Die Wikinger von Vinland (Band 1): Verlorene Heimat - Smilla Johansson - E-Book

Die Wikinger von Vinland (Band 1): Verlorene Heimat E-Book

Smilla Johansson

4,5

Beschreibung

Die Freiheit ruht tief in dir, du musst ihr nur die Tür öffnen. Als Linea ein Gespräch zwischen ihrem Ziehvater und dem Jarl von Skogbyen belauscht, erfährt sie, dass ihr bisheriges Leben im Wikingerdorf eine einzige Lüge war und sie dem grausamen Anführer versprochen werden soll. Linea will frei sein, selbst über ihr Leben bestimmen und sich nichts vorschreiben lassen, doch es ist nicht leicht, als Frau unter Wikingern zu bestehen. Sie braucht die Hilfe ihrer Freunde, denn die Intrigen, die sich um sie spinnen, sind gewaltiger, als sie jemals geglaubt hat. Wird es ihr gelingen, ihre Freiheit zu erkämpfen? Und wieso hat der Jarl überhaupt ein solches Interesse an ihr?

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Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

toller Roman, authentische Protagonisten, guter Spannungsbogen
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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Prolog

Teil I - Das Mädchen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6 - Kjell

Kapitel 7

Teil II - Die Seherin

Kapitel 8

Kapitel 9 - Kjell

Kapitel 10

Kapitel 11 - Kjell

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15 - Kjell

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18 - Kjell

Kapitel 19

Kapitel 20

Teil III - Die Jarl

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24 - Kjell

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33 - Kjell

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36 - Kjell

Kapitel 37

Kapitel 38 - Kjell

Epilog

Schlusswort

Glossar

 

Smilla Johansson

 

 

Die Wikinger von Vinland

Band 1

 

Fantasy

 

Die Wikinger von Vinland (Band 1): Verlorene Heimat

Die Freiheit ruht tief in dir, du musst ihr nur die Tür öffnen.

 

Als Linea ein Gespräch zwischen ihrem Ziehvater und dem Jarl von Skogbyen belauscht, erfährt sie, dass ihr bisheriges Leben im Wikingerdorf eine einzige Lüge war und sie dem grausamen Anführer versprochen werden soll. Linea will frei sein, selbst über ihr Leben bestimmen und sich nichts vorschreiben lassen, doch es ist nicht leicht, als Frau unter Wikingern zu bestehen. Sie braucht die Hilfe ihrer Freunde, denn die Intrigen, die sich um sie spinnen, sind gewaltiger, als sie jemals geglaubt hat. Wird es ihr gelingen, ihre Freiheit zu erkämpfen? Und wieso hat der Jarl überhaupt ein solches Interesse an ihr?

 

 

Die Autorin

Smilla Johansson, Jahrgang 1998, lebt mit ihrer Familie in der kleinen Stadt Bocholt an der niederländischen Grenze. Benannt nach der bekannten Ermittlerin aus Peter Høegs Kriminalroman Fräulein Smillas Gespür für Schnee hatte sie kaum eine andere Wahl, als sich in der Welt der Bücher zuhause zu fühlen. Ein besonderes Faible hat sie für historische Romane, Fantasy aller Art und Krimis.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, August 2020

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2020

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röl-lig

Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-131-4

ISBN (epub): 978-3-03896-132-1

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für Hjordis,

weil du die Einzige bist, mit der ich mich auf Wikinger-Art fetzen kann, ohne dass du es mir übel nimmst.

Blut ist dicker als Wasser.

 

Prolog

 

Es war dunkel. Düstere Nacht hatte sich über das kleine Dorf an der Küste gelegt. Das blaue Tuch des Nachthimmels war nur mit wenigen hellen Lichtern bestückt, deren schwaches Leuchten nicht bis zum Boden durchzudringen vermochte. Beinah friedlich klang das leise Plätschern der schäumenden Wellen, die ans Ufer brandeten – doch diese Nacht war alles andere als friedlich.

Noch immer sah sie den rot glühenden Schein des knisternden Feuers, noch immer fühlte sie die sengende Hitze auf ihrer nackten Haut, noch immer zerkratzte der beißende Rauch ihr die ausgedörrte Kehle und noch immer hörte sie den Lärm der Schlacht. Hörte das nur allzu vertraute Geräusch von aufeinanderschlagendem Metall, wenn die Gegner zusammenprallten.

Selbst hier, am Rande des vollständig zerstörten Dorfes, legte sich der metallische Geschmack von Blut auf ihre Zunge, dröhnten die Schreie der Sterbenden in ihrem Kopf.

Erneut ergriff Panik von ihr Besitz; Angst schloss sich wie eine eiserne Faust um ihr Herz und drohte es ihr in der Brust zu zerquetschen.

Angst. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie sich dieses Gefühls bewusst. Zum ersten Mal begriff sie, dass sie machtlos war. Dass die Götter sie verlassen hatten.

Ein anderes Gefühl erkämpfte sich ebenfalls einen Platz in ihrem Herzen, als sie das reetgedeckte Dach des Langhauses in Flammen aufgehen sah.

Schuld. Es war ihre Schuld, dass das Lager eines Freundes nun über ihr Volk herfiel und tat, was nur die Männer des Nordens in Perfektion vollbringen konnten. Rauben, morden, plündern, brandschatzen und über allem: zerstören.

Ein scharfer Stich traf sie in der Brust, als das lichterloh brennende Dach einstürzte und weitere Leben mit in den Tod riss. Einen Tod, für den sie sich allein verantworten musste.

Ihre Schuld. Sie schmeckte die Bitterkeit dieser Worte auf der Zunge, als die Erkenntnis erneut ihr Bewusstsein eroberte.

Ihre Schuld, dass sie nach erst zwei Sommern wieder einem feindlichen Angriff ausgeliefert waren. Ihre Schuld, dass die Menschen, die sie liebte, nun zu Dutzenden den Weg in die heiligen Hallen antraten. Ihre Schuld, dass sie alles verloren, was sie sich hier an der Küste des Grünen Landes erkämpft hatten. Ihre Schuld, dass seine Krieger nun nach ihrem Leben trachteten. Und nach dem ihres Kindes.

Wie sollte sie nur mit dieser Schuld leben, falls sie denn würde überleben können? Wie sollte sie ihrem Kind später diese Schmach erklären? Wie sollte sie ihr Leben in dieser Situation noch retten?

Sie konnte es nicht.

Ein eisiger Windhauch wehte weitere grauenvolle Klänge der stetig tobenden Schlacht herüber und riss die junge Frau gewaltsam aus ihrer Starre.

Ihr blieb keine andere Möglichkeit; dies war der einzige Weg, also musste sie es versuchen.

Mit zügigen Schritten, darauf bedacht, sich so weit wie möglich im Schatten zu halten, kehrte sie der Schlacht den Rücken und schritt auf das nahe Ufer zu. Dabei drückte sie das Bündel aus Leinen so fest an ihre Brust, dass sie dachte, das Kind darin würde aufwachen und zu schreien anfangen.

Schnell lockerte sie ihren Griff und legte die letzten Schritte rennend bis zum Schiff zurück.

Der große Drachenkopf am Vordersteven jagte ihr bei Weitem keine Angst mehr ein, war sie doch schon viele Male auf dem Schiff mitgefahren.

»Seid Ihr so weit, Herrin?«, fragte eine tiefe Stimme ein kleines Stück über ihr.

Der Mann, der am Dollbord stand und auf sie hinabsah, wirkte angespannt. Tiefe Furchen hatten sich in sein Gesicht geschlagen, der hellblonde, mit grauen Strähnen durchzogene Bart starrte vor angetrocknetem Blut, die grauen Augen blickten stumpf und ausdruckslos auf sie hinab.

Unwillkürlich lief der jungen Frau ein kalter Schauder über den Rücken und sie musste heftig schlucken, bevor sie ihm entschlossen zunickte. Er streckte ihr die Hände entgegen und forderte stumm das Bündel aus ihren Armen.

Es kostete sie all ihre Willenskraft, der Aufforderung nachzukommen. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, konnte sie sich von dem kleinen schlafenden Gesichtchen abwenden und legte mit klopfendem Herzen das Bündel in seine starken Arme.

Der Krieger nahm es wortlos in seine linke Hand, die eher einer riesigen Pranke glich, und bot ihr die freie Rechte an, um ihr ebenfalls hinaufzuhelfen.

Und in diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Der Bruchteil eines Wimpernschlags wurde so lang wie ein ganzes Menschalter auf dieser Weltenscheibe.

»Nein.« Ihre Stimme klang heiser und brüchig und sie war sich nicht sicher, ob er sie über das Pfeifen des Windes und den Lärm der Schlacht hinweg überhaupt hörte.

Ohne dass sie eine Regung auf seinem blutverschmierten Gesicht erkannte, ließ er die Hand sinken. Sein Blick ruhte weiterhin auf ihr.

»Sie wollen nur mich. Mein Leben ist es, das sie begehren.« Mit diesen Worten kehrte die Kraft in sie zurück und die Zeit nahm wieder ihren Lauf.

