DIVINE - BLICK INS FEUER - Cheryl Kaye Tardif - E-Book

DIVINE - BLICK INS FEUER E-Book

Cheryl Kaye Tardif

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Beschreibung

CFBI-Agentin Jasmine McLellan und ihr Team sind nicht nur übersinnlich begabt, sondern auch auf der Jagd nach einem Serienbrandstifter, der bereits das Leben von drei Opfern auf dem Gewissen hat. Jasi und ihr Team - der Profiler Ben Roberts und Opfer-Empathin Natassia Prushenko - ermitteln gemeinsam mit Brandon Walsh, dem Leiter der Behörde für Brandstiftung. Ihre aufreibende Jagd nach dem Killer führt sie von Vancouver nach Kelowna, Penticton und Victoria. Während ihrer Ermittlungen stoßen sie auf einige düstere Geheimnisse. Vor allem der grausame Tod des dritten Opfers wirft Fragen auf. Offensichtlich handelt es sich hierbei kaum um ein unschuldiges Opfer. Die Jagd nach dem Mörder spitzt sich zu, als Jasi klar wird, wer dessen nächstes Ziel sein wird. Mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten wagt sie sich in die glühenden Überreste des Anschlagsortes, um den Gedanken des Mörders auf die Spur zu kommen - Gedanken, die von Zerstörung und Rache beherrscht sind. Jasi erkennt, dass der Killer schon auf der Lauer liegt… und zwar ganz in ihrer Nähe. ---------------------------------------------------------- "Einen Thriller, der es schafft, mich an das Sofa zu ketten, muss man einfach weiter empfehlen." [Lesermeinung] "Klasse Auftakt einer übersinnlichen Krimireihe!" [Lesermeinung] "… dann bist du fasziniert, bekommst Angst und legst das Buch niemals aus der Hand - du liest und liest und legst es am Ende mit barbarischem Herzklopfen beiseite" [Lesermeinung] "Dieses fesselnde Buch ist ein echter kanadischer Kriminalroman … Tardif überrascht ihre Leser immer wieder mit unvorhersehbaren Wendungen, bevor sie die Geschichte überzeugend abschließt." [Midwest Book Review]

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Inhalte

Titel

Copyright

Impressum

Widmung

Danksagung

Zitat

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Die Autorin

Leseprobe

Der LUZIFER Verlag

DIVINE

Blick ins Feuer

ein Roman von

Cheryl Kaye Tardif

aus dem Englischen übersetzt von

Lena Schöner

Copyright © 2011 by Imajin Books

All rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

By arrangement with Cheryl Kaye Tardif

Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

Die Autorin ist verantwortlich für alle falschen oder unmöglichen Inhalte.

Impressum

Deutsche Erstausgabe

Originaltitel: DIVINE INTERVENTION

Copyright Gesamtausgabe  © 2015LUZIFER Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Cover: Michael Potrafke
Übersetzung: Lena Schöner

ISBN E-Book: 978-3-95835-092-2

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Buch ist den mutigen, unerschütterlichen Feuerwehrleuten gewidmet, die einen der verheerendsten Brände in British Columbia bekämpften – die Okanagan-Mountain-Waldbrände im Jahr 2003. Diese Männer und Frauen sind Helden für all jene, deren Zuhause zerstört wurde und die alles verloren haben – außer ihrer Hoffnung. Feuerwehrleute setzen ihre Leben tagtäglich für uns aufs Spiel, und wir beten, dass sie stets wachsam und feuerfest bleiben.

Wir danken und verneigen uns vor euch!

Es ist auch meinem Ehemann Marc gewidmet, der für einige Jahre die Freiwillige Feuerwehr in British Columbia unterstützt hat. Ich „brenne“ immer noch für dich! Danke, dass du mich immer so sein lässt, wie ich bin.

Danksagung

Ein besonderes Dankeschön geht an meine gute Freundin Carolyn Shinbine – einer Krankenschwester im University of Alberta Hospital – für ihr medizinisches Fachwissen und ihre klaren Ratschläge.Durch dich wird Jasis Welt erst realistisch.An meine Lektoren Mary, Francine und Marc, dafür, dass ihr die Geschichte kurz und knackig gehalten habt.Ich danke euch vielmals für eure harte Arbeit!Danke auch an Kelly Komm, dass ich mir »Eric Jefferson« ausborgen durfte.Vielleicht brauch ich ihn aber noch mal!UndDanke

Zweifellos ist ein Stück Göttlichkeit in uns,

etwas, das es schon vor den Elementen gab,

und das der Sonne keine Huldigung schuldet.

Sir Thomas Browne

Prolog

Es fing immer mit dem toten Mädchen in ihrem Schrank an.  Nacht für Nacht öffnete die kleine Jasmine die Schranktür und freute sich auf ein paar ordentlich sortierte, hübsche Kleider – ein Kind in ihrem Alter, dessen Körper an einem pinken Springseil über dem Boden baumelte … vollkommen leblos.  Das tote Mädchen hatte langes blondes Haar. Ihre blauen Augen starrten ausdruckslos ins Leere, waren umrahmt von großen schwarzen Schatten. Ein lautloser Schrei war auf ihren weit aufgerissenen Lippen festgefroren. Das pinke Seil lag fest um ihren Hals; eine enge, pinke Halskette des Todes. Man konnte den lila-schwarzen Bluterguss deutlich erkennen.  Noch seltsamer als die Tatsache, dass das Mädchen in Jasmines Kleiderschrank baumelte, war jedoch, dass ihre Haut und ihre Kleidung verbrannt waren.  Entsetzt schrak die kleine Jasmine zurück.  Als der leblose Körper des Mädchens sacht von einer sanften Brise nach vorne geschaukelt wurde, entfuhr Jasmine ein markerschütternder Schrei. Sie rannte die Treppen hinunter und suchte verzweifelt nach ihren Eltern.  »Daddy?«  Ihr Hals war wie zugeschnürt.  »Mommy?«  Dann schrie sie. »Mommy, ich brauche dich! Hilf mir!«  Im Erdgeschoss angekommen war sie umgeben von dunklen Schatten.  Dann sah sie sie.  Rote Augen funkelten bedrohlich am Ende des Flurs.  Jasmine trat zögerlich zurück. Sie wollte rennen, aber ihre Füße gehorchten ihr nicht mehr. Ihr zierlicher Körper begann zu zittern, während die Augen sie weiter verfolgten.  Als sie einen Blick über die Schulter warf, sah sie, wie sich ein Umriss auf sie zubewegte, die Arme apathisch nach ihr ausgestreckt – flehend.  Das Mädchen aus dem Schrank war nicht mehr tot.  Ihre mit Blasen überzogenen Hände griffen nach Jasmine.

