Digitaler Wandel in Familienunternehmen - Arnold Weissman - E-Book

Digitaler Wandel in Familienunternehmen E-Book

Arnold Weissman

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Beschreibung

Familienunternehmen 4.0 Unternehmen, die sich nicht mit der Digitalisierung, ihren Anforderungen und Möglichkeiten befassen, werden abgehängt. Die heutigen Hidden Champions haben ihre Unternehmen nicht digital aufgebaut und drohen von Start-ups überholt zu werden, die sich durch digitale Strategien und eine völlig andere Denkweise auszeichnen. Mit ihren Geschäftsmodellen nehmen sie den heutigen Marktführern Umsatz ab und verhindern deren weiteres Wachstum. Diese Wachstumslücke gilt es zu schließen. Nur mit einer durchdachten Strategie können Familienunternehmen langfristig ihr Überleben in der digitalen Zukunft sichern. Dieses Buch unterstützt Unternehmerinnen und Unternehmer dabei, eine solche Strategie Schritt für Schritt zu entwickeln, innovativ zu denken und disruptive Geschäftsmodelle anzulegen.

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Arnold Weissman, Stephan Wegerer

Digitaler Wandelin Familienunternehmen

Das Handbuch

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Unternehmen, die sich nicht mit der Digitalisierung, ihren Anforderungen und Möglichkeiten befassen, werden abgehängt. Die heutigen Hidden Champions haben ihre Unternehmen nicht digital aufgebaut und drohen von Start-ups überholt zu werden, die sich durch digitale Strategien und eine völlig andere Denkweise auszeichnen. Mit ihren Geschäftsmodellen nehmen sie den heutigen Marktführern Umsatz ab und verhindern deren weiteres Wachstum. Diese Wachstumslücke gilt es dringend zu schließen.

Nur mit einer durchdachten Strategie können Familienunternehmen langfristig ihr Überleben in der digitalen Zukunft sichern. Dieses Buch unterstützt Sie dabei, eine solche Strategie Schritt für Schritt zu entwickeln, innovativ zu denken und disruptive Geschäftsmodelle anzulegen. So bleibt Ihr Unternehmen auch künftig auf Erfolgskurs!

Vita

Prof. Dr. Arnold Weissman ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FH Regensburg und Inhaber des Beratungsunternehmens Weissman & Cie.

Stephan Wegerer berät bei Weissman & Cie. Familienunternehmen speziell in den Bereichen Digitale Transformation, Innovation und entwickelt auf dieser Grundlage Business Innovation für seine Kunden.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1 Verrückte Welt

Digitalisierung verändert die Welt

»Wir leben in der Kreidezeit«

Wen würden Sie wählen?

Der neue Wettbewerber: Digitalisierung

Digitalisierung erreicht den B2B-Bereich

Kurzporträt: Kunde 4.0

Kunde 4.0 ist auch nur ein Mensch

Untätigkeit wird bestraft

Warum etablierte Unternehmen handeln müssen

Schneller, offener, kreativer, agiler

Baum statt Hierarchie

Was passiert, wenn wir nichts verändern?

Digitaler Wandel – keine halben Sachen

Kapitelzusammenfassung

Kapitel 2 Digitaler Wandel – die wichtigsten Grundlagen

Das große Rad drehen

Disruptiv statt erhaltend

Die Treiber des digitalen Wandels

Werden Sie zum Trendscout

Noch nicht existierende Märkte sind anders

Das Internet als Businessplattform

Mobile Internetnutzung auf dem Vormarsch

Ist Ihre Website schon für mobile Endgeräte programmiert?

Transformative Technologien – Bausteine für den Wandel

Cloud nimmt Fahrt auf

Softwarebasierte Netzwerke sind die Zukunft

Big Data wächst

Maschinelles Lernen startet durch

Ziel: Das vernetzte Unternehmen

Wachstumslücke schließen

Kapitelzusammenfassung

Und so geht es weiter

Kapitel 3 Handlungsfeld 1 des digitalen Wandels: Kunde im Fokus

Plattformen – moderne Marktplätze

Radikale Kundenorientierung

Relevanter Kundennutzen im Fokus

Individuelles Angebot im Netz

Personas, die neue Zielgruppen-Einheit

Beziehen Sie visionäre Kundengruppen ein

Vorausschauende Interaktion

Online und offline verknüpfen

Customer Experience – nur vom Feinsten

Beziehungen und Emotionen zählen mehr

Positive Kundenerfahrungen schaffen

Unverzichtbar: Online-Monitoring

Bauen Sie ein Customer Experience Management auf

Auf dem Weg zur Empfehlungsökonomie

Customer Journey 4.0

Zmot oder die neue Art des Reisens

Der B2B-Kunde erwartet andere Dinge

Kapitelzusammenfassung

Kapitel 4 Handlungsfeld 2 des digitalen Wandels: Neue Geschäftsmodelle gefragt

Disruption: todbringend für veraltete Geschäftsmodelle

Transformative Kundenerfahrung im digitalen Ökosystem

Transformation im Marketing

Die Einflussreichen machen Sie zum Gewinner

Mobile Werbung und Videos gewinnen

Digitalisierung betrifft alle

Think big!

Der Weg zum digitalen Geschäftsmodell

Was ist nun ein digitales Geschäftsmodell?

