10,99 €
Lange bevor Paul Auster mit seinen Romanen international berühmt wurde, veröffentlichte er einen Band mit Gedichten. Es sind dunkle, abgründige Gedichte eines Einsamen, unentwegt auf der Suche nach den letzten Dingen. In ihrem Wechsel von spielerischer Intellektualität und philosophischer Gedankentiefe wirken diese Gedichte «Vom Verschwinden» wie Keimzellen des Auster´schen Romanwerks. Erstmals liegen sie nun in dieser zweisprachigen Ausgabe auch in deutscher Übersetzung vor. Eine echte Entdeckung!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 105
Paul Auster
Vom Verschwinden/Disappearances
Gedichte // Poems
Zweisprachige Ausgabe
Deutsch von Werner Schmitz
«Sie können den Auster aufschlagen, wo Sie wollen, und er ist immer interessant. Ein geistreicher Schriftsteller!»
(Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett)
SPOKES
1970
Roots writhe with the worm – the sift
Of the clock cohabits the sparrow’s heart.
Between branch and spire – the word
Belittles its nest, and the seed, rocked
By simpler confines, will not confess.
Only the egg gravitates.
*
In water – my absence in aridity. A flower.
A flower that defines the air.
In the deepest well, your body is fuse.
*
The bark is not enough. It furls
Redundant shards, will barter
Rock for sap, blood for veering sluice,
While the leaf is pecked, brindled
With air, and how much more, furrowed
Or wrapped, between dog and wolf,
How much longer will it stake
The axe to its gloating advantage?
*
Nothing waters the bole, the stone wastes nothing.
Speech could not cobble the swamp,
And so you dance for a brighter silence.
Light severs wave, sinks, camouflages –
The wind clacks, is bolt.
I name you desert.
*
Wurzeln krümmen sich mit dem Wurm – das Rieseln
Der Uhr bewohnt des Spatzen Herz.
Zwischen Zweig und Turm – schmälert
Das Wort sein Nest, und die Saat, gewiegt
Von schlichteren Grenzen, will nicht gestehen.
Nur das Ei hat Schwerkraft.
*
Im Wasser – meine Abwesenheit bei Dürre. Eine Blume.
Eine Blume, sie verdeutlicht die Luft.
Im tiefsten Brunnen ist dein Leib Zünder.
*
Die Rinde ist nicht genug. Sie schluckt
Scherben in Mengen, tauscht
Fels gegen Saft, Blut gegen Stauwasser,
Und das Laub, scheckig von Luft,
Wird gepickt und, wie oft noch, gefurcht,
Gewickelt, zwischen Hund und Wolf,
Wie lange noch wird sie die Axt
Zu ihrem hämischen Vorteil wagen?
*
Nichts wässert den Baumstamm, der Stein vergeudet nichts.
Sprache kann den Sumpf nicht pflastern,
Und so tanzest du für eine hellere Stille.
Licht zerreißt Wellen, versenkt, verschleiert –
Der Wind knallt, ist Riegel.
Ich nenne dich Wüste.
*
Picks jot the quarry – eroded marks
That could not cipher the message.
The quarrel unleashed its alphabet,
And the stones, girded by abuse,
Have memorized the defeat.
*
Drunk, whiteness hoards its strength,
When you sleep, sun drunk, like a seed
That holds its breath
Beneath the soil. To dream in heat
All heat
That infests the equilibrium
Of a hand, that germinates
The miracle of dryness…
In each place you have left
Wolves are maddened
By the leaves that will not speak.
To die. To welcome red wolves
Scratching at the gates: howling
Page – or you sleep, and the sun
Will never be finished.
It is green where black seeds breathe.
*
Picken skizzieren den Steinbruch – erodierte Zeichen,
unvermögend, die Botschaft zu chiffrieren.
Der Meißel entfesselte sein Alphabet,
Und die Steine, umzingelt von Misshandlung,
Bewahren die Erinnerung an die Niederlage.
*
Trunken hortet Weiß seine Kraft,
Wenn du schläfst, sonnetrunken wie ein Saatkorn,
Das im Boden
Die Luft anhält. Bei Hitze von aller Hitze
Zu träumen,
Die das Gleichgewicht einer Hand
Heimsucht, die das Wunder
Der Dürre keimen lässt…
An jedem Ort, den du verlassen,
Werden Wölfe vom entschlossen stummen Laub
Zur Raserei gebracht.
Sterben. Rote Wölfe begrüßen,
Die an den Toren kratzen: Heulendes
Blatt – oder du schläfst, und die Sonne
Wird niemals fertig.
Es ist grün, wo schwarze Saaten atmen.
*
The flower is red, is perched
Where roots split in the gnarl
Of a tower, sucking in its meager fast,
And retracting the spell
That welds step to word
And ties the tongue to its faults.