Kapitel 1

Montag, 18. Juni 2012

Vancouver, British Columbia, Kanada

Schweißnass schreckte Agent Jasi McLellan aus ihrem Albtraum hoch. Ein durchdringendes Geräusch pochte in ihrem Kopf, den sie benebelt zur Wand neben ihrem Bett drehte.  Eine Wand mit Videobildschirm, eine Vid-Wall, war die neueste Erweiterung ihres Sicherheitssystems. Die Wand war in vier Monitore unterteilt – jeder war auf eine bestimmte Funktion programmiert.    Der Monitor für Nachrichten blinkte grell.    Irgendjemand hatte versucht, sie zu erreichen.    »Nachricht öffnen«, murmelte sie.    Endlich verstummte das Geräusch.   Jasi warf einen Blick auf die Uhr.5:30 Uhr am Morgen, verdammt noch mal.Wer in Gottes Namen würde sie an ihrem freien Tag um diese Uhrzeit bloß anrufen wollen?   Auf dem Monitor leuchteten Worte auf, gefolgt von einer tiefen Stimme mit drängendem Unterton.»Jasi, wir brauchen dich! Ben.«Sie war sofort hellwach.    »Nachricht an Ben.«    Nachdem das System eine Verbindung zu Bens mobilem Datakom-Gerät hergestellt hatte, sagte sie: »Gib mir fünfzehn Minuten. Ende der Nachricht.«   Während sie weiter auf den Bildschirm mit der Nachricht starrte, wurde ihr klar, dass ihrUrlaubjetzt vorbei war. Kurz überlegte sie, was so wichtig sein konnte, dass Ben sich gezwungen sah, ihre Auszeit zu unterbrechen. Eigentlich hatte sie gehofft, sich in den nächsten zwei Tagen endlich etwas ausruhen zu können.   Sie wühlte sich durch ihre verschwitzten Laken, setzte sich auf die Bettkante und griff nach ihrem eigenen Datakom.    Sie öffnete ihren Kalender.   Für heute war ein schwarzesXeingetragen.   »Oh Gott«, stöhnte sie.    Heute war ihr sechsundzwanzigster Geburtstag.    Jasi hasste Geburtstage.    Schwungvoll stieß sie sich von der Bettkante ab und schlug sich in der Dunkelheit den Zeh an ihrer Kommode an. Der stechende Schmerz ließ sie leise fluchend zusammenfahren.    »Badlicht an, Stufe 2!«   IhrHome Security & Environmental Control Systemtauchte den Raum sofort in ein angenehm gedämpftes Licht. An manchen Tagen war sie Ben mehr als dankbar für die Installation von H-SECS in ihrer neuen Wohnung. An anderen Tagen, wenn sie sich mal wieder nicht an ein bestimmtes Kommando oder den Sicherheitscode für ihren Waffenschrank erinnern konnte, bekam Ben natürlich ordentlich was zu hören.   Kopfschüttelnd humpelte Jasi ins direkt angrenzende Badezimmer.     Konnte dieser Tag überhaupt noch schlimmer werden? Vielleicht sollte ich einfach wieder zurück ins Bett … und zwar bis morgen früh.     Schnell setzte sie sich auf den Toilettendeckel und betrachtete ihren pochenden Zeh. Missmutig stand sie auf, lehnte sich an das Waschbecken und begutachtete ihr Spiegelbild.    In diesem Moment holten sie die Erinnerungen an den Albtraum wieder ein.    »Wieso kannst du mich nicht in Ruhe lassen?«, flüsterte sie dem toten, imaginären Mädchen zu.    Jasi spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und runzelte die Stirn, als sie sich mit den Ellenbogen am Waschbecken abstützte und ihre verquollenen grünen Augen bemerkte. Mit den Fingern fuhr sie über eine kleine Narbe an der linken Seite ihres Kinns. Eigentlich war die Narbe kaum sichtbar, aber Jasi wusste, dass sie da war.    Sie riss sich aus ihren Gedanken, warf ihrem Spiegelbild einen letzten mitleidigen Blick zu und steuerte auf die Dusche zu.    »Dusche an, Massage, 40 Grad«, sagte sie laut, während sie ihren Slip und ihr Nachthemd auszog. »Radio an, Lautstärke 7.«    Aus den Deckenlautsprechern ertönte Musik von ihrem Lieblingssender und sie humpelte in die geräumige Duschkabine. Langsam streckte sie die Arme aus und spürte, wie sich ihre Muskeln merklich entspannten. Erleichtert seufzte sie auf, während das dampfende Wasser alle Gedanken an das tote Mädchen den Abfluss hinunterspülte.    Jasi schäumte ihre langen kastanienbraunen Haare gründlich ein und ließ sich den Kopf eine Weile von dem angenehm warmen Wasserstrahl massieren. Sie verzog das Gesicht, während sie versuchte, ihre welligen Locken mit einem groben Kamm zu bändigen. Ihre Haare machten einfach, was sie wollten. Es war nicht das erste Mal, dass Jasi gute Lust hatte, sie einfach abzuschneiden. Aber sie befürchtete, dass sie dann mit einem Afro dastand, und das ging einfach gar nicht. Damit würde sie niemand mehr ernst nehmen.    Plötzlich klingelte ihr Datakom.    Die fünfzehn Minuten waren vorbei.    Leise fluchend spuckte sie die restliche Zahnpasta aus und verfehlte dabei nur knapp den Seifenspender.    »Datakom an!«    »Guten Morgen, Sonnenschein!«, dröhnte eine männliche Stimme. »Hast du uns vermisst?« Benjamin Roberts, ihr Freund und Kollege, wartete gar nicht erst auf ihre Antwort. »Divine hat ein Command Meeting angesetzt. Er lässt ausrichten, dass es ihm sehr um deinen Urlaub leid tut, aber wir brauchen deine Hilfe.«    Die Stimme folgte Jasi ins Schlafzimmer, wo sich das Licht auf Kommando einschaltete.    Sie seufzte laut. »Klar, ich hab heute schließlich auch nichts Besseres zu tun. Zum Beispiel ausschlafen, ins Kino gehen oder mich leidenschaftlich mit einem gutaussehenden Fremden im Bett wälzen.«    Nervös umrundete sie den Kleiderschrank, riss die Tür auf und trat schnell einen Schritt zurück. Man konnte nie wissen, wer oder was sich darin versteckte.    Der Schrank war leer.   »Sag mal, stör ich dichwirklichnicht?«   Sie griff nach ein paar Kleidern und stieß die Tür schnell wieder zu.   »Na,schönwär’s. Was ist denn überhaupt passiert, Ben?«   Schnell schlüpfte sie in ein Paar lässige Jeans und eine leichte Bluse, während sie seine Antwort abwartete.    »Bist du noch in der Dusche, Jasi? Vielleicht solltest du mal die Vid-Wall einschalten.« Sie hörte ihn kichern.    »Ja, klar!«    »Wir haben einen Fall in der Nähe von Kelowna – einen Brand.« Ben war wieder ganz ernst. »Ein Opfer, Dr. Norman Washburn, Arzt im Krankenhaus von Kelowna.«    Jasi runzelte die Stirn und legte sich noch einen Schulterholster an.     Kelowna.     Dort war sie seit Jahren nicht mehr gewesen.    Nicht seit den verheerenden Waldbränden auf dem Okanagan Mountain im Jahr 2003.    Jetzt, neun Jahre später, würde sie zurückkehren. Sie wusste, dass sie hierfür einige Vorkehrungen treffen musste.    »Was hat das denn mit uns zu tun?«    »Tut mir leid, Jasi. Ich weiß, dass du eigentlich gerade frei hast. Aber der Fall ist wirklich heftig. Es gibt eine Verbindung zu einem anderen Brand. Zwei Opfer – eine Mutter und ihr Kind aus Victoria. Der Fall ist ungelöst.«    Lange war kein Laut mehr zu hören.    »Ben?«    Sie hörte ihn leise glucksen. »Übrigens: Alles Gute zum Geburtstag, Jasi.«    »Wo liegt die Verbindung zu dem Arzt in Kelowna?«, fragte sie und ignorierte die Anspielung auf ihren Geburtstag.    Als Ben ihr mitteilte, was die Ermittler am Tatort gefunden hatten, griff Jasi nach ihrer 9-Millimeter-Beretta, überprüfte die Sicherung und steckte sie in das Holster. Sie eilte aus der Wohnung – dicht gefolgt von einem Schatten.