Möglichkeiten der digitalen Geschäftsmodellveränderung

Evolution kontra Disruption

1. Digitale Veredelung

2. Open und Extended Innovation

3. Personalisierte Produkte/Customization

4. Everything as a Service (XaaS)

5. Daten als Profitquelle

Business Model Canvas für den schnellen Überblick

Schnell am Markt – MVP

Nehmen Sie die Möglichkeiten Ihres digitalen Ökosystems wahr

Kapitelzusammenfassung

Kapitel 5 Handlungsfeld 3 des digitalen Wandels: Operative Exzellenz ist ein Muss

Wie die Digitalisierung die Wertschöpfungskette verändert

Die agile Wertschöpfungskette

Wertschöpfung verändert sich

Industrie 4.0 – Wertschöpfungsnetzwerke in Echtzeit

Wertschöpfung ist keine Sackgasse

Derjenige mit den besten Daten gewinnt

Überblick und Ordnung schaffen

Von Big Data zu Smart Data

Die Nadel im Heuhaufen finden

Cloud-Lösungen – Treibstoff für den digitalen Wandel

Vor- und Nachteile der Cloudtechnik

Vernetzte Unternehmen für mehr Innovation

Auf dem Weg zum Digital Workplace

Kapitelzusammenfassung

Kapitel 6 Handlungsfeld 4 des digitalen Wandels: Menschen – eine neue digitale DNA für Unternehmen

Veränderung willkommen heißen

Bestandsaufnahme statt jammern

Entwickeln Sie Mitarbeiter systematisch

Mitarbeiter brauchen Ziele

Sinn bieten

Digitales Lernen

Kompetenzentwicklung

Offen für die Zukunft sein

Schneller werden mit agilen Teams

Collaborative Work

Klein anfangen

Corporate Think Tank

Vom Team zur Ausgründung

Aus der Forschung ins Unternehmen

Die richtigen Menschen anziehen

Die Führung ist entscheidend

Generation Y – gar nicht so anders

Kommunikation wird mehrdimensional

Vom Intranet zum Social Intranet

Schluss mit dem Silodenken

Die digitale werteorientierte Organisation

Kapitelzusammenfassung

Kapitel 7 Mit Strategie in die digitale Zukunft

Strategischer Phasenplan zum digitalen Wandel

Die Analysephase

Die Selektionsphase

Die Konzeptionsphase

Die Organisationsphase

Wollen, können, dürfen

Die Transformationsphase

Kümmern Sie sich um die Mitarbeiter

HR – weit mehr als Personalverwaltung

Digitale Reife zahlt sich aus

Fazit

Register

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht können Sie das Wort Digitalisierung schon nicht mehr hören, aber der Kauf dieses Buches zeigt, dass Sie bemerkt haben, dass Sie etwas tun müssen, dass auch für Sie kein Weg daran vorbeiführt: Unternehmen, die sich nicht mit der Digitalisierung, ihren Anforderungen und Möglichkeiten befassen, werden abgehängt.

In vielen Unternehmen ist die Digitalisierung in der IT angesiedelt, doch das ist zu kurz gesprungen. Die Digitalisierung muss Chefsache sein. Lassen Sie Ihre Strategie nicht von der IT entwickeln, sondern mit der IT. Sie müssen als Unternehmer oder Führungskraft nicht über jedes Detail der Digitalisierung Bescheid wissen, aber Sie müssen sich um das große Ganze kümmern. Es geht um die Frage, wie Ihr Geschäftsmodell in drei, fünf oder zehn Jahren aussehen soll. Dabei müssen Sie die gesamte Wertschöpfungskette im Auge behalten. Der digitale Wandel beschreibt den fundamentalen Wandel von Unternehmen hin zu einer vollständig vernetzten, digitalen Organisation. Die heutigen Hidden Champions haben ihre Unternehmen nicht digital aufgebaut, die Start-ups jedoch haben digitale Geschäftsmodelle und eine völlig andere Denkweise. Mit ihren Geschäftsmodellen nehmen sie den heutigen Marktführern Umsatz ab und verhindern deren weiteres Wachstum. Diese Wachstumslücke gilt es zu schließen und dafür brauchen Sie eine Strategie. Nur so können Sie langfristig das Überleben Ihres Unternehmens sichern.

Chefsache »Digitalisierung«

Mit diesem Buch wollen wir Sie dabei unterstützen, eine solche Strategie zu entwickeln. Mit ziemlicher Sicherheit werden Sie nicht von heute auf morgen zum digitalen Marktführer, aber je früher Sie daran zu arbeiten beginnen, desto besser, denn die Zeit drängt: 2006 gab es noch kein iPhone, heute ersetzt uns das Smartphone das Telefon, den Kalender, das Adressbuch, die Kamera, den Walkman, das Aufnahmegerät und das Navi, teilweise sogar schon die Kreditkarte. Ins Internet und chatten können wir damit sowieso. Bücher und E-Mails lesen, Fotos verschicken, Flüge buchen – alles kein Problem. Bedenken Sie, wie vielen anderen Branchen durch das Smartphone Umsätze verloren gehen. Welche digitalen Wettbewerber können Ihnen gefährlich werden? Wissen Sie es? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie die Digitalisierung für Ihr Geschäftsmodell nutzen können? Verfügen Sie über die notwendigen Kompetenzen?

Wir bieten Ihnen eine aus der Praxis heraus entwickelte Strategie für den digitalen Wandel an und führen Sie Schritt für Schritt durch den notwendigen Strategieprozess, der auf dem »System Weissman« basiert. Als Familienunternehmen haben Sie eine gute Ausgangsposition beim Kampf um die Führung in digitalen Märkten, denn Familienunternehmen sind nicht nur schneller und beweglicher als große Konzerne, sondern haben einen weiteren Vorteil: Oft kennen Sie Ihre Kunden. Und die Kundenbeziehung ist für den Erfolg der digitalen Transformation entscheidend. Denn künftig wird es nicht mehr um das Produkt oder die Dienstleistung gehen, sondern um den Nutzen-Wert, den es für den Kunden hat. Doch Sie müssen auf dem Weg auch Ballast abwerfen, sich von lieb gewordenen Gewohnheiten und Hierarchien trennen.

Vor allem müssen Sie sich bewusst machen, dass Erfolg in der Vergangenheit und in der Gegenwart keine Garantie für den Erfolg in der Zukunft ist. Den eigenen Erfolg und das eigene Geschäftsmodell in Frage zu stellen, ist der erste Schritt auf dem Weg in den digitalen Wandel.