In ihrem Inneren kam eine Flut an Gefühlen auf, als sie den heißen Schein des Feuers, der über den Hütten des Dorfes lag, auf ihrem Gesicht spürte: verletzter Stolz, Rachsucht und Wut über ihr Schicksal. Und sie wusste nicht, welchem sie sich zuerst hingeben sollte.

»Ich werde mich ihnen nicht kampflos entgegenstellen«, sprach sie mit fester Stimme. »Sie sollen lernen, was es heißt, gegen eine Göttin der Nordlande zu kämpfen!«

Pure Entschlossenheit und reiner Wille sprachen aus ihr, und es fühlte sich an, als hätte sie mit ihrem Kind, das nun in den Armen des Kriegers ruhte, ihre größte Schwäche abgelegt, auch wenn die Sehnsucht ihr bereits jetzt das Herz zerriss.

Er nickte knapp und wandte sich von ihr ab. Nach wenigen Schritten jedoch drehte er sich ihr erneut zu, zurückgehalten von ihrer Stimme. Zart und sanft klang sie diesmal, und sie sprach fast leiser als das nächtliche Säuseln des Windes.

»Versprich mir, dass du sie mir zurückbringst, eines Tages.«

Er drehte sich noch einmal um und ihre Blicke trafen sich. »Haltet immer ein wachsames Auge auf den Horizont«, sagte der Krieger und schaute mit finsterer Miene auf selbigen, wo soeben die ersten blassen Strahlen über den Rand des schäumenden Meeres krochen.

Teil I - Das Mädchen

 

Kapitel 1

 

Skogbyen, norwegische Küste im Jahr 1015 n. Chr.

 

Es schneite. Natürlich schneite es. Für Linea war der Schnee keine Überraschung, als sie an diesem Morgen, ebenso wie an den Tagen zuvor, als Erstes einen Blick aus dem schmalen Fenster warf. Dicke, schwere Flocken fielen vom Himmel und hüllten die Dächer der Hütten in ein weißes Gewand. Auch die schwachen Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Holzwand fielen und den Staub im Raum tanzen ließen, konnten die Kälte nicht vertreiben.

Fröstelnd zog sie das dicke Schaffell hoch bis unter die Nase und drückte sich noch ein wenig tiefer in die mit Stroh gefütterte Matratze.

Ihr gefiel die Kälte. Die klare, frische Luft im Winter hatte etwas Hartes, Bedrohliches – zugleich ließ sie die Menschen jeden Winter aufs Neue fühlen, wie wenig Gewalt sie über alltägliche Dinge hatten. Mochten der König und seine Jarls noch so viele Schlachten schlagen und Dörfer plündern, über das Wetter besaßen auch sie keine Macht. Sie traf es genauso wie die Sklaven und Tiere auf den Höfen.

Gerechtigkeit. Es war der Wille der Götter, etwas, das die Menschen herabstufte. Zumindest einen Hauch davon brachten Wind, Schnee und Kälte Winter für Winter mit sich.

Für das Wetter sind wir alle gleich, dachte Linea, als sie sich auf ihrer Schlafstatt ein letztes Mal auf die Seite drehte.

Ein eisiger Windhauch suchte sich seinen Weg in die Kammer und strich ihr sacht über das Gesicht, als riefe er sie zu sich nach draußen. Tatsächlich schlug sie in diesem Moment das schützende, warme Fell von sich und richtete sich auf. Sie musste sich beeilen, wenn sie heute Morgen noch einen guten Fang machen wollte.

Hastig schwang Linea ihre schlanken Beine über die Kante des Bettes und stand auf. Sofort spürte sie die Kälte auf ihrer Haut, die mühelos durch das dünne Leibchen drang, das sie trug. Ihr Atem stieg in feinen Wölkchen auf, die sich knapp unter der Decke des schrägen Daches verflüchtigten. Es war wohl schon einige Zeit vergangen, seit die Sklaven das letzte Holz auf das Feuer im Hauptraum gelegt hatten.

Unwillkürlich musste sie bei dem Gedanken lächeln. Sie würde den beiden mal wieder den götterverdammten Frankenarsch retten und Holz nachlegen, bevor ihr Ziehvater Valdarr dieses Versäumnis bemerkte.

Die beiden Sklaven namens Boldi und Klodwig, die von allen nur Bold und Klod gerufen wurden, hatte der Jarl von einem seiner letzten Beutezüge aus dem Reich der Franken im Süden mit nach Skogbyen gebracht. Als Dank für seine Treue hatte er sie Lineas Ziehvater übereignet. Ohne Valdarrs Kampferfahrung hätten der Jarl und seine Krieger den Feldzug nicht erfolgreich beendet. Ihr Ziehvater hatte dem Jarl aus einer ziemlich aussichtslosen Lage geholfen und dafür gesorgt, dass die Flotte heil den heimatlichen Hafen hatte anlaufen können.

Zumindest hatte er es Linea und der Sklavin Jella, die während seiner Abwesenheit auf Linea aufpasste, am Abend seiner Rückkehr so berichtet. So gesehen waren die beiden Sklaven mehr als einfach nur eine Übereignung des Anführers gewesen. Sie bedeuteten Vertrauen. Und das wurde in ganz Skogbyen hoch angesehen. Beinah so sehr wie die goldenen Armreife, die der Jarl unter seinen Thanen verteilte.

Auch wenn Bold und Klod Sklaven waren und Linea eigentlich nicht mit ihnen reden sollte, außer um Befehle zu erteilen oder sie zu bestrafen, mochte sie die beiden Brüder mit den seltsamen pechschwarzen Haaren. Und wenn sie ihnen eine erneute Tracht Prügel von ihrem Herrn ersparen konnte, tat sie es mit gutem Gewissen.

Linea trat an die Waschschüssel heran und spritzte sich rasch das eiskalte Wasser ins Gesicht. Als sie aufsah, fiel ihr Blick auf die polierte Kupferplatte, die ihr in der Kammer als Spiegel diente. Ihr ebenmäßiges Gesicht mit der schmalen Nase, den hohen Wangenknochen und den vollen Lippen war leicht gerötet von der Kälte des Wassers. Das schwache Licht in der Kammer verlieh ihren blauen Augen einen beinah gespenstischen Glanz, der vom Spiegel zurückgeworfen wurde, als sie den Kopf drehte. Sie griff nach einem hölzernen Kamm und versuchte ihre rotblonden, wild gelockten Haare zu entwirren. Was sich als schwierig herausstellte, da sie so vollkommen ohne Frisur ungewöhnlich lang waren, sie reichten ihr bis zur Hüfte.

Allzu viel Zeit verwendete sie nicht darauf, denn es war immer noch verdammt kalt und in dem dünnen Nachthemd und mit den nackten Füßen auf dem Lehmboden fror sie erbärmlich.

Zitternd legte sie den Kamm beiseite und tauschte schnell das Leibchen gegen ein paar wollgefütterte Beinlinge und eine waldgrüne Kurztunika.

Ihr war es egal, was ihr Ziehvater dazu sagen würde und ob es sich für ein junges unvermähltes Mädchen schickte oder nicht, in Männerkleidern herumzulaufen. Wenn sie raus zum Fischen ging, war ein wallendes Kleid eben unpraktisch. Und kalt.

Sollen die anderen Frauen doch tragen, was immer ihre verdammten Herren oder Männer ihnen zu tragen geben, zu mir passt es nicht.

Ebenso würdigte sie das viel zu enge Mieder keines Blickes, das Valdarr ihr aus England mitgebracht hatte und das sie ohne Hilfe eines Sklaven ohnehin nicht anständig würde tragen können. Stattdessen griff sie zu dem breiten Gürtel aus Rindsleder, in den sie zwei Dolche, eine Handaxt und einen mit Wasser gefüllten Ziegenmagen hängte. Da sie nicht vorhatte, an diesem Morgen irgendwo hinzugehen, wo sie gesehen und von unfreundlichen Augen an Valdarr verraten werden konnte, griff sie auch noch nach dem Bärenfellumhang, der neben der Tür hing.

So geräuschlos, wie es ihr in dieser dicken Kleidung möglich war, schlich sie durch den Hauptraum. Sie wollte es nicht darauf ankommen lassen, ihren Ziehvater Valdarr so früh zu wecken, wo er doch bis gestern noch die Geschicke des gesamten Dorfes zu verwalten gehabt hatte.

In der letzten Zeit war es immer häufiger vorgekommen, dass Jarl Rutmar seinen engsten Vertrauten und Berater als seinen Stellvertreter allein in Skogbyen zurückließ, während er mit seinen Kriegern auf See war und die gefährlichen Lande im Süden und Westen in die Schranken wies. Ganz recht schien es dem Älteren nicht zu sein, dass der Jarl ihn in dem Posten als bester Kendtmann durch einen wesentlich jüngeren Krieger ersetzt hatte, der noch so grün hinter den Ohren war wie aufblühendes Gras im Frühling.

Trotzdem, dachte Linea, als sie noch ein schweres Holzscheit auf die Glut warf, sollte sich Valdarr glücklich schätzen, dass ein Mann in seinem Alter überhaupt noch für den Jarl eines aufstrebenden Dorfes von Bedeutung war. Denn nichts anderes war Skogbyen.

