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Möchten Familienunternehmen erfolgreich bleiben, müssen sie ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen. Kundenfokussierung, Digital- und Datenkompetenz in allen Unternehmensbereichen werden unerlässlich. Ausgerichtet auf die speziell in Familienunternehmen herrschende Wertekultur, stellt dieses Buch einen gangbaren und praktischen Weg zu digitalen und/oder disruptiven Geschäftsmodellen vor. Es beleuchtet die notwendigen Elemente in der Strategie und der Organisationsstruktur und geht auch auf den Aufbau von Digitaleinheiten, die Gründung von Start-ups sowie mögliche Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle ein. Spannende Interviews und Schaubilder helfen, den eigenen Weg in die digitale Zukunft zu finden. Das Buch macht Mut, gewohnte Denkstrukturen zu verlassen und neue Wege zu gehen. Mit dem Vier-Phasen-Modell zum Erfolg: - Phase I: Umweltanalyse als Grundlage künftigen Erfolgs - Phase II: Disruptive Ideengenerierung - Phase III: Disruptive Geschäftsmodell-Entwicklung - Phase IV: Geschäftsmodell-Implementierung
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Seitenzahl: 300
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ISBN 978-3-648-15922-4
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ISBN 978-3-648-15927-9
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Arnold Weissman/Pascal Barreuther
Familienunternehmen der Zukunft
1. Auflage, Mai 2022
© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
haufe.de
Bildnachweis (Cover): © denisismagilov, Adobe Stock
Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer
Lektorat: Ursua Thum, Text+Design Jutta Cram, Augsburg
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Liebe Leserinnen und Leser,
ich habe Fressnapf 1990 gegründet. 30 Jahre später konnten wir das beste Jahr der Firmengeschichte feiern. Und genau auf dem Höhepunkt unseres Erfolgs haben wir damit begonnen, unser Unternehmen von Grund auf zu erneuern, ein ganz neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Wir transformieren unser Unternehmen vom Händler für Tiernahrung und Zubehör zu einem digitalen, technologieaffinen, datengesteuerten Ökosystem mit dem Motto »Happier pets – happier people«. Wir bauen ein komplettes Ökosystem rund ums Tier, einen Marktplatz für unsere Kunden, der nicht nur unsere Produkte anbietet, sondern auch Content, Beratung, Services und Dienstleistungen von Dritten. Wir erfinden Fressnapf noch einmal komplett neu – vom Versorger zum Umsorger.
Wir sind dankbar für das, was wir erreicht haben, aber wir wissen auch, dass wir nicht stehen bleiben dürfen, jeden Tag dazulernen müssen. Erfolg kommt nicht von selbst. Wir müssen den Mut haben, Dinge zu verändern, auch wenn sie heute gut laufen. Celebrating the past, pioneering the future!
Dieses Buch bietet Ihnen ein praktisches Modell mit wertvollen und elementaren Anregungen für die Entwicklung und Umsetzung neuer, innovativer Geschäftsmodelle sowie wertvolle Transformationserfahrungen aus Familienunternehmen. Spannende Interviews mit den Inhabern und Geschäftsführern von Familienunternehmen verschiedener Größe geben tiefe Einblicke in die unterschiedlichen Wege, die sie mit ihren Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gehen. Ich freue mich ganz besonders, dass auch Fressnapf eines dieser Unternehmen ist.
Das Buch macht Mut, Dinge auszuprobieren, Fehler zuzulassen und den eigenen Weg zu finden. Es wird nicht verschwiegen, dass die digitale Transformation Investitionen erfordert und ein neues Geschäftsmodell Fehlschläge mit sich bringen wird oder nach der Umsetzung kontinuierlich weiterentwickelt werden muss. Der Schlüssel einer erfolgreichen digitalen Transformation sind jedoch die Menschen, ihre Veränderungsbereitschaft und ihr Engagement. Wenn es Ihnen und Ihrem Führungsteam gelingt, im Unternehmen Begeisterung und Aufbruchstimmung zu entfachen sowie Sinn/Purpose zu vermitteln, werden Sie gewinnen und zukünftig erfolgreich sein.
[10]Aus meiner Erfahrung heraus empfehle ich Ihnen: Seien Sie mutig, anders, neugierig und offen, wagen Sie Neues, denn Stillstand ist Rückschritt.
Torsten Toeller, Gründer und Inhaber der Fressnapf Holding SE
Liebe Leserinnen und Leser,
als mich die Autoren dieses Buches fragten, ob ich zu ihrem neuen Werk ein Vorwort verfassen könnte, habe ich mich sehr darüber gefreut. Denn die Frage, warum sich ein deutsches Familienunternehmen mit Digitalisierung beschäftigen sollte, bekomme selbstverständlich auch ich häufig gestellt – wie ich persönlich finde, immer noch zu häufig. Der Grund, warum das so ist, liegt vielleicht darin, dass die »Tradition«, für die Familienunternehmen in Deutschland stehen, in der heutigen Zeit in der öffentlichen Diskussion oftmals als »verstaubt« oder »überdauert«, innerhalb mancher Unternehmen aber auch als »unantastbar« angesehen wird. Doch dem ist nicht so.
In einem Unternehmen, das seit fast hundert Jahren existiert, hatte jede Generation der Unternehmerfamilie zu ihrer Zeit ihre eigenen großen Herausforderungen, mit denen sie umgehen musste. Für die heutige Generation ist dies, neben anderen großen Themen wie dem Klimawandel, die zunehmende Digitalisierung. Für die nun heranwachsenden Generationen ist sie schon keine Herausforderung mehr, sondern eine vollkommene Selbstverständlichkeit. Wenn man nun bedenkt, dass der Begriff »Generation« dabei nicht nur die Nutzer unserer Produkte und unsere Geschäftskunden und -partner umfasst, sondern auch unsere Mitarbeiter und Führungskräfte, stellt sich die Frage nach dem Warum nicht mehr, sondern nur noch nach dem Wie. Digitalisierung ist normal und so müssen wir sie auch annehmen. Selbst wenn wir als Unternehmensführer von heute nicht damit groß geworden sind, müssen wir das Unternehmen an die kommende Generation so übergeben, dass sie in diesem »neuen Normal« selbstverständlich agieren und weiterhin erfolgreich sein kann.
Die Erfolge der Vergangenheit und die vorhandenen Assets im Unternehmen sind dabei keine »Hypothek«, sondern das starke und notwendige Fundament für die erfolgreiche Weiterentwicklung. Sie bilden, gemeinsam mit den moralischen und ethischen Werten, die Ausgangsbasis, um sich neue Methoden anzueignen, neue Geschäftsfelder zu erkunden, sich in neue Netzwerke einzubringen und damit das nächste erfolgreiche Kapitel im großen Buch eines Familienunternehmens zu schreiben.
[12]In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude bei der Lektüre dieses Buches und viel Erfolg bei der Gestaltung Ihres ganz persönlichen Weges in unsere Welt von morgen.
Michael Winter, geschäftsführender Gesellschafter uvex group
Liebe Leserinnen und Leser,
Familienunternehmen stehen in einem harten globalen Wettbewerb mit sich ständig und rasant verändernden Märkten. Ökonomien und die darin operierenden Familienunternehmen sehen sich einem kontinuierlichen Evolutions- bzw. Mutationsprozess gegenüber. Durch die Digitalisierung konkurrieren sie mit bereits bekannten und neuen Wettbewerbern, die in ihre Wertschöpfungsketten eindringen und ganze Branchen auf den Kopf stellen. Zudem hinterlassen Bankenkrisen, Pandemien, Lieferkettenprobleme der Globalisierung, der Green Deal etc. einen nachhaltigen Impact. Geschäftsmodelle, die jahrzehntelang funktioniert haben, geraten ins Abseits. Es gilt, neue Chancen rasch zu erkennen und zu ergreifen.
Die vertraute Welt gibt es nicht mehr. Technologie-, Kapital- und Innovationszyklen werden immer kürzer. Die Märkte sind transparenter, disruptiver und wettbewerbsintensiver geworden. Langjährige Trends, die den Führungskräften das Leben so angenehm gemacht haben, sind zerbrochen. Gleichzeitig eröffnet sich eine neue Welt an Möglichkeiten, Chancen und Risiken. Wir leben in spannenden, aber herausfordernden Zeiten. Deshalb brauchen wir neue Konzepte, Denkweisen, Ansätze und Instrumente, um in Zeiten starker Unsicherheiten richtige Entwicklungen einzuleiten.
In der Digitalisierung gibt es nur die Ziffern 1 und 0. Was heute noch eine 1 ist, kann schon morgen eine 0 sein.
Wenn Familienunternehmen weiterhin ganz oben mitspielen oder die Marktführerschaft behalten möchten, müssen sie ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und neue Wege gehen. Kundenfokussierung, digitale und Datenkompetenz in allen Unternehmensbereichen werden unerlässlich. Die neuen Geschäftsmodelle sind nicht mehr produkt-, sondern kunden-, technologie- und datengetrieben. Physische Waren und Dienstleistungen werden dem Kunden nicht mehr direkt angeboten. Vielmehr rücken die Services, die ergänzend zu den Waren angeboten werden, in den Fokus. Für Familienunternehmen ist es aber entscheidend, Technik, Vermarktung und politische Rahmenbedingungen sowie die Lösung für das wirkliche Kundenproblem in einem Geschäftsmodell zusammenzuführen.
[14]Hinterfragen Sie jetzt Strategie und Geschäftsmodell im Hinblick auf die veränderten Rahmenbedingungen sowie die möglichen Chancen mit disruptivem Charakter. Verlassen Sie Ihre gewohnten Denkstrukturen und Ihre Komfortzone, öffnen Sie sich und Ihr Unternehmen gegenüber neuen Ideen, Arbeitsweisen und -methoden, schauen Sie über den Tellerrand hinaus, gehen Sie unbekannte Pfade und erschließen Sie sich neue Welten. Probieren Sie Dinge aus, seien Sie mutig. Nicht alles wird oder muss unmittelbar erfolgreich sein, aber alles ist Teil einer wertvollen Lernkurve. Eventuell müssen Sie kurzfristig mit einem negativen Ergebnis rechnen. Aber nichts zu tun bringt Sie auf keinen Fall weiter. Es ist, wie es ist, aber es wird, was Sie als Unternehmer daraus machen.
Neue innovative bzw. disruptive Geschäftsmodelle zu entwickeln ist nicht so schwierig, wie manche denken. In diesem Buch stellen wir Ihnen einen gangbaren und praktischen Weg zu digitalen und/oder disruptiven Geschäftsmodellen vor, ausgelegt auf die besonderen Belange von Familienunternehmen. Dabei schenken wir der speziellen, in Familienunternehmen herrschenden Wertekultur besondere Beachtung.
Wirkliche Veränderung wird nur aus einer veränderten Haltung heraus möglich sein. Das heißt, Sie müssen bei sich selbst anfangen. Seien Sie mutig und tun Sie, was nötig ist, um auch in der digitalen Welt und der künftigen Wirtschaftsordnung zu den Marktführern zu gehören oder diese anzugreifen.
Go disruptive!
Arnold Weissman und Pascal Barreuther
»Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.«
Gustav Heinemann
Unternehmen müssen sich nicht erst seit heute neu erfinden. Veränderung gab es schon immer. Der Titel eines der ältesten Bücher der Welt, des chinesischen Weisheits- und Orakelbuches, »I Ging« bedeutet so viel wie »Das Buch der Wandlungen«. Und Heraklit formuliert in seiner dynamischen Philosophie: »Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.« »Panta rhei«, alles fließt, alles ist in Bewegung. Die Veränderung hat die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt.
Doch im Unterschied zu früher hat die rasant fortschreitende Digitalisierung den Wandel enorm beschleunigt. Veränderung findet nicht mehr evolutionär im Verlauf vieler Jahrzehnte statt, sondern exponentiell, in kürzester Zeit. Es dauerte beispielsweise 35 Jahre, bis ein Viertel der Bevölkerung das Telefon nutzte, beim Smartphone dauerte es keine drei Jahre. 2007 kam das erste Smartphone auf den Markt. Heute werden laut Statista in Deutschland jedes Jahr rund 22 Millionen Smartphones verkauft, weltweit waren es 2020 1,28 Milliarden Stück, zehn Jahre zuvor gerade einmal 304 Millionen. Smartphones sowie das zugehörige Ökosystem machen unter anderem MP3-Player, Taschenrechner, gedruckte Fahrpläne, Taschenlampen, Digitalkameras und Navigationssysteme überflüssig, indem sie alle Funktionen in einem mobilen Gerät zusammenführen. Wir lesen mit Smartphones Zeitung, unterhalten uns mit Videospielen, checken das Wetter, machen Reservierungen, suchen nach Restaurants und Sehenswürdigkeiten, kommunizieren von unterwegs mit Freunden und Geschäftspartnern per Videochat, erledigen Bankgeschäfte und vieles mehr. Das Ende der Möglichkeiten ist längst nicht erreicht. Es spricht viel dafür, dass Technologien wie die Blockchain, die Entwicklung künstlicher Intelligenz, virtuelle Lebenswelten (Meta) sowie die Robotik ähnliche Auswirkungen in der Zukunft haben werden.
Als Amazon 1994 als Onlineshop für Bücher gegründet wurde, rechnete kaum jemand mit einem schnellen Erfolg. Zwei Jahre später erzielte das Unternehmen aber einen Umsatz von 15,7 Millionen US-Dollar. 1997 waren es bereits 147,8 Millionen Dollar, 2020 386 Milliarden US-Dollar. In den gerade einmal 27 Jahren seit seiner [16]Gründung wurde Amazon zu der Bedrohung des Einzelhandels schlechthin und greift mit seinem Bezahlsystem auch Banken und PayPal an.
Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms, Microsoft und Tesla – alle mit digitalen Geschäftsmodellen – zählen zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt. Apple, 1976 gegründet, wurde Anfang Januar 2022 zum ersten Unternehmen in der Geschichte mit einer Marktkapitalisierung von mehr als drei Billionen Euro. Zum Vergleich: SAP, das deutsche Unternehmen mit der derzeit höchsten Marktkapitalisierung, bringt es auf gerade einmal 149 Milliarden Euro (Stand Dezember 2021) und liegt auf Platz 78 der weltweiten Rangliste – bezeichnend, dass das wertvollste deutsche Unternehmen sein Geld mit Software verdient.
Die jüngsten Nachrichten aus dem Silicon Valley zeigen, dass die amerikanischen Unternehmen schon zum nächsten Angriff blasen. Während wir in Europa über die Nutzung von Atomenergie diskutieren, erschaffen die Amerikaner neue Welten, im Wortsinn. Das Internet funktionierte bisher als eine große Tauschbörse für Texte, Fotos und Videos. Geht es nach dem Willen von Mark Zuckerberg & Co. wird der Nutzer des Internets zum Mitbewohner einer neuen Welt. Zuckerberg sagt: »Du schaust nicht mehr auf das Internet. Du bist drin. Du wirst Teil dieser Erfahrung. Das neue Metaverse ist das Präsenzgefühl.«
Und er ist nicht der Einzige, der an dieser neuen Welt arbeitet. Nvidia aus Kalifornien zum Beispiel arbeitet an seiner eigenen Welt »Omniversum«. Apple, Intel, Nike und andere investieren ebenfalls kräftig. Jeder will beim neuen Hype dabei sein. Es wird geschätzt, dass Firmen mit ihren Metaversum-Angeboten bis in vier Jahren etwa 80 Milliarden US-Dollar umsetzen werden.
Worum geht es? Menschen sollen sich als Avatare in der virtuellen Welt bewegen. In der Gaming-Szene kann man bereits sehen, was möglich ist. Dort können die Spielerinnen und Spieler spezielle Ausrüstung für ihren Avatar kaufen, zum Beispiel einen Rucksack, mit dem man fliegen kann. Aber es geht nicht nur um Gaming. Im Gegenteil, denn es wird möglich sein, digitale Zwillinge von ganzen Fabriken, Maschinen und Menschen zu erstellen. Die Ingenieure könnten neue Maschinen im digitalen Raum in Betrieb nehmen. Fehler fallen dort auf und müssen nicht mühsam behoben werden, wenn die Produktion laufen soll. Dazu gibt es bereits ein gemeinsames Projekt von Nvidia und BMW, das man sich auf YouTube anschauen kann unter dem Titel »NVIDIA Omniverse – Designing, Optimizing and Operating the Factory of the Future«. Schauen [17]Sie sich das Video an. Dann werden Sie sehen, dass wir in Deutschland, in Europa nicht nur ein bisschen hinterherhinken, sondern irgendwo staunend auf den hinteren Rängen sitzen. Wenn wir das Konzept weiterspinnen, werden die Implikationen für die Arbeitswelt, für die Lernwelt und für den privaten Bereich offensichtlich.
Die amerikanischen Unternehmen haben mit ihren innovativen, häufig rein digitalen Geschäftsmodellen ganze Branchen auf den Kopf gestellt. Dabei wurden bekannte und etablierte Unternehmen disruptiert und in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Aber es muss nicht immer nur Amerika, Asien oder auch Israel sein. Thermondo bedrängt die Heizungsbranche, Flixbus – heute Flix – hat renommierte Anbieter aus dem Markt gedrängt und übernommen, FinTechs bedrohen die Geschäfte der Banken und Thomann hat den Handel mit Musikgeräten revolutioniert. Spotify hat die Musikbranche in die Knie gezwungen, denn der Kunde kauft Musik nicht mehr, sondern streamt. Dabei sind digitale Technologien die Enabler, der Markt bzw. der Kunde begeistert sich für den Nutzen und die Lösungen, die aufgrund dieser Technologien angeboten werden können. Amazon & Co. haben verstanden, dass sie sich auf den Kunden fokussieren müssen. Sie lösen die Probleme ihrer Kunden, erfüllen deren Wünsche, auch wenn diese vielleicht noch nicht einmal selbst wissen, dass sie diesen oder jenen Wunsch haben. Oder wussten Sie im Jahr 2007, dass Ihnen ein Smartphone fehlte, das Ihren Alltag einmal elementar beeinflussen würde? Wenn das Metaversum Wirklichkeit wird, können Sie bei Amazon, Zalando oder wo auch immer mit dem eigenen Avatar einen Anzug, ein Kleid oder Schuhe anprobieren, ohne dass Sie sich selbst aus- und umziehen oder bücken müssen – und das 24/7. Wo, glauben Sie, werden die Kunden künftig am liebsten einkaufen, zumal Sie im Metaverse nicht nur einen Laden mit einigen Quadratmetern zur Verfügung haben werden, sondern einen Giga-Shop?
»Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde.«
Henry Ford
Digitale Transformation
Als »digitale Transformation« bezeichnet man im Zusammenhang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Neuausrichtung von oder die Neuinvestition in digitale Geschäftsmodelle sowie Systeme und Prozesse entlang der Wertschöpfungskette im Unternehmen. Ziel ist es, in jedem einzelnen Kontaktpunkt des »customer experience lifecycle« effizienter mit Kunden und Partnern interagieren zu können.
[18]Handeln statt diskutieren
Anfangs betrachteten wir die neuen Unternehmen mit ihren digitalen Geschäftsmodellen erstaunt und ungläubig. Es dauerte einige Zeit, bis die traditionellen Unternehmen begriffen, dass diese neuen Wettbewerber für jeden von ihnen eine ernst zu nehmende Bedrohung werden könnten. Seit rund fünf Jahren sprechen wir jetzt über die digitale Transformation, die unsere Unternehmen in die Lage versetzen soll, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, kundenfokussiert zu handeln und sich mit digitalen Geschäftsmodellen zukunftsweisend aufzustellen. Und doch ist die digitale Transformation in den meisten Unternehmen ausgeblieben. Warum? Viele Führungskräfte, Unternehmerinnen und Unternehmer haben nicht verstanden, worum es wirklich geht. Sie haben den Ernst der Lage nicht erkannt, geben sich mit ein bisschen digitaler Kosmetik zufrieden. Doch ein digitales Projekt hier und da, ein bisschen Agilität, ein E-Shop, die Präsenz in den sozialen Medien sind keine digitale Transformation. Eine Transformation ist etwas, aus dem etwas radikal Neues entsteht, vergleichbar mit einer Raupe, aus der ein Schmetterling wird. Doch viele Unternehmen modernisieren nur, häuten sich und bleiben unter der neuen Haut dieselben.
Die Angst vor dem Risiko
Die Zögerlichkeit gegenüber Disruption und digitaler Transformation in vielen Familienunternehmen ist nicht verwunderlich, wenn man sich den Umgang von Familienunternehmen mit Risiken anschaut. »Anders als bei börsennotierten Großkonzernen geht es um das eigene Geld. Damit wird vorsichtig umgegangen«, erklärt Prof. Dr. Nadine Kammerlander, Wirtschaftswissenschaftlerin, Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen und Co-Direktorin des Instituts für Familienunternehmen und Mittelstand an der WHU-Otto Beisheim School of Management in Vallendar. »Familienunternehmen haben einen ganz anderen Zugang zum Risiko. Es geht um die Frage des maximalen Verlustes, um die Frage, was passiert, wenn alles in die Hose geht. Dabei ist es egal, ob der maximale Verlust mit 0,1-prozentiger oder zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit eintritt. Wenn die Möglichkeit des Maximum Loss besteht, in welchem Falle das Unternehmen komplett insolvent ist, alle Mitarbeitenden ihre Jobs verlieren und die Familie einen immensen Reputationsschaden erleidet, wird die Unternehmerin, der Unternehmer dieses Risiko nicht eingehen – egal wie gering die Möglichkeit ist. Dieses Risikoverhalten bestimmt auch den Umgang von Familienunternehmen mit Digitalisierung und Disruption«, betont die Wissenschaftlerin. »Die Familie muss sich überlegen, was passiert, wenn die digitale Transformation nicht funktioniert, wenn sich doch andere Technologien durchsetzen oder wenn es [19]kein Marktinteresse mehr gibt. Gerade digitale Geschäftsmodelle haben anfangs oft keine positiven Zahlen bzw. Ergebnisse. Die Unternehmer müssen sich das gut überlegen, durchrechnen und das Risiko minimieren. Minimieren können sie dieses nicht mit klassischen Methoden, sondern mit adaptivem Projektmanagement, indem sie wirklich agil arbeiten, viele Iterationen haben, häufig Anpassungen vornehmen und die entsprechenden agilen Projektmanagementstrukturen laufen lassen – anders als beim klassischen Projektmanagement«.1 Armin Renz, Geschäftsführer der Erwin Renz Metallwarenfabrik, gibt zu bedenken: »Bei Innovationen gibt es immer ein Risiko. Auch unsere Investitionen waren höher als anfangs gedacht. Aber wir denken langfristig und sind überzeugt, dass unsere Zukunft von dem digitalen Produkt abhängt. Insofern haben wir gar keine andere Wahl, als ins Risiko zu gehen.«
Disruption
Eine Disruption ist eine umwälzende Neuerung, gegen die bestehende Geschäftsmodelle oder/und Technologien keine Chance mehr am Markt haben. Disruptive Geschäftsmodelle stellen ganze Branchen auf den Kopf und verdrängen etablierte, erfolgreiche Unternehmen fast vollständig vom Markt. Laut Clayton M. Christensen finden disruptive Innovationen meistens in neuen Märkten und/oder am unteren Ende des vorherrschenden Marktes statt. Während die Etablierten noch auf ihre traditionellen Geschäftsmodelle und Produkte setzen, entgeht ihnen, dass eine Technologie ausgereizt ist und der hohe Weiterentwicklungsaufwand kaum noch einen Mehrwert für den Kunden bietet, weil dessen eigentliches Problem nicht beseitigt wird.
Disruptive Innovation wird oftmals von Neueinsteigern getrieben. Sie starten häufig bei Nischenkunden oder in Nischenmärkten mit einem einfacheren und meist günstigeren Angebot. Anschließend entwickeln die Neueinsteiger das Angebot kontinuierlich weiter und ziehen somit nach und nach Kunden von den etablierten Unternehmen ab. Eine Idee kann auch anfangs einen disruptiven Charakter haben, stellt aber am Ende vielleicht gar keine Disruption dar. Im Laufe der Zeit können neue [20]Erkenntnisse und Gegebenheiten aufkommen, in deren Folge sich der disruptive Charakter einer Idee abschwächen oder sogar verschwinden kann.
Ein Beispiel für eine Disruption, die wir miterlebt haben, ist der Sprung von der klassischen Fotografie zur Digitalfotografie. Eine völlig neue Technologie führte dazu, dass eine ganze Branche in die Notaufnahme musste. Kodak erzielte 1991 einen Umsatz von 19,4 Milliarden US-Dollar und war im Aktienindex S&P 500 gelistet. Nachdem die Digitalfotografie Anfang der 1990er-Jahre massentauglich geworden war und Kodak nicht mithalten konnte, lag der Wert der Aktie am 7. Dezember 2011 unter einem Dollar. Am 19. Januar 2012 stellte das Unternehmen einen Insolvenzantrag. Die Entwicklung war umso tragischer, als Steven Sasson, der bei Kodak arbeitete, bereits 1975 die erste Digitalkamera entwickelt hatte. Das Kodak-Management wollte davon jedoch nichts wissen.
Werden also grundlegende Marktveränderungen von den Marktführern nicht erkannt, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen die Befriedigung der neuen Markt- und Kundenbedürfnisse versäumen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren geht. Sie erlauben so den disruptiven Geschäftsmodellinnovationen der neuen Wettbewerber – und auch der bekannten –, das etablierte und dominierende Geschäftsmodell am Markt anzugreifen. Dadurch nehmen sie sich selbst die Chance, der Angreifer oder Vorreiter zu sein. Versäumt es der Marktführer, sich kritisch zu hinterfragen und ist nicht in der Lage, mit einem disruptiven Geschäftsmodell vorwegzugehen, wird er durch einen (neuen) Wettbewerber angegriffen und/oder vom Markt verdrängt. Die Auswirkungen der Disruption treten für die Unternehmen meistens schnell, radikal und irreversibel auf. Ein rasanter Absturz des Marktführers ist unaufhaltsam.
Auch Familienunternehmen sind der Gefahr der Disruption ausgesetzt. Denn große und mittelständische Familienunternehmen gleichermaßen treffen strategische Entscheidungen, die sowohl richtig als auch falsch sein können. Allerdings haben Fehlentscheidungen bei Familienunternehmen häufig wesentlich gravierendere Auswirkungen als bei Großkonzernen, die möglicherweise über ihren Zugang zum Kapitalmarkt bessere Möglichkeiten haben, Fehler zu korrigieren. Manchmal sind die Konzerne auch so groß, dass ihr Scheitern nach dem Motto »too big to fail« als systemrelevant eingeordnet wird. In solchen Fällen können diese Player häufig Zuflucht unter einem vom Staat aufgespannten Schutzschirm finden, was Familienunternehmen in der Regel verwehrt bleibt.
[21]Als Unternehmer, Geschäftsführer und Manager sollten Sie sich deshalb im Hinblick auf die Zukunft Ihres Unternehmens drei zentrale Fragen stellen:
Ist unser traditionelles Geschäftsmodell künftig noch tragfähig und können wir den kommenden Herausforderungen standhalten oder besteht die Gefahr, von einem (neuen) Wettbewerber disruptiert zu werden?Welchen Weg müssen wir gehen, um veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden oder sie sogar selbst einzuleiten?Auf welche Weise werden wir künftig auf Kundenseite für einen Mehrwert sorgen?Es ist die Kernaufgabe jedes Unternehmens, das weiterhin am Markt erfolgreich sein möchte, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Ob Sie sich der Aufgabe stellen und wie Sie sie lösen, ist für Ihr Unternehmen überlebenswichtig.
Wer nicht transformiert, stirbt.
Es ist nichts Neues, dass die stetige Weiterentwicklung des Unternehmens eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg ist. Die kontinuierliche Entwicklung und Vermarktung neuer, an den Kundenbedürfnissen orientierter Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle sowie permanente Veränderungsbereitschaft müssen innerhalb der Organisation zur Selbstverständlichkeit werden. Der Druck, immer effektiver und effizienter zu innovieren, wächst. Das heißt nicht, dass das Rad immer wieder neu erfunden werden muss. Oft entstehen Innovationen, indem heute schon bestehende Lösungen angepasst, aufgebrochen und neu zusammengesetzt oder miteinander verbunden werden. Häufig werden Lösungen aus einer anderen Branche adaptiert. Das kann sehr erfolgreich sein, wenn die übernommenen Lösungen an das Unternehmen sowie den relevanten Markt angepasst werden.
Viele Innovationen entstehen eher zufällig. Andere werden aus der Praxis heraus entwickelt. Die meisten Innovationen sind jedoch Verbesserungen des Bestehenden. Gerade der deutsche Mittelstand ist stolz auf seine Perfektion, die Qualität seiner Produkte und die Null-Fehler-Kultur. In einer sich immer schneller verändernden digitalen Welt sind das jedoch Eigenschaften, die eher hinderlich sind, wenn es darum geht mitzuhalten – zumindest bei entscheidenden Innovationen. Bei disruptiven [22]Innovationen sehen wir häufig, dass neue Kundenbedürfnisse oder die Bedürfnisse bisher nicht beachteter Kunden geweckt und bedient werden. Genau das führt letztlich zu einem Alleinstellungsmerkmal.
Drei Faktoren sorgen dafür, dass Innovationsmanagement Erfolge bringt:
Eine Innovationsstrategie, die sich aus der übergeordneten Unternehmensstrategie ableitet, macht deutlich, in welchen Markt-, Produkt- oder Technologiefeldern innoviert werden soll. Gleichzeitig bleibt die Geschäftsmodellentwicklung im Fokus. Abweichende Chancen, die sich spontan ergeben, werden evaluiert und gegebenenfalls integriert.Organisatorische Voraussetzungen, die einen strukturierten Innovationsprozess ermöglichen. Dabei sollte nicht auf den üblichen Wasserfallprozess gesetzt werden, sondern auf iterative Vorgehensweisen (mehr dazu in den Kapiteln 4 und 5). Eine Innovationskultur, die dazu motiviert, Risiken einzugehen, Neues und Ungewöhnliches zu wagen. Führungskräfte, die den Mitarbeitenden Freiheit und Sicherheit geben, innovative Ideen zu verfolgen, sind dabei unerlässlich (mehr dazu in Kapitel 2).Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer den Satz »Ich kenne meine Kunden« im Brustton der Überzeugung sagen, drängt sich meistens ein »Wirklich?« auf. Ja, es stimmt, Familienunternehmen kennen ihre Kunden in der Regel ziemlich gut. Wenn es allerdings um Innovation geht, wird in Unternehmen oft nicht vom Kunden, sondern von der Technologie aus gedacht. Deshalb sind Familienunternehmen unschlagbar bei inkrementellen Innovationen, also der stetigen Verbesserung ihrer Produkte, seien es Motorsägen oder Fischfiletiermaschinen.
Der Kunde zahlt nicht für ein Produkt oder für eine Lösung, sondern für den Nutzen daraus. Diese Regel gilt immer, auch und gerade in Zeiten der Digitalisierung.
Nehmen wir das Beispiel Fischfiletiermaschine. Der Kunde kauft die Fischfiletiermaschine, weil er seinen Fisch filetieren, verpacken und verkaufen möchte. Würde ihm ein Start-up die Möglichkeit bieten, die teure Maschine zu nutzen und nicht zu kaufen, könnte er beispielsweise nach Kilo tatsächlich verarbeitetem Fisch bezahlen. Der Maschinenhersteller verliert auf diese Weise ziemlich schnell seine Kundenbasis bzw. den Zugang zum Kunden und wird möglicherweise zum Maschinenlieferanten [23]des Start-ups. Das Start-up hat erkannt, dass der Kunde gar keine Fischfiletiermaschine kaufen, sondern nur seinen Fisch filetieren möchte. Das ist der Unterschied zwischen »den Kunden kennen« und »dem Kunden Lösungen für sein Problem bieten«, der Unterschied zwischen technologiegetrieben und marktgetrieben.
Drei Felder der Innovation nach Christensen
Die kontinuierliche (inkrementelle) Innovation schafft nichts wirklich Neues, sondern verbessert bestehende Produkte, zum Beispiel eine neue Version eines Automodells oder eine verbesserte Fischfiletiermaschine.
Die iterative Innovation konzentriert sich auf neue Produkte, die auf technologischen Entwicklungen und Trends basieren, zum Beispiel ein Elektromotor statt ein Verbrenner.
Die disruptive Innovation schafft ein neues Geschäftsmodell, zum Beispiel wenn ein Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister wird.
Disruptive, radikale Innovation bedeutet firmenintern fast immer eine Bedrohung oder sogar eine Kannibalisierung des Kerngeschäfts. Und dennoch liegt im digitalen und disruptiven Wandel auch eine große Chance, die gerade traditionelle Familienunternehmen ergreifen müssen. Entscheidend für ihre Zukunft ist die Fähigkeit, sich in stets kürzer werdenden Zyklen kontinuierlich zu erneuern, sich immer wieder neu zu erfinden. Innovation muss als Kernkompetenz etabliert werden.
»Removing the faults in a stage-coach may produce a perfect stage-coach, but is unlikely to produce the first motor car.«
Edward de Bono
Die Studie »Deutschlands nächste Unternehmergeneration« des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen lässt zwar den Schluss zu, dass die Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen als Chance betrachtet wird, aber hauptsächlich, um unternehmensintern Prozesse besser zu analysieren und zu optimieren. Auf diese Weise bleiben die echten Chancen der Digitalisierung größtenteils ungenutzt.
Angesichts der Gefahr von Disruption durch neue und bekannte Wettbewerber müssen Sie als Unternehmerin, Unternehmer, Geschäftsführer oder Führungskraft die Frühwarnindikatoren für Marktveränderungen früher und schneller wahrnehmen [24]als bisher. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihr Unternehmen gut auf die Zukunft vorbereitet ist. Ihre Kunden, aber auch Ihre Wettbewerber werden Sie künftig vor deutlich größere Herausforderungen stellen als bisher – und sie werden vor allem völlig neuartig sein. Strategie, Organisations- und Geschäftsmodellentwicklung sind zusammen mit der Sicherung der Nachfolge die wichtigsten Elemente der Unternehmensentwicklung in Familienunternehmen.
In der Konsequenz ergibt sich für jedes Unternehmen die Notwendigkeit, die traditionellen und bestehenden Geschäftsmodelle regelmäßig zu hinterfragen und zu validieren. Nur durch die optimale Ausgestaltung des eigenen Geschäftsmodells kann der strategische Nutzen bestmöglich ausgereizt und der Verlust der Konkurrenzfähigkeit verhindert werden. Außerdem werden auf diese Weise nachhaltige Wettbewerbsvorteile generiert und gesichert. Mit einem eigenen neuen Geschäftsmodell wird es möglich, das Unternehmen in zunehmend dynamischen Märkten langfristig erfolgreich aufzustellen und zu positionieren.
Ein Modell aus der Praxis
Für das Vorgehen zur Entwicklung und Implementierung eines digitalen und/oder disruptiven Geschäftsmodells in Familienunternehmen haben wir das in Abbildung 1 visualisierte Modell entwickelt. (Zu Beginn von Kapitel 3, in der Abbildung 8, finden Sie eine detaillierte Darstellung des Modells.) Es ist eine Vorgehensweise, die aus der Praxis heraus entstanden ist, aufbauend auf jahrzehntelanger Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Familienunternehmen. Die Basis bildet eine primäre Datenerhebung mithilfe von Experteninterviews, die unabhängig von den Interviews in diesem Buch geführt wurden, angereichert durch umfangreiche praktische Erfahrung. Bei den Experten handelt es sich um Geschäftsführer bzw. Unternehmer oder Manager auf Geschäftsführungsebene. Die teilstrukturierten Interviews wurden transkribiert und anschließend systematisch auf mehrheitliche und deckungsgleiche Aussagen hin analysiert. Daraus wurden verschiedene Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen abgeleitet, aus denen heraus das vierphasige Vorgehensmodell entwickelt wurde, das wir Ihnen in diesem Buch vorstellen.
»Kontinuierliche Weiterentwicklung« darf im Modell nicht als fünfte Phase verstanden werden. Das einmal entwickelte und implementierte Geschäftsmodell wird mit Sicherheit nicht für die kommenden 20 Jahre Bestand haben, denn der Markt wird sich weiter verändern. Insofern ist die kontinuierliche Überprüfung, Validierung und Weiterentwicklung des Geschäftsmodells eine nicht endende Notwendigkeit.
Abb. 1: Vierphasiges Modell zur Geschäftsmodellinnovation (Quelle: eigene Darstellung)
Quick Check
Die Disruption erfasst alle Branchen. Kein Unternehmen ist davor gefeit. Je früher Unternehmen dies verstehen und entsprechend handeln, desto größer ihr Spielraum.Inkrementelle Innovation ist nicht mehr ausreichend, um Marktführer zu bleiben oder langfristig im Markt zu bestehen.Bei der digitalen Transformation geht es nicht um Technologie, sondern um das Geschäftsmodell und eine neue Innovationskultur.Die neuen digitalen und/oder disruptiven Geschäftsmodelle sind kunden-, technologie- und datengetrieben, nicht produktgetrieben.1 Dieses Zitat stammt aus einem Gespräch der Autoren mit Prof. Dr. Nadine Kammerlander. Weitere Interviews speziell für dieses Buch wurden geführt mit: Johannes Ellenberg, Alexander Fackelmann, Norbert Heckmann, Heiko Onnen, Armin Renz, Dr. Johannes Steegmann. Aus diesen Interviews stammen die entsprechenden Zitate in diesem Buch.
Die drei phasenübergreifenden Faktoren sind die Basis des Vier-Phasen-Modells zur Entwicklung digitaler und/oder disruptiver Geschäftsmodelle (siehe Abbildung 1). Strategie, Kultur und Organisationsstruktur werden sich kontinuierlich verändern müssen, damit neue Geschäftsmodelle umgesetzt werden können. In diesem Kapitel zeigen wir, welche Bedeutung diese drei Faktoren für den Erfolg eines Transformationsprojekts haben.
Die Welt wird sich nie wieder so langsam verändern wie in den letzten zehn Jahren.
Im Moment fährt Ihr aktuelles Geschäftsmodell vielleicht noch gute Gewinne ein, doch das wird nicht so bleiben. Geschäftsmodelle haben schon immer ein Ablaufdatum. Neu ist die Schnelligkeit, mit der das heute geschieht. Auch ein neues Geschäftsmodell wird sich immer wieder verändern müssen oder sich sogar irgendwann als überhaupt nicht mehr zukunftsfähig erweisen. Je früher Sie mit der Transformation und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beginnen, desto größer sind die Überlebenschancen des Unternehmens. Für den schnellen Takt der Veränderung, der von außen in das Unternehmen hineingetragen wird, ist es von größter Bedeutung, dass die Organisation agiler, flexibler und veränderungsbereiter wird. Johannes Steegmann, Co-Geschäftsführer der Fressnapf-Gruppe, hält es für notwendig, mit der Transformation frühzeitig zu beginnen, am besten solange es dem Unternehmen gut geht und die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, denn: »Ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln und zu implementieren ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Sie müssen über einen längeren Zeitraum investieren. Es besteht eine gewisse Unsicherheit und immer ein Risiko.«
Johannes Ellenberg, mehrfacher Start-up-Gründer und Buchautor, sieht bei Investitionsentscheidungen für Familienunternehmen eigentlich einen klaren Vorteil: »Potenziell haben sie die Möglichkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen. Allerdings verhindert oft die Last der Verantwortung, dass der Unternehmer das notwendige Risiko eingeht. Familienunternehmer begreifen sich meistens als Hüter des Unternehmens, bis sie es an die nächste Generation weitergeben. Das ist eine ungeheure Last, die leider manchmal Disruption, die mit einem hohen Risiko einhergeht, verhindert.«
[28]Strategische Treiber
Noch nicht überzeugt von der Notwendigkeit einer Geschäftsmodellveränderung? Dann stellen Sie sich die Frage, wie viel Umsatz Sie über die nächsten fünf Jahre erzielen müssen, um weiterhin gesund zu wachsen. Berücksichtigen Sie dabei die zu erwartenden Umsatzrückgänge durch mangelnde Nachfrage, Substitutionen, überalterte Produkte, Preisverfall und neue Wettbewerber. Wie viel davon können Sie durch Produktverbesserungen und -erweiterungen auffangen? Sie werden feststellen, dass eine Diskrepanz zwischen dem angestrebten Wachstum und den Umsätzen besteht, die Sie erzielen können. Genau hier liegt das Potenzial (und die Notwendigkeit) für Innovation und digitale Erneuerung.
Ohne die Anpassung der Unternehmensstrategie ist die digitale Transformation nicht zu erreichen. Daher ist der erste phasenübergreifende Faktor in unserem Modell die richtige Einbindung des Geschäftsmodells in die Unternehmensstrategie. Bei der Strategie eines Unternehmens geht es um die einfachen und doch so schwer zu beantwortenden Fragen:
Womit wird das Unternehmen in sieben Jahren sein Geld verdienen?Wird das heutige Geschäftsmodell dafür noch das richtige sein?Abb. 2: Das zehnstufige Strategie-System Weissman (Quelle: Weissman & Cie.)
Wie Abbildung 2 zeigt, hat die Strategie eine enge Verbindung zu den relevanten Geschäftsmodellen im Unternehmen. Die Strategie beinhaltet wichtige Parameter, die [29]sowohl Ihre Geschäftsmodelle betreffen als auch Sie dabei unterstützen, die Entwicklung der richtigen Geschäftsmodelle voranzutreiben. Doch welche Lebensdauer hat eine Strategie in der heutigen sich schnell verändernden Welt? Ist jedwede Strategie in dieser Welt nicht überholt, bevor die Strategieentwicklung abgeschlossen ist?
Mit dem »Zehnstufigen System Weissman« zur Strategieentwicklung und -implementierung können Unternehmen eine Strategie entwickeln und umsetzen. Es erlaubt ihnen, Turbulenzen vorauszusehen und ihre Strategie künftigen Erfordernissen anzupassen. Es ist ein Instrument, das Unternehmen dabei unterstützt, sich nachhaltig zukunftsfähig und krisenresistent aufzustellen. Eine Berücksichtigung der Disruptionsthematik in der Unternehmensstrategie hat insofern höchste Priorität.