Wir freuen uns, dass wir Sie begleiten dürfen.

Arnold WeissmanStephan Wegerer

Kapitel 1 Verrückte Welt

In diesem Kapitel erfahren Sie, warum die Digitalisierung die Welt verändert, das Leben jedes Einzelnen und der Unternehmen, bisherige Arbeitsabläufe und -methoden und ganze Geschäftsmodelle. Es geht darum zu verstehen, dass die Digitalisierung die Welt und die Wirtschaft profund und umfassend revolutioniert und Untätigkeit für Ihr Unternehmen zum Wettbewerbsnachteil wird. Alle Themen, die wir in diesem Kapitel anreißen, werden in den folgenden Kapiteln systematisch vertieft.

Digitalisierung ist einer der großen Megatrends unserer Zeit. Darunter versteht man eigentlich die Aufbereitung von analogen in digitale Informationen, also letztlich in Einsen und Nullen. Meist wird der Begriff allerdings für die digitale Revolution und die Gesamtheit aller Veränderungen, die sie mit sich bringt, verwendet. Dazu zählt die Kommunikation über E-Mail, soziale Netzwerke und Smartphones ebenso wie die Vernetzung von Maschinen in der Produktion, die Nutzung der Cloud, Streaming und vieles mehr.

Zum Nachdenken

Viele Unternehmen erwarten laut einer McKinsey-Studie durch Industrie 4.0 eine Produktivitätssteigerung von über 20 Prozent.

MIT-Studie: Digital reife Unternehmen stehen besser da als andere. Sie erzielen um 26 Prozent höhere Gewinne.

1991 erzielte Kodak einen Umsatz von 19,4 Milliarden. Ab 2003 eroberte die Digitalfotografie in großem Stil den Markt und brach Kodak letztlich das Genick. Kein Mensch musste mehr auf die Entwicklung von Fotos und Filmen warten, sondern konnte seine Fotos gleich anschauen und mit anderen teilen. Dadurch entstand ein digitales Ökosystem, in dem die Leistungen, die Kodak anbot, keinen Nutzen mehr für die Kunden hatten.

Der Internet-Handel wächst zehnmal stärker als der klassische Handel. Laut der Studie »Handelsszenario 2020« des Kölner IFH-Instituts werden die Umsätze im stationären Einzelhandel von 448 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 405 Milliarden Euro im Jahr 2020 schrumpfen.

2006 lag der Umsatz von Amazon bei 10,7 Milliarden Dollar, 2016 waren es schon 136 Milliarden Dollar.

Apple ist mehr wert als die acht wertvollsten deutschen Konzerne zusammen.

Der neue Wettbewerber: Digitalisierung

Die Digitalisierung bringt neue Kunden hervor, aber natürlich auch neue Wettbewerber. Und die sind frech, agil, global und vor allem digital. Häufig gibt es nicht einmal einen neuen Wettbewerber, sondern eben einen bekannten Wettbewerber, der die Chancen, die ihm die Digitalisierung bietet, schneller erkennt als Sie oder der risikobereiter ist. Die Digitalisierung lässt sich nicht aussperren. Der Mittelstand bildet sich viel auf seine Schnelligkeit und Flexibilität ein. Mittelständische und Familienunternehmen sehen sich gerne als wendige Schnellboote, die den großen Tankern zeigen, wo es lang geht. Durch die Digitalisierung könnten sie jedoch selbst zu Tankern werden, die von den kleinen Flitzern der digitalen Start-ups attackiert werden. Denn nur wenige Mittelständler sind geneigt, in Experimente zu investieren, deren Ausgang ungewiss ist. Manche Experten sind sogar der Meinung, es gehe gar nicht ums Geld, sondern es fehle der Wille zur Veränderung, vor allem in Unternehmen, denen es (noch) gut gehe.

Digitale Wettbewerber

Natürlich kann man erst einmal abwarten, was die anderen tun. Doch eigentlich ist das keine Option, dafür dreht sich das Rad viel zu schnell. Jeden Tag werden bisher sichere und erfolgreiche Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung und digitale Neueinsteiger hinweggefegt: Uber schüttelt das Taxigewerbe durcheinander, Amazon hat zuerst dem stationären Buchhandel Konkurrenz gemacht, jetzt sitzt es bereits dem Rest des Einzelhandels und den Verlagen im Nacken. Jeden Tag sprießen neue Ideen, wie man in der digitalen Welt Geschäfte machen kann. Wer dabei sein möchte, sollte agieren statt zu reagieren. Jetzt wird der Kuchen verteilt, nicht in fünf oder zehn Jahren.

»Abwarten ist hinsichtlich der Digitalisierung aus meiner Sicht keine Option. Jeder Mittelständler, egal ob klein oder groß, sollte überprüfen, ob sein Geschäftsmodell durch neue Wettbewerber infrage gestellt wird. Wir alle kennen das Beispiel des Google-Autos. Plötzlich gibt es eine Daten-Maschine, die auch Verkehrswege zurücklegt. Für jeden Mittelständler sollte die Überprüfung des Geschäftsmodells oben auf der Agenda stehen.«

Dr. Peter Bartels, Vorstandsmitglied bei PwC

Agieren statt aussitzen!

Beispiel

My Muesli: Von Online bis Offline

Im April 2007 ging »mymuesli« online. Über die Website konnten sich die Kunden ihr individuelles Bio-Müsli mixen, das ihnen dann zugeschickt wurde. Das ist auch heute noch so, allerdings ist das Start-up schnell expandiert. Es gibt inzwischen einige Fertigmischungen, Geschenksets, Orangen, Kaffee, Tee und sogar Geschirr. 2008 startete das Unternehmen die internationale Expansion. 2009 folgte der erste eigene Laden. Mittlerweile ist My Muesli auch in den Regalen von Edeka und Rewe angekommen.

