DINO WAR: VIETNAM - Ethan Pettus - E-Book

DINO WAR: VIETNAM E-Book

Ethan Pettus

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Beschreibung

Auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges wird ein Such- und Rettungsteam – das Vulture Squad – in ein abgelegenes Dschungeltal entsandt, um dort dem Verschwinden eines Green Beret Platoons nachzugehen. Während sich das Squad durch undurchdringlichen Dschungel vorkämpft, stoßen die Männer auf urzeitliche Schrecken, die sie nicht nur ihren Verstand, sondern auch ihr Leben kosten könnten. Als die Zahl der toten Kameraden immer weiter wächst, bleibt den Männern nur eine Möglichkeit: ihren primitiven Instinkten nachzugeben, um diesen Krieg zu gewinnen. Den Krieg gegen die Dinosaurier. ★★★★★ »Wenn Sie Dinosaurier, Action und Gedärme genauso lieben wie ich, ist DINO WAR genau das Richtige für Sie.« - Amazon.com ★★★★★ »Zuerst war ich ein wenig skeptisch, aber dann liebte ich es. Dem Autor ist es wirklich gelungen, prähistorische Geschöpfe mit dem Vietnamkrieg zu verweben.« - Amazon.com ★★★★★ »Ethan Pettus' Stärke liegt besonders ins der Beschreibung intensiverer Szenen. Man hat teilweise das Gefühl, zusammen mit den Charakteren in einem Tal in Vietnam zu sein, verfolgt von urzeitlichen Jägern.« - Amazon.com

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DINO-WAR VIETNAM

Ethan Pettus

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: PRIMITIVE WAR VIETNAM Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Philipp Seedorf Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-688-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

DINO-WAR VIETNAM
Impressum
Prolog
Bishop
Vulture Squad
Der russische Stützpunkt
Jerichos Befehle
Tiere
Die Russen
In den Dschungel
Gejagt
Herumtreiben
Das Camp
Blutvergießen
Belauert
Der Behemoth
In den Abgrund
Die Herde
Andrei Wynn
To Mock A Killing Bird
Wiedervereint
Aufstieg
Gerald
Utahraptoren
Nikita
Evakuierung
Gott rette uns
Leichen ausgraben
Hades
Der Fluss Styx
Buße
Legion
Beichte
Menschen
Acheron
Flucht
Stille
Gott rettet niemanden
Trümmer
Monster
Ryan Baker
Requiem
Schicksal
Borodin
Epilog
Danksagungen
Über den Autor

In Erinnerung an Michael Crichton

Prolog

23. September 1968

Vietnams natürliche Pracht wurde vom Krieg zerrissen. Die friedlichen Dschungel verwandelten sich in höllische Labyrinthe, in denen Soldaten den Verstand und das Leben in schrecklichen Feuergefechten verloren. Angst und Paranoia zerfetzten das ausgefranste Gewebe menschlicher Moral. Die Tet-Offensive, der größte Angriff auf die amerikanischen Kräfte durch den Vietcong und die nordvietnamesische Armee in Südvietnam, setzte ganze Städte in Flammen. Massaker wurden jeden Tag von den amerikanischen Kräften genauso wie vom Vietcong begangen.

Viele Meilen nördlich dieses Konflikts, hinter der entmilitarisierten Zone, die Nord- und Südvietnam trennte, lag ein uraltes Dschungeltal, anscheinend unberührt von der Gewalt.

Ein Ozean aus dem dicken Blattwerk der Baumwipfel überzog die rollenden Hügel im Tal wie eine Decke. Ein schwarzer Fluss schlängelte sich dahin, durchschnitt die Überschwemmungsebenen des Beckens und reflektierte den hellen Mond der sternlosen Nacht. Schwere Wolken zogen über die zerklüfteten Bergspitzen und den Abhang hinab.

Donner erschütterte die Luft wie Kriegstrommeln und warnte den Dschungel vor einem heranziehenden Gewitter. Unter dem Blätterdach, verloren zwischen den zahllosen gewaltigen Stämmen von Kapok- und Durianbäumen, rannte ein einsamer Soldat namens Kendrick Anderson um sein Leben.

Kendrick bahnte sich manisch mit den Händen einen Weg durch das tropfnasse Dickicht, das blasse Gesicht in Panik verzerrt. Die Dunkelheit unter dem mehrstöckigen Blätterdach verschlang alles. Kendrick stolperte blind über die sich windenden Wurzeln und niedrig hängenden Lianen. Die breiten Blätter von Bananenbäumen klatschten ihm wie kalte Hände ins Gesicht. Sein Stiefel blieb an einem Ast im Wasser hängen und er stürzte Gesicht voran in einen Teppich aus verrottendem Pflanzenmaterial und Baumrinde. Er schleppte sich über den matschigen Erdboden und kämpfte sich auf die Beine, wimmernd wie ein geprügelter Hund.

Wie lange irrte er schon durch dieses Tal? Es war nur eine Woche gewesen, aber jeder Tag fühlte sich wie ein ganzes Leben an, angefüllt mit erschütternden Herausforderungen, die seine Überlebensfähigkeit auf die Probe stellten. Er war Mitglied der Green Berets, die Spezialisten der U. S. Army für Anti-Guerillakriegsführung, aber das Tal war zu viel für ihn. Er hatte Glück, am Leben zu sein und noch halbwegs bei Sinnen. Der Rest seines Platoons hatte weniger Glück gehabt.

Als Kendricks Platoon in dieses obskure Tal marschiert war, waren sie so selbstsicher gewesen. Sie glaubten, ihre Mission würde ein Spaziergang werden, sie würden dem Vietcong einfach durch die Finger schlüpfen und sich vor ein paar wilden Tieren in Acht nehmen. Das hielt so lange an, bis der erste Mann des zwölfköpfigen Platoons gestorben war.

Der Erste, der starb, verschwand in der Nacht. Kendrick war aufgewacht und sein Freund Maynard war weg. Alles, was er noch von seinem Squad-Kameraden fand, waren ein paar Hautfetzen und eine Blutspur, die tiefer in die Wildnis führte. In der folgenden Nacht war noch ein Mann verschwunden und ein weiterer in der Nacht danach.

Manchmal wurden sie geschnappt, während sie schliefen. Zu anderen Gelegenheiten auf Patrouille. Kendrick war mit dem Platoon unterwegs, und als er über die Schulter sah, war wieder einer seiner Kameraden verschwunden, ohne ein Geräusch oder eine Spur, die darauf hinwies, was passiert war.

Sie vermuteten langsam, dass ihnen ein Menschenfresser folgte, ein Tiger oder ein asiatischer Schwarzbär. Sie kannten alle die Legenden, die Geschichten, die unter Soldaten weitererzählt wurden, während sie ihre Feldrationen am Lagerfeuer aßen. Die Vietnamesen erzählten von Dämonen, die den Dschungel heimsuchten und die Kinder argloser Dorfbewohner entführten.

Kendrick fand es einleuchtend, dass rachsüchtige Dämonen versuchen würden, junge Amerikaner zu entführen. Seine Freunde lachten ihn deswegen aus – bis sie irgendwann spätabends den Killer sahen.

Eine solche Kreatur hatte Kendrick noch nie zuvor gesehen und er wünschte sich, sie nie wiederzusehen. Sie war schnell, lautlos und zwischen den Blättern kaum zu erkennen. Insgesamt waren es vier derartige Kreaturen.

Obwohl das Platoon sich nach Kräften wehrte, waren die Raubtiere zu brutal und geschickt. Beim ersten Zusammenstoß waren drei von Kendricks Kameraden aus dem Squad abgeschlachtet worden. Er hatte immer noch das Geräusch brechender Knochen im Ohr, das nasse, reißende Geräusch, als seinen schreienden Freunden die Organe aus dem Leib gezerrt wurden. Nach diesem Angriff hatte Kendrick kaum noch geschlafen.

Es dauerte nicht lange, bis Kendricks Squad in den letzten Zügen lag. Jemand hatte während der Attacke das Funkgerät verloren und ein anderer Mann das Gewehr und seinen Rucksack. Sie hatten sich im nervenzermürbend endlosen Dschungel verlaufen und waren von ihrer einzigen Fluchtmöglichkeit abgeschnitten.

Zwei weitere Männer verschwanden in der folgenden Nacht. Nur Kendrick und zwei andere waren noch übrig. Sie mussten weiter nach Norden, um ihre geheime Mission zu vollenden.

Je tiefer sie in das Tal vordrangen, desto unnatürlicher wirkte der Dschungel. Tiere heulten im Verborgenen in der Nacht. Riesige Kreaturen, groß wie Flugzeuge, zogen durch den Himmel. Sie fanden sogar den Schädel eines Elefanten, der von den Kiefern eines mächtigen Ungetüms zertrümmert worden war.

Eines Morgens entdeckte Kendrick die Leiche eines seiner letzten Kameraden aus dem Squad vor ihrem Lagerplatz. Die Kehle des jungen Mannes war aufgerissen und seine Bauchhöhle ausgeweidet. Kendrick hatte keinen Mucks gehört. Er hatte den Angriff verschlafen. Sein anderer Freund, der letzte verbliebene Kamerad aus seinem Squad, beging kurz danach Selbstmord.

Und nun war Kendrick allein, rannte um sein Leben durch den Wald, ohne auch nur den Hauch eines Plans oder Hoffnung, zu überleben. Er wusste, er wurde gejagt. Der Tod lauerte in jedem Schatten, der seine Form veränderte, verborgen im leisesten Knacksen eines brechenden Zweigs oder im Rascheln der Blätter. Er konnte die Kreaturen nicht sehen oder hören, aber er wusste, sie waren da.