  Ein Taxi brachte sie zu einem abgeschiedenen Gebäude im West End.    Auf dem Dach der scheinbar heruntergekommenen Lagerhalle wartete ein Helikopter. Die Motorengeräusche vermischten sich mit dem Straßenlärm der Umgebung. Vancouver war ständig in Bewegung. Eine Stadt, die niemals schlief.    Mit der Handtasche über der Schulter tippte Jasi ihren Sicherheitscode ein und nannte laut ihren Namen. Seit Neuestem war die Tür zusätzlich durch eine Spracherkennungssoftware gesichert.    Die Tür öffnete sich und sie schlüpfte in die kleine Luftschleuse. Ein Mann in Militärkleidung und mit Bürstenhaarschnitt begrüßte sie. In einer Hand hielt er locker sein Gewehr.    »Hi, Thomas«, winkte sie ihm zu.    Der Waffentechniker war groß und muskulös; sein Gesicht hatte Ähnlichkeit mit einem Pitbull. Als er sie erkannte, schenkte er ihr ein für seine Verhältnisse überaus freundliches Lächeln. »Agent McLellan. Schön, Sie wiederzusehen.«    Jasi holte ihre Beretta aus dem Halfter und legte sie in eine durchsichtige Plastikschale. Die Schale lief über ein Band in ein Loch in der Wand, wo die Pistole durchleuchtet und die Registrierdaten überprüft wurden.    Thomas winkte sie durch.    Über einen kurzen Gang gelangte sie in einen großen Raum voller Computer und technischem Equipment. Sie folgte einem zweiten Wachmann zunächst zu dem Ganzkörper-Scanner, dann dem Metall- und Pulverdetektor und ließ geduldig ihre Fingerabdrücke überprüfen.    Als letztes wartete noch der Netzhaut-Scanner.    »Ich sehe was, was du nicht siehst«, kicherte Vanda, die diensthabende Technikerin, als sie Jasi entdeckte.    »Und zwar jede Menge Augenringe … die zu dem Gesicht einer Sechzigjährigen passen«, brummte Jasi während der Prozedur.    »Also für eine Sechzigjährige haben Sie sich verdammt gut gehalten, junge Dame«, scherzte Vanda und winkte Jasi durch die Kontrolle.    »Ach ja? Also wenn Divine mich das nächste Mal aus dem Urlaub holt, dann stell ich mich einfach tot!«    Jasi ging zur letzten Sicherheitskontrolle. Hier wurde der kleine Tracking-Chip überprüft, der ihr in den Bauchnabel implantiert worden war. Der Chip diente dazu, vermisste Agenten aufzuspüren – und zur Identifikation. Besonders wenn anhand des Körpers keine eindeutige Identifikation mehr möglich war.    Auf der anderen Seite des Kontrolldurchgangs wartete bereits Benjamin Roberts. »Sie haben freies Geleit, oh Königin der Finsternis.« Er machte eine ausholende Bewegung und Jasi bemerkte seine schwarzen Handschuhe.    Thomas schob die Schale mit der Waffe in Bens Richtung. Er runzelte die Stirn. »Weißt du, Jasi, es gibt inzwischen auch etwas bessere Modelle als dieses alte Teil.«    Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, weiß ich. Aber sie hat eben einen sentimentalen Wert.«    Er reichte ihr die Waffe.    »Alles Gute zum Geburtstag, Agent McLellan«, rief Thomas.    Jasi warf Ben einen vernichtenden Blick zu. »Was hast du gemacht? Vielleicht gleich eine Zeitungsannonce geschaltet?«    »Ach was, nur eine kleine Vid-Wall-Übertragung auf der Hastings«, lachte er. »Aua! Nicht immer gleich der Ellenbogen!«    Jasi beobachtete ihren Kollegen mit seinen breiten Schultern und den grauen Augen. Benjamin Roberts war Mitte dreißig. Ein großer eindrucksvoller Mann, der Armani-Anzüge wie eine zweite Haut trug, wodurch sein muskulöser Körper perfekt zur Geltung kam.    »Ein neues Paar?«, fragte sie mit einem Blick zu seinen Handschuhen.    »Das Futter der alten war hinüber.«    Sie versuchte sich vorzustellen, wie anstrengend der Alltag für ihn manchmal sein musste.    Ben war ein Psychometrischer Empath.    Wenn er jemanden berührte, empfing er stoßweise Gedanken oder Gefühle. Die Handschuhe wurden speziell für ihn konstruiert, um ihm einen normalen Alltag zu ermöglichen. Das Innenfutter der Lederhandschuhe blockte seine übernatürliche Begabung. Es war wichtig, ihn nicht allzu vielen Einflüssen auszusetzen, damit er sich genau auf laufende Ermittlungen konzentrieren konnte.    Abgesehen davon war Ben auch ein außergewöhnlicher Kampfsportler und der beste Profiler, den das CFBI zu bieten hatte. Seit über fünfzehn Jahren arbeitete er nun schon für das kanadische Federal Bureau of Investigators, lange bevor es überhaupt als CFBI in der Öffentlichkeit auftrat.    In den späten 1990er-Jahren strebte die kanadische Regierung eine Politik der „offenen Tür“ mit den USA an – und damit auch einen regen Informationsaustausch. Den Anfang machte ein Computerprogramm, auf welches beide Länder Zugriff hatten, um Informationen über sämtliche Verbrecher, Vergewaltiger, Pädophile, Entführer oder Serienmörder mit nur wenigen Mausklicks einsehen zu können.    Das CSIS-Programm sollte Kanadas nationale Sicherheit gewährleisten und internationale Terroraktivitäten überwachen.    2003 wurde das CFBI dann offiziell als kanadisches Gegenstück zu dem neu gegründeten FBI in den USA präsentiert. Letztendlich übernahm das CFBI auch CSIS und vernetzte es mit mehreren Abteilungen. Agents wurden über Ländergrenzen hinweg eingesetzt und wieder abgezogen, eben je nach Bedarf.   Manche Agents hatten übernatürliche Fähigkeiten und wurden Psychic Skills Investigators genannt –PSIs.   Die Öffentlichkeit kam natürlich zu keiner Zeit auf die Idee, dass die Regierung mit übernatürlich begabten Agents arbeitete. Selbst jetzt, im Jahr 2012, blieb diese Tatsache ein gut gehütetes Geheimnis.    »Hey! Jasi! Ben! Hier drüben!«, rief eine Frau.    Jasis zweite Partnerin, Natassia Prushenko, war groß und mit wahnsinnig langen Beinen gesegnet – und mit einem Busen, für den Jasi töten würde. Sie trug ihre kurzen schwarzen Haare als fransigen Stufenschnitt. Ihre saphirblauen Augen funkelten geheimnisvoll. Die beiden hatten sich seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen, doch Jasi bemerkte sofort, dass irgendetwas an ihr anders war. Abgesehen von den kupferfarbenen Strähnchen in ihren pechschwarzen Haaren.    Natassia reichte ihr einen versiegelten braunen Umschlag. Dann gab sie Ben einen ähnlichen Umschlag und salutierte neckisch. »Agent Prushenko meldet sich zum Dienst, Sir.«    »Ach komm, hör schon auf, Natassia«, knurrte Ben und verdrehte seine grauen Augen, bevor er in den Helikopter stieg.   Natassia schmunzelte und setzte sich neben ihn. »Aye, aye,mon capitaine.«   Jasi warf ihr einen neugierigen Blick zu.    Warum grinste Natassia bloß wie ein Honigkuchenpferd?