Das junge Unternehmen ist ein typischer Vertreter der neuen Wettbewerber, die etablierte Firmen das Fürchten lehren. Sie sind frech, schnell und basieren meistens auf einem digitalen Geschäftsmodell, das sie mitunter in die Offline-Welt ausweiten. Der traditionelle Handel geriet als erstes unter die Räder. Doch je schneller die Digitalisierung voranschreitet, desto mehr Branchen sind betroffen. Und die digitalen Eroberer kommen aus aller Herren Länder. Im Netz verschwimmen die Ländergrenzen.

Autos: Update statt Rückruf

»Apple betrachtet das Auto wie ein Telefon«, sagt Trendbeobachter Mathias Haas aus Stuttgart. »Verdient wird nicht über den Verkauf des Autos, sondern über die Nutzung.« Der Trendbeobachter hat auch sogleich ein Beispiel aus den USA parat. Dort sind Dunkin’ Donuts und Chevrolet eine Kooperation eingegangen, bei der über das Equipment des Fahrzeugs die nächstgelegenen Angebote des Gebäckherstellers angezeigt werden.

Die Digitalisierung verändere den Stellenwert, setze andere Prioritäten. Wenn die Sensorik eine höhere Priorität erhalte als das Fahrwerk, entstehe ein neues Machtgefälle, ist Haas überzeugt. »Wenn ein ITler ein Auto baut, denkt er komplett anders. Tesla macht keine Rückrufaktionen, sondern fährt ein Update. Autohersteller, die ein neues Modell auf den Markt bringen, rechnen mit fünf bis sieben Jahren. Apple würde einfach eine neue Version einführen. Vielleicht könnte das Auto dann nach einem nächtlichen Update rückwärts in die Garage einparken. Ein von ITlern entworfenes Auto würde sich weiterentwickeln, während ein herkömmliches Fahrzeug nach wenigen Jahren völlig überholt ist«, sagt Haas und fügt hinzu: »Die Frage ist doch: Wenn Apple ein Auto bauen möchte, wieso kauft es dann nicht VW? Die Antwort: Die eigene Gründung scheint einfacher zu sein.« Haas ist überzeugt, dass die Region Stuttgart ohne weiteres zu einem deutschen Detroit werden könnte, wenn die alten Player in der Auto- und Autozulieferindustrie diese Entwicklung nicht mitdenken und den Schwenk nicht mitmachen.

Machen wir doch mal den Test, wenn Sie selbst ein »selbstfahrendes Auto« entwickeln würden, wie würde dieses dann aussehen? Wäre es eher ein digital unterstütztes Auto, welches einem »Kampfjet« nahe kommen würde, oder eher ein »rollendes Wohnzimmer« in welchem Komfort, Entspannung und Spaß im Vordergrund stehen würden?

Action oder Wellness?

»Cayla ist eine sprechende Puppe, die über Bluetooth mit einem Tablet verbunden wird und Fragen beantworten kann. Kinder, die damit aufwachsen, werden als Erwachsene Ähnliches von ihrem Auto erwarten.«

Mathias Haas, Trendbeobachter aus Stuttgart

Beispiel

FinTechs: Tsunami für die Banken?

»FinTechs sind eine Chance für den Finanz- und Technologiestandort Deutschland. Politik und Regulatoren sind aufgefordert, die Bedingungen für Gründung und Wachstum dieser Unternehmen weiter zu verbessern.« Das sagte nicht etwa der Gründer eines FinTechs, sondern Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Hat da jemand seine neue Konkurrenz umarmt? Nicht ganz. Der Bankenverband sieht die FinTechs nämlich nicht nur als Konkurrenz, sondern auch als Kooperationspartner, besonders die FinTechs, deren Geschäftsmodell in der technischen Unterstützung von Bankdienstleistungen liegt.

Das Wort FinTech setzt sich aus den Worten Finanzen und Technologie zusammen. Finanztechnologie steht für neuartige Lösungen von Anwendungssystemen, die eine Neu- oder Weiterentwicklung im Finanzdienstleistungsbereich darstellen. Weltweit machen mehr als 3 500 solche Start-ups den Geldhäusern Konkurrenz. 2016 betrugen die globalen Investitionen in FinTechs 24,7 Milliarden US-Dollar. Die FinTechs profitieren von Entwicklungen im Bereich Big Data und Cloud-Computing, sowie der rasanten Verbreitung von Smartphones, Laptops und Tablets in Verbindung mit nahezu ständigem Zugriff auf das Internet. So ist es auch jungen und kleinen Unternehmen möglich, etablierte Unternehmen zu attackieren oder eine Nische im Markt zu besetzen.

Kunden der FinTechs können zum Beispiel online über Anlagestrategien diskutieren, sich gegenseitig Geld leihen (Social Lending) oder Projekte finanzieren (Crowdfunding). Sie können Geld an E-Mail-Adressen oder Handy-Nummern verschicken – der Betrag wird dann dem Konto des Empfängers gut geschrieben, sofern er über ein Konto bei diesem Anbieter verfügt. Das Beratungsunternehmen Accenture schätzt, dass die neuen Wettbewerber den Banken bis 2020 weltweit mehr als 30 Prozent ihrer Erträge abjagen werden.