Kendrick spürte die Blicke ihrer kalten Augen, die über seinen mit blauen Flecken übersäten Körper wanderten. Sie leckten sich vermutlich schon erwartungsvoll die Zähne, warteten auf den perfekten Moment, um ihn bei lebendigem Leib zu zerfetzen.

Aber die Freude würde er ihnen nicht machen.

Bei Gott, nein, das würde er auf keinen Fall zulassen.

Ein Donnerschlag erschütterte die Bäume und nahezu unmittelbar darauf rauschte der Regen wie eine Welle schwer durchs Blätterwerk. Der Sturm überwältigte Kendricks Sinne. Er kniff die Augen zusammen, um die Tropfen abzuwehren. Das Prasseln der Regentropfen dröhnte in seinen Ohren. Er stolperte durchs Unterholz und hielt die Hände vor sich, damit er nicht gegen einen Baumstamm stieß.

Beim Weiterlaufen bemerkte Kendrick, dass die Bäume lichter wurden und das Unterholz weniger dicht. Aufgrund seiner Ausbildung wusste er, dass er sich einem Wasserlauf näherte. Wenn er einen Fluss oder einen Bach fand, konnte er der Strömung in Richtung südliches Talende folgen, wo sein vorgesetzter Offizier, General Jericho, eine kleine Militärbasis errichtet hatte.

Kendrick spürte, wie sich ein flatterndes Lächeln auf den Lippen breitmachte.

Vielleicht schaffte er es lebend hier heraus.

Es blitzte. Alles wurde in weißes Licht getaucht, dazwischen lauerten die Schatten. In diesem kurzen Moment sah er den beängstigenden Umriss einer Kreatur, die wie ein Geist durchs Unterholz glitt. Es donnerte über seinem Kopf und der Dschungel wurde erneut in Finsternis getaucht.

Kendrick stand wie erstarrt im sintflutartigen Regen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er ins schwarze Nichts und sank langsam auf die Knie. Es war da draußen, umrundete ihn. Ein letzter Funken Hoffnung, dass es ihn im Regen nicht sehen oder riechen konnte. Vielleicht war es genauso blind wie er.

Und dann, über das konstante Trommeln des Regens hinweg, hörte er es.

Schweres Atmen, das langsam näher kam.

Kendrick sprang auf die Beine und sprintete durch den Wald, schlängelte sich durch die Bäume, sprang über Stämme und Felsen. Sein Stiefel blieb hängen und rutschte ihm vom Fuß. Er wurde langsamer, wimmerte bei jedem Schritt. Äste und Steine zerkratzten das empfindliche Fleisch seines wundbrandigen Fußes.

Kendrick taumelte, die Regentropfen waren wie eiskalte Nadelstiche, das Adrenalin trieb ihn an. Er hörte das anhaltende Pladdern des Regens auf der Wasseroberfläche des Flusses. Er war kurz davor, zu entkommen.

Von irgendwo beobachtete ihn das Raubtier. Das konnte er spüren.

Kendricks nackter Fuß rutschte im Schlamm aus und er stürzte mit einem nassen Klatschen nach vorn. Seine Kampf-oder-Flucht-Reaktion setzte mit aller Macht ein. Er grub die Hände in den schlammigen Boden und zog sich selbst vorwärts durch die dichten Stängel und Halme der Sumpfvegetation.

Kendrick schleppte sich über eine Anhöhe und rutschte in das eiskalte, stinkende Wasser. Die Kälte versetzte ihm einen Schock und er reckte den Kopf aus dem Wasser, keuchte und zitterte. Es blitzte und er sah die spinnenbeinigen Mangrovenbäume um sich herum.

Der Dschungel wirkte leer und leblos.

Das bedeutete, es war in der Nähe.

Kendrick wusste, er konnte nicht mehr rennen. Jeder weitere Atemzug brannte in der Lunge. Sein Körper war taub durch die Kälte und sein Herz hatte Mühe, das dicke Blut durch die Adern zu pumpen. Es war Zeit, sich zu verstecken. Vorsichtig watete er durch das brusttiefe Wasser auf die Mangroven zu.

Kendrick kletterte in den Käfig aus Wurzeln, den die Mangroven bildeten, und linste hinaus auf die schwarz spiegelnde Wasseroberfläche. Anscheinend war er in einen Teich gefallen. Seine einzige Chance, zu entkommen, war bloß ein Traum gewesen. Er konnte nur noch hier sitzen und warten, zitternd und von Panik ergriffen.

Durch den röhrenden Sturm waren Schritte zu hören, die sich langsam am Ufer entlang bewegten. Jeder Schritt war sorgfältig platziert, methodisch und leise. Er hörte, wie das Raubtier schnüffelte, gefolgt von einem langen, leisen Knurren. Blätter raschelten sacht, als Federn und ledrige Haut an ihnen vorbeistreiften. Die Kreatur umrundete den Teich und versuchte, Kendrick im Sturm zu finden.

Kendrick zog sich vorsichtig weiter in den Schutz der Mangroven zurück und starrte auf die hell-dunkel gefleckte Wasseroberfläche. Er hielt die Luft an, bis seine Lunge sich wie leergesaugt anfühlte.

Ein Blitz und er sah die Silhouette der Kreatur, die von der Wasseroberfläche reflektiert wurde. Die Spiegelung war verzerrt, aber Kendrick konnte deutlich den Körperumriss des Tieres erkennen. Es war größer als ein Mensch, hatte einen geraden Schwanz und muskulöse Beine. Die Kreatur hob die lange Schnauze, schnüffelte. Die hakenartigen Klauen zuckten erwartungsvoll. Die Kiefer der Kreatur öffneten sich. Es zeigte die Zähne und fauchte knurrend.

Es war nur drei Meter entfernt.

Kendrick zitterte unwillkürlich. Die Tränen auf seinem Gesicht vermischten sich mit dem Regen. Ein erbärmlicher Schrei wollte sich über seine Lippen stehlen und er schlug die Hände vor den Mund, um keinen Laut von sich zu geben. Der Urin lief ungehemmt seine Beine hinab. Kendrick hörte sich langsam nähernde Schritte. Die Kreatur ließ sich Zeit. Sie wusste, dass er nicht mehr wegrennen konnte.

Kendricks Augen passten sich langsam an die Dunkelheit an. Er sah die muskulösen Beine der Kreatur, die vor ihm stand. Die sichelförmigen Klauen spannten sich an und bohrten sich in die Erde. Kendrick war wie versteinert vor Angst. Er konnte nicht mehr klar denken oder seine Lage analysieren. Er konnte nur noch zusehen, wie sich die Kreatur vor ihm niederkauerte und ihn mit kaltem, berechnendem Blick anstarrte.

Die Kreatur breitete die Arme um die Mangrovenwurzeln und hüllte die Federn wie einen Mantel um die Höhle. Seine Klauen schabten über die Baumrinde.

Eine letzte Umarmung, um sicherzugehen, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab.

Die Augen der Kreatur leuchteten gelb in der Dunkelheit. Die Federn dämpften den Lärm des Sturms. Kendrick hörte nur noch sein eigenes Wimmern und den langsamen, gleichmäßigen Atem des Tieres. Es war so dunkel, dass er kaum sah, wie sich die Kiefer der Kreatur öffneten, um die gezackten Zähne freizulegen. Der heiße Atem des Tieres, nach Verwesung stinkend, wehte ihm entgegen.

Kendrick steckte ein verzweifeltes Flehen in der Kehle.

»Bi… bitte …«

Der Kopf der Kreatur schoss nach vorn und schnappte Kendricks Kehle zwischen den Kiefern. Das Tier schüttelte ihn brutal hin und her, riss das Fleisch von seinem Hals, als wäre es aus Papier. Heißes Blut lief Kendricks Oberkörper hinab und die Kreatur ließ ihn los.

Kendrick stürzte nach hinten, schrie, und ein feuriger Schmerz fuhr ihm durch den Körper, als die Klauen seine Bauchdecke aufschlitzten. Die Kreatur war grausam, knurrte und blieb ungerührt, während Kendrick schrie und mit den Fäusten auf seine Schnauze hämmerte.

In seinem letzten Augenblick bei Bewusstsein sah Kendrick zu, wie die Kreatur die Schnauze in seinen Bauch vergrub und Därme herausriss. Das Letzte, was er spürte, war sein eigenes furchtbares Todesröcheln, das sich durch die ausgefransten Löcher in seinem Hals bohrte.

Bishop

»Wissen Sie, dieser Krieg wird bald vorbei sein.«

»Aha.«

»Es geht nur ums Überleben …«

Bishop hörte abwesend zu, während er aus dem Fenster des röhrenden Jeeps blickte. Die Sonne stieg über den Bergen auf und badete die Überschwemmungsgebiete in goldenes Licht. Der Jeep rollte langsam die staubig-rote Straße hinab, die von weit ausgedehnten Reisfeldern flankiert wurde. Palmen säumten den Weg und wiegten sich in der Brise, warfen Schatten über das kleine olivgrüne Fahrzeug.

Bishop saß auf dem Rücksitz des Jeeps neben seinem Squad-Kameraden Ibex, während Commander Wallace ihn vom Beifahrersitz aus betrachtete. David, Wallace’ Fahrer, war genauso wenig an der Unterhaltung interessiert wie Bishop. David hatte dieselbe Rede von Wallace schon zahllose Male gehört.

»Sehen Sie«, sagte Wallace, »dieser Krieg ist nur eine Frage des Überlebens. Es liegt in unserer Natur, um Territorien Krieg zu führen, genauso wie Schimpansenfamilien wegen eines kleinen Streifens Dschungel mit anderen Familien kämpfen.

