisches Material. All dies führt am Ende zur neuen Humusbildung sowie Remineralisierung, wodurch unsere Rose neue Nahrung erhält. So steht unsere Rose mit vielen Lebewesen in einer Beziehung, ist Teil eines Netzes und liefert außerdem Sauerstoff und bindet Kohlendioxid.
Die Rote Weichwanze (Deraeocoris ruber) auf einem Rosenblatt auf der Jagd nach Insekten.
Eine Florfliege, gut getarnt inmitten einer Rose. Ihre Larven, die sogenannten Blattlauslöwen, ähneln Raupen.
Einfach blühende Rosen wie die historische Rose ‘Mary Queen of Scots’ ziehen viele Insekten auf Nahrungssuche an.
Dieses Nahrungsnetz oder web of nature sollte man niemals mit menschlichen Kriterien von Gut und Böse oder Nützlich und Schädlich betrachten. Auch die Gegenspieler von Insekten, die wir als nützlich ansehen, haben ihren Platz. Sie dienen der Bestandskontrolle und sorgen dafür, dass eine Art nicht überhandnimmt. Ohne diese Mechanismen herrscht ansonsten schnell Nahrungsmangel und dieser ist für eine Art schädlicher als ihre Gegenspieler. Und wenn wir aus dem Netz eine Komponente entfernen, weil wir sie als schädlich betrachten, beispielsweise die Große Rosenblattlaus, so verlieren viele Lebewesen ihre Nahrungsgrundlage. Dabei ist es vollkommen egal, ob ein vermeintlich harmloses Mittel oder ein Insektizid verwendet wird. Wesentlich sinnvoller ist es, die Zusammenhänge im Lebensraum Garten zu verstehen und ihn zu einem Ort zu machen, in dem sich die Arten gegenseitig regulieren.
Wie die Übersicht zur Hundsrose zeigt, bestehen die Beziehungen in der Natur nicht nur aus einem Fressen und Gefressenwerden, sondern sie sind erheblich vielfältiger. So gibt es neben dem Räuber (Prädator) noch Symbiose, Parasitismus und Kommensalismus. Auch ein Pflanzenfresser wie die Kuh kann im weitesten Sinne als Räuber bezeichnet werden, auch wenn diese ihre Beute im Regelfall nicht tötet, sondern nur schädigt. Zwischen Räuber und seiner Beute existiert eine Beziehung und Abhängigkeit. Diese ist komplex und wird von vielen Faktoren wie zum Beispiel Konkurrenz bestimmt. Um die ökologischen Zusammenhänge und Kontrollmechanismen im Lebensraum Garten zu verstehen, müssen auch die anderen Beziehungen unter den Arten betrachtet werden, die mit dem simplen Fressen und Gefressenwerden nichts zu tun haben.
Die Zusammenarbeit zweier Organismen zum gegenseitigen Nutzen ist in der Natur weit verbreitet und letztendlich erheblich häufiger als Räuber-Beute-Beziehungen. Diese Zusammenarbeit nennt man Symbiose. Man kann sie auch im Garten gut beobachten. Wenn eine Biene oder ein anderes Insekt eine Blüte besucht, beobachten wir im Regelfall Symbiose. Die Blüte wird bestäubt und der Bestäuber erhält Nahrung für sich oder seine Nachkommenschaft. Beiden entsteht ein Vorteil (Mutualismus). Manchmal geht allerdings die Pflanze leer aus. Auch wenn ein Vogel eine Beere frisst, gibt es sowohl für den Vogel (Nahrung) wie auch für die Pflanze (Verbreitung) einen Vorteil. Eine weitere Symbiose, die sich im Garten gut beobachten lässt, ist die Beziehung zwischen Ameisen und Blattläusen. Die Ameise verteidigt die Blattläuse und transportiert sie auch zu neuen Pflanzen. Dafür bekommt sie Honigtau, einen zuckerhaltigen Saft, den die Blattlaus ausscheidet. In all diesen Fällen leben die Symbiose-Partner voneinander getrennt.