»Banking is necessary, banks are not.« – Bill Gates

Beispiel

Auch die Versicherungsbranche wird von den Newcomern nicht verschont bleiben. Kleine Start-ups wie Simplesurance übernehmen das, was den Großen der Branche zu klein ist: Sie versichern das neue iPhone ebenso wie die Designerbrille oder das teure Mountainbike. Firmengründer Robin Hein weiß, dass viele Verbraucher bereit sind, für den zusätzlichen Schutz des neuen iPhones 60 Euro im Jahr zu bezahlen. Das iPhone oder die Designerbrille ist mit Emotionalität verbunden, die Hausratversicherung in der Regel nicht. Auf diese Emotionalität und den schnellen Abschluss setzen die Start-ups. Versichert wird dann bei den Etablierten der Versicherungsbranche, doch das ist dem Konsumenten egal. Einige Start-ups wie Life aus Kelkheim wagen sich sogar an kompliziertere Produkte wie Lebensversicherungen. Durch die digitalen Vertriebsstrukturen sparen die neuen Wettbewerber enorme Kosten ein, die sie teilweise an ihre Kunden zurückgeben. Und dadurch, dass sie nicht selbst als Versicherer agieren, unterliegen sie auch nicht der Aufsicht.

Die 2015 gegründete Clark Germany GmbH hat insbesondere Studenten und junge Berufseinsteiger im Visier. Die App ermöglicht es den Kunden von zu Hause aus alle Versicherungsunterlagen einzusehen und zu analysieren. Dabei findet Clark jeweils das günstigste Produkt mit der gleichen Leistung und stellt diese übersichtlich dar. Die Verwaltung der Versicherungen verläuft völlig automatisiert per App. Gleichzeitig findet eine transparente und neutrale Beratung statt, die Experten stehen außerdem im Schadensfall direkt per Mail, Chat oder Telefon zur Verfügung. Der direkte Kontakt mit Maklern wird überflüssig, stattdessen kommt ein Robo Adviser, also ein Beratungsalgorithmus zum Einsatz. Dieser analysiert die Versicherungssituation eines Kunden und weist automatisch auf Verbesserungspotentiale hin.

Ein Robo Adviser ist auch beim Münchner Start-up Scalable Capital im Einsatz und ermöglicht eine automatisierte Geldanlage in Investmentfonds. Dabei erhalten die Anleger u. a. Zugang zu einem breiten Aktienportfolio ohne von den unterschiedlichsten Befangenheiten von Maklern beeinflusst zu werden. Seit Mitte 2017 beteiligt sich US-Finanzriese Blackrock mit 30 Millionen Euro an den Münchnern.

Digitalisierung erreicht den B2B-Bereich

Was im B2C-Bereich passiert, erreicht zunehmend den B2B-Bereich, denn letztlich überträgt der Mensch seine Anforderungen und Verhaltensweisen vom privaten ins berufliche Leben. Digitalisierung und E-Commerce beeinflussen also die Unternehmen im Dialog mit ihren Kunden gleichermaßen. Digitale Medien sind auch hier in mehr als 50 Prozent der Fälle, laut anderen Studien sogar in über 70 Prozent, für die Kaufvorbereitung relevant. Plötzlich werden die Mitarbeiter im Vertrieb mit Amazon Marketplace oder Ebay-Angeboten konfrontiert. Amazon bietet Unternehmen, die auf seinem Marketplace verkaufen, sogar an Lagerhaltung und Logistik zu übernehmen, um stets lieferfähig zu sein. Es ist also höchste Zeit, dass sich Firmen konkrete Gedanken über die Zukunftsfähigkeit ihres Geschäftsmodells machen. Denn es muss gar kein neuer Wettbewerber im eigentlichen Sinne auftauchen, um die alten Vertriebsstrukturen ins Wanken zu bringen. Unternehmen, die auf diese Entwicklung reagieren, haben Vorteile, auch wenn es sich meistens noch nicht um eine komplette digitale Strategie handelt.

Beispiel

So hat der Kabelhersteller Lapp, ein Familienunternehmen aus Stuttgart, bereits 2009 einen E-Shop eingerichtet. In seiner Branche war er damit Vorreiter. »Der E-Shop ist für Lapp eine wahre Erfolgsgeschichte. Über die letzten Jahre ist der Umsatz kontinuierlich gestiegen. Jeder fünfte Kunde bestellt mittlerweile über den E-Shop«, sagt Gerald Lawrenz, Geschäftsführer der U. I. Lapp GmbH. »Vor allem bei den Neukunden ist der Trend zur Online-Bestellung noch deutlicher erkennbar. Hier nutzen schon fast 50 Prozent das Tool.« Lawrenz ist überzeugt, dass der Gesamtanteil der Online-Bestellungen in den kommenden Jahren kontinuierlich weiter ansteigen wird.

Der Bauchemie-Anbieter Uzin Utz hat ebenfalls vor einigen Jahren mit der Planung einer mehrschichtigen Onlinestrategie begonnen und betreibt mittlerweile einige Onlineplattformen. »Zum einen haben wir für unsere Bestandskunden ein E-Commerce-System entwickelt, das sowohl die Kunden als auch unseren Vertrieb unterstützt. Zum anderen betreiben wir die Branchenplattform »BOP« (www.frag-bop.de)«, sagt Thomas Müllerschön, Mitglied im Vorstand des Familienunternehmens. »In Zusammenarbeit mit einem Netzwerk an Großhändlern bieten wir Handwerkern das Kernsortiment unserer Produkte an. Nach dem Start dieser Plattform im April 2014 kamen einige Branchenpartner und Bodenbelagshersteller mit Kooperationsanfragen auf uns zu. Diese positive Resonanz von anderen Unternehmen aus der Branche motiviert uns umso mehr. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.«

Der international tätige Beschläge-Hersteller Gretsch-Unitas nutzt die Digitalisierung unter anderem zur Information seiner B2B-Kunden. »Unsere Kunden verlangen heute aktuelle Informationen über den Stand ihrer Bestellung«, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Familienunternehmens Michael von Resch. »Um dies zu ermöglichen bieten wir den Kunden an, ihre Software über eine Plattform mit der unseren zu verbinden. Die Planung der Speditionen wird mittlerweile auch komplett online abgewickelt. Wir nutzen die Digitalisierung, um die Planungssicherheit zu erhöhen, Prozesse zu beschleunigen und zu vereinfachen. Die Qualität unserer Leistung lässt sich auf diese Weise verbessern.«

Digitalisierte Lieferkette

Kurzporträt: Kunde 4.0

Der Kunde 4.0 lässt sich nicht mehr kategorisieren. Max Mustermann hat ausgedient. Diesen praktischen Typ, verheiratet, zwei Kinder, mittleres Einkommen, gibt es schon lange nicht mehr, weder im B2C- noch im B2B-Bereich. Die Digitalisierung hat ihn komplett verschluckt. Es gibt nicht mehr den einen typischen Kunden, Einkäufer, Produktionsleiter oder Geschäftsführer.