Mit den ertragreichen Raubzügen des letzten Sommers hatte sich der Jarl das hohe Ansehen, das er am Hof von König Haraldsson genoss, redlich verdient. Immer mehr tüchtige Seeleute und kampferfahrene Krieger hatten den Weg nach Skogbyen gefunden und waren als Ergänzung von Rutmars Flotte, die mittlerweile mehr als ein Dutzend Schiffe umfasste, stets gern gesehen. Die Geschäfte liefen gut, der Handel blühte, das wussten selbst die Kinder der ärmsten Bauern. Und zu dem Erfolg hatte der alte Valdarr mehr beigetragen, als die meisten ahnen mochten; doch das wusste nur Linea.

Mit dem Schürhaken stocherte sie in der Glut, bis neue kleine Flammen an dem trockenen Holz leckten und den Raum sogleich in ein rötlich flackerndes Licht tauchten. Linea wandte sich ab, nahm den leeren Weidenkorb auf und verließ die Hütte durch die große eisenbeschlagene Tür.

Dicke Schneeflocken wehten ihr ins Gesicht und trieben eisige Nadelstiche in ihre Haut.

Das ganze Dorf lag unter einer knietiefen, pulverigen Schicht begraben. Erst langsam nahm das Tageslicht zu, da sich immer wieder graue Wolken vor die noch schwache Sonne schoben. Die Konturen der Hütten ragten bedrohlich dunkel aus der weißen Umgebung hervor. Lineas Blick ruhte auf den sich kreuzenden Dachfirsten des Langhauses, dessen Enden kunstvoll zu feuerspeienden Drachen geschnitzt worden waren. Durch den Rahmen aus Schnee stachen sie noch deutlicher im Zentrum des Dorfes heraus und ihren wachsamen Augen schien nichts zu entgehen. Das Langhaus des Jarls war zwar das größte, höchste und prachtvollste Bauwerk Skogbyens, aber, wie Linea fand, bei Weitem nicht das schönste.

Alle Häuser, die das Zentrum einschlossen, waren mit einem ähnlichen Dachschmuck verziert. So zierten zwei Pferdeköpfe das Haus bei den Ställen, und zwei Köpfe, die dem Jørmungandrs bis auf die letzten Schuppen glichen, markierten das Dach der Kerkerzellen.

Doch das schönste Haus des Dorfes war für Linea schon immer die Methalle Heroiskr gewesen, die auf einem kleinen Hügel auf erhöhter Position etwas abseits stand. Schon als kleines Kind hatte Linea immer gern die großen Sagas, Geschichten und Verse gehört, welche die Skalden Skogbyens allbekannt gemacht hatten. Obwohl es per Erlass des Jarls nur den Sklaven verboten war, die ruhmreiche Halle zu betreten, hatte auch Linea erst ein Mal über die Schwelle treten dürfen. Ihr Ziehvater war der festen Überzeugung, dies sei kein Ort für Frauen und für junge Mädchen schon gar nicht.

Aber Linea hatte es einmal gewagt, sich spät in der Nacht hineinzuschleichen und einen ehrfürchtigen Blick ins Innere der Halle zu werfen, und war dabei prompt erwischt worden. Noch drei Tage später hatte ihr ganzer Körper von der Tracht Prügel geschmerzt, die Valdarr ihr verpasst hatte. Seitdem hatte sie es nicht erneut gewagt und sich stets von der Halle ferngehalten, wenn sie wusste, dass er sie beobachtete. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Tag für Tag die wunderschönen Schnitzereien, welche die stützenden Säulen zierten, von außen zu betrachten.

Auch an diesem frühen Morgen hielt sie staunend einen Moment inne und bewunderte das überragende Bauwerk. Das Dach war schlichtweg beeindruckend. Es hatte die Form eines auf den Kopf gedrehten Schiffsrumpfes, dessen Vorder- und Hintersteven kunstvoll mit einem Drachenkopf geschmückt gen Himmel ragten und sich über den Kiel hinweg anstarrten. Ein spitzer Giebel überdachte die Stufen vor der großen Tür, die auf jeder Seite stets von Fackeln erleuchtet war.

Linea schaute an den geschnitzten Abbildern der Götter hinauf, die kämpfend, hier und da auch herrschend über ihr Volk, auf den hölzernen Stützsäulen verewigt waren.

Entmutigt dachte Linea daran, dass sie noch mindestens bis zum Sommer würde warten müssen, ehe sich ihr die Gelegenheit bot, unter diesem Dach zu stehen. Auch wenn sie dann mit fünfzehn Sommern alt genug sein würde, um von einem Mann an dessen Seite in die Halle geführt zu werden, musste sie dennoch auf die Zustimmung Valdarrs hoffen, der jedoch wahrscheinlich nichts an seiner Entscheidung ändern würde. Für ihn hatten lediglich die Weiber der Männer und die Sklavinnen, die den tapferen Kriegern Met und Fleisch brachten, eine Berechtigung, Heroiskr zu betreten.

Seufzend wandte sich Linea von dem ergreifenden Anblick ab, wischte sich den Schnee erneut aus dem Gesicht und stapfte weiter Richtung Haupttor.

Langsam stieg die Sonne am Horizont höher und vertrieb die letzten Wolken. Allmählich hörte es auf zu schneien und die Sicht klarte auf. Linea suchte sich ihren Pfad abseits der Hauptwege, die schon von einigen Sklaven vom Schnee befreit wurden, und hielt sich stattdessen lieber in den engen, verschlungenen Gassen zwischen den Hütten verborgen.

Als sie das Haupttor schließlich erreichte, glitt ein leiser Fluch über ihre kalten Lippen. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft, zu früh am Tor einzutreffen. Die Ablöse für die Nachtwache war noch nicht erschienen. Linea blieb also nichts anderes übrig, als sich tiefer in die Schatten zurückzuziehen und auszuharren. An sich wäre es kein größerer Aufwand gewesen, bei der Nachtwache das Dorf zu verlassen, aber da sie den Krieger, der dort vor dem Tor herumlungerte, über die Maße nicht ausstehen konnte und zudem nicht gebührend gekleidet war, zog sie es vor, zu warten. Die Wachablöse, die bei Sonnenaufgang übernehmen sollte, gefiel ihr eindeutig besser.

Hákon Rutmarsson, der Sohn des Jarls, und sein bester Freund Magnus, der Sohn des Stallmeisters, hatten schon in frühen Kindertagen mit Linea überall im Dorf ihre Streiche gespielt und das Mädchen untypischerweise in ihren Clan der Störenfriede aufgenommen. Für Linea waren die beiden Jungen, die nur wenige Monde älter waren als sie, längst wie Brüder geworden, auch wenn diese Verbindung überall auf Missbilligung stieß und sie drei nicht unterschiedlicher hätten sein können. Der Jarl sah es nicht gern, wenn sein Sprössling, so verzogen er auch sein mochte, mit einfachen Straßenmädchen und Stallburschen herumstromerte, anstatt seinen Pflichten als Nachfolger und zukünftiger Jarl nachzukommen. Das war im letzten Sommer der Grundgewesen, warumerHákonseinemHauptmannOrm anvertraut hatte, der dem Jungen endlich etwas Anständiges beibringen sollte.

Linea musste bei dem Gedanken lächeln, denn welchen Vorsatz der Jarl damit auch verfolgte, von Magnus ließ sich Hákon nicht so leicht trennen. Keine zwei Tage nach Hákons Zwangszuweisung zur Dorfwache hatte sich auch Magnus bei Orm zum Wachdienst gemeldet. Mit dem durchaus ehrbaren Ziel, ein verlässlicher Krieger des Jarls zu werden. So konnten die beiden Jungen weiter zusammen das Dorf unsicher machen und der Jarl musste sich zähneknirschend gefallen lassen, dass ihm die beiden gehörig auf der Nase herumtanzten.

Genau genommen, dachte Linea, hatten die beiden richtig Glück gehabt, dass Magnus’ Vater Kárr als Stallmeister so eine hohe Position innehatte. Für den Jarl waren Pferde und jemand, der mit ihnen umgehen konnte, zweifelsohne von hohem Wert. Gerade hier an der Küste war es eine Seltenheit, auf ein Dorf zu treffen, das über eine Handvoll fähiger Reiter verfügte, wo doch die meisten Boten immer noch zu Fuß von Dorf zu Dorf gingen. Kárr und seine Pferde waren zu wertvoll für Skogbyen, um ihn zu verbannen. Leichter war es da, zwei Schabernack treibende Jungen auszuhalten, als über das gesamte Land hinweg einen neuen Stallmeister suchen zu müssen.

Linea hingegen hatte weniger Glück gehabt. Nicht nur, dass sie sich als normales Mädchen aus dem Dorf dem Verbot des Jarls unterordnen musste, sie hatte Valdarr ebenso ihr Wort geben müssen, sich von ihren Freunden fernzuhalten. Auch wenn sie ihm hätte widersprechen können, wollte sie nicht in seinem Namen am Hof des Jarls in Schimpf und Schande geraten. So hatte sie sich gefügt, und die gemeinsamen Streifzüge mit Hákon und Magnus waren im Sande verlaufen.