Wir haben dieses instinktive Bedürfnis, unsere Macht gegenüber anderen auszuspielen und diese uralte Wut herauszulassen. Bei diesem Krieg geht es nicht um edle Ideologien wie Demokratie oder Kommunismus. Das ist einfach eine weitere Übung, ein weiterer Test unserer Fähigkeit zu töten.

Das ist wie bei kämpfenden Schimpansen. Sie müssen diesen Blutdurst ausleben, genau wie wir. Wir müssen töten. Das ist ein Teil dessen, wer wir sind. Es ist Teil unserer primitiven Natur.«

Wallace schaute Bishop erwartungsvoll an.

»Sicher«, grunzte Bishop.

»Sehen Sie, das Pentagon, die Regierung, die wollen uns glauben machen, dass wir hier draußen für die Vietnamesen kämpfen oder die Idee von Freiheit oder sonst irgendwas, aber wir wissen alle, dass das Blödsinn ist. Wir werden nur auf die Probe gestellt. Das ist alles«, sagte Wallace und deutete durch die Windschutzscheibe.

»Wir haben uns gegen die Deutschen behauptet, gegen die Japaner und die Koreaner. Nun müssen wir nur noch beweisen, dass wir besser darin sind als der Vietcong. Diese Schlitzaugen, die diesen Tanz schon seit 20 oder 30 Jahren aufführen.

Die Jungs im Pentagon, McNamara, die Bürokraten, die wollen nur zeigen, dass wir alles und jeden überall töten können. Sie wollen demonstrieren, dass wir in diesem Dschungel besser überleben und kämpfen können als diese Charlie-Bastarde. Hey, ich hab kein Problem damit, ihnen zu beweisen, dass meine Männer mehr als in der Lage sind, in diesem Höllenloch zu überleben. Wir sind die überlegenen Tiere. Sie werden es sehen, wenn wir das Dorf erreichen.«

Wallace blickte durch die Scheibe. Ibex sah Bishop an und machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger neben der Schläfe. Bishop nickte mit einem müden Seufzen. Sie hatten beide dieselbe Meinung über Wallace’ unablässiges Gesülze.

Bishop sah aus dem Fenster und betrachtete den Ozean aus grünen Reisfeldern, unterbrochen von Bambushütten, die auf einer breiten Lichtung verteilt standen, die aus dem umgebenden Wald herausgeschnitten war. Der Jeep rollte an ein paar Dutzend amerikanischen Soldaten vorbei, die M60- und M16-Gewehre trugen. Einige rannten durch das Dorf, während andere halbherzig dahintrotteten. Sie kamen an einem Panzer vorbei, der langsam über die Straße rumpelte, und dann sahen sie die volle Kampfkraft des Bataillons.

Vor ihnen lagen Bambushütten, die von Soldaten mit Flammenwerfern abgefackelt wurden. Feuerströme schossen aus den Düsen und verzehrten die Behausungen. Versengte Dorfbewohner flüchteten aus den Häusern, rollten auf dem Gras und Erdboden herum und schrien vor Schmerz. Einige der Soldaten mähten die flüchtenden Zivilisten mit Sturmgewehren nieder.

»Jup, es ist nur eine Frage des Überlebens«, sagte Wallace. Er stieß David mit dem Ellbogen an. »Halten Sie hier.«

David fuhr mit dem Jeep an den Rand der staubigen Straße und parkte unter einer schwankenden Palme. Bishop und Ibex stiegen schnell mit den Gewehren in der Hand aus.

Bishop war schlank und muskulös, trug zivile dreckige Jeans, ein grünes T-Shirt und ein grünes Halstuch über dem Mund. Seine Haare waren kurz und verstrubbelt und eine schwarze Ray-Ban-Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Er hielt eine individuell gestaltete AK-47, die mit Sprühfarbe grün und schwarz angemalt war.

Ibex kleidete sich im Gegensatz zu Bishop mehr wie ein normaler Soldat und hatte die Standard-Camouflage-Uniform mit Streifen der Special Forces an. Er war klein und stämmig und seine Vorfahren stammten aus Tansania. Er trug eine Halskette aus Krokodilzähnen und einen schlaffen Buschhut.

Bishop schulterte den Rucksack und stand im Schatten der Palme. Wallace hatte sich vor Bishop aufgebaut, den Rücken dem kleinen Dorf zugewandt und den Soldaten, die es niederbrannten. Wallace grinste und breitete die Arme aus.

»Willkommen im Paradies, Gentlemen«, sagte Wallace.

Der Panzer donnerte vorbei und feuerte ein Geschoss auf eine Hütte in der Nähe. Die Behausung detonierte mit einem Donnerschlag und brennende Trümmer regneten vom Himmel. Bishop zuckte bei der Explosion zusammen und hielt die Hände über den Kopf, um sich vor der niederregnenden Asche und den Funken zu schützen.

»Zeigen Sie uns einfach, wo Sie es gefunden haben«, sagte Bishop schnell. »Jericho wartet nicht gern.«

Wallace nickte knapp und holte eine M16 vom Jeep, warf Bishop einen Blick über die Schulter zu, während er die Waffe in die Hand nahm.

»Bleiben Sie besser in der Nähe«, sagte Wallace mit einem Zwinkern. »Könnte etwas haarig werden.«

Bishop sah Ibex an und rollte die Augen.

Wallace führte Bishop und Ibex den staubigen Weg entlang durch Reihen von Soldaten. Die rannten entlang der Straße in Hütten hinein und wieder heraus, suchten nach Vietcong und durchwühlten die Behausungen.

Eine Reihe Soldaten stand neben der Straße und hatte die Gewehre auf vietnamesische Männer gerichtet, die aneinandergereiht auf dem Boden lagen. In dem Moment, als Bishop vorbeiging, hörte er das Knallen der Gewehre und schüttelte angewidert den Kopf.

Bishop und Ibex hatten normalerweise nichts mit der Infanterie zu tun. Sie sympathisierten mit den jungen Männern, die zum Militär eingezogen wurden, hatten aber wenig Respekt für Anführer wie Wallace. Bishop war im Stillen dankbar, die rechte Hand von General Amadeus Jericho zu sein, eine der angesehensten Führungsgestalten der United States Army.

Bishop war der Squad-Führer von Jerichos persönlichem Black-Ops-Team. Da ihre Arbeit oft geheim war und sie ein Eliteteam waren, hatten sie selten mit vietnamesischen Dorfbewohnern zu tun oder den Männern, die sie niederschossen.

»Als mein Platoon in das Dorf kam, haben sie den Truck mit Nachschub abgefangen, der Richtung Süden aus dem Dschungel raus unterwegs war«, sagte Wallace und machte einen großen Schritt über die durchlöcherte Leiche eines Bauern hinweg.

»Meine Jungs wussten nicht, was sie mit den Fässern auf der Ladefläche des Trucks anfangen sollten, deswegen habe ich beschlossen, mal den guten alten Jericho anzurufen. Ich dachte, er hätte schon ein paar Männer, die vielleicht wissen, womit wir es hier zu tun haben.«

»Werden wir sehen«, murmelte Bishop.

Während sie weiter ins Dorf vordrangen, standen die Hütten immer enger zusammen. Amerikanische Soldaten lungerten herum, rauchten Joints und rissen Witze, während andere gefesselte und geknebelte vietnamesische Männer bewachten.

Ein Soldat saß neben einer Hütte, zitterte heftig und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Seine blutunterlaufenen Augen waren auf die Leiche einer Frau vor ihm gerichtet. Sie lag in ihrer eigenen Blutpfütze, eine Pfanne in den Händen. Ein Kind zerrte verzweifelt an ihrem Kleid. Ein weiterer Soldat kam und schrie das Kind an, bis es sich trollte.

Eine Frau kam aus einer Hütte gelaufen und drängte sich an Bishop. Er drehte sich zu ihr um, genau, als sie sich an ihm festklammerte und ihn auf Vietnamesisch anflehte. Wallace nahm sie am Arm und zerrte sie weg. Tränen liefen ihr übers Gesicht.

»Nicht schon wieder, junge Dame«, sagte Wallace. Er sah zu einem Sergeant, der neben einer Hütte stand und mit ein paar anderen Soldaten trank. »Ich dachte, ich hätte euch gesagt, ihr sollt mir das Mädchen vom Leib halten, verflucht!«

Der Sergeant zuckte die Achseln und kam auf sie zu.

»Entschuldigung, Sir. Ich bringe sie wieder rein.«

Die Frau löste sich aus Wallace’ Griff und hielt sich an Bishop fest. Sie redete eindringlich auf ihn ein, starrte ihm direkt in die Augen. Er spürte ihre Verzweiflung und Panik.

»Was sagt sie?«, fragte Bishop und sah Wallace an. Er hielt die Frau fest.

»Irgendeinen eingeborenen Hokuspokus-Blödsinn«, sagte Wallace und schüttelte den Kopf. »Irgendwas über Dämonen, gefiederte Schlangen und irgendwelche anderen Monster.«

»Was sagt sie noch?«, fragte Bishop.

Wallace seufzte desinteressiert.

»Sie hat allen erzählt, dass ihr Ehemann letzte Nacht von einer gefiederten Schlange, einem Dämon, aus ihrer Hütte gestohlen wurde. Das ist alles Schwachsinn. Der Typ hat es sich vermutlich anders überlegt mit der irren Kleinen und hat das Dorf verlassen. Entweder das oder sie glaubt, er ist von einem Krokodil oder so was gefressen worden. Das ist verrücktes Gerede. Aberglaube.«

Wallace zog die Frau aus Bishops Händen und schubste sie in die Arme des Sergeants. Die Frau flehte Bishop an, als sie zurück zur Hütte gezerrt wurde. Bishop hatte ein unangenehmes Gefühl im Bauch und wollte sicherstellen, dass ihr nichts passierte mit all den Soldaten, die sich um sie herum betranken.