Als sich Ben nach vorne lehnte, um etwas mit dem Piloten zu besprechen, kniff Jasi ihre Freundin in die Seite.    »Willst du mir mal sagen, was mit dir los ist?«    »Später.«    Jasi zuckte mit den Schultern und widmete sich der Aussicht. Gerade flog der Helikopter unter einer Wolkendecke hindurch. British Columbia verzauberte sie immer wieder aufs Neue mit seiner wunderschönen Landschaft, den üppigen Wäldern und majestätischen, schneebedeckten Gipfeln.    Der Pilot setzte sie sicher auf einem Landeplatz mitten in einem eingezäunten Gelände ab. Hoch oben auf dem Elektrozaun surrten zahlreiche Kameras, die ihre Ankunft genau dokumentierten. In der Mitte der Anlage befanden sich zwei riesige Gebäude, die von einer sterilen Betonfläche umgeben waren. In beiden Häusern gab es einen Empfangsbereich und unzählige Büros.    Die meisten waren leer – jedenfalls sah es so aus.   Offiziell war der Gebäudekomplex eine Forschungseinrichtung namens Enviro-Safe. Für Jasi und ihre Kollegen vom CFBI war es Divine Operations – von den meisten Agents einfachDivine Opsgenannt. Divine Ops an sich war allerdings nicht sichtbar. Es befand sich mehr als fünfzehn Meter tief unter der Erde und erstreckte sich über ein Labyrinth von Tunneln und Bürokomplexen.   »Aha, die Sache ist anscheinendwirklichwichtig«, murmelte Natassia mit dunkel glitzernden Augen, als sie Jasi aus dem Helikopter folgte.   Am Ende der Rollbahn erwartete sie bereits ein ungeduldig wirkender Mann.    »Allerdings«, stimmte Jasi zu. »Irgendein hohes Tier steckt da mit drin. Ich glaube, dieser Brand wird uns noch ganz schön ins Schwitzen bringen. «    Sie stieß Natassia neckisch in die Seite und eilte auf den Gründer von Divine Ops zu.    Matthew Divines Forschungen im Bereich übersinnlicher Phänomene hatten ursprünglich zu dem Aufbau von Kanadas größter PSI-Trainingseinrichtung geführt. Die Regierung hatte das Gebäude einfach als Labor deklariert – zur Erforschung von Umwelteinflüssen auf die Bevölkerung, die Tier- und Pflanzenwelt und das Wetter.    Die Anwohner wussten nichts vom CFBI auf diesem Gelände. Sie hatten keinen blassen Schimmer, dass sich unter ihren Füßen ein Netz von Büroeinheiten vollgepackt mit der allerneusten Computertechnik versteckte. Ihnen war nicht klar, dass es sich bei den Mitarbeitern von Enviro-Safe eigentlich um hochqualifizierte Regierungsangestellte handelte, die auch noch übersinnlich begabt waren.    Sie wussten jedoch, dass Matthew Divine und Enviro-Safe der Region viel Geld einbrachten. Als sich Enviro-Safe ansiedelte, gab es im näheren Umkreis eine kleine Stadt. Ursprünglich hieß sie Mont Blanc, wurde jedoch 2005 umbenannt.