The flower will be red
When the first word tears the page,
Will thrive in the ooze, take color,
Of a lesioned beak, when the sparrow
Is bloodied, rind flies from one
Earth into the bell.
*
Between the sparrow and the bird without name:
its prey.
Light escapes through the interval.
*
Each trance pales in the hub, the furtive
Equinox of names: pawl
Thwarting ratchet – jarring skies that orb
This austere commerce with wind.
Lulls mend. But gales nourish
Chance: breath, blooming, while the wheel scores
Its writing into earth. Bound back
To your feet. Eyes tend soil
In the cool of dying suns. The song
Is in the step.
*
Die Blüte ist rot, sie thront
Wo Wurzeln sich spalten, im Knarren
Eines Turms, saugt ihre magere Kost
Und widerruft den Zauber
Der Schritt und Wort verschweißt
Und die Zunge an ihre Fehler kettet.
Die Blüte wird sich röten
Wenn das erste Wort die Seite zerreißt,
Wird gedeihen im Schlamm, die Farbe
Eines verletzten Schnabels annehmen, wenn der Sperling
Blutend von einer Erde
In die Glocke fliegt.
*
Zwischen dem Sperling und dem Vogel ohne Namen:
Die Beute.
Licht entweicht durch den Zwischenraum.
*
Jede Trance verblasst in der Nabe, das heimliche
Äquinoktium der Namen: Pall
Vereitelt Knarre – sie zerreißen die Himmel, die diesen
strengen Handel mit Wind umkreisen.
Flauten heilen. Doch Stürme hegen
Den Zufall: Atem, Blühen, und das Rad kerbt
Seine Schrift in die Erde. Spring wieder
Auf die Füße. Augen pflegen die Scholle
In der Kühle sterbender Sonnen. Das Lied
Ist Schreiten.
*
Embering to the lip
Of nether sky – the undevoured nest-light
Ebbs to sustenance: from the sparrow
To the bird without name, the interval
Is prey – smoke
That softens coals, unlike the sect
Of wings, where you beat, smoke wed
To glow – in the sparrow’s memory
It perfects the sleep of clouds.
*
To see is this other torture, atoned for
In the pain of being seen: the spoken,
The seen, contained in the refusal
To speak, and the seed of a single voice,
Buried in a random stone.
My lies have never belonged to me.
*
Into the hub the shell implodes,
Endures as a pun of loam and rock,
Rising as stick, to invade, to drive
Out the babble that worded its body
To emerge, to wait for future
Blows – city in root, in deed, unsprung, even out
Of the city. Get out. The wheel
Was deception. It cannot turn.
*
Verglimmend am Rand
Des Unterhimmels – das unverzehrte Nestlicht
Schwindet zu Nährkraft: vom Sperling
Zum Vogel ohne Namen, der Zwischenraum
Ist Beute– Rauch,
Der Kohle erweicht, anders als die Sekte
Der Flügel; dort schlägst du; Rauch, vermählt
Mit Glut – im Gedächtnis des Sperlings
Vertieft er den Schlaf der Wolken.
*
Sehen ist diese andere Qual, gesühnt
Im Schmerz, gesehen zu werden: das Gesprochene,
Das Gesehene, enthalten in der Weigerung,
Zu sprechen, und das Saatkorn einer Stimme,
Begraben in einem beliebigen Stein.
Meine Lügen haben mir nie gehört.
*
In die Nabe implodiert die Schale,
Überlebt als Wortspiel aus Lehm und Fels,
Erhebt sich als Stock, einzudringen, auszutreiben
Das Geplapper, das ihren Leib in Worte fasste,
Hervorzukommen, auf künftige Schläge
Zu warten – Stadt im Kern, in der Tat, entbunden, sogar
Aus der Stadt hinaus. Verschwinde. Das Rad
War Trug. Es kann sich nicht drehen.
*
The egg limits renunciation, cannot
Sound in another’s ringing, the least
Hammering, before the wail slits
Its course, and the eye squanders
The subterfuge of a longer lamp.
Lifted into speech, it carries
Its own birth, and if it shatters
Acclaim its fall and contradiction.
Your earth will always be far.
Das Ei umgrenzt Entsagung, kann nicht
im Klang eines anderen klingen, das leiseste
Klopfen, bevor das Wimmern seinen Weg
Zerkeilt und das Auge die Ausflucht
Einer größeren Lampe vergeudet.
In Sprache gehoben, trägt es seine
Eigene Geburt, und wenn es zerbricht,
Begrüße seinen Fall und Widerspruch.
Deine Erde wird immer fern sein.
UNEARTH
1970 — 1972
Along with your ashes, the barely
written ones, obliterating
the ode, the incited roots, the alien
eye – with imbecilic hands, they dragged you
into the city, bound you in
this knot of slang, and gave you
nothing. Your ink has learned
the violence of the wall. Banished,
but always to the heart
of brothering quiet, you cant the stones
of unseen earth, and smooth your place
among the wolves. Each syllable
is the work of sabotage.