Er sah zu, wie die Soldaten lachten und der Frau und dem Sergeant in die Hütte folgten. Die ängstliche Stimme der Frau hallte in seinem Kopf nach, als Wallace ihn wegzog, tiefer in das Dorf hinein.

»Hier ist es, Jungs«, sagte Wallace.

Sie standen am Rand des Dorfes, wo ein verrosteter Nachschub-Lkw fahruntüchtig neben ein paar Hütten liegen geblieben war. Ein paar Soldaten saßen drumherum, rauchten, tranken und lachten. Man hörte das Dröhnen des Panzers und Gewehrfeuer.

Neben dem Truck wand sich ein einzelner Vietcong-Guerillakämpfer in Schmerzen auf dem Boden. Blut sickerte durch das zerfetzte Hemd des Mannes aus der Schusswunde in seiner Brust. Wallace verzog das Gesicht, als er das Schreien des Mannes hörte.

»Um Himmels willen, David, da wird einem ja schlecht«, sagte Wallace. »Er leidet!«

»Sorry, Sir«, sagte David. Er machte einen Schritt nach vorn und hielt den Lauf der M16 an die Stirn des Mannes. Bishop schubste David zur Seite und die M16 feuerte in den Boden.

Bishop kauerte sich hin und goss Wasser aus seiner Feldflasche in den Mund des verwundeten Mannes. Der nickte dankbar und starrte Bishop mit trübem Blick an. Seine Lippen zitterten.

»Máy gia tốc«, sagte der Mann hustend.

Bishop sah Ibex an. »Was sagt er?«

»Beschleuniger«, sagte Ibex und kniff die Augen zusammen. »Was soll das bedeuten?«

Ein Gewehrschuss donnerte neben Bishops Ohr los und er zuckte geschockt zurück. Als er wieder hinsah, floss Blut aus dem Kopf des Guerillas neben dem Lkw-Reifen. Eine Schusswunde, wie ein klaffendes drittes Auge, blinzelte aus der Stirn des Mannes. Bishop sah zu David und starrte finster auf den Rauch, der aus dem Lauf der M16 stieg.

»Er hat gelitten«, sagte David und zuckte mit den Achseln. »Es wäre grausam, ihn am Leben zu lassen.«

Bishop stand auf und schob David zur Seite. Er rempelte Wallace an, als er hinter den Truck ging. Die Ladefläche war mit einer regendurchtränkten Plane abgedeckt. Bishop und Ibex nahmen die Ecken der Plane und zogen sie runter. Wallace kam dazu.

»Also, wir …«

»Gehen Sie einfach, Jack«, schnauzte Bishop ihn an. »Ich habe genug von Ihren ›Überlebenstaktiken‹ gesehen. Ich bin sicher, Jericho wird sich das mit Freuden anhören. Jetzt hauen Sie schon ab und gehen Sie zu Ihren Männern zurück. Ich kann Ihre Stimme nicht mehr hören.«

Wallace runzelte die Stirn, doch dann zog er achselzuckend mit David und den anderen Soldaten im Schlepptau ab. Bishop sah sie verschwinden und schüttelte den Kopf. Er warf Ibex einen Blick zu.

»Diese verdammten Arschlöcher«, sagte er. »Mit einem hatte er allerdings recht. Über unsere primitive Natur weiß er auf jeden Fall Bescheid. Der Mann hat seine Männer in Tiere verwandelt.«

Bishop widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Lastwagen. Die Ladefläche war mit bleiernen Ölfässern vollgestellt, etwa ein Dutzend insgesamt. Auf den Ölfässern waren russische Buchstaben in Gelb aufgemalt. Bishop kramte in seinem Rucksack und fischte einen Geigerzähler heraus, ein Gerät, um Strahlung zu messen. Er drehte an einem Regler an dem Zähler und richtete ihn auf das am nächsten stehende Ölfass.

Der Geigerzähler gab sofort ein schnelles, tickendes Geräusch von sich. Das Ölfass war hochgradig radioaktiv. Bishop und Ibex wichen hastig ein paar Meter zurück, bis das Ticken des Zählers aufhörte. Bishop zog eine Karte aus dem Rucksack und entfaltete sie.

Mehrere »X« waren auf der Karte verteilt, sie führten vom Süden der entmilitarisierten Zone bis nach Norden auf die Basis von Jericho zu und in das isolierte Dschungeltal, das sie erst noch erreichen mussten. Bishop zeichnete ein weiteres »X« unten auf die Karte und fuhr die direkte Linie bis zum Inneren des Tals mit dem Finger nach. Er faltete die Karte und steckte sie wieder in den Rucksack.

»Funkgerät«, sagte Bishop.

Ibex holte das klobige, blecherne Funkgerät aus dem Rucksack und reichte es Bishop. Bishop drehte an mehreren Reglern, gab einen Code auf der frontal angebrachten Nummerntastatur ein und hielt sich das Headset ans Ohr. Er lauschte dem statischen Rauschen, bis eine knurrige Stimme zu hören war.

»Wie lautet Ihr Sendezeichen?«

»Bravo-Mike-Sierra, Funkspruch für Golf-Alpha-Juliet«, sagte Bishop.

»Roger, Bravo-Mike. Golf-Alpha am Apparat. Wie lautet Ihr Status?«

»Wir haben den Ort bestätigt und den Status der Lieferung«, sagte Bishop. »Ist dasselbe wie bei den anderen. Hoch radioaktiv, russische Markierungen, transportiert von mutmaßlichen Vietcong. Unser Verdächtiger wurde getötet, bevor wir irgendwelche relevanten Informationen aus ihm herausholen konnten. Das ist die fünfte Ladung seit September, Sir.«

General Jericho, der Mann am anderen Ende der Leitung, murmelte etwas Unverständliches.

»Haben Sie was von Kilo-Anderson und seinem Platoon gehört?«, fragte Bishop.

Statisches Rauschen knisterte in Bishops Ohr. General Jericho sprach langsam.

»Kein Wort. Es ist eine Woche her, dass sie begonnen haben, die Ladungen zurückzuverfolgen, und wir haben nach drei Tagen jeden Funkkontakt verloren. Ich glaube, sie sind missing in action.«

Hinter ihnen im Dorf waren Explosionen zu hören. Die Donnerschläge ließen die Bäume um die Lichtung erzittern. Bishop drehte den Rücken in Richtung der Detonationen und blickte herüber zum tiefen Dschungel jenseits der Lichtung.

Irgendwo da draußen, das wusste er, brauchte Kendrick Anderson dringend Hilfe. Bishop kratzte sich gedankenverloren am Kinn.

»Was tun wir jetzt, Sir?«, fragte Bishop.

»Sie und Ibex bleiben, wo Sie sind. Ich habe einen Helikopter losgeschickt, der Sie beide im Dorf abholt. Was Kilo-Anderson und sein Team angeht …«

Bishop hörte Rauschen.

»… Sir?«

»Kilo-Anderson und sein Team waren die besten Männer, die ich für den Job finden konnte. Ich werde eine Menge Hilfe brauchen, um dort weiterzumachen, wo sie aufgehört haben«, sagte Jericho.

»Brauchen Sie mir nicht zu sagen«, meinte Bishop. Er umklammerte den Funkempfänger.

Vulture Squad

Bis zum Einbruch der Nacht war ein kräftiger Monsunregen durch den Dschungel Nordvietnams gefegt. Auf der westlichen Bergkette, hineingeschmiegt in die runden Hügel mit dem üppigen Grün des Blätterdachs, war ein improvisiertes Internierungslager des Vietcongs. Das Camp lag in der Mitte einer mehrere Hektar großen Lichtung. Einige strohgedeckte Hütten standen im Kreis um das hölzerne Gatter, in dem die amerikanischen Gefangenen festgehalten wurden.

Aus der dichten Vegetation am Rand des Camps heraus beobachtete Captain Ryan Baker, wie zwei Vietcong-Guerillakämpfer langsam am Rand des Waldes patrouillierten. Die beiden Männer stapften dahin, mit wegen des heftigen Niederschlags eingezogenen Köpfen. Ihre Gewehre vom Typ AK-47 hielten sie tief hängend locker in den Händen.

Ryan stand still wie eine Statue im eiskalten Regen. Nur der stahlharte Blick aus seinen smaragdgrünen Augen folgte dem Marsch der beiden Guerillakämpfer. Er hielt das Ka-Bar-Messer fest in der Hand. Nachdem sie das Internierungslager einen Monat ausspioniert hatten, waren Ryan und sein Squad bereit, für die Gefangenen Vergeltung zu üben.

Ryan Baker war der Captain des Vulture Squads, einer Eliteeinheit der Special Forces, die sich auf die Befreiung von Gefangenenlagern spezialisiert hatte. Mit gerade einmal 28 hatte Ryan schon mitansehen müssen, wie einige seiner besten Freunde von Mörserfeuer zerfetzt, von Minen verstümmelt und von Feuer aus automatischen Gewehren zerrissen worden waren.

Ryans Herz war angefüllt mit einem konzentrierten Hass, der selten durch die harte Schale nach außen drang. Eine Sturmmaske bedeckte sein Gesicht, abgesehen von den Augen. Sein Squad hatte noch nie sein Gesicht gesehen. Sie kannten nur seinen berechnenden, eiskalten Blick.