Nun hockte Linea hier im Schatten der Hütte und beobachtete, wie die beiden jungen Wachen aus Richtung der Wohnquartiere kamen und gemütlich auf das Haupttor zuschlenderten. Schon aus dieser Entfernung konnte sie Magnus, den kleinen schlaksigen Stallburschen, erkennen, der neben Hákon mit seiner hohen Statur und dem breiten Kreuz so fehl am Platz wirkte wie ein Franke jenseits des Meeres.

Überhaupt konnte man Magnus deutlich ansehen, dass seine Familie nicht ursprünglich aus den nördlichen Reichen kam. Er mochte zwar hier geboren und aufgewachsen sein, aber seine gebräunte Haut und die dunkelbraunen Haare verrieten seine Herkunft aus den südlichen Ländern, jenseits der fränkischen Reiche. Umso gewöhnungsbedürftiger war es für Linea anfangs gewesen, ihn trotzdem mit einem Namen anzusprechen, der absolut nicht seiner Erscheinung entsprach. Seine Eltern hatten ihm, ihrer Herkunft gebührend, einen fremdländischen Namen gegeben, den sich von den Nordmännern niemand merken konnte. Da Magnus’ Vater Kárr als Stallmeister eine angesehene Position in den Reihen der Krieger erlangt hatte, wollten sie seinen Sohn als einen der ihren aufnehmen und gaben ihm, sobald er laufen und sprechen konnte und sich unter die anderen Kinder des Dorfes mischte, der Einfachheit halber einen anständigen Namen. Magnus. Das hatte schon bei seinem Vater gut funktioniert, denn auch Kárr war ein Name, den die Bewohner ihrem Stallmeister gegeben hatten, um es sich leichter zu machen.

Linea hatte sich mittlerweile daran gewöhnt – nicht zuletzt, da sie mit Magnus aufgewachsen war – und ihr gefiel der Name, sodass es für sie nie ein Problem gewesen war, dass er aufgrund seiner sonnengebräunten Haut oft aus der Masse der bleichen Nordmänner herausstach.

Bei Oðins Arsch, können sich die beiden Schwachköpfe nicht beeilen?

Langsam begann Linea in den durchnässten Beinlingen zu frieren. Wenn diese beiden Möchtegern-Krieger noch langsamer gingen, konnte sie ebenso gut zu Valdarrs Haus zurückschleichen und zu den Göttern beten, dass sie niemand in diesem Aufzug sah.

Der Zufall kam ihr zu Hilfe, denn als sie erneut um die Ecke lugte, sah sie den grobschlächtigen Orm, der Nachtwache gehalten hatte, von draußen durch das Tor kommen. Er entdeckte die Trödler sofort und bemühte sich erst gar nicht, das zu verbergen.

»Wird das heute noch was mit der Ablöse oder muss ich dem Rotzlöffel des Jarls erst den Weg freischaufeln, weil der Schnee seine Hosen nässt?«, brüllte er so laut, dass sich Linea instinktiv nach aufschlagenden Türen umsah.

Doch das schlafende Dorf verharrte weiter regungslos unter der Schneedecke. Wenigstens bei Hákon und Magnus schienen die Worte ihr Ziel nicht zu verfehlen. Linea sah die beiden förmlich zusammenzucken, als sie den wütenden Wachmann am Tor bemerkten und nun eilig auf ihn zuliefen.

»Wurde auch Zeit«, knurrte Orm, als die Jungen in Hörweite waren. »Das nächste Mal, wenn ihr zu spät kommt, schlitze ich euch die Ohren, und es ist mir verflucht noch mal egal, ob das zur Wachablöse, zum Essen oder zum Begräbnis eurer Mutter ist!«

Ein stummes Nicken der Jungen folgte. Er sah sie beide noch einen Moment lang finster an, bevor er, immer noch knurrend und fluchend, durch den Schnee davonstampfte.

Hákon und Magnus wechselten einen kurzen Blick und brachen dann prompt in schallendes Gelächter aus, das in der Gasse zwischen den Hütten ebenso laut widerhallte wie zuvor die Flüche und Verwünschungen Orms.

»Ich denke nicht, dass ihr euch über seine Drohung lustig machen solltet«, sagte Linea aufgebracht, während sie aus dem Schatten trat und ihre rotblonden Haare von der Kapuze befreite. »Habt ihr denn noch nicht gesehen, wie viele der Wachen, die der Kerl unter seine Fittiche hat nehmen müssen, bei uns im Dorf mit geschlitzten Ohren oder fehlenden Fingern herumlaufen?«

Erschrocken fuhren die beiden Jungen herum.

Wenigstens etwas.

Lineas Blick fiel auf Hákons Hand, die schnell zu der Wurfaxt an seinem Gürtel gezuckt war. Seine Reflexe und die flinken Hände schien er gut im Griff zu haben.

Nachdem er sie erkannt hatte, verschränkte er die Arme vor der breiten Brust. »Eifersüchtig, Glöckchen?«, fragte er sie mit einem übertrieben hochnäsigen Unterton in der Stimme.

Linea merkte, wie ihr schlagartig eine Röte in die Wangen stieg, die nichts mit der kalten Winterluft zu tun hatte. Sie hasste es, wenn Hákon sie so nannte wie die Blume, die ihr ihren Namen gegeben hatte. Moosglöckchen. Er passte so gar nicht zu ihr; sie wollte nicht, dass er zu ihr passte.

»Ich wette, dass du dir gerne von unserem lieben Orm die Ohren schlitzen lassen würdest, um noch mehr goldene Ringe hindurchzuschieben«, sagte Hákon und verzog die Lippen zu einem frechen Grinsen, während er eine blonde Haarsträhne zur Seite schob und sein eigenes makelloses Ohr präsentierte.

Da hatte er sie. Ihr lag schon eine bissige Erwiderung auf der Zunge, doch sie schluckte sie hinunter. Hákon hatte recht, den Fehler durfte sie sich nicht erneut erlauben.

Als sie noch ein kleines Kind gewesen war, hatte es in ihrem Dorf einen Sklaven gegeben, der in jedem Ohr eine Handvoll goldener Ringe gehabt hatte. Neugierig, wie sie schon damals gewesen war, hatte sie Valdarr gefragt, was es mit diesem seltsamen Schmuck auf sich hatte. Doch er hatte sie nur brüsk zurückgewiesen und ihr verboten, nach den Belangen der Sklaven zu fragen.

Erst einige Monde später, als Valdarr in seiner Position als Kendtmann auf dem Schiff des Jarls im Süden unterwegs war, ergriff Linea die Chance und rief den schwarzen Sklaven zu sich. Er erklärte ihr, dass in seinem Land weit im Süden, wo es immerzu warm war und die Sonne viel länger schien, die goldenen Ringe ein Symbol für Reichtum, Wohlstand und Ehre waren. Alles Ziele, die Linea nichts sagten – damals noch nicht.

Voller Tatendrang und Mut, sich vor den anderen Kindern im Dorf zu beweisen, hatte sie Hákon und Magnus von ihrer Idee erzählt und die beiden waren ebenfalls voller Eifer dabei gewesen. Es war Linea leichtgefallen, aus der Schmiede des Dorfes die beiden Gegenstände zu entwenden, die sie für ihr Vorhaben brauchte. In derselben Nacht griff Hákon zu einem glühenden Eisennagel und rammte ihn Linea durch das rechte Ohrläppchen, woraufhin Magnus den kleinen goldenen Ring hindurchschob. Doch diese Tat hatte mehr Folgen gehabt als ihre übrigen Spielereien.

Heute noch lief es Linea eiskalt den Rücken hinab, wenn sie an Valdarrs Zorn und seinen Wutausbruch dachte, nachdem er Linea bei seiner Rückkehr so gesehen hatte. Der Sklave hatte dem Mädchen schamlos ins Gesicht gelogen.

Der Ring im Ohr war in den Südlanden nichts weiter als eine Bestrafung für solche, die weder Reichtum, Wohlstand noch Ehre besaßen oder verdient hatten – eine Erniedrigung zum Sklaven. Eine Kennzeichnung für alle Käufer auf dem Markt. Je mehr Ringe die Ohren zierten, desto mehr Freveltaten hatten sie begangen.

Bei den Leibeigenen im Norden war es wie bei den Dieben üblich, die Ohren zu schlitzen und die Finger abzuhacken, deswegen waren Linea diese Ringe fremd gewesen.

Hätte sie das damals gewusst, wäre sie bei allen Göttern nie auf die Idee gekommen, sich selbst so eine Kennzeichnung zu verpassen.

Der Sklave mit der schwarzen Haut war noch vor dem Morgengrauen gerichtet und nach Nástrønd geschickt worden. Doch der Ring in Lineas Ohr erinnerte sie fortwährend daran, niemandes Wort für bare Münze zu nehmen. In gewisser Weise diente er ihr nun als Mahnmal.

Ja, sie hatte damals dumm und töricht gehandelt, dem Wort eines Sklaven zu glauben, der ohnehin nichts mehr zu verlieren gehabt hatte, aber sie stand zu ihrer Tat. Und welches Kind konnte schon von sich behaupten, den Mut aufgebracht zu haben, sich mit einem glühenden Eisennagel ein Loch ins Ohr stechen zu lassen?

Vertrauen ist etwas, das man nicht leichtfertig schenken sollte. Das hatte Linea gelernt und daran hielt sie noch heute fest.