Kapitel 2

Jasi und ihr Team folgten Divine in das Hauptgebäude –Ops One. Mehrere Sicherheits-Scanner dokumentierten die verschiedenen Daten aller Agents, bevor sie zu einem schmalen Gang gelangten. Dieselben Programmierer, dieH-SECSentworfen hatten, waren auch für das Sicherheitssystem von Divine Ops verantwortlich. Seit der Entführung und Ermordung des Premierministers 2008 arbeiteten sie mit Hochdruck an einem undurchdringlichen und praktisch unfehlbaren Sicherheitssystem.  Jasi ließ einen Techniker mit einem mobilen Elektroenzephalographen ihre Gehirnströme auf eventuelle Rückstände paranormaler Aktivität messen. Diese Sicherheitsvorkehrung schützte PSIs vor einer übermäßigen Beanspruchung ihrer Fähigkeiten.   Erleichtert atmete sie auf, als das Gerät grün aufleuchtete. Sie war sauber.   »Willkommen zurück, Agent McLellan«, begrüßte sie Divine schließlich mit einem knappen Nicken. »Hoffentlich konnten Sie sich in Ihrem wohlverdienten Urlaub etwas erholen. Ich entschuldige mich für das frühzeitige Ende. Sind Ihnen die Details des Falls bereits bekannt?«   Jasi hielt den Umschlag hoch. »Ben hat mir gesagt, dass der Mörder etwas zurückgelassen hat… ein Feuerzeug?«  Divine zog sie zur Seite. »EinGemini-Feuerzeug. Dasselbe, das Sie vor zwei Monaten per Post erhalten haben, Agent McLellan. Dieselbe Marke, die bei einem Brand in Victoria letzten Monat gefunden wurde.«  Sie warteten, bis Ben und Natassia alle Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen hatten, und zwängten sich dann zu viert in einen Aufzug. Als sich die Aufzugtüren öffneten, informierte sie eine Computerstimme, dass sie sich jetzt auf dem PSI-Stockwerk befanden, wo sich ein umfangreiches Labyrinth aus Gängen und Arbeitsinseln in dezentem Violett vor ihnen erstreckte.   »Alles Gute, Agent McLellan«, begrüßte sie ein Kollege.   Jasi stieß Ben in die Seite, und zwar kräftig.   Sie schlängelten sich durch ein Labyrinth aus Gängen, vorbei an Agents und Technikern, die gänzlich in ihre Arbeit vertieft waren. Über den besetzten Arbeitsplätzen brannte künstliches Licht; leere Schreibtische lagen in völliger Dunkelheit.   An den Wänden hingen abstrakte Gemälde – ein Versuch, das Höhlenflair hier unten etwas wohnlicher zu gestalten. Auf einem Bild war ein Fenster zu sehen, das sich zu einem Garten hin öffnete. Das Foto daneben zeigte ein Labyrinth aus Holz, in dem sich zwei Ratten verirrt hatten.Wir sind doch alle nur ein Haufen Laborratten, dachte Jasi.Wir leben unter der Erde und rennen jeden Tag durch dieses irrsinnige Labyrinth.Ein Teil von ihr trauerte ihrem Urlaub hinterher. Andererseits waren zwei Wochen künstlicher Normalität in ihrem leeren Apartment in North Vancouver so ziemlich das Höchste, was sie sich selbst abverlangen konnte. Nicht mal ihre Pflanzen hatten es mit ihr ausgehalten. Der letzte Efeu war einen langsamen, grausamen Tod gestorben; die vertrocknete Erde hatte schon lange kein Wasser mehr gesehen.   »Warum haben wir von dem Brand in Victoria nicht schon vor einem Monat erfahren?«, erkundigte sie sich bei Divine.   »Die Polizeibehörde in Victoria ging von einem Einzelfall aus, deswegen hat es uns bisher nicht beschäftigt. Bis es heute Morgen zu dem Feuer in der Nähe von Kelowna kam. Das letzte Opfer ist Dr. Norman Washburn. Er war der Chef der Chirurgie im Kelowna General Hospital. Er ist auch der Vater von Ministerpräsident Allan Baker.«   Daher wehte also der Wind.   Divine führte sie in das Command Office.   Sie nahmen um den Konferenztisch Platz, während Jasi bereits den braunen Umschlag öffnete und aus einem Stapel Bilder eine Aufnahme herauszog.   Ein blonder Mann blickte selbstbewusst in die Kamera.   Premier Allan Baker.   Allan Baker war der bislang jüngste Ministerpräsident einer kanadischen Provinz. Er war zweiunddreißig und galt als Vorbild für viele junge Politiker. Baker war einer der vielversprechendsten Kandidaten für das Amt des kanadischen Premierministers.   Sie reichte Ben das Foto und sah sich das Bild einer Überwachungskamera aus dem letzten Jahr genauer an, auf dem der Ministerpräsident von British Columbia und Dr. Washburn sich offenbar heftig stritten.  Jasi erinnerte sich an die heiklen Schlagzeilen von damals, als herauskam, dass Bakers Mutter von einem prominenten,verheiratetenDoktor geschwängert worden war. Der Skandal hatte Baker fast seine Karriere gekostet. Washburn hatte es seine Ehe gekostet.