Der neueste Rekrut des Vulture Squads und Spezialist für Explosivwaffen, Leon Varne, kauerte neben Ryan. Er war ein gutaussehender, junger Mann mit einem kantigen bartstoppeligen Kinn und Augen in der Farbe getupfter blauer Rotkehlcheneier. Sein verwuscheltes braunes Haar war nass und Wasser tropfte ihm daraus in die Augen. Für Ryan war Leon noch nicht ganz Mann und kein Kind mehr. Er war irgendwo dazwischen. Das bedeutete, er musste an der kurzen Leine gehalten werden.

Ryan spürte Leons gespannte Erwartung. Es sah aus dem Augenwinkel, dass Leons Messer zitterte. Die Späher des Vietcongs waren nahe. Ihre Stimmen waren im Donnergrollen deutlicher zu hören. Leon linste durch die Palmwedel, um besser sehen zu können, aber Ryan hielt ihn mit einem scharfen Blick zurück. Seine zusammengekniffenen Augen vermittelten Leon eine klare Botschaft.

Geduld.

Leon nickte und hockte sich wieder auf die Fersen.

Ryan wandte seine Aufmerksamkeit erneut den beiden Spähern des Vietcongs zu und spannte die Muskeln an. Langsam kroch er zwischen den breiten Bananenblättern und den schlüpfrigen nassen Palmwedeln hindurch auf die beiden Männer zu. Leon folgte dicht dahinter. Am Rand der Lichtung hielt Ryan die Faust hoch, um Leon zu bremsen. Er war nahe genug, um die Naht an den löchrigen Hosen des Guerillakämpfers zu sehen. Ryan sah Leon an und sie hoben die Ka-Bar-Messer.

Beim Peitschenschlag eines Blitzes sprangen sie.

Ryan und Leon schnappten jeweils einen der Männer am Hals und zerrten sie unter das Blattwerk. Sie versenkten die Ka-Bars tief in die Brust der Männer, stachen ihnen ins Herz. Leon verzog das Gesicht, als heißes Blut über seine Hände floss, aber Ryan verzog keine Miene. Sie hielten ihre Opfer, bis diese nicht mehr zuckten, und legten die Leichen vorsichtig im Unterholz ab.

Ryan nahm das CAR-15 Sturmgewehr vom Rücken und kauerte sich am Rand des Waldes hin. Leon brachte die M16 in Anschlag und kniete neben Ryan.

Durch den sintflutartigen Regen konnten sie nicht viel vom Internierungslager erkennen. Es war eine mondlose Nacht. Der Nebel war fast mit Händen zu greifen. Trübe Laternen flackerten aus den heruntergekommenen Bambushütten auf der Lichtung. Ryan musste die Augen zusammenkneifen, bis er die hölzernen Wände des Gefangenenverschlags und den Wachturm dahinter ausmachen konnte.

Eine Gestalt war im Regen auf der Plattform des Turms mal zu sehen und dann wieder nicht. Das Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs glitzerte silbern in den Händen der Gestalt. Ryan starrte Löcher durch den Kopf des Snipers.

Nur eine Sekunde …

Blitze erhellten das Camp und der widerhallende Donner übertönte einen Gewehrschuss. Im flackernden Licht sah Ryan einen blutroten Nebel, der aus dem Hinterkopf des Snipers spritzte. Das Gewehr flog dem Mann aus den Händen und er stürzte rückwärts über das Geländer in den Käfig darunter. Logan Stovall, der Scharfschütze des Vulture Squad, hatte zugeschlagen. Das war das Signal. Der Rest des Squads würde sich in Bewegung setzen. Bereit zu töten.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Camps kicherte Eli Taylor, als er bemerkte, wie der Körper des Snipers über das Geländer stürzte. Der Regen floss über die Schrapnellnarben auf seinen Wangen. Er hatte das Gesicht eines Boxers. Eine krumme Nase, Blumenkohlohren, eingedrückte Wangenknochen und Augen, die zu schnell mal hierhin, mal dorthin blickten. Der Slogan der Marines, Semper Fi, war in schwarzer breiter Blockschrift über seinen pockennarbigen Helm geschrieben.

Eine Strichliste war in die abblätternde Farbe von Elis Ithaca-Schrotflinte geritzt. Jeder Strich ein Kill. Die Hälfte des Lacks der Schrotflinte war über die letzten zwei Jahre weggekratzt worden. Eli nahm einen kleinen Schluck Bourbon aus einem Flachmann und ließ ihn zurück in die Weste gleiten.

Charlie Miller gab Eli einen Klaps hinten auf den Helm.

»Glaub nicht, dass ich das nicht gesehen habe, Eli«, sagte Miller. »Steck den Scheiß weg, Mann. Wir müssen uns in Bewegung setzen.«

Eli war ein Hinterwäldler aus den Appalachen. Er stammte aus Kentucky. Miller aus der Bronx. Sie waren im Feuergefecht von Hue City, einem der intensivsten Konflikte in Vietnam während der Tet-Offensive, zu Brüdern zusammengeschmiedet worden.

Millers rostrotes Haar war zu einer makellosen Topffrisur geschnitten. Er hatte grobe Gesichtszüge und nur zwei oder drei Narben in seinem jungen Gesicht. Der Rosenkranz seiner Großmutter mit den Rubinperlen war fest um die Scheide seines Ka-Bar-Messers am Gürtel gewunden. Er sagte oft, solange er sein Ka-Bar hatte, konnte er alles überleben.

»Komm schon«, zischte Miller. »Dann mal los!«

Eli und Miller sprangen auf die Füße und rannten in den Nebel. Eli vornweg mit der Ithaca-Schrotflinte, während Miller mit der M16 die Umgebung im Visier behielt.

Donner dröhnte durch das Camp. Sie rannten blindlings durch den Regen. Vor ihnen lag ein Bambusunterstand, der aus dem Dunkeln aufgetaucht war. Das Leuchten eines Lagerfeuers flackerte durch die Ritzen der Hütte. Eli ließ sich auf die Knie fallen und rutschte durch den Schlamm bis zum Rand des primitiven Verschlags.

Miller kniete sich neben Eli und lugte um den Rand der Hütte. Der schnell gesprochene Dialekt der vietnamesischen Männer im Inneren wurde durch das verrottende Holz gedämpft, das den Eingang verschloss. Sie hörten das Knistern der Flammen und Knacken des Holzes. Der Geruch von Feuer und gebratenem Fisch war kräftig.

Miller gab Eli einen Klaps auf die Schulter. Eli keuchte. Der Alkohol in seinem Atem erhitzte die feuchte Luft beim Einatmen.

Eli schlug die Tür mit dem Griff der Ithaca ein, drehte sie sofort wieder um und richtete sie auf das erste Augenpaar, das er sah. Er zog den Abzug und der Mann, der sich ums Feuer gekümmert hatte, wurde in die Arme eines anderen geschleudert. Der zweite Mann taumelte zurück, geborstener Schädel spritzte über seine Brust.

»Charlie, auf drei Uhr!«

Eli duckte sich, als Kugeln über seinem Kopf die Luft zerrissen. Ein dritter Mann stand rechts von ihm, die AK-47 erhoben. Miller rotierte im Eingang um die eigene Achse und schoss dem Mann ins Gesicht. Der Kiefer des Guerillakämpfers wurde nach innen gedrückt. Der zweite Soldat schrie vor Panik.

Eli richtete die Ithaca auf den schreienden Mann und betätigte den Abzug, stanzte ein Loch durch das Brustbein des Mannes. Er knallte gegen die Wand und sank zu Boden, über dem Kopf ein verschmierter roter Heiligenschein.

Das Feuer zischte und züngelte Miller und Eli an. Sie durchsuchten rasch die Leichen nach Schlüsseln für das Gefangenengatter. Als sie keinen finden konnten, traten sie wieder hinaus in den Sturm und sprinteten zur nächsten Hütte.

Eisiger Regen traf Elis Genick wie Nadeln. Er nahm einen Schluck aus dem Flachmann, um sich zu wärmen und für den nächsten Adrenalinstoß vorzubereiten. Miller landete einen Klaps hinten auf Elis Helm. Eli verschluckte sich, sah Miller böse an und steckte den Flachmann weg.

Miller nickte in Richtung der offenen Tür. Goldfarbener Lichtschein einer elektrischen Lampe schien auf den Schlamm. Ein Hinweis auf einen höherrangigen Offizier. Mehrere Männer lachten auf der anderen Seite der Wand. Eli hüpfte auf den Fersen auf und ab, ließ den Alkohol seine Wirkung tun und ihn lockerer machen. Er trat in den Eingang.

Fünf Männer saßen um einen Kartentisch. Der erste Mann, den Eli im Visier hatte, bekam eine Kugel durch die Schläfe gejagt. Knochensplitter durchbohrten das Gesicht des Mannes, der neben ihm saß. Sie japsten alle erschrocken und stieben auseinander. Einige griffen nach ihren an der Wand lehnenden Gewehren.

Eli repetierte die Ithaca, duckte sich und schoss einem anderen Mann zwischen die Schulterblätter. Der Mann schrie und ein dicker Blutschwall ergoss sich über seine Lippen. Das Donnern der Ithaca-Schrotflinte war in der kleinen Hütte ohrenbetäubend.

Miller hastete an Eli vorbei und feuerte schnell mehrmals auf die auseinanderstiebenden Männer. Seine Schüsse bohrten sich durch Schädel, durchdrangen Brustbeine, durchtrennten Wirbelsäulen und durchschnitten Kehlen. Der letzte Mann, der noch schrie, wurde mit einem Schuss in die Schläfe zum Schweigen gebracht. Seine Schreie wurden zu einem erstickten Gurgeln. Millers Blick hatte sich angesichts des Gemetzels verhärtet. Eli schluckte trocken.