Anders verhält es sich mit Flechten (siehe >), den Knöllchenbakterien (Rhizobien) der Schmetterlingsblütler (siehe >) und den Mykorrhizapilzen (siehe >). Hier sind die Beziehungen komplizierter. Während in diesen Fällen die Partner zwar auch getrennt voneinander existieren können, entstehen ihnen entscheidende Vorteile, wenn sie dies nicht tun.
Eine Symbiose, ohne die auch wir nicht existieren könnten, ist die Endosymbiose. Bei dieser Art Symbiose lebt ein Partner im anderen. Unser Darm beherbergt unzählige Bakterien, die uns helfen, Nahrung zu verdauen. Endosymbiosen existieren nicht nur beim Menschen, sondern auch bei vielen anderen Arten und selbst bei Insekten. Diese Endosymbionten helfen bei der Verdauung schlecht verdaulicher Substanzen. So können letztendlich Insekten mithilfe ihrer Endosymbionten Holz oder pflanzliches Material verdauen und die Kuh Gras.
Die Gelbbindige Furchenbiene bestäubt die Flockenblume, die Biene bekommt von der Blüte Nektar und Pollen.
Die Rote Gartenameise sammelt den Honigtau der Blattläuse. Sie verteidigt die Läuse gegen Räuber wie Marienkäfer.
Ebenfalls weiter verbreitet und wichtiger, als uns meistens bewusst ist, ist der Parasitismus oder das Schmarotzertum. Hier lebt eine Art von einer anderen und nur eine Art profitiert von dieser Beziehung, das heißt, eine Art existiert auf Kosten einer anderen. Dabei gibt es verschiedene Formen des Parasitismus.
Echte Parasiten schädigen ihren Wirt, töten ihn aber nicht. Hierzu gehört die Varroa-Milbe, der Bandwurm, Kopfläuse und letztendlich auch die Stechmücke. Auch hier unterscheidet man, ob der Parasit im Körper (Endoparasit) oder außerhalb des Wirts (Ektoparasit) lebt.
Gerade im Insektenreich spielt aber eine andere Art des Parasitismus eine große Rolle. Raubparasiten, auch Parasitoide genannt, töten ihren Wirt im Gegensatz zu den Echten Parasiten, die ihn am Leben lassen. Sie legen zum Beispiel ihre Eier auf oder in den Wirt. Die Larve lebt dann vom Wirt, frisst erst die weniger lebensnotwendigen Teile des Wirts und tötet ihn dann am Ende. Der Film »Alien« wurde hiervon inspiriert. Der Übergang von Parasit zu Räuber ist hier also fließend. Parasitoide findet man bei den Insekten häufig, zum Beispiel Raupenfliegen, Schlupfwespen, Erzwespen, Brackwespen oder Nematoden. Schätzungen gehen sogar davon aus, dass bis zu 20 Prozent aller Insektenarten Parasitoide sind.
Eine besondere Form des Parasitismus ist der Brutparasitismus. Dieser ist vor allem durch den Kuckuck bekannt. Eine Art drückt sich in diesem Fall um die Brutfürsorge und überlässt sie einer anderen Art. Im Falle des Kuckucks legt das Weibchen ihr Ei in ein fremdes Nest und überlässt die Aufzucht einer anderen Vogelart. Der junge Kuckuck beseitigt dann seine Konkurrenten, indem er sie aus dem Nest wirft. Bei Insekten beobachtet man ein ähnliches Verhalten. Auch hier werden Eier in ein fremdes Nest gelegt. Die Wespen- und Blutbienen schmuggeln ihre Eier in die Nester anderer Wildbienenarten, zum Beispiel von Sandbienen. Daher nennt man Wespen- und Blutbienen auch Kuckucksbienen. Die Larven der Kuckucksbienen saugen das Wirtsei aus oder töten die Larve ihres Wirts und ernähren sich dann vom Futtervorrat der Wirtsbiene. Dieses Verhalten beobachtet man auch bei einigen Wespenarten, etwa bei Keulenwespen und Schmalbauchwespen.
Während die Larven der Wespenbienen Brutparasiten sind, ernährt sich die erwachsene Wespenbiene von Nektar.