Kunde 4.0

Gut informierte Kunden

Konsumenten sind mittlerweile wahre Recherchekünstler. Eine Google-Studie zeigt, dass 2010 vor einer Kaufentscheidung im Durchschnitt fünf Informationsquellen befragt wurden. Heute sind es bereits zehn. Besonders viel Aufwand wird vor dem Kauf von Autos, Elektronikgütern oder dem Abschluss von Finanzdienstleistungen betrieben. In diesen Fällen werden durchschnittlich 11 bis 18 Quellen befragt, bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird. Das zeigt, wie wichtig eine positive Reputation und eine gute Darstellung der angebotenen Leistungen im Internet ist.

Nicht die Märkte verändern sich, sondern der Kunde. Ähnlich wie es bei Industrie 4.0 von Massen-Standard-Produkten zu Losgröße Eins geht, erwartet der Kunde 4.0, dass er nicht mehr als Legion wahrgenommen wird, sondern als Individuum. Der Kunde 4.0 ist individuell, gut informiert, nicht unbedingt loyal und sehr anspruchsvoll. Er möchte das haben, was ihm den größten Nutzen bringt. Nur dafür ist er bereit, zu bezahlen.

Der Entscheidungsprozess des Kunden beim Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung hat sich durch die Digitalisierung fundamental verändert. Am Anfang steht heute die internetbasierte Recherche. Dem Kunden steht nicht nur die Unternehmenswebsite zur Verfügung, sondern er kann sich überall im Netz an beliebigen Stellen Informationen besorgen und zwar immer und überall. Er liest Bewertungen und Tests, informiert sich über die Erfahrungen anderer mit dem Verkäufer, dessen Service und vieles mehr. Aufgrund dieser Recherche entscheidet er, welche Anbieter er überhaupt kontaktieren wird. Google nennt das den »zero moment of truth – ZMOT«. Alle Anbieter, die der Kunde bei seiner Entscheidung links liegen lässt, wissen weder, dass sie durch den Rost gefallen sind, noch weshalb. Sie wissen nicht einmal, dass sie im Spiel waren. Sie haben keine Möglichkeit, die Kaufentscheidung des Kunden zu beeinflussen.

Kunde 4.0 ist auch nur ein Mensch

Trotzdem bedeutet die Digitalisierung nicht, dass der Kunde nur noch im Internet kauft, schon gar nicht im B2B-Bereich. Eine Anlage für mehrere Millionen Euro bestellt man nicht im Internet. Der Kunde hat sich aber durch die Digitalisierung verändert und ist verwöhnt. Er möchte alles sofort, eine möglichst große Auswahl, die größtmögliche Anpassung des Angebots auf seine individuellen Bedürfnisse, beste Preise und natürlich noch diverse Serviceleistungen. Ein umfassendes Multi- und Cross-Channel-Angebot können nicht alle Unternehmen in kurzer Zeit aufbauen, aber das ist auch nicht notwendig, solange die Kanäle bespielt werden, die dem Kunden wichtig und nützlich sind. Je besser Unternehmen also ihre Kunden kennen, desto passgenauere Angebote können sie entwickeln.

»Kunden denken in der Regel nicht in Kanälen, sie denken in Bedürfnissen. Der Kanal spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptsache, das Bedürfnis wird erfüllt.«

Folkert Schultz, Geschäftsführer Fressnapf Holding SE

Wer also seine Kunden nicht kennt, ihre Bedürfnisse nicht versteht und ihnen keinen Nutzen bietet, der hat verloren, offline und online. Doch letztlich entscheidet nach wie vor der Mensch. Ein Softwareprogramm kann zwar speichern, wer was kauft und dem Käufer beim nächsten Mal passgenaue Werbung in den Weg legen, doch ob der Käufer wiederkommt, liegt an den Menschen. Wer ein schadhaftes Produkt erwirbt oder Schwierigkeiten mit der Funktion hat, wird wiederkommen, wenn ihm schnell, freundlich und großzügig geholfen wird. Hat er eine halbe Stunde in der Warteschleife verbracht und sich vom Servicemitarbeiter schlecht behandelt gefühlt, wird er eine schlechte Bewertung schreiben, egal ob das Produkt am Ende funktioniert hat oder nicht. Von Produkten wird ein bestimmter Qualitätsstandard erwartet, Prozesse müssen reibungslos funktionieren, aber den kleinen Unterschied machen Emotionen und damit Menschen.

Untätigkeit wird bestraft

Vielleicht fragen Sie sich, was das Ganze soll. Weshalb sollten Sie etwas tun? Ihr Unternehmen ist erfolgreich, Sie haben tolle Mitarbeiter und Ihre Kunden sind zufrieden. Die Frage ist: Wird das auch nächstes Jahr, in fünf Jahren oder gar in zehn Jahren noch so sein? Und wenn Sie das nicht zweifelsfrei mit Ja beantworten können, sollten Sie sich Gedanken machen. Machen Sie sich bewusst, welche einst stolzen Unternehmen schon neuen Wettbewerbern weichen mussten. Beispiele gibt es genug und zwar nicht erst seit der Digitalisierung. Und immer war der Grund die Unfähigkeit zur Veränderung beziehungsweise die Missachtung von Kundenwünschen.