Als sich Stille über den Raum legte, begaben sich Eli und Miller auf Hände und Knie und durchsuchten die Taschen der Leichen. Eli richtete den Blick zu Boden, als er den warmen, nassen Stoff der zerfetzten Hose einer Leiche durchsuchte. Er spürte die kalten Bronzeschlüssel unter den Fingern und sagte: »Hab sie gefunden!«

Miller sagte kein Wort. Er zog Eli am Kragen.

Ein Guerillakämpfer betrachtete sie aus dem Eingang, die AK-47 erhoben.

Sie starrten ihn an. Eli spuckte dem Mann etwas Kautabaksaft vor die Füße.

»Mach schon, Xavier«, sagte Eli. »Und keine Riesensauerei.«

Xavier ließ die Machete mit einem Schmatzen nach unten sausen. Heißes Blut spritzte über den Boden und der Vietcong kollabierte vor Eli und Miller.

Xavier Wise, der Sanitäter des Vulture Squads, wischte das Blut von der Machete. Er hatte einen dichten schwarzen Bart und eine zottelige Mähne rabenschwarzen Haars. Seine Augen waren braun und er hatte Krähenfüße, die sein wahres Alter verschleierten.

Xavier war Ryans zweiter Mann in der Befehlskette, der ausgeglichenste und ruhigste Mann im Squad. Er war Jäger aus Maine, ein Meisterspurenleser mit dem Herzen eines Kriegers. Er steckte die Machete weg und nahm die M16 in die Hand.

»Versucht, beim nächsten Mal nicht so viel Lärm zu machen«, sagte Xavier. Seine Stimme war leise und floss dahin wie ein Strom. »Ich habe Napalmabwürfe gehört, die leiser waren als ihr beide.«

»Ja, na ja, du weißt ja, wie gern ich sie zum Schreien bringe«, erwiderte Eli. »Frag mal deine Schwester.«

»Hey, Achtung«, sagte Xavier und bewegte den Zeigefinger hin und her. »Habt ihr die Schlüssel?«

Eli klimperte damit vor Xaviers Nase herum. Miller schnappte sie aus seiner Hand und ging hinaus in den Sturm.

»Also los«, sagte Miller über die Schulter hinweg. »Wir können ja Ryan und Leon nicht den ganzen Spaß allein überlassen.«

Drei hölzerne Pfosten standen in der Mitte der Lichtung am Tor zum Gefangenenverschlag. Ein schmutzig-schwarzer Aschehaufen glomm unter einem löchrigen Strohdach hinter den Holzpfosten vor sich hin. Das Dach bedeckte eine improvisierte Küche. Gerupfte Enten und gehäutete Affen hingen kopfüber an Sparren. Munitionskisten dienten als Stühle. Der Regen hatte alles durchweicht.

Ryan kniff die Augen zusammen, um sie vor den beißenden Regentropfen zu schützen. Ein ausgezehrter menschlicher Leib hing an jedem einzelnen Holzpfosten in der Mitte der Lichtung. Leon schluckte trocken hinter ihm.

»Verdammt«, murmelte Leon.

Ryan hielt die Hand hoch, um Leon zum Schweigen zu bringen, während er sich dem ersten Pfosten näherte. Ein Mann war mit den Fuß- und Handgelenken an den Pfosten gefesselt. Die Gestalt war nackt, zum Skelett abgemagert und blass. Ryan sah schwärende Wunden und Insektenbisse, die sich leuchtend rot von der Haut des Mannes abhoben. Seine Rippen waren schwarz von Blutergüssen.

Ryan stand vor dem Mann und legte eine Hand auf seinen Hals, um nach einem Puls zu fühlten. Als er die Augen des Mannes sah, nahm er die Hand weg.

Die Augenhöhlen des Mannes wimmelten von unzähligen Maden.

Ryan nahm die Erkennungsmarken des Mannes und überprüfte die beiden Körper, die an den anderen beiden Pfosten hingen. Sie waren in verschiedenen Stadien der Verwesung, also nahm er auch ihre Erkennungsmarken und ging zurück zu Leon. In Ryans Herzen brannte ein Feuer und das erhielt gerade frische Nahrung. Er nahm die Erkennungsmarken fest in die Hand und steckte sie dann in die Tasche.

Leon sah die eiskalte Brutalität in Ryans Augen.

»Was hast du gesehen?«

»Genug«, grunzte Ryan und ging barsch an Leon vorbei auf die Tür des Käfigs zu. Er war fünf Meter hoch, aus gefällten Bäumen gebaut und mit rostigem Stacheldraht bewehrt. Ryan warf einen Blick über die Schulter.

»Die anderen sollten jede Sekunde da sein«, sagte Ryan.

Ryan hörte das Donnern von Elis Schrotflinte und zuckte zusammen. Ein Loch war in das Strohdach einer der Bambushütten auf der anderen Seite der Lichtung geschossen worden. Eli schwang die Beine hindurch und hüpfte hinaus, Miller und Xavier im Schlepptau. Sie rannten über die Lichtung auf Ryan und Leon zu, ihre Gewehre schwangen hin und her.

»Habt ihr Spaß?«, fragte Miller.

»Immer doch«, erwiderte Ryan trocken. Er streckte die Hand aus. »Schlüssel?«

Miller ließ die Schlüssel in Ryans Hand fallen.

»Wo wir gerade von Schlüsseln reden«, sagte Miller. »Schon was von Gerald und Logan gehört? Haben wir das Okay, um reinzugehen?«

Ryan holte das Headset eines Funkgeräts aus Leons Rucksack und hielt es ans Ohr.

»Golf, Lima, können wir loslegen?«, fragte er.

»Roger, Romeo. Keine Tangos in Sicht«, zischte es aus dem Funkgerät.

»Roger, Golf«, sagte Ryan. Er öffnete das rostige Vorhängeschloss des Tors und zog es auf.

»Behaltet uns im Auge«, sagte Ryan ins Headset. »Wir gehen rein.«

Oben auf einem gezackten Felsen, der über den Baumwipfeln aufragte, beobachteten Gerald Keyes und Logan Stovall den Rest des Squads durch die Zielfernrohre ihrer Scharfschützengewehre. Gerald war der kleinste Mann im Squad mit nur 1,72 Meter, aber er war braun gebrannt wie ein Filmstar mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und einem Lächeln wie glänzende Perlen. Seine kurz geschnittenen Haare waren dunkel und dicht und die Augen ein stechendes Blau.

Obwohl er ein Meister darin war, sich lautlos zu bewegen, war Gerald das fröhlichste und gesprächigste Mitglied des Vulture Squads. Er war das genaue Gegenteil seines besten Freundes und Sniper-Partners Logan.

Logan Stovall, der Scharfschütze des Vulture Squads, war ein hagerer und grimmiger junger Mann, der für seine 24 Jahre eher aussah, als ginge er auf Mitte 50 zu. Seine Haut war rau wie die Rinde einer Eiche und die Augen härter als Granit. Er sprach stets mit einer Stimme, die wie heiseres Flüstern klang, als würde man Sandpapier aneinanderreiben.

Niemand wusste so viel über Logan wie Gerald. Gerald war der Einzige, mit dem sich Logan unterhielt. Mit den anderen Mitgliedern des Teams wechselte Logan kaum ein Wort. Sie hatten mehrere Jahre zusammen bei den Marine Scout Snipers gedient, bevor sie fürs Vulture Squad rekrutiert wurden, und ihre Freundschaft wurde durch ein finsteres Geheimnis gefestigt.

»Victor-Charlie kommt aus Richtung elf Uhr und zwei Uhr«, flüsterte Gerald.

Logan zielte mit dem M40-Scharfschützengewehr auf die rechte Ecke des Internierungslagers und sah eine Gruppe von vier Guerillakämpfern, die aus dem Dschungel kamen. Sie liefen mit hängenden Schultern, Waffen auf den Boden gerichtet, Köpfe gesenkt.

Mit einem tiefen Atemzug richtete Logan das Fadenkreuz des Zielfernrohrs wie eine Krone auf die Stirn eines Vietcong. Gerald tat dasselbe mit seiner M14 bei einer zweiten Gruppe von Vietcong, die am linken Eck des Camps auftauchte.

Sie lauschten auf den Regen.

»Feuer frei«, flüsterte Gerald.

Logan wusste, welche Macht seine M40 hatte. Mit einem Druck auf den Abzug konnte er ein menschliches Leben aus seiner sterblichen Hülle reißen. Er konnte kaum das Gesicht des Mannes erkennen, den er im Fadenkreuz hatte, aber er wusste, dass sie nun eine Verbindung hatten, die mächtiger und intimer war als jede andere Beziehung, die Menschen eingehen konnten. Logan hatte die Kontrolle über das Leben des Mannes. Er würde tun, was er tun musste, ungeachtet der Millionen alternativer Lebensentwürfe, die der Mann möglicherweise hätte leben können.

Böser Teufel, Teufel Gott töten, Gott böser Gott.

Logan betätigte den Abzug und eine Rose erblühte aus dem Hinterkopf des Mannes. Der andere Vietcong sprang zur Seite, noch bevor die Leiche auf dem Boden aufgekommen war. Logan wusste, diese Flucht war der vergebliche Versuch des Mannes, die Kontrolle über sein eigenes Leben wiederzugewinnen, aber es gab keine Flucht. Nur der Tod brachte Entkommen.

Verfluchter, elender, mieser Abschaum.

Logan grummelte. Er änderte die Position der Waffe und zielte auf den fliehenden Guerillakämpfer. Mit einem Zucken seines Fingers amputierte er dem Mann ein Bein und verdonnerte ihn zu einem Leben als Krüppel. Mit einem zweiten Druck befreite Logan den Mann von einem Leben des Leidens. So dachte er darüber.