Die Raupenfliege Cylindromyia interrupta ernährt sich von Nektar und Pollen. Ihre Larven parasitieren Motten und Käfer.
Die Larven der Hornissenschwebfliege entwickeln sich in Hornissennestern.
Parasitismus stellt ein wichtiges Regulativ in der Natur dar. Er dient der Bestandskontrolle genauso wie die Räuber. Gerade bei invasiven Arten kann man gut beobachten, welche Auswirkungen fehlende Parasiten haben, da diese meistens nicht mit eingeschleppt werden. Der Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) wird in China von der Brackwespe Chelonus tabonus parasitiert. Gut 50 Prozent des Zünslers werden von der Brackwespe befallen. Zusammen mit den natürlichen Räubern wird so der Bestand des Buchsbaumzünslers in China reguliert und nicht zum Problem. In Europa existiert diese Brackwespe nicht und da Parasit und Wirt eine enge Beziehung besitzen und hiesige Brackwespen nicht einfach auf den Buchsbaumzünsler umsteigen können, kann sich dieser ungehindert vermehren. Eine Bestandskontrolle über Räuber ist, wie man am Buchsbaumzünsler oder auch der Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella) sieht, nicht ausreichend.
Kommensalismus ist eine Sonderform des Parasitismus. Hier profitiert eine Art von einer anderen, aber diese wird nicht geschädigt. So ernährt sich eine Art von den Abfällen oder dem Nahrungsüberschuss einer anderen Art. Man bezeichnet diese dann auch als Mitesser. Einige Schwebfliegenarten sind Mitesser. Aber auch hier gibt es fließende Übergänge, da bei Nahrungsmangel durchaus auch der Wirt geschädigt wird.
Kadaver eines Maikäfers: Zu seiner Zersetzung tragen die Goldfliege und Pilze bei.
Gäbe es die Aasfresser (Nekrophagen) nicht, so würden wir innerhalb kurzer Zeit in Bergen von Leichen aller Art ersticken, da die meisten Tiere nicht durch Räuber zu Tode kommen, sondern an anderen Ursachen wie Parasiten, Nahrungs- und Wassermangel, Krankheiten, Zerstörung des Lebensraums und Unfällen sterben. So verschmähen etliche Vögel frisches Aas nicht, obwohl sie eigentlich Räuber sind. Mäusebussarde haben sich sogar zum Teil darauf spezialisiert, Autos die Arbeit für sich erledigen zu lassen. Als die Weidetiere noch auf der Weide standen, übernahmen Geier die Arbeit des Abdeckers. Bei den Insekten spielen vor allem die Larven von Fleisch- und Schmeißfliegen eine wichtige Rolle, wenn sie Kadaver konsumieren. Ihre ökologische Rolle besteht dabei nicht nur darin, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, sondern auch Nährstoffe wieder zu verteilen.
Asseln sind keine Schädlinge. Sie helfen, abgestorbene Pflanzen in Humus zu verwandeln.
Destruenten oder auch Zersetzer bauen organische Substanzen ab und verwandeln sie in ihre anorganischen Bestandteile. Man nennt sie daher auch Remineralisierer. Dabei handelt es sich um Bakterien und Pilze. Sie stehen am Ende der Nahrungsketten und vollenden den Kreislauf der Natur, da sie den Pflanzen wieder Nährstoffe zur Verfügung stellen. Allerdings ernähren sich noch erheblich mehr Lebewesen von abgestorbenem Material und sind am Abbauprozess beteiligt. Zuerst muss abgestorbenes Material, egal ob Pflanze oder Tier, mechanisch zerkleinert werden, damit die Destruenten ihre Arbeit machen können. Hier kommen Regenwürmer, Springschwänze, Asseln usw. ins Spiel. Letztendlich wird aus pflanzlichen und tierischen Resten wieder Humus.
Nicht die Lage eines Gartens entscheidet über seinen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität, sondern wie reichhaltig und womit er bepflanzt ist. Auch die Art der Bewirtschaftung trägt entscheidend dazu bei. Eine bunte Bepflanzung, wie im Bild, bietet unterschiedlichen Insekten eine Nahrungsgrundlage.