Divine legte einen Schalter um, der vor ihm in den Tisch eingelassen war. Die Eichenholztäfelung vor ihnen öffnete sich langsam und ließ eine große Vid-Wall zum Vorschein kommen. Er drückte auf die Fernbedienung und die Aufnahme eines Sees erschien vor Ihnen.   »Dr. Washburns Überreste wurden heute Morgen in der Nähe des Loon Lake gefunden. Loon Lake liegt weniger als eine Stunde außerhalb von Kelowna.«   Er zoomte näher heran, um ihnen die schwelenden Überreste einer Hütte zu zeigen, die früher jemandem als Ferienhaus gedient hatte.   »Wer hat das Feuer gemeldet?«, fragte Jasi.   »Der Notruf ging kurz nach vier Uhr heute Morgen durch einen anonymen Anrufer ein, um den Brand einer Ferienhütte nahe des Sees zu melden. Die Feuerwehr rückte sofort aus, zehn Minuten später war die Polizei von Kelowna vor Ort und sicherte den Tatort.«   Jasi sah Divine eindringlich an. »Wie sicher?«   Divine wechselte zu einer Luftaufnahme, auf der neongelbe Signallichter zu sehen waren, die den Tatort umgaben.   »Die Polizeibehörde garantiert uns, dass der Tatort in keiner Weise kontaminiert worden ist – abgesehen von den Löscharbeiten, versteht sich. Als die Feuerwehr eintraf, hatte sich der Brand fast schon gelegt.«   Ben räusperte sich lautstark. »Das haben wir ja schon öfter gehört. Woher wussten die, dass in dem Haus eine Leiche liegt?«   »Die Polizei hat eine X-Disc verwendet«, erklärte Divine. »Wie Sie alle wissen, haben nur wenige Behörden außerhalb von Vancouver und anderen großen Städten Zugriff auf X-Discs. Und die PSI-Einheit ist die einzige, die mit der Pro-Version arbeitet. Kelowna besitzt einen der ersten Prototypen.«   »Wann ist der ungefähre Todeszeitpunkt?«, fragte Ben.   »Zeitpunkt des Todes etwa zwischen ein und zwei Uhr gestern Nacht.«   Als nächstes zeigte Divine ihnen ein schwarzweißes Foto von Dr. Washburn. Der Mann posierte auf dem Mitarbeiterfoto für das Krankenhaus als wäre es eine schmerzhafte Erfahrung für ihn. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er finster in die Kamera. Sein dünnes weißes Haar sah drahtig und störrisch aus.Genau wie der Mann selbst, dachte Jasi.  Sie hatte Dr. Washburn vor einigen Jahren auf einem Symposium zum Thema Kinderheilkunde kennengelernt. Der Mann hatte keinen guten Eindruck bei ihr hinterlassen. Etwas an ihm konnte sie nicht leiden, wenn sie auch nicht genau wusste, was es war.   Divine wandte sich an Natassia. »Die Forensiker haben Washburn anhand von Gebissabdrücken eindeutig identifiziert. Ich möchte, dass Sie sich den Fall genau ansehen, Agent Prushenko.«   Jasi sah, wie Natassia zustimmend nickte.   »Wir benötigen sämtliche Informationen über das Opfer. Sein Leben, seine Karriere – alles«, sagte Divine.   Jasi rieb sich das Kinn. »Wenn das schon das zweite Feuer des Brandstifters war, wo liegt dann die Verbindung zwischen den Opfern? Was wissen Sie über den Fall in Victoria?«   Divines Datakom klingelte plötzlich.   Er warf einen kurzen Blick auf das Display und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Agent McLellan. Ich habe in einer halben Stunde ein Meeting mit dem Ministerpräsidenten. Sie müssen sich diese Informationen selbst auf Ihren Datakom herunterladen.« Auf dem Weg zur Tür blieb er kurz stehen. »Je früher Sie Ihre Ausrüstung zusammenhaben, desto schneller sind Sie mit Ihrem Team einsatzbereit. Ich möchte, dass Sie sich unverzüglich auf den Weg zum Tatort in Kelowna machen. Allan Baker wird Antworten wollen – und zwar sehr bald.« Divine sah sie fest an. »Beschaffen Sie mir diese Antworten.«   Dann verließ er den Raum.   Jasi schloss ihren Datakom am Ops Hauptrechner an und las die Akte schon einmal laut durch, während der Computer die Datei vollständig herunterlud. »Fall H081A. Zwei Opfer. Charlotte Foreman, dreiundsechzig, und Samantha Davis… vier Jahre alt.«   Das arme Kind.   Mit belegter Stimme las sie weiter. »Zeitpunkt des Todes von Charlotte Foreman ist 21:05 Uhr. Sie wurde im Krankenhaus für tot erklärt. Das Kind starb kurz vorher. Rauchvergiftung.«   »Wer hat angerufen?«, fragte Ben.   »Ein Nachbar. Als die Feuerwehr eintraf, hatte der Regen den Brand bereits weitgehend gelöscht. Die Spuren führten für die Polizei in Victoria allesamt ins Leere. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Bis jetzt.«   Ihre Augen funkelten entschlossen.   »Wir sind also für beide Fälle zuständig, jetzt, da es sich um einen Serienbrandstifter handelt.«