»Der Vater erstellt’s, der Sohn erhält’s, beim Enkel zerfällt’s.«

Lebenserwartung: 15 Jahre

Der amerikanische Ökonom John Hagel stellte fest, dass 1940 die Lebenserwartung von Unternehmen 75 Jahre betrug. Heute sind es verschiedenen Studien zufolge gerade einmal 10 bis 15 Jahre.

Fast die gesamte deutsche Motorradindustrie fiel den Japanern zum Opfer. Sie erkannten frühzeitig, dass das Motorrad für die Deutschen kein Nutzfahrzeug mehr war, sondern ein Freizeitgerät, das schön und schnell sein sollte. Einst stolze Unternehmen wie Agfa und Kodak verschliefen die Digitalfotografie. Bei der Traditionsmarke Grundig merkte man erst viel zu spät, dass Sony mit einem pfiffigen Design jüngere Käufer überzeugte. Auf das Argument »Made in Germany« setzten nur noch die Älteren. Wer erinnert sich noch an Nixdorf- oder Commodore-Computer?

Beispiel

Der Versandhändler Quelle hat die digitale Revolution verschlafen beziehungsweise nicht für sich zu nutzen gewusst. Dabei hatte das 1927 gegründete Familienunternehmen beste Voraussetzungen, dem neuen Konkurrenten Amazon Paroli zu bieten. Quelle verfügte nämlich über eine riesige Kundendatei und ein unglaubliches Wissen über seine Kunden. Das Unternehmen kannte nicht nur die Kleidergrößen seiner Kunden, sondern wusste über ihren Einrichtungsstil Bescheid und über die eigene Norisbank über ihre Finanzen, verfügte über Adressen und Geburtsdaten, kannte ihre Freunde und Nachbarn (Sammelbestellungen). Viele Kunden waren überzeugte Markenbotschafter. Quelle-Küchen und Privileg, die Marke für Quelle-Elektro- und Küchengeräte, verfügten ebenso wie der Service über einen hervorragenden Ruf.

Neben dem Katalog setzte Quelle als eines der ersten deutschen Versandhäuser auf das Internet. Vor der Auflösung des Unternehmens im Herbst 2009 gab es im Internet ein deutlich breiteres und tieferes Sortiment als im Katalog erhältlich. Auch über ihr Mobiltelefon konnten Kunden auf Quelle.de einkaufen und die Produkte direkt bestellen. Im Wettbewerb mit Newcomern wie Amazon oder Ebay schlug sich der Versandhändler anfangs gar nicht so schlecht. Laut einer »comScore«-Untersuchung von 2007 lag Quelle im Internethandel in Deutschland auf dem dritten Platz hinter Otto-Versand und Amazon.

Doch das half nichts, denn bei den deutschen Versandhändlern hatte man nicht verstanden, dass ihre Geschäftsmodelle nicht mehr funktionierten. Amazon war nämlich kein klassischer Versandhändler, sondern nahm einfach die Angebote anderer Händler in sein Angebot auf. Amazon war (und ist) nur Vermittler gegen Provision, während die deutschen Versender gigantische Lagerhäuser unterhielten und damit so viel Kapital gebunden war, dass sie nichts mehr für Investitionen übrig hatten. Zudem drängte mit Amazon eine Vielzahl anderer Anbieter ins Netz. Plötzlich konnte sich jeder direkt an Millionen Kunden wenden und die Kunden konnten sekundenschnell Preise vergleichen. Quelle war nicht mehr einer von wenigen Anbietern und schon gar nicht der mit dem besten Nutzen-Preis-Verhältnis.

Vorteile der digitalen Plattform

Wenn ein Unternehmen aus dem Markt ausscheidet, ist oft von Missmanagement oder Unterkapitalisierung die Rede. Manchmal mochte sich auch ein störrischer Firmengründer nicht überzeugen lassen, aber letztlich geht es doch immer darum, dass Veränderungen nicht rechtzeitig eingeleitet wurden – aus welchen Gründen auch immer. Neue Kundenwünsche oder Trends wurden nicht erkannt oder ignoriert und man versuchte, mit Produkten oder Geschäftsmodellen, wie zum Beispiel Schlecker oder Karstadt, erfolgreich zu sein, die keiner mehr haben wollte.

Warum etablierte Unternehmen handeln müssen

Manche Unternehmen haben bisher nicht verstanden, dass die Digitalisierung kein vorübergehender Hype ist. Sie nehmen den neuen Trend nicht ernst genug, um ihn auf die Top-Agenda zu setzen.

Zeit für »Digitalisierung«

Die Ergebnisse der Cisco-Studie »Digitaler Wirbelsturm – wie digitale Disruption Industrien neu definiert« (2015) macht den Ernst der Lage klar: Die für die Studie Befragten glauben, dass vier von zehn etablierten Playern in den nächsten fünf Jahren durch technische Entwicklungen verdrängt werden.

Die Studie bringt weitere Erkenntnisse, die beweisen, dass die Digitalisierung von vielen Unternehmen nicht ernst genug genommen wird:

In 45 Prozent der Unternehmen wird das Thema Digitalisierung auf Vorstandsebene nicht beachtet. Nur 21 Prozent der fast 950 untersuchten Unternehmen aus 13 Ländern haben einen Verantwortlichen, der die digitalen Themen bei sich bündelt.

Die Gefahren der Digitalisierung für das eigene Geschäft werden in 44 Prozent der Firmen nicht gesehen oder nicht ausreichend adressiert.

Ein Drittel wartet ab und beobachtet die Konkurrenz in der Hoffnung, erfolgreiche Wettbewerber nachahmen zu können.