Unwillkürlich wanderte ihre freie Hand hinauf zu ebenjenem Ring, bevor sie das Gespräch wieder aufnahm und leise erwiderte: »Und wenn schon, ein Ring mehr schadet mir nun wirklich nicht. Was bin ich denn schon mehr als eine Sklavin?«

»Nea«, sagte Hákon und seine Stimme klang nun sanft und mitfühlend. »So habe ich das nicht …«

Doch er wurde unterbrochen, denn Linea sprach unbeirrt weiter, als hörte sie ihn nicht. »Aber was soll das Thing nur von einem Nachfolger des Jarls halten, dessen Ohren vor Ringen geradezu überquellen?«, fügte sie mit einem zuckersüßen Grinsen hinzu.

Hákon blieb ihr eine freche Erwiderung schuldig, denn Magnus, der ihre Kabbelei bisher schweigend verfolgt hatte, rollte nur genervt mit den Augen und unterbrach sie. »Du denkst doch nicht wirklich, dass Ohren, in denen das Blut des Jarls fließt, etwas zu befürchten haben, Linea. Das würde sich selbst der sture Orm nicht trauen, den Jarl so offen anzugehen.« Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn, während er Linea nun zum ersten Mal an diesem Morgen neugierig musterte. »Und wie siehst du überhaupt aus? Wenn dich jemand so …«

Doch auch ihm fiel Linea ins Wort. »Ich weiß sehr wohl, wie ich aussehe, Stallbursche!«, erwiderte sie scharf. »Wenn ihr zwei Hohlköpfe pünktlich zu eurer Wache gekommen wärt, hätte ich jetzt auch kein Problem damit und könnte schon lange am Fluss sein.«

Linea bedachte die beiden mit einem funkelnden Blick. »Also, was ist? Öffnet ihr mir nun endlich das Tor?«

»Bei den Göttern!«, rief Hákon und hob abwehrend die Hände. »Beruhige dich, Linea. Außer uns hat dich keiner gesehen und wir werden dein Geheimnis für uns behalten.« Er sah auffällig provozierend an ihrem zierlichen Körper hinab. Mit einem Grinsen auf den Lippen drehte er sich um und zog den linken Torflügel auf.

Linea schnaubte nur verächtlich und rauschte an ihnen vorbei durch das Tor.

Mit zügigen Schritten ließ sie das Dorf hinter sich und schlug den Weg zum Fluss ein. Noch bevor Linea diesen erreichte, war ihr von der Bewegung so warm geworden, dass sie die Fellhandschuhe auszog und achtlos in den Weidenkorb warf.

Schwer atmend, da sie auch hier bis zu den Knien im Schnee versank, erreichte sie eine gute Fackellänge später ihre üblichen Fanggründe am Ufer des Flusses.

Unter erneutem Fluchen stellte sie fest, dass es in der vergangenen Nacht so kalt geworden war, dass nun eine Eisschicht die Oberfläche bedeckte. Kurz überlegte sie, ob sie sich die Mühe machen sollte, die Reusen aus dem gefrorenen Wasser zu befreien. Wahrscheinlich würde sie diese ohnehin gähnend leer vorfinden. Aber selbst wenn sich während des letzten Tages keine Fische in den Netzen verfangen hätten, mussten sie trotzdem vom Eis befreit werden, um an anderer Stelle wieder ausgelegt werden zu können. Ihr blieb kaum eine Wahl, wollte sie nicht mit leeren Händen ins Dorf zurückkehren.

Seufzend stellte sie den Korb ab und suchte auf dem schneebedeckten Waldboden nach einem stabilen Stock, den sie als Meißel benutzen konnte.

Tatsächlich fand sie relativ schnell ein geeignetes Werkzeug und begann, mit kräftigen Schlägen die Fischnetze vom Eis zu befreien. Leider war die Schicht dicker, als sie anfänglich angenommen hatte, und so dauerte es außerordentlich lange, bis sie endlich, erschöpft und stark schwitzend unter der dicken Kleidung, die Netze aus dem Wasser ziehen konnte. Zu ihrer Überraschung hatten sich fünf unterarmlange Fische in den Schnüren verfangen, deren graue Schuppen im Sonnenlicht glitzerten.

Erleichtert ließ Linea die Beute in den Korb fallen und griff durstig nach dem Trinkschlauch an ihrem Gürtel.

Sie würde heute die Reusen nicht erneut auslegen. Zumindest nicht hier im Fluss, der bei der Kälte zu schnell zur Gänze eingefroren war. Vielleicht könnte sie es am Abend im Meer bei den anderen Fischern des Dorfes versuchen, denn das Meer würde dem Eis so schnell nicht zum Opfer fallen.

Kapitel 2

 

Schon von Weitem sah Linea die hölzerne Palisade, die das Dorf wie ein Ring einschloss. Zu ihrem Bedauern waren die Menschen aus ihrem Schlaf erwacht und gingen ihren gewohnten Arbeiten nach. Das Haupttor war auf beiden Seiten geöffnet. Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen stellte Linea fest, dass ihre Freunde alle Hände voll zu tun hatten, die passierenden Massen zu kontrollieren.

Sie nickte Hákon kurz zu und drängte sich flink an einem Ochsenkarren vorbei, der in dem tiefen Schnee nicht vorankam, um sogleich wieder in den Schatten der Hütten zu verschwinden.

Mittlerweile war auch in den engsten Gassen der weiße Schnee einer braunen, matschigen Masse aus Dreck und Unrat gewichen. Linea musste ihr Tempo verlangsamen, um ihre Kleidung nicht vollständig zu beschmutzen.

Das Langhaus des Jarls war schon in Sicht, als sie einer vertrauten Stimme gewahr wurde. Vorsichtig schaute sie um die Ecke auf den Platz vor dem Langhaus.

Es herrschte das übliche Gewirr und Gewusel aus Marktständen, Menschen und Handelskarren aus anderen Dörfern, die sich um die Händler drängten. Über allem dröhnten die Schreie der Verkäufer, die ihre Waren anpriesen.

Und doch hörte Linea in unmittelbarer Nähe ganz deutlich den tiefen, rauen Bariton Valdarrs heraus, der sich mit einem Mann unterhielt, dessen Stimme sie zwar schon einmal gehört zu haben glaubte, sie aber nicht sofort zuordnen konnte.

Verwirrung durchzuckte Linea, als sie ihn tatsächlich in der Menge ausmachte. Ein vom Alter gebeugter Mann mit wachen, hellen Augen, einer vernarbten Wange und dem auffällig langen silbernen Bart, der ihm in geflochtenen Zöpfen bis auf die Brust hing. Es bestand kein Zweifel: Es war ihr Ziehvater.

Was macht er hier auf dem Platz? Und kann der andere vielleicht Jarl Rutmar sein?

Linea war sich nicht ganz sicher, ob Valdarrs Begleitung wirklich der Jarl war. Der Platz war einfach zu überfüllt und ständig traten ihr Menschen in den Weg, hinter denen die beiden Männer verschwanden. Die große, bullige Statur des Mannes war unter den Kriegern zwar nichts Besonderes, doch die fettigen, blonden Haare und der dicke, gebutterte Vollbart, der einen schmierigen Fleck auf seiner Tunika hinterließ, sprachen dafür. Bisher hatte sie keinen Mann in Skogbyen getroffen, der so wenig auf sein Erscheinungsbild achtete wie der Jarl. Hoch erhobenen Hauptes ging er neben Valdarr her und überragte ihn so um fast zwei Köpfe.

Die beiden Männer schritten zügig am Rande des Platzes entlang und es schien Linea, als würde sich die Menge vor ihnen teilen, als gingen sie mit gezogenen Waffen und mörderischen Blicken daher. Auch das Zurückweichen der Menge bestärkte ihre Vermutung. Wem, wenn nicht ihrem Anführer, sollten die Leute Platz machen?

Linea konnte sich nicht erinnern, wann sie den Jarl das letzte Mal gesehen hatte, aber es musste schon eine ganze Weile her sein. Vielleicht war sie sich deswegen auch nicht sicher, ob es sich wirklich um ihn handelte.

Die beiden waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie den Leuten, die sie neugierig musterten und vor ihnen zurückwichen, keine Beachtung schenkten.

Linea erging es nicht viel besser; sie starrte ebenfalls auf Valdarr und seinen Begleiter, die nun völlig unbehelligt von den Wachen die Tür des Langhauses aufstießen und darin verschwanden.

Sobald von den beiden Männern nichts mehr zu sehen war, ging ein Raunen durch die Menge auf dem Platz, das sämtliche Schreie der Verkäufer übertönte.

In ihrer Gasse versteckt vernahm Linea nur einige unzusammenhängende Wortfetzen, doch das reichte aus, um ihre Neugier anzufachen. Sie musste einfach wissen, was Valdarr so Dringendes mit dem Jarl zu besprechen hatte.

Noch ehe sie sich selbst ihrer Tat bewusst war, setzten sich ihre Füße in Bewegung. Begleitet von dem Gemurmel der Masse drehte sie sich um und begab sich auf den ihr altbekannten Weg, der sie zur Hinterseite des Langhauses führte. Ihre Füße waren schon so viele Male durch diese Gassen geschlichen, dass sie den Pfad auch in finsterer Nacht blind hätte gehen können. Was sie auch häufig getan hatte, um Hákon heimlich zu besuchen und mit ihm zu dem Platz auf dem Dach zu klettern. Ihrem Platz.