Logan fand Frieden im Krieg. Er dissoziierte sich, handelte wie jemand, der die Dinge von außen steuerte, losgelöst vom wahren Schrecken. Er konnte der Schuld nicht entfliehen, die hinterherkam, aber er konnte den Schmerz unterdrücken, während er handelte.

Blasphemie, gotteslästerlicher Bastard, Satansbrut, Drecksack.

»Haltet die Klappe«, zischte Logan.

»Logan?«, sagte Gerald fragend. Er feuerte einen Schuss ab und warf einen Blick zur Seite. »Was sagen sie?«

»Verrückten Scheiß«, flüsterte Logan. »Einfach nur verrückten Scheiß.«

Logan schoss einem dritten fliehenden Mann von hinten durch den Hals. Der Körper rollte durch den Schlamm und Blut spritzte. Der vierte Guerillakämpfer hatte sich hinter den hölzernen Beinen des Wachturms versteckt. Logan konnte warten. Geduld war seine Tugend.

Trotz seiner Raubtierinstinkte als Sniper hegte Logan keinen Hass gegen die Männer, die er getötet hatte. Er tötete nur den boshaften Vietcong. Aber jedes Mal, wenn er einen Mann im Visier seines Gewehres hatte, sah er selten Boshaftigkeit. Nicht viele Männer waren zu mehr in der Lage, als schwache, betende und gottesfürchtige Tiere zu sein, wenn sie darauf warteten, dass der Tod sie davontrug.

Wertloser, verfluchter Mörder, gottverdammtes Monster, gottverdammter, gottloser Heide.

»Stopp«, flüsterte Logan, »bitte, Gott, beende es.«

Der Mann, der sich versteckt hatte, spähte um den Wachturm herum und Logan betätigte den Abzug. Die Augenhöhle des Mannes wurde plötzlich zu einem klaffenden schwarzen Loch, aus dem dicke, rote Flüssigkeit rann. Der Körper erschlaffte an dem hölzernen Bein und Regenwasser strömte über die schlaffe Gestalt. Er blieb aufrecht an dem Pfosten stehen, so lange, wie Logan hinsah. Das schwarze Loch, wo das Auge des Mannes gewesen war, starrte Logan durch das Zielfernrohr an. Die Stimmen flüsterten in seinem Schädel.

Gottloser Heide, gottloser, gottloser, gottloser Heide.

Logan musste sich zwingen, die Waffe zu senken, und hämmerte sie zwischen sich und Gerald auf den Boden. Er lehnte sich zurück, nahm den Helm ab und rieb sich die Schläfen unter dem Kopftuch mit dem Muster der Südstaatenflagge, das er auf dem rasierten Schädel trug. Gerald richtete sich auf und legte einen Arm um Logan.

Logan zuckte, wich aber nicht zurück. Er ließ sich von Gerald umarmen. Er wippte auf den Fersen vor und zurück und flüsterte sich selbst zu.

»Mach dir keine Sorgen, Logan«, sagte Gerald. »Du hast das Richtige getan. Wenn du diese Vietcong nicht getötet hättest … mach dir keine Sorgen darüber, was sie sagen. Es wird alles gut.«

»Ich brauche nur eine Sekunde«, sagte Logan.

Sekunde, Sekunde, Heide.

»Nur eine Sekunde«, wiederholte Logan.

»Nimm dir all die Zeit, die du brauchst«, sagte Gerald. Er holte eine Zigarette aus einer Schachtel Camel und entzündete sie mit einem Streichholz. Nach ein paar Zügen blies er langsam eine Rauchwolke aus, die vom Regen vertrieben wurde. Gerald lauschte dem friedlichen Ambiente des nächtlichen Dschungellebens, während Logan murmelnd Selbstgespräche führte.

Nur Gerald wusste von Logans Schizophrenie.

Das Innere des Verschlags, in dem die Gefangenen waren, bestand aus wenig mehr als einer Grube voll Scheiße und Schlamm. Die Gefangenen wankten wie skelettierte Leichen auf das offene Tor zu, wo Ryan mit der CAR-15 stand. Leon half mit, die Männer zu tragen, die nicht mehr laufen konnten. Xavier untersuchte die Körper der Gefangenen, leistete Erste Hilfe bei denen, denen er sofort helfen konnte, und wies Eli und Miller auf diejenigen hin, die verstorben waren.

Eli und Miller nahmen die toten Männer an den Fußknöcheln und Handgelenken und legten sie in schwarze, lederne Leichensäcke. Sie achteten darauf, sich nicht in die Augen zu sehen, während sie die Aufgabe erledigten.

Ryan ließ ein Seufzen vernehmen, das von ganz tief in ihm zu kommen schien. Er hatte schon unzählige Male solche Lager gesehen, aber es gab einige Details, an die sich ein Mann nie gewöhnen konnte. Ryan war dankbar, dass er seinen Dienst in Vietnam damit verbracht hatte, Kriegsgefangene zu retten, aber sein Herz schien dadurch nicht erfüllter.

Jedes Mal, wenn Ryan zu einem Internierungslager kam, präsentierten sich ihm neue schreckliche Darbietungen der wahren menschlichen Natur. Ryan wurde immer daran erinnert, was in den Schatten des menschlichen Geistes lauerte. Er wünschte sich, er hätte weiter unwissend bleiben können, wozu seine Spezies in der Lage war, aber ihm war klar, man konnte sich vor der Wahrheit nicht verstecken.

Ein riesiger Helikopter für den Truppentransport, ein Seabring, kam durch die Regenwolken und ging in den Sinkflug. Er landete neben dem Camp. Ryan und der Rest des Vulture Squads scheuchten die überlebenden Gefangenen schnell hinein und trugen die Toten hinterher. Gerald und Logan überquerten die Lichtung und halfen ihnen.

Als die Arbeit erledigt war, salutierten die Männer des Vulture Squads dem Seabring und sahen zu, wie er in die Regenwolken aufstieg. Ihr eigener Transporthelikopter, ein Huey-Iroquois, den sie liebevoll »Papa Vulture« nannten, landete an der Stelle, wo vorher der Seabring gestanden hatte.

Ryan riss die Kabinentür auf und winkte das Squad hinein. Die Männer rutschten erschöpft auf ihre Plätze und beachteten einander nicht weiter. Sie waren zufrieden damit, den Regen auf die Fensterscheiben trommeln zu hören.

Ryan zog die Kabinentür zu und Papa Vulture erhob sich ins Gewitter. Windböen trafen auf den Rumpf und warfen sie vor und zurück, wie eine Mücke, die versucht, der Fliegenklatsche zu entkommen. Ryan hatte Mühe, aufrecht stehenzubleiben, und trat ins Cockpit, um mit ihrem persönlichen Piloten Ricardo Alvarez zu reden.

»Wo halten wir als Nächstes?«, fragte Ryan. »Hawaii? Costa Rica?«

Ricardo lachte. Er musste über das Röhren der Rotorblätter hinwegschreien.

»Du weißt schon, dass ihr nie wieder Urlaub machen werdet. Wir fliegen zu einer amerikanischen Basis nördlich der entmilitarisierten Zone. Irgendein Tal am Arsch der Welt, nur endloser Regenwald. Befehl von Jericho.«

Ryan versteifte sich, als der Name Jericho fiel. Ricardo redete weiter, aber Ryan schlüpfte aus dem Cockpit und ließ sich auf einen Fenstersitz neben Leon fallen. Er betastete die Haut unter seiner Maske: Sie war schmerzlich aufgeraut und unrasiert.

»Wer ist Jericho?«, fragte Leon. Er hatte ein Tierlexikon aufgeschlagen auf dem Schoß liegen. Leon steckte immer die Nase in irgendwelche Bücher.

»General Amadeus Jericho«, murmelte Ryan. »Er hat die Befehlsgewalt über alle verdeckten Operationen in Vietnam. Normalerweise arbeitet er mit Special Forces wie den Green Berets oder CIA-Gruppen wie MACV-SOG zusammen. Ich habe erst einmal mit ihm zusammengearbeitet, als ich damals noch ein Frischling beim Vulture Squad war …«

Ryan schüttelte den Kopf und starrte hinaus in die Finsternis, die so schwarz wie Tinte war.

»Ist nicht gut gelaufen«, sagte er.

»Was, glaubst du, will er von uns?«, fragte Leon.

Ryan zupfte an seiner Maske; ein nervöser Tick. Seine Finger waren zittrig und taub. Sterne explodierten hinter seinen Augen. Er spürte Feuer auf dem Gesicht, Schrapnell im Bauch. Er drückte die Wollmaske und starrte nach draußen, ohne etwas zu sehen. Der wummernde Helikopterrotor hörte sich an wie Mörserfeuer, das den Boden erschütterte. Ryans Pupillen weiteten sich.

»Ich weiß es nicht«, sagte Ryan. »Das ist es, was mir Sorge macht.«

Der russische Stützpunkt

In den Tiefen des abgelegenen Tals, in dem Kendrick Anderson und sein Platoon ihr grausames Schicksal erlitten hatten, trottete ein Trupp Vietcong-Guerillakämpfer langsam durch den böigen Sturm. Sie stiegen einen schlammbedeckten Hügel hinauf durch den dichten Wald, kletterten über halb vergrabene Wurzeln von Gummibäumen, die eine natürliche Treppe im Boden gebildet hatten.

Die Vietcong waren wachsam, spähten in die Dunkelheit hinter den niedrig hängenden Lianen. Sie hielten ihre AK-47-Sturmgewehre und Schrotflinten fest in der Hand, während sie hinaufstiegen. Der Anführer der Gruppe, ein Mann namens Con Nhen, nahm einen Zug von einem Joint, der vom Truppenführer mit Opium versetzt worden war. Eine blumig riechende Wolke strömte zwischen seinen dünnen Lippen hervor.