Zusammen mit deiner Asche, der kaum
geschriebenen, die Ode verwischend,
die erregten Wurzeln, das fremde
Auge – zerrten sie dich mit imbezilen Händen
in die Stadt, banden dich in
diesen Knoten aus Slang und gaben dir
nichts. Deine Tinte hat die Gewalt
der Mauer gelernt. Verbannt,
doch stets ins Zentrum
brüderlicher Stille, behaust du die Steine
ungesehener Erde und glättest deinen Platz
unter den Wölfen. Jede Silbe
ist ein Sabotageakt.
Flails, the whiteness, the flowers
of the promised land: and all
you hoard, crumbling at the brink
of breath. For a single word
in air we have not breathed, for one
stone, splitting with the famine
inside us – ire,
out of bone’s havoc, by which we kin
the worm. The wall
is your only witness. Barred
from me, but squandering nothing,
you sprawl over each unwritten page,
as though your voice had crawled
from you: and entered the whiteness
of the wail.
Dreschflegel, das Weiß, die Blumen
des gelobten Landes: und alles
was du hortest, zerfällt am Rand
des Atems. Für ein einzelnes Wort
in der Luft, die wir nicht geatmet, für einen
Stein, den der Hunger in uns
sprengt – Zorn
aus Knochentrümmern, mit denen wir uns dem Wurm
verwandt machen. Die Mauer ist
dein einziger Zeuge. Ausgesperrt
von mir, doch nichts vergeudend,
spreizt du dich über jedes ungeschriebene Blatt,
als sei deine Stimme aus dir
hervorgekrochen: und ins Weiß der Klage
eingegangen.
Vatic lips, weaned
of image. The mute one
here, who waits, urn-wise,
in wonder. Curse overbrims
prediction: the glacial rose
bequeaths its thorns to the breath
that labors toward eye
and oblivion.
We have only to ready ourselves.
From the first step, our voice
is in league
with the stones of the field.
Prophetische Lippen, der Bilder
entwöhnt. Der Stumme
hier, der urnenhaft und staunend
wartet. Fluch überschäumt
Prophezeiung: die Gletscherrose
vermacht ihre Dornen dem Atem,
der mühsam nach Blick und
Vergessen strebt.
Wir müssen uns nur bereit machen.
Vom ersten Schritt an ist unsere Stimme
im Bunde
mit den Steinen des Ackers.
Night, as though tasted
within. And of us, each lie
the tongue would know
when it draws back, and sinks
into its poison.
We would sleep, side by side
with such hunger, and from the fruit
we war with, become the name
of what we name. As though a crime, dreamed
by us, could ripen in cold, and fell
these black, roweling trees
that drain the history of stars.
Nacht, wie von innen
gekostet. Und jede unsrer Lügen
erkennt die Zunge,
wenn sie zurückweicht und in
ihr Gift versinkt.
Wir schliefen Seite an Seite
mit solchem Hunger, und wurden von dem Obst,
das wir bekämpfen, zum Namen dessen,
was wir benennen. Als könne ein von uns
geträumtes Verbrechen im Kalten reifen
und jene schwarzen, spornenden Bäume fällen,
die die Geschichte der Sterne ausbluten.
Unquelled
in this flood of earth –
where seeds end
and augur neatness – you will sound
the choral rant
of memory, and go the way
that eyes go. There is no longer
path for you: from the moment
you slit your veins, roots will begin
to recite the massacre
of stones. You will live. You will build
your house here – you will forget
your name. Earth
is the only exile.
Unbezwungen
in dieser Flut aus Erde –
in der Samen enden
und Nähe verheißen – lässt du
das Chorgebrüll
der Erinnerung tönen und den Weg
des Auges gehen. Dein Pfad ist
abgeschnitten: sobald du dir die Adern aufschlitzt, werden
Wurzeln das Massaker
an Steinen rezitieren. Du wirst leben. Du wirst
dein Haus hier bauen – du wirst deinen Namen
vergessen. Die Erde
ist das einzige Exil.
Thistle, drenched by heat,
and the barren word
that prods you – shouted
down to the lodes.
Light would spill here.
It would seep through
the scrawled branch that wrote
such cowering above us.
An if, far from you,
I could feel it breaking
through me, as I walked
north into my body.
Distel, getränkt von Hitze
und dem dürren Wort,
das dich anspornt – hinabgeschrien
zu den Erzadern.
Licht ergoss sich hier.
Und sickerte durch
den gekritzelten Zweig, der solch
Kauern über uns hin schrieb.
Als hätte ich, fern von dir,
spüren können, wie es aus mir
hervorbrach, als ich
nach Norden in meinen Körper ging.
Between these spasms