Nur ein Viertel der Unternehmen beschreibt das eigene Vorgehen als proaktiv: Sie sind dazu bereit, bei sich selbst anzusetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Ergebnisse dieser internationalen Studie können durchaus auf die Situation in Deutschland übertragen werden. Die Personalberatung Heidrick & Struggles hat die 80 in DAX und MDAX gelisteten Unternehmen danach gefragt, wie sie ihren digitalen Wandel intern steuern und wer dafür verantwortlich ist.

Nur 21 Prozent der befragten Firmen haben einen Verantwortlichen bestimmt, bei dem digitale Themen gebündelt werden.

Lediglich 5 Prozent haben eine Stelle mit dem Titel CDO (Chief Digital Officer) geschaffen und besetzt.

In DAX-Unternehmen ist der Trend zur Bündelung der digitalen Entscheidungen stärker als im MDAX (30 Prozent gegenüber 14 Prozent).

Superheld »digitale Kompetenz«

In mittelständischen Unternehmen fehlt es oft sowohl in der Geschäftsführung als auch in der Belegschaft an ausreichender IT-Kompetenz. Besonders wenn in der Geschäftsführung niemand mit digitaler Kompetenz zur Verfügung steht, sieht es mit der künftigen Wettbewerbsfähigkeit schlecht aus. Die Überprüfung und Erneuerung eines Geschäftsmodells ist eine strategische Frage, die auf der Geschäftsführungsebene angestoßen und entschieden werden muss. Darüber hinaus ist die Digitalisierung ein Veränderungsthema und Veränderungsthemen müssen immer auf Geschäftsführungsebene angesiedelt sein. Führungskräfte von morgen müssen zwei Dinge verstehen: wie die digitale Welt funktioniert und wie man ein Unternehmen vom Heute in die Zukunft führt. Ein starkes zukunftsfähiges Unternehmen bündelt die vorhanden Kompetenzen (CEO, CFO, COO, etc.) mit den dringend notwendigen Kompetenzen (CDO, CTO, etc.) innerhalb eines »cross-funktionalen-Teams« auf höchster Führungsebene.

Der digitale Wandel, den Unternehmen gestalten müssen, um ihre Zukunft zu sichern, ist ein sehr großes Veränderungsthema. Darüber sollte sich niemand Illusionen machen. Sie erfasst alle Bereiche des Unternehmens, nicht nur die IT. Es ist davon auszugehen, dass viele einfachere Tätigkeiten wegfallen und die Mitarbeiter sich neue Kenntnisse aneignen müssen oder auch neue Fachkräfte nötig sind. Menschen können zwar den größten Unterschied machen, wenn es darum geht, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, aber sie müssen wollen, dürfen und können. Letztlich werden sich mit der digitalen Transformation die gesamte Organisation sowie die Unternehmenskultur verändern (müssen).

Als digitalen Wandel bezeichnet man im Zusammenhang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Neuausrichtung von oder die Neuinvestition in Technologien und neue digitale Geschäftsmodelle. Zweck der digitalen Transformation ist es, an jedem einzelnen Kontaktpunkt des »customer experience lifecycle« entlang der Wertschöpfungskette effizienter mit Kunden zu interagieren.

Digitale Reichweite

Schneller, offener, kreativer, agiler

So könnte man grob die Richtung angeben, in der die Veränderungen erfolgen müssen – ein Weg, den möglicherweise sowohl auf Führungs- als auch auf Mitarbeiterebene nicht alle mitgehen können oder wollen. Der verunsicherte Mitarbeiter braucht mehr als die Aussicht auf Weiterbildung. Er braucht emotionale Sicherheit, das Vertrauen des Vorgesetzten in ihn und seine Fähigkeiten, ganz besonders, wenn er unsicher ist. Und er muss sowohl die Notwendigkeit der Veränderung erkennen als auch die Richtung, in die er sich verändern muss. Das geht nur durch eine offene Kommunikation. Manche Geschäftsmodell-Innovationen bringen es mit sich, dass Unternehmensteile veräußert und eventuell Mitarbeiter entlassen werden. Wenn monatelang Gerüchte kursieren, ist das weder eine vertrauensbildende Maßnahme noch stimmt es die Belegschaft positiv. Eine offene, regelmäßige und ehrliche Kommunikation ist in solchen Fällen unabdingbar.

Neugier, Kreativität und Agilität werden künftig die Eigenschaften sein, die zählen. Die bisherige Arbeitsweise, bei der ein Projekt von A bis Z geplant, detailliert kalkuliert, abgesegnet und dann umgesetzt wurde, taugt nicht für das Zeitalter der Digitalisierung. Man muss damit umgehen können, dass bei Produkten nicht von Anfang an der komplette Funktionsumfang angeboten wird, dass man immer wieder daran arbeitet, auch zusammen mit Kunden und anderen Partnern, dass sich eventuell herausstellt, dass es doch nichts wird. Deshalb werden zunehmend kleinere Teams unter Verwendung neuer Arbeitsmethoden (z. B. »Rapid Prototyping«, »MVP«, etc.) zusammenarbeiten.

Letztlich geht es darum, neue Umsatzquellen zu erschließen, Kundenbedürfnisse noch besser zu befriedigen und Prozesse durch Digitalisierung zu optimieren. Entscheidend dabei ist, mit neuen Ideen schnell am Markt zu sein und das Feedback der Kunden in den Entwicklungsprozess einfließen zu lassen. Etablierte Unternehmen, besonders die technikverliebten Industrieunternehmen, stecken teilweise riesige Summen in die Entwicklung von neuen Produkten oder Dienstleistungen, nur um am Ende festzustellen, dass der Markt kein Interesse daran hat. Start-ups gehen den umgekehrten Weg. Sie bringen in kürzester Zeit einen kostengünstigen Prototyp mit den wichtigsten Kernfunktionen auf den Markt. Das Feedback ihrer Kunden ermöglicht ihnen, das Produkt zu verbessern und den Nutzen für ihre Kunden zu erhöhen.

Kreative Arbeitsweise