Wie oft hatten sie nächtelang hier oben gesessen und die Gestirne des Himmels beobachtet? Linea wusste es nicht mehr, sie wusste nur, wie dankbar sie jedes Mal gewesen war, dass sie dort nicht allein gesessen hatte. Sie entsann sich gut daran, wie sie auch ohne Absprachen den jeweils anderen hier oben gefunden hatten, wenn sie von ihren Vätern die Fäuste zu spüren bekommen hatten, und sie erinnerte sich an Hákons sanfte Finger, die ihr die Tränen von den Wangen strichen, an die zarte Berührung seiner Haut auf ihrer.

Ein trauriges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie vermisste diese gemeinsame Zeit mit ihm, vermisste seine leise Stimme, die ihr beruhigende Worte zuflüsterte. Vermisste seinen sanften Blick, der ihr versprach, dass alles wieder in Ordnung kommen würde. Je älter sie geworden waren, desto mehr war ihre gegenseitige Abneigung einer tiefgründigen Freundschaft gewichen. Doch seit der gewaltsamen Trennung der beiden durch Hákons Vater sahen sie sich nur noch selten. Und das heimlich.

Linea hing noch weiter ihren Gedanken nach, als sie die Rückseite des Hauses erreichte. Sie stellte den Korb mit den Netzen an die Wand und schaute, die Hände in die Hüften gestemmt, zum Dach hinauf. Der Weg war nicht schwer, da sie ganz leicht über die großen Lagerkisten hochklettern konnte. Erneut war sie froh, sich am Morgen gegen das Kleid entschieden zu haben.

Geduckt stieg sie hinauf und schob sich bäuchlings durch den Schnee an den offenen Rauchabzug im Zentrum heran. Wenn sie Glück hatte, und davon ging sie aus, saßen Valdarr und der Fremde direkt unter ihr am warmen Feuer und sie würde ungestört ihren Disput belauschen können.

Tatsächlich hörte sie neben dem Knacken und Knistern des Feuers gedämpfte Stimmen. Ungeachtet der Kälte und der Nässe des Schnees unter ihr zog sie sich noch ein kleines Stückchen nach vorne, bis sie schließlich verstand, worüber die Männer redeten.

»Lass uns allein, Ivar. Verschwinde!«, sagte der Fremde gerade barsch und kurz darauf vernahm Linea das Schlagen der Tür, die der Diener hinter sich schloss.

Ein ungutes Gefühl beschlich sie, als die bange Frage ihres Vaters zu ihr hinaufhallte, der plötzlich einiges von seiner Sicherheit und Stärke verlor. »Was gibt es denn noch so Dringendes zu besprechen, was nichts mit dem letzten Angriff auf die Halvsfjorder zu tun hat, mein Herr?«, fragte Valdarr zögerlich.

»Nun, Kendtmann, ich denke, dass Ihr derjenige seid, der mir etwas zu sagen haben sollte.«

Linea zog scharf die Luft ein. Sie hatte sich nicht getäuscht. In ganz Skogbyen traf man eigentlich nur eine Person, die noch über dem Kendtmann des Dorfes stand und die von ihrem Ziehvater so respektvoll behandelt wurde. Hier hatte sie nun die Bestätigung, dass auch die vielen Menschen auf dem Platz sie nicht hatten täuschen können. Der Fremde war niemand Geringerer als Jarl Rutmar.

»Ich wüsste nicht, was Euch, dem ehrenwerten Jarl von Skogbyen, nicht bekannt sein sollte, seinem alten Kendtmann jedoch schon.«

Linea konnte sich das Bild, das sich unter ihr in dem Raum abspielte, nur allzu gut vorstellen. Valdarr mit trotzig verschränkten Armen vor der Brust, der es dennoch nicht wagte, den Jarl so offen vor den Kopf zu stoßen. Ganz deutlich hörte sie einen feinen Unterton aus seiner Stimme heraus, der ihr gänzlich unbekannt war.

Unsicherheit. Lineas Herzschlag beschleunigte sich.

Er lügt, dachte sie voller Entsetzen.

Valdarr verschwieg etwas. Und es musste etwas verdammt Wichtiges sein, wenn er es sogar vor dem Jarl geheim hielt.

Angespannt horchte sie in die folgende Stille hinein.

Was geschieht dort gerade?

»Ich denke, Ihr wisst ganz genau, wovon ich rede«, entgegnete der Jarl und seine Stimme war so kalt und schneidend wie der Schnee auf dem Dach.

»Nein, mein Herr«, ruderte Valdarr hastig zurück und klang dabei schon nahezu panisch.

»So? Seht an Eurem Arm hinab, Kendtmann«, forderte der Jarl. »Darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr mir auf ewig die Treue geschworen habt?«, knurrte er.

»Ihr zweifelt also an meiner Treue?«, wollte ihr Ziehvater wissen und gewann sogleich einen Bruchteil seines Mutes zurück.

»Nur an Eurer Aufrichtigkeit, was Informationen zu einer bestimmten Person anbelangt«, erwiderte der Jarl kühl.

Valdarr schwieg bedeutend, und oben auf dem Dach wagte Linea nicht zu atmen, um keines der Worte zu überhören.

»Bei Oðins Bart, Euer Schweigen verdammt Euch!«, entfuhr es dem Jarl, und das dumpfe Schlagen seiner Faust auf dem Tisch hallte den Kamin hinauf. »Valdarr, Ihr wart mir immer der beste Krieger von allen. Daher gebe ich Euch die Möglichkeit: Sagt mir, was Ihr über sie wisst, und ich schwöre bei den Göttern, ich werde nicht mehr von Euch fordern als ein weiteres Zeichen Eures Schwurs.« Auch wenn die Worte sehr gewählt klangen, hörte Linea deutlich die gepresste Wut aus der Stimme ihres Anführers heraus.

Stille. Die Drohung an ihren Ziehvater hätte deutlicher nicht sein können.

Linea zitterte und ihre Hände begannen ungeachtet des kalten Schnees zu schwitzen.

Was weiß Valdarr? Um wen geht es bei diesem Gespräch überhaupt?

Ihre Gedanken rasten, spuckten eine verrückte Idee nach der anderen aus wie ein außer Kontrolle geratenes Feuer. Mehrere Namen und Gesichter tauchten vor ihrem geistigen Auge auf – alles Frauen aus Skogbyen. Es musste eine Frau sein, das hatte der Jarl ganz deutlich gesagt. Nur wer hatte ein Geheimnis vor dem mächtigsten Mann im Umkreis? Wer konnte so töricht sein und versuchen etwas vor dem Jarl zu verheimlichen und vor allem was?

Angestrengt zwang sie sich zur Ruhe. Ein leiser Schrei entsprang ihrer Kehle, als sie hörte, wie der Jarl bereits weiter auf ihren Ziehvater einredete.

»… weiß eigentlich schon genug, um Euren Kopf vom Richtblock rollen zu sehen. Von Euch brauche ich nur die Gewissheit, dass man mir keinen Bären aufgebunden hat.«

»Wer?«, fragte ihr Ziehvater prompt und mit schneidender Stimme. Es war offensichtlich, dass er nicht klein beigeben wollte.

»Ihr seid noch fahrlässiger, als ich dachte, Valdarr. Ich gebe meinen Informanten nicht preis. Ich lasse Euch die Wahl, diese Botschaft zu bestätigen oder Eurem Ende entgegenzugehen, und bei Oðin, das werdet Ihr!«

Ein deutliches Fluchen war zu hören, und Linea traute ihren Ohren nicht, als Valdarr zähneknirschend Antwort gab. »Gut.«

»Ich wusste, Ihr seid ein ehrbarer Mann, und nun sagt mir, entspricht es der Wahrheit, was mir über sie zu Ohren gekommen ist und weswegen ich Euch zu mir rufen ließ?«

»Ja.«

»Ist es wahr, dass Ihr all die Jahre von ihr wusstet?«

»Ja.«

»Werdet Ihr versuchen Euer Versprechen ihr gegenüber einzuhalten?«

Valdarr zögerte, und Linea sah förmlich vor sich, welcher Konflikt sich in ihm abspielte.

Er würde es nicht tun. Valdarr konnte ein Versprechen, egal wem er es gegeben hatte, nicht brechen. Linea wusste, er würde es sich selbst nie verzeihen, wenn er sein Wort, worum es auch immer gehen mochte, brach.

Sie spürte, dass er es auch nicht plante, und eine bekannte Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. Valdarr würde diese Frau nicht verraten. Er würde seinen Eid halten.

Doch im gleichen Moment vernahm Linea erneut die sonore Stimme des Jarls, in der nun ein spöttischer Unterton zu hören war. »Ich werde Euch die Entscheidung abnehmen. Ihr werdet sie ihr nicht zurückbringen. Sie bleibt in Skogbyen und Ihr, Kendtmann, tut besser daran, für Euch zu behalten, was Ihr wisst!«

Der Spott in seiner Stimme wich schlagartig einer Drohung, die es Linea eiskalt den Rücken hinabtrieb. Eine Drohung, kälter als die eisigen Winde, die sie hier oben auf dem Dach umwehten. Und so viele Gedanken ihren Kopf zuvor noch verwüstet hatten, so leer fühlte er sich nun an.