In der nächsten halben Stunde sichtete Jasi die Beweise, inklusive der Aussagen der Brandermittler und der forensischen Berichte zu den beiden Leichen aus Victoria. Viel gab es dazu nicht. Zu dem Van einer Kabelfirma war noch genauer ermittelt worden, doch abgesehen davon hatte niemand in der Nachbarschaft irgendetwas auch nur ansatzweise Verdächtiges gesehen.   »Fangen wir bei Washburn an und arbeiten uns von dort zurück«, schlug Ben vor. »Jasi, ich rufe schon mal in Kelowna an, damit alles für dich bereitsteht.«   Er verschwand den Flur hinunter.   In der Zwischenzeit überflog Natassia die Fotos zu dem Washburn-Mord.   »Hast du etwas entdeckt?«, fragte Jasi und stellte sich neben die dunkelhaarige Frau, um die Bilder besser sehen zu können.   Natassia deutete auf die vergrößerte Aufnahme eines seltsam verformten Plastikklumpens. »Hierfür könnte es mehrere Erklärungen geben. Die X-Disc fand IV-Schläuche, so wie die von einem Infusor aus dem Krankenhaus. Washburn war damit an seinen Sessel gefesselt. Eine Sache ist daran allerdings seltsam. Der Sessel war vollständig in die Liegeposition ausgefahren.«   Jasi nagte an ihrer Unterlippe, während sie überlegte, warum sich jemand die Mühe machen sollte, den Stuhl auszufahren… oder Plastik-Schläuche aus dem Krankenhaus zu verwenden.   Wäre ein Seil nicht praktischer gewesen? Und wie war der Brandstifter an die Schläuche gekommen?   »Bin gleich wieder da, Natassia. Ich muss meine Sachen holen.«  Sie lief einen engen Gang entlang, bis sie an einer Tür mit dem SchildPSI Vorbereitungsraumangelangt war. Sie zog ihren Ausweis durch das Lesegerät und trat ein. An einer Wand befand sich eine Reihe von Schließfächern.  Sie steckte ihren Ausweis in den Kartenschlitz von Schließfach J12.   Der Schrank piepte kurz, bevor er sich öffnete.   Während sie den klobigen, schwarzen Rucksack herauszog, fluchte sie leise über dessen Gewicht. Sie stellte die Tasche auf einen Metalltisch in der Mitte des Raumes und stieß die Schranktür mit dem Absatz zu. Der Reißverschluss des Hauptfachs klemmte. Genervt ruckelte sie so lange daran, bis er sich endlich öffnete. Enthalten waren zwei dünne Taschenlampen, gelbe Nummerntafeln für die Spurensicherung, ein Stück fluoreszierende Kreide und weitere Ausrüstung für den Einsatz vor Ort.  Von einem Regal über den Schließfächern schnappte sie sich die letzte FlascheOxyBlastund verstaute sie in der Tasche. Zufrieden schloss sie den Rucksack und hievte ihn auf ihre Schulter.  Dann ging sie zurück ins Command Office.   »Alles klar, Ladys, dann wollen wir mal los.« Ben hatte soeben den Kopf durch die Tür gesteckt.   »Ladys?«, lachte Natassia. »Jasi, hat Agent Roberts uns gerade Ladys genannt?«   »Also, auf eine von euch beiden trifft diese Beschreibung jedenfalls nicht zu«, knurrte Ben leise.   »Komm schon, Natassia«, prustete Jasi. »Konzentrier dich.«   »Ich bin konzentriert.«   Jasi beobachtete sie und gluckste. Sie musste Natassia Prushenko einfach bewundern. Die Frau war nicht nur wunderschön, sondern strotzte nur so vor Selbstbewusstsein.   Natassia war eine russische Immigrantin. In gewisser Weise kam sie durch ein Tauschgeschäft der russischen Regierung als Gegenleistung für einige Gefallen der PSI-Abteilung zum CFBI. Sie sprach fünf Sprachen und war die beste Opfer-Empathin mit der Jasi jemals zusammengearbeitet hatte.   Und Jasi hatte in den letzten Jahren schon mit einer Menge Empathen gearbeitet.   Natassia war erst vor knapp zwei Monaten zu ihrem Team gestoßen, zum Zeitpunkt der Parlamentsmorde. Jasi hatte aus erster Hand erfahren, was Natassias Fähigkeiten ihrer Partnerin abverlangen konnten. Manchmal absorbierte ein Opfer-Empath die Emotionen des Opfers in einem solchen Ausmaß, dass es fast unmöglich wurde, sich wieder davon zu lösen – wieder in die Realität zurückzukehren.   »Alles Gute, Jasi. So macht ein Geburtstag doch erst richtig Spaß, oder?« Natassia verkniff sich ihr breites Grinsen, als Jasis Kopf zu ihr herumfuhr.   »Okay, der Hubschrauber ist startklar«, meldete sich Ben.   Sie hielten sich die Ohren zu und rannten über das Rollfeld. Die vier Rotorblätter des Ops-Helikopters schnitten dröhnend durch die Luft. Der Lärm war ohrenbetäubend, bis der Pilot jedem einen Kopfhörer reichte.   Wenige Minuten später waren alle an Bord und glitten über die Baumkronen hinweg.   »Wir fliegen zuerst zum Tatort«, sagte Jasi, während sie ihren Datakom in die Steckdose vor ihr steckte.   Natassia nickte. »Okay. Danach werde ich sehen, ob Washburns Überreste mir etwas verraten. Vielleicht haben wir ja Glück. Die Chancen stehen gut, dass Washburn den Täter kannte.«   »Ich besorge mir die Berichte für beide Feuer und mache ein paar Anrufe, um die ersten Vernehmungen klar zu machen«, sagte Ben und zog sich die Handschuhe aus. »Dann fange ich mit meinem Täterprofil an. Was haben wir bis jetzt?«   »Ein krankes Arschloch, das gern Feuer legt«, murmelte Jasi.   »Jep, so viel ist sicher. Hey, kommst du in Kelowna zurecht? Brauchst du irgendetwas außer der üblichen Ausrüstung?«   Sie gab ihm eine kurze Liste. »Nur das hier. Den Rest hab ich dabei.«   Ben überflog die Liste und tippte die Anfrage in seinen Datakom.   Wenige Minuten später leuchtete das Gerät mit einer Antwort auf.   »Es wird alles für dich bereitstehen, Jasi. Geh einfach vor Ort zum Leiter der Behörde für Brandursachenermittlung.«