Con Nhen kratzte seinen zauseligen Ziegenbart. Er war ein drahtiger junger Mann mit ausgezehrtem Gesicht und Gliedern, die zu lang für seinen dürren Körper schienen. Er warf sich die AK-47 über die Schulter und sah seine stolpernden Männer durch zusammengekniffene Lider an. Der Pfad wurde zu einer Rutsche aus Schlamm.

Der Trupp kam langsam voran und Con Nhen wusste, der russische General Borodin, den sie treffen sollten, war ein ungeduldiger Mann. Con Nhen kniff die blutunterlaufenen Augen weiter zusammen und warf einen Blick auf den Hauptgrund, wieso sie im Schneckentempo vorankamen.

Am Ende der Prozession war ein junger Mann, nur knapp über 18 Jahre alt. Einige Bissspuren an seiner Wade waren septisch geworden. Bei jedem Schritt quoll Eiter und Blut aus dem Halbkreis an Wunden. Der Junge biss sich auf die Lippe.

»Bitte, Con«, sagte einer der Männer, »wir können ihn tragen.«

»Er ist eine nutzlose Last«, sagte Con Nhen gedehnt. »Ein Köder für Dämonen.«

»Bitte, Sir.« Der Junge keuchte. Er vergrub die Faust im Schlamm, um nicht den Hang hinabzurutschen. Er lehnte sich vor und übergab sich. Das Erbrochene rann ihm die Knie herunter. Der Junge stöhnte und seine Stirn berührte den Schlamm. Er heulte los.

»Wir können von Borodin Medizin bekommen«, sagte ein anderer Mann.

»Ich habe die einzige Medizin, die der Junge braucht«, nuschelte Con Nhen. Er kletterte zu dem Jungen hinab und hielt ihm den Joint an die Lippen. Der Junge presste die Lippen aufeinander, aber Con Nhen zwang den Joint zwischen seine Zähne.

»Er hat ein Kind, Sir«, sagte einer der Guerillakämpfer.

»Dann wird sich wenigstens jemand an ihn erinnern«, schnaubte Con Nhen. Er zog den Abzug seiner AK-47 und ballerte ein Loch in die Stirn des Jungen.

Der Rest der Vietcong sah zu, wie Con Nhen einen Stiefel gegen die Leiche stemmte und sie den Hügel hinab trat. Sie überschlug sich wie eine Lumpenpuppe und klatschte in ein Schlammloch am Ende des Pfades.

Con Nhen nahm den Joint und steckte ihn wieder zwischen die Lippen. Er zog langsam daran.

»Vorwärts«, knurrte er.

Die Guerilleros setzten ihren Marsch den Hang hinauf fort. Als Con Nhen über die Schulter sah, war der Junge schon im Schlamm begraben. Alles, was man noch sehen konnte, war eine einzelne Hand, die nach der Luft zu greifen schien.

Con Nhen empfand nichts angesichts des Verlustes. Es war eine Frage des Überlebens. Man ließ das schwächste Glied in der Kette zurück und konnte seinen Weg weiter fortsetzen als eine stärkere Gruppe. In diesem verfluchten Dschungel war es am besten, nicht durch etwas so Belangloses wie Emotionen belastet zu werden. Con Nhen musste sein Team und die Operation am Laufen halten und am Leben. Er konnte es sich nicht leisten, General Borodin warten zu lassen.

Nach einer weiteren Stunde Wandern erreichten die Guerillakämpfer das Ende des Trampelpfads. Ein gewaltiges, stählernes Doppeltor stand am Boden des Hügels. Eine Betonmauer mit klingenbewehrtem Stacheldraht erstreckte sich von den Seiten des Tors in den Dschungel hinein. Flechten und Moos bedeckten die Mauern um das Gelände in unzähligen Grüntönen und kriechender Efeu bildete ein Dickicht und hing vom Stacheldraht.

Die Stahltüren öffneten sich ächzend in rostigen Angeln und das Geräusch schwerer Maschinen drang aus dem Eingang. Ein paar Soldaten in schwarzen Uniformen und Gasmasken standen am Tor, die Gewehre auf die Guerilleros gerichtet. Con Nhen nickte ihnen knapp zu und ging mit seinen Männern hinein. Die Wachen schlossen schnell die Tore und verriegelten sie mit schweren Schlössern. Con Nhen schulterte das Gewehr und betrachtete das Innere der Anlage.

Dutzende Soldaten rannten über die schlammige freie Fläche, trugen Ausrüstung hin und her, die mit Planen abgedeckt war. Gruppen von Wachsoldaten waren unter dem Blätterdach, das bis über die Mauern das Gelände umrankte, um Feuerstellen versammelt. Hinter den Betonbaracken, in denen die Soldaten schliefen, sah Con Nhen einen Komplex in der Größe eines Flugzeughangars, der aus nackten Stahlträgern und Beton bestand. Con Nhen wusste, dieses Gebäude beherbergte General Borodins Lieblingsprojekt, den Beschleuniger.

Wenn man vom Teufel spricht, dachte Con Nhen.

General Borodin kam bereits mit ausholenden Schritten über das offene Gelände auf Con Nhen zu, seine bewaffneten Leibwächter im Schlepptau. Borodin trug einen kohlschwarzen Trenchcoat, der seinen massigen Körper verbarg, und ein ungepflegter Bart bedeckte sein Gesicht. Er lief mit eingezogenem Kopf durch den Regen und schlug den Kragen hoch gegen die Kälte.

»Gut, dich zu sehen, Kamerad«, rief Borodin über die Geräuschkulisse hinweg. »Komm mit, ich zeige dir, was wir mit eurer Hilfe erreicht haben. Wir sind fast bereit.«

Con Nhen und seine Männer setzten sich in Bewegung, um Borodin zu folgen, aber die russischen Wachen versperrten den Guerillakämpfern schnell den Weg. Borodin sah über die Schulter und lachte.

»Nicht die, Con Nhen. Nur du«, sagte er.

Con Nhen nickte und wies seine Männer an zu warten. Dann folgte er Borodin ins Gebäude am hinteren Rand des Geländes. Das Pladdern des Regens auf Stahl erfüllte das Innere des Gebäudes und russisches Stimmengewirr hallte durch den Raum. Es war dunkel. Funken von Schweißbrennern blitzten überall in der riesigen Halle auf. Mehrere trübe, fluoreszierende Lampen erhellten die Ecken. Das Gebäude wirkte riesig, aber schlicht. Nicht viel mehr als ein gewaltiges Lagerhaus.

»Misha, können wir hier etwas Licht haben?«, rief Borodin.

Brillantweißes Licht strahlte blendend durch das Gebäude. Con Nhen blinzelte, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, und hielt geschockt den Atem an.

Eine Struktur, die zwei Stockwerke hoch war, erfüllte den Großteil des Gebäudes. Es schien sich um einen horizontalen Ring zu handeln, der aus gebürstetem Stahl bestand, mit gläsernen Bullaugen entlang der Flanken. Darauf folgte ein zweiter Ring und beide waren durch ein schräg verlaufendes Stahlrohr verbunden.

Mehrere Stege säumten die Wände über der Maschine und Generatoren waren mit Hunderten Kabeln daran angeschlossen, die sich über den Boden schlängelten. Er hatte noch nie einen so komplexen Apparat gesehen. Er wandte sich an Borodin.

»Ist das der Beschleuniger?«, fragte Con Nhen.

»Ja«, antwortete Borodin. In seinem schwarzen, buschigen Bart versteckte sich ein Lächeln. »Dieser Apparat wird unser Vaterland in ein neues Zeitalter führen. Die gesamte amerikanische Nukleartechnologie wird, verglichen mit diesem Apparat, wie ein primitives Werkzeug wirken.«

Con Nhen reckte den Hals, um die Schweißer zu sehen, die oben auf dem Beschleuniger herumkletterten. »Wie funktioniert er?«, fragte er.

»Ich rechne nicht damit, dass du die Wissenschaft dahinter verstehst«, sagte Borodin. »Es genügt, wenn du weißt, dass er unbegrenzte Energie in jeden Winkel der Sowjetunion liefern wird. Er wird unser Verständnis des Kosmos erweitern und der Entstehung des Universums, so wie wir es verstehen. Das … das ist ein Fenster zum Urknall und dem Ursprung unserer Realität.«

Con Nhen starrte Borodin an und kaute auf dem Joint herum. »Jetzt mal ehrlich«, sagte er. »Was tut das Ding?«

Borodin legte eine fleischige Hand auf Con Nhens Schulter. »Oh, Con Nhen, du Narr«, lachte er. »Wenn ihr vielleicht mal fertig damit seid, euch im Schlamm um eure erbärmlichen Ideologien zu prügeln, werdet ihr verstehen, was ein Mann mit Wissenschaft erreichen kann.«

»Glaub nicht, dass du schon aus dem Schlamm draußen bist, Borodin«, sagte Con Nhen. »Du hast immer noch eine Ideologie, mit der du dich herumprügeln kannst.« Er legte ein Stück kaltes Metall in Borodins Handfläche.

»Was ist …« Borodin betrachtete seine Handfläche mit starrem Blick. Seine Hand begann zu zittern. »Wo hast du das gefunden?«

»Wir haben es eine Meile südlich dieses Komplexes gefunden«, sagte Con Nhen. »Wir haben auch noch andere Sachen entdeckt. Stiefel, Rucksäcke und sogar das hier.«

Con Nhen reichte Borodin eine Landkarte. Borodins Blick huschte über die zahlreichen Linien, die über das Tal gezogen worden waren. Er zitterte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.