Sie wusste nichts; hatte nicht die leiseste Ahnung, von wem oder was hier die Rede war, aber sie war sich sicher, der Jarl meinte es ernst. Todernst. Das schien auch Valdarr nicht entgangen zu sein.

»Wie Ihr wünscht, mein Jarl.« Doch seine Stimme klang seltsam gepresst, so als müsste er stark an sich halten, um der Wut, die in ihm kochte, keinen Ausdruck zu verleihen.

Zu gern hätte Linea nun das Gesicht des Jarls gesehen, nur um ihre Neugierde zu stillen und zu erfahren, ob sie mit ihrer Einschätzung über ihn und seine Selbstgefälligkeit richtiglag. Aber der Rauchabzug qualmte weiter vor sich hin und sie konnte ihre Augen nicht länger offen halten, ohne dass ihr die Tränen die Sicht verschleierten.

Linea drehte den Kopf und presste ihre Wange in den Schnee, um noch weiter zuhören zu können, bereute es jedoch sofort, als sie hörte, wie Holz über Holz kratzte, während Valdarr seinen Stuhl zurückschob und sich anschickte, zu verschwinden.

»Warum so in Eile, Kendtmann? Habt Ihr da nicht etwas vergessen? Ihr habt mich belogen«, stellte der Jarl ruhig fest. »Wie kann ich mir Eurer fortwährenden Treue gewiss sein?«

Linea konnte sich beinah zu lebhaft ein dreckiges Grinsen auf seinem Gesicht vorstellen.

»Ich versichere Euch, dass meine Treue Euch gegenüber nicht unter unserem kleinen Disput zu leiden hat, mein Herr. Ihr könnt nicht von mir behaupten, je untreu gewesen zu sein«, rechtfertigte sich Valdarr. Trotzdem bezweifelte Linea, dass er sich aus dieser Situation noch würde retten können.

»Oh, keineswegs«, erklärte der Jarl süffisant. »Doch zweifle ich an Eurer zukünftigen Loyalität und fordere damit einen erneuten Tribut von Euch. Ihr seid der treueste meiner Männer, aber seid Ihr auch bereit, den Preis zu zahlen und weiterhin als mein treuester Vasall an meiner Seite zu stehen?«

Linea sah innerlich vor sich, wie ein hämisches Glitzern in die Augen des Jarls trat, als er ihren Ziehvater zu einem erneuten Schwur aufforderte.

»Ja, das bin ich«, antwortete Valdarr trocken und Linea keuchte vor Entsetzen laut auf.

Das konnte der Jarl nicht wirklich von ihm fordern. Zu lebhaft erinnerte sie sich daran, wie Valdarr erst vor drei Sommern zwei Finger seiner linken Hand als Zeichen seiner Treue hatte lassen müssen. Der Jarl konnte doch nun unmöglich …

Das scharfe Surren und das dumpfe Schlagen der Klinge belehrten sie eines Besseren. Übelkeit durchflutete Linea, und das schabende Geräusch von Metall auf Holz ließ sie würgen. Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund und schaffte es gerade so, die aufsteigende Magensäure wieder hinunterzuwürgen.

Mit einem Mal war sämtliches Gefühl aus ihr verschwunden. Wie konnte ein Mann nur so grausam sein? Sie war sich sicher, dass Rutmar ihren Vater nur als Strafe für seine Lügen noch weiter verstümmelt hatte. Denn an Valdarrs Loyalität und Demut hatte er nie zweifeln müssen.

Der kalte Wind und der nasse Schnee, auf dem Linea lag, drängten sich wieder in ihr Bewusstsein. Erst jetzt merkte sie, dass sie zitterte und sich wie ein Säugling zusammengerollt hatte, die Arme schützend um ihre Schultern geschlungen. Sie musste aufstehen, vom Dach hinunterklettern, sich bewegen. Andernfalls würde sie sich hier oben den Tod holen.

Langsam knetete Linea ihre Finger und rieb sich die Hände, um wenigstens etwas Gefühl in ihren erstarrten Körper zurückzuschicken, da hörte sie erneut Rutmars Stimme aus dem Raum unter ihr.

»Eine Sache noch, bevor Ihr geht. Wie alt ist sie, Valdarr?«

»Vierzehn Sommer«, knurrte der Befragte widerwillig und in seiner Stimme war unterschwellig der Schmerz deutlich zu hören.

Der Jarl murmelte etwas, das Linea nicht verstand, doch das zischende Schnappen nach Luft Valdarrs ließ auch Linea erneut aufhorchen. Dann sprach wieder der Jarl und seine Stimme war leise, und gleichzeitig so laut, dass Linea jedes seiner Worte vernahm. »Sie gehört mir, Valdarr. Sie war schon immer mein und Ihr wusstet es.«

»Nein!« Es war kein Schrei, wenngleich ein bestimmter, zorniger Ausruf.

Rutmar beachtete seinen Widerspruch aber nicht weiter. »Ich werde sie zum Weib nehmen, noch bevor der Sommer kommt!«

»Ja, das werdet Ihr«, antwortete Valdarr mit farbloser, geradezu teilnahmsloser Stimme.

Lineas Kopf ruckte nach oben.

Was geschieht dort mit Valdarr?

Gerade eben noch hatte er versucht, sich dem Jarl entgegenzustellen, und die mysteriöse Frau inbrünstig verteidigt, und nun, nur einen Augenblick später, stimmte er seinem Vorhaben zu?

Das kann nicht wahr sein, das ist nicht richtig, er würde nie …

Erneut ergriff der Jarl das Wort. Süffisanter als jemals zuvor klang seine Stimme und mit Schrecken vernahm Linea die Worte.

»Ich werde sie besitzen und Linea wird mir einen Sohn schenken! Einen würdigen Nachfolger wird sie mir schenken, Valdarr!«

»Ja, mein Jarl. Das wird sie.«

Kapitel 3

 

Zitternd lag sie im Schnee auf dem Dach und lauschte dem Echo der Worte, die sie soeben vernommen hatte. Versuchte zu begreifen, was sie bedeuteten.

Ich, dachte sie immer wieder.

Ich. Sie sprechen von mir. Linea.

Wieder und wieder hörte sie ihren Namen aus dem Mund des Jarls, begleitet von der Zustimmung Valdarrs, ihres Ziehvaters. Ein Mann, der so wichtig war in ihrem Leben. Ein Mann, der ihr alles bedeutete. Ein Mann, dem sie offenbar nichts bedeutete.

Schmerzhaft gruben sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen, während Linea nun die Fäuste ballte und hörte, wie Valdarr kommentarlos das Langhaus verließ, die Tür hinter sich zuzog. Noch ehe sie es verhindern konnte, rannen ihr heiße Tränen die Wangen hinab und brannten Spuren in den aufgewühlten Schnee.

Verrat. Wie hatte er nur ihre Hand diesem grausamen und gierigen Mann versprechen können? Wie hatte er diese Verbindung zulassen können?

Wut keimte in ihr, schlang sich mit klammen Fingern um ihr Herz und drohte es ihr in der Brust zum Platzen zu bringen. Sie musste fort. Runter von diesem Dach, weg von Rutmar, weg von Valdarr.

Immer noch zitternd löste sich Linea aus ihrer Starre, wischte sich energisch mit dem Ärmel des Pelzumhangs die Tränen aus den Augen und robbte zur Leiter zurück. Wie genau ihre Füße und Hände den Halt fanden und sie vor einem Sturz in die Tiefe bewahrten, wusste sie nicht.

Sobald Linea den schlammigen Boden wieder unter den Stiefeln spürte, rannte sie los. Quer über den Platz, während weitere Zornestränen ihr die Sicht verschleierten. Es kümmerte sie nicht.

Im Rennen stolperte sie halb blind über ihre Füße, stieß gegen Karren und Marktstände und rempelte Leute an, die ihr wüste Beschimpfungen hinterherbrüllten. Es war ihr egal. Alles schien Linea auf einmal gleichgültig zu sein. Ihre Tränen, die zerzausten Haare … alles, wofür sie sich vor einer halben Fackel noch in Grund und Boden geschämt hatte, verlor seine Bedeutung, wenn sie an die Wertlosigkeit ihres Lebens dachte.

Wie kann er es wagen, einfach so über mein Leben zu bestimmen?

Sie rannte weiter. Über die vom Schnee befreiten Wege geradewegs auf das große Tor in der Holzpalisade zu. Kurz tauchten Hákon und Magnus in ihrem Blickfeld auf, aber Linea schenkte auch ihren Freunden, die ihr verwundert hinterherstarrten, keine Beachtung.

Immer wieder hörte sie Rutmars Worte in ihrem Kopf widerhallen, die ihr ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut verursachten.

Besitzen, Weib, Sohn, bevor der Sommer kommt.

Mit jedem weiteren Wort wurde ihr die Bedeutung klarer, wuchs zu einer Last heran.

Linea wurde noch schneller, bahnte sich ihren Weg durch das Dickicht des Waldes, störte sich nicht an Dornen und vereisten Zweigen, die an ihrer Kleidung zerrten und ihr Gesicht zerkratzten. Ein unangenehmes Pochen breitete sich in ihrem Kopf aus. Sie schloss die Augen, ignorierte den Schmerz und rannte weiter. Die eisige Luft brannte qualvoll in ihrer Kehle, und ihre Lungen gierten nach Sauerstoff, bekamen nicht genug.

Linea blieb erst stehen, als der endlose blaue Fjord mit der spiegelglatten Oberfläche vor ihr auftauchte und sie bis an die Uferkante herantrat. Schwer keuchend stand sie da und presste fest ihre Hand gegen die linke Seite, wo sich ein unerträgliches Stechen ausbreitete.

Nur langsam beruhigte sie sich, konzentrierte sich auf ihre Atmung.

Einatmen.

Ausatmen.

Sie hielt die Augen weiterhin geschlossen, versuchte alles auszublenden, bis sie nur noch das sanfte Rauschen des kalten Nordwindes in den dürren Ästen der Bäume ringsum hörte.

Da war nichts mehr. Kein Entsetzen, keine Angst und auch keine Wut kämpften mehr in ihrem Inneren um die Führung. Gänzliche Leere erfüllte sie und sandte ein dumpfes Pochen durch ihren gesamten Körper.

Sie öffnete die Augen, und ihr Blick fiel auf ihre blutigen Handflächen, wosiesichmitdenNägeln tiefinseigeneFleisch geschnitten hatte. Erschöpft sank sie am Ufer nieder und tauchte ihre geschundenen Hände in das klare, eisige Wasser des Fjords. Beobachtete, wie sich das Blut in sanften Schlieren mit dem Wasser vermischte und langsam von den seichten Bewegungen davongetragen wurde.

Die Zeit verstrich quälend langsam, während sie dort am Ufer hockte und auf das Wasser starrte. Linea ignorierte den betäubenden Schmerz, der sich in ihren Knien ausbreitete und sie zum Aufstehen bewegen wollte, und grub stattdessen ihre Füße ebenfalls in den tiefen Schnee.

Was sollte sie nun tun? Es ergab keinen Sinn, zurück ins Dorf zu gehen und ihrem Vater geradewegs in die Arme zu laufen. Wie sollte sie ihm unter die Augen treten und gleichzeitig so tun, als wisse sie nichts von dem Gespräch mit Rutmar? Sie glaubte nicht, dass Valdarr das Thema ihr gegenüber freiwillig ansprechen würde. Aber sie wusste ebenso, dass weder ihr noch ihrem Ziehvater eine Wahl blieb. Hatte Valdarr möglicherweise ohnehin vorgehabt, sie an Rutmar zu verheiraten? Hatte er vielleicht schon vor Jahren diese Vereinbarung mit dem Jarl getroffen? Wie sonst sollte sie es sich erklären, dass Valdarr seine Verteidigung so schnell aufgegeben hatte? Wenn nur der sorgende Ziehvater aus ihm gesprochen hatte, obwohl der Gefolgsmann in ihm wusste, dass es so kommen würde, wie der Jarl es wollte?

Der Jarl vergisst nichts, wenn ihm daraus ein Vorteil entsteht, dachte Linea verbissen. Wenn Valdarr mehrere Sommer Zeit gehabt hätte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Rutmar Linea zum Weib nahm, würde das seinen nur geringen Widerspruch erklären. Er hätte es bestimmt nicht einfach so hingenommen, wenn er soeben zum ersten Mal von den Plänen des Jarls erfahren hätte.

Aber würde das ein liebender Vater wirklich tun?

Ein trüber Gedanke kam Linea in den Sinn und trieb ihr einen bitteren Geschmack in den Mund.

Nein, sie war nicht Valdarrs Tochter. Sie war es nie gewesen.

Bereits als sie noch ein kleines Kind gewesen war, hatte Valdarr ihr erzählt, dass er nicht ihr leiblicher Vater sei. Dass sie als Säugling zu ihm gekommen sei und er geschworen habe, für sie zu sorgen.

Wer ihre Eltern wirklich waren, woher sie kamen und ob sie noch lebten, darüber hatte er noch nie ein Wort verloren. Sämtliche Fragen, die Linea ihm immer wieder über ihre Eltern oder ihre wahre Heimat gestellt hatte, hatte er abgeblockt und sie nur brüsk zurückgewiesen.

Indes war sich Linea sicher, dass sie nicht aus Skogbyen oder der näheren Umgebung stammte. Nicht nur der leicht rötliche Einschlag in ihren sonst blonden Haaren verriet sie, sondern auch kaum bemerkbare Unterschiede in ihren feinen Gesichtszügen deuteten darauf hin, dass sie nicht von dieser Küste stammte.

Genau genommen wusste sie nicht mal, ob sie wirklich Linea hieß, geschweige denn, wer Linea war. Sie kam sich selbst fremd vor, und gerade jetzt, da über sie und ihr Leben bestimmt wurde wie über das einer Sklavin, fühlte sie sich verlorener denn je.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu Rutmar, dem Mann, dem sie versprochen war. Was wollte er mit einem Mädchen wie ihr? Er könnte jedes Mädchen haben, nach dem er sich verzehrte. Es gab genug Frauen in Skogbyen und auch in den umliegenden Dörfern, die alles dafür geben würden, um von dem Jarl ausgewählt zu werden. Und es war bei Weitem nicht unüblich, dass die Männer erneut heirateten, wenn die Mütter ihrer Söhne im Kindbett starben oder von fremden Kriegern geraubt oder getötet wurden.

Würde es für den Ruf des Jarls nicht sogar vorteilhafter sein, nähme er sich eine Gemahlin von höherem Stand als sie? Eine Schildmaid oder die Tochter eines anderen Jarls? Ohne Eltern und ohne namhaften Einfluss war Linea nicht mehr als eine Thral, eine Sklavin. Er hätte sie so oder so haben können, sie sich als Hure halten können, wie es ihm beliebte. Was aber erhoffte er sich von dieser offiziellen Verbindung mit ihr?

Linea konnte sich nicht vorstellen, dass er es allein auf die Demütigung Valdarrs abgesehen hatte. Dann hätte Rutmar nur warten müssen, bis Linea ihren siebzehnten Sommer erreichte und somit für alle Männer Skogbyens zur Verfügung stand.

Unwillkürlich tauchte das Bild Hákons in ihrem Geist auf. Der Sohn des Jarls wäre nach norwegischem Erbrecht der Anwärter auf den Thron seines Vaters, auch wenn seine Mutter bereits bei den Göttern weilte. Doch mit einer neuen Frau, mit welcher der Jarl auch noch ein Kind zeugte, würde ihm dieser Anspruch genommen werden.

Plante Rutmar genau das?

Es stellte kein Geheimnis dar, dass er nicht viel von seinem Sohn hielt und der Meinung war, sein Sohn tauge für nichts weiter als dumme Streiche und das Treiben des Viehs, aber hasste er Hákon so sehr, dass er einem zweitgeborenen Sohn die gesamte Herrschaft über das Dorf in den Schoß legen würde?

Angst wallte in Linea auf, als sie noch eine grausigere Ahnung beschlich. Dem Jarl war bestimmt nicht entgangen, dass sie Hákon als einen Freund sah und sich stets gut mit ihm verstanden hatte. Konnte etwa Eifersucht die treibende Kraft hinter seinem Vorhaben sein, sie zum Weib zu nehmen? Wollte er Hákon Linea streitig machen?

Das Feuer der Wut, das in ihrem Inneren wütete, wandelte sich augenblicklich in Ekel und Hass. Sie hasste Rutmar, hasste seine Macht, mit ihr tun zu können, was er wollte, und sie verachtete Valdarr für seine Entscheidung, ihm zuzustimmen.

Ihr war sehr wohl bewusst, dass sie in ihrer Position nicht in der Lage war, etwas an den Plänen der Männer zu verändern, und doch fasste sie den Entschluss, sich ihnen nicht leichtfertig zu beugen.

Völlig entkräftet trat sie vom Ufer zurück und fand unter einer hohen Kiefer einen Platz, der vom Schnee gänzlich unberührt war. Sie setzte sich auf den mit Kiefernnadeln bedeckten Boden, den Stamm im Rücken, und zog den dicken Bärenfellumhang enger um ihre schmalen Schultern.

Sie fühlte sich schlapp, regelrecht ausgelaugt von der Flut an Emotionen, die stetig in ihrem Inneren tobten. Langsam schloss sie die Augen, und obwohl ein eisiger Wind über ihr Gesicht wehte, nickte sie wenig später ein.

 

Raue Stimmen gellten durch die Luft, erfüllten die Nacht über der aufgewühlten See. Das Holz ächzte, die Takelage knarzte und das Segel raschelte im Wind.

Linea schaute angespannt auf die Knorr hinab. Ihr war, als würde sie in den Wolken sitzen und auf das Geschehen auf dem Meer blicken.

In der Ferne färbte sich der Horizont orangerot über der scharfen Kante der hohen Klippen. Rauch stieg von den zerstörten Hütten auf und schien mit ausgestreckten Armen nach dem flüchtenden Schiff zu greifen, das immer schneller Fahrt aufnahm und gen Osten segelte.