Kapitel 3

Loon Lake nahe Kelowna, British Columbia

Der Helikopter setzte Jasi und ihr PSI-Team etwa eineinhalb Kilometer von der Brandstelle ab. Sie wurden von schweren grauen Rauchschwaden empfangen. Der Qualm waberte über dem Tatort wie eine durchgeschmorte Heizdecke, eingestellt auf die höchste Stufe. Die lächelnde Sonne brannte auf sie herab, was die Hitze nur noch unerträglicher machte.  Feuerwehrautos parkten an der Seite eines grasbewachsenen Feldes, das von großen Bäumen und dichtem Unterholz umgeben war. Ein überdimensionales Militärzelt in Khaki war in der Mitte des Feldes aufgestellt worden. In der Nähe lagen einige erschöpfte Feuerwehrleute schlafend im Schatten. Verschiedene Einsatzwagen der Polizei standen quer über die Schotterstraße, um die Zufahrt für die Öffentlichkeit zu blockieren.   Ein erschöpfter Polizist mit Ruß im Gesicht schlenderte auf sie zu. »Hi, Ben.«   Ben grinste und stellte den Mann vor. »Das ist Sergeant Eric Jefferson, Polizei von Kelowna.«   »Wie läuft’s denn so, Ben?«, fragte Jefferson nach einer kurzen Vorstellungsrunde. »Übernimmst du den Fall?«   »Eigentlich werde ich übernehmen«, mischte sich Jasi ein.   Ben verzog entschuldigend das Gesicht. »Eric und ich haben zusammen auf dem VPA-Gelände trainiert.«   Die Vancouver Police Academy hatte weltweit einen erstklassigen Ruf für die hervorragende Ausbildung von Polizeibeamten. Die Academy besaß mehrere Hektar Land außerhalb der Stadt. Das raue Terrain war zu einem Trainingsgelände für Schießübungen umgebaut worden, das von CFBI-Agents und Polizisten genutzt wurde. Außerdem gab es ein separates Areal für das Sprengstoffkommando.   »Ein Van wird euch dann abholen«, sagte Jefferson. »Und gleich kommt auch noch jemand mit der Ausrüstung, die ihr bestellt habt.«   »Wo ist der Chief?«, erkundigte sich Jasi.   »Drüben bei den Zelten, glaub ich.«   Jefferson warf einen kurzen Blick über die Schulter zu einem Truck, der in ihre Richtung fuhr. »Eure Ausrüstung ist da.«   Ein Officer Mitte vierzig und in tadelloser Uniform sprang von dem Fahrzeug. Er kniff die Augen zusammen, als er sie alle am Straßenrand entdeckte. Ein Feuerwehrmann in Schutzkleidung, jedoch ohne Helm und Maske, stieg mit einer feuerroten Ausrüstungstasche über der Schulter aus der Beifahrerseite. Er war stämmig gebaut und hatte blonde Haare, die er im Surfer-Look an den Seiten etwas länger trug.   Der Mann erinnerte Jasi an eine Werbung für Steroide.  Als er sie bemerkte, warf er ihr einen vernichtenden Blick zu.Oh oh, dachte sie.Mr. Steroid freut sich aber gar nicht über unseren Besuch.»Detective Randall«, murmelte Jefferson und zeigte auf den Officer. »Er leitet die Ermittlungen für den Victoria-Fall.«  »Erhatsie geleitet«, korrigierte ihn Jasi.  Sie beobachtete, wie Randall und der kräftige Feuerwehrmann auf sie zu stapften. Als die zwei Männer vor ihr standen, streckte sie die Hand aus. »Agent McLellan, CFBI.«   Der Detective fuhr bei ihren Worten zusammen. Dann umklammerte er mit einem festen Händedruck ihre Finger; er wollte, dass sie nachgab.   Jasi drückte fest zurück, bis Randall losließ.  Nachdem sie ihr Team vorgestellt hatte, bemerkte sie, wie Randall und Ben um denAlphamännchen-Status kämpften. Detective Randall verlor. Anspannung lag in der Luft, schwer von männlichem Testosteron. Sie sah, wie Ben sich an Eric Jefferson vorbeischob.  Jasi warf dem Feuerwehrmann einen kurzen Blick zu.  Der Kopf des Mannes war leicht von ihr abgewandt. An der Schulter seiner Jacke flatterte ein blaues Feuerwehrabzeichen lose im Wind.R. J. Scott, KFD – Kelowna Fire Department – hieß es auf dem Abzeichen.  »Haben Sie die Ausrüstung dabei?«, fragte sie ihn und spürte einen Anflug von Schmerz hinter ihren Augen.   Scott warf die rote Tasche auf den Boden, bückte sich und riss den Reißverschluss auf. »Alles da.«  Ihr Kopf fing an zu pochen. Der Rauch drang inzwischen in ihre Poren. Sie griff in ihren schwarzen Rucksack und holte die DoseOxyBlastheraus. Eine halbe Minute lang sog sie gierig an dem Mundstück und spürte, wie der pure Sauerstoff ihre Lungen reinigte.  »Die Sauerstoffmaske ist in der Tasche«, knurrte Scott. Seine Stimme war heiser von all dem eingeatmeten Rauch.   Sie inhalierte rasch einen weiteren Zug. Die linke Gesichtshälfte des Mannes war mit Narben übersät – ein ungleichmäßiges Netz aus feinen Verbrennungen.   »Berufsrisiko«, sagte er achselzuckend als er ihr schockiertes Gesicht bemerkte.   Detective Randall stellte sich zu ihnen. »Bist du hier soweit fertig, Scott?«   »Klar«, knurrte der Feuerwehrmann.   Randall starrte Jasi an und lachte unhöflich. »Ich hab keine Ahnung, wofür die so ‘ne Maske braucht.«   Scott schaute sie finster an. »Ja, genauso nutzlos wie Titten an ‘nem Stier – außer sie stürzt sich gleich in ein echtes Feuer.«   Die Männer grinsten sich an, bemerkten erst dann ihren Blick.  »Detective Randall«, sagte sie ungerührt. »An einem Stier gibt es soeinigeDinge, die vollkommen nutzlos sind.«  Sie ließ ihren Blick langsam an Randalls Gürtel vorbei und weiter nach unten wandern. Er zog eine Grimasse, dann knurrte er etwas Unverständliches.   Sie drehte sich um und griff in die Tasche, um die vertraute dunkelblaue Maske herauszuholen. Das darin eingebaute Filtersystem zog sämtliche Schmutzpartikel aus der Luft und versorgte einen mit reiner sauerstoffreicher Luft. Die Oxy-Maske saß fest auf Nase und Mund.   Sie zog sich die Maske locker über den Kopf und richtete ihren Pferdeschwanz. Mit einem tiefen Atemzug unterdrückte sie das Gefühl von Platzangst.   »Mir geht’s gut«, versicherte sie Natassia, die sie genau beobachtete. »Die Rückstände hier draußen sind heftig.«   Die Oxy-Maske dämpfte ihre Stimme.  »Soschlimm war das Feuer jetzt auch wieder nicht«, schnaubte Scott.  »NichtdiesesFeuer. Das Kelowna-Feuer.«  Der Feuerwehrmann beäugte sie argwöhnisch. »Was? Der Brand ist schon Jahre her.« Seine vernarbte Gesichtshälfte war straff und bewegte sich kaum, wenn er sprach.   »Agent McLellan?«, rief Ben als er mit Sergeant Jefferson im Schlepptau zu ihr herüber eilte. »Ist hier alles in Ordnung?«   »Alles in Ordnung«, versicherte sie ihm.   Sie drehte den Kopf und ihre Augen fixierten Detective Randall