Dinge. Warum wir sie brauchen und warum wir uns von ihnen trennen müssen. [Was bedeutet das alles?] - Elke Brüns - E-Book

Dinge. Warum wir sie brauchen und warum wir uns von ihnen trennen müssen. [Was bedeutet das alles?] E-Book

Elke Brüns

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Beschreibung

Eines der größten Probleme unserer Gegenwartskultur scheint der Besitz und das Anhäufen von Dingen zu sein. Die Menschen besitzen zu viel oder das Falsche, oder sie besitzen des Falschen zu viel. Ein ganzes Heer von Ratgebern versucht, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Der Appell lautet: Ausmisten. Und dann nicht mehr so viel zu kaufen und anzuhäufen. Klingt doch ganz einfach. Ist es aber nicht. Der Essay untersucht das Phänomen in seiner beunruhigend schillernden Vielfalt und entwickelt Lösungsansätze.

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Elke Brüns

Dinge

Reclam

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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962322

2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2024

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962322-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014597-5

www.reclam.de

Inhalt

Vorab

I Weg mit den Dingen – Wo ist das Problem?

Was bedeuten Dinge in unserem Leben?

II Lebendige Dinge

Die Dinge am Anfang des Lebens

Menschwerdung

Kulturgeschichte

III Leben mit Dingen

Abfall und Müll

Umwertungen

Weitergeben, Schenken, Spenden

Which side are you on?

Erben

Lesen

Stillgestellte Dinge

IV Die Dinge am Ende des Lebens

Verhandlungen

Loslassen

Letzte Dinge

Anmerkungen

Zur Autorin

Vorab

Unser Leben ist umgeben von Dingen. Ständig müssen wir uns fragen, ob wir etwas behalten oder wegtun wollen. Das Sich-Trennen von Dingen fällt oft schwer, und oft aus irrationalen Gründen. Man weiß nicht, warum man dieses oder jenes behalten sollte – und tut es trotzdem, innerlich über sich selbst den Kopf schüttelnd.

Als ich nach dem Tod meiner Eltern ihre Wohnung ausräumen musste, machte ich eine seltsame Erfahrung: Ausnahmslos jede und jeder, mit der und dem ich darüber sprach, erzählte mir, dass er oder sie noch irgendwo Kartons gelagert hätte, in denen sich Gegenstände befänden, die sie beim Ausräumen der elterlichen Räume »erst mal mitgenommen« hätten, um sie »später in Ruhe auszuräumen«. Niemand hat diese Kartons dann je geöffnet – ich auch nicht.

Stattdessen habe ich diesen Text geschrieben, denn mein bis dato relativ unspektakulärer Umgang mit Dingen wurde plötzlich hochproblematisch: Warum sich nicht einfach von all den Dingen oder zumindest den meisten trennen? Was macht das so schwierig? Repräsentiert denn wirklich jede Vase Erinnerungen, so wie es einem urplötzlich erscheint? Findet im Moment des Erbens vielleicht etwas seinen Ausdruck, das unser ganzes Leben bestimmt?

Nimmt man die Ratgeberliteratur als Symptom, dann scheint unsere westliche Kultur schwer daran zu laborieren, Dinge zu besitzen, und ebenso schwer, Dinge wegzuwerfen. Dinge scheinen immer mehr Dinge zu werden: Aristoteles’ Warnung vor der Pleonexie, dem »Mehr-haben-Wollen«, zieht sich durch die abendländische Kultur – allerdings folgenlos. Und sich von Dingen trennen ist anscheinend so schwierig, dass es Ratgeber und Verfahren braucht, und mancher trennt sich einfach von gar nichts. Warum ist das so?

Über Dinge wird sehr viel geschrieben und geforscht. Mein Interesse gilt dem Schnittpunkt von Wegwerfen und Behalten, aber auch der Frage, was das, ja, kleiner geht es hier leider nicht, mit dem Leben und dem Tod zu tun hat. In unserem Umgang mit den Dingen, dies ist meine These, vollziehen sich Prozesse der Verlebendigung und der Verabschiedung, in denen sich unser Leben als permanenter, kaum reflektierter Austausch mit dem Tod spiegelt. Dauernd heißt es: Which side are you on?

I Weg mit den Dingen – Wo ist das Problem?

Eines der größten Probleme unserer Gegenwartskultur scheint das Besitzen und Anhäufen von Dingen zu sein. Die Menschen besitzen zu viel oder das Falsche, oder sie besitzen des Falschen zu viel. Ein ganzes Heer von Ratgebern versucht Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Der Appell lautet: Ausmisten. Und dann nicht mehr so viel kaufen und anhäufen. Klingt doch ganz einfach.

Mitnichten geht es dabei allerdings um schieren Materialismus, um das gedankenlose Kaufen und Wiederkaufen und Weiterkaufen und Wegwerfen in einer Konsumkultur, die für die anwachsenden Berge an Gütern und Gegenständen in Wohnung und Welt verantwortlich ist. Es geht auch um Ressourcen, die aufgebraucht werden, nicht nur um ökologische, sondern auch um seelische. Auch diese werden offenbar verschwendet, und es ist nicht sicher, ob sie recycelbar sind. Nichts ist trauriger als der berühmte Slogan der amerikanischen Künstlerin Barbara Kruger: »You want it. You buy it. You forget it.« Vor allem, wenn diese Einsicht als riesiges Transparent um ein Kaufhaus herumgezogen ist und vermutlich niemanden vom Kaufen abhält.

Der Besitz kaschiert indes nur ein weiteres Problem – das der Ordnung, in der sich äußere Erscheinung und innere Zustände spiegeln. Seit langem schon hat sich die Verknüpfung von innerer und äußerer Ordnung bzw. innerer Verwirrtheit und äußerem Chaos etabliert. Wie die Wohnung, so die Seele. Wie das Heim, so das Leben. Die Zeitschrift Brigitte bringt diese Trends auf den Punkt: »Das Leben aufräumen. Mehr Ordnung, mehr Klarheit – und auf einmal geht alles leichter«.1 Oder: Alles in bester Ordnung, so lautete die Redewendung, die nahelegt, dass das Geordnete und das Gute Hand in Hand wirken.

Man muss kein Messie sein, um sich von der aktuellen Ratgeberliteratur angesprochen zu fühlen. Denn wie so vieles ist auch das Aufräumen und Wegwerfen von Dingen keine einfache Sache (mehr). Hinter der ökologisch sinnvollen Frage, ob Dinge nicht recycelt, repariert oder verschenkt werden können, dräuen noch ganz andere Problemlagen: Wie räume ich richtig auf? Was werfe ich weg? Wie werfe ich etwas weg – brauche ich ein Ritual, um die Dinge angemessen gehen zu lassen? Vorschläge gibt es viele. So hat etwa die Japanerin Marie Kondo ihre Konmari-Methode entwickelt, die garantieren soll, dass am Ende des Aufräumprozesses nur noch Dinge im eigenen Domizil verbleiben, die man wirklich mag. Spätestens seit die erfolgreiche Buchautorin 2019 mit Tidying Up with Marie Kondo (dt. Aufräumen mit Marie Kondo) eine eigene Show bei Netflix erhielt, in der sie Privathaushalten und später dann Unternehmern zu Sauberkeit und Durchblick verhalf, avancierte die Konmari-Methode zur Konmari-Manie, die sich im Englischen auch sprachlich niederschlug: Es etablierte sich der Begriff to kondo für das weite Feld zwischen aufräumen und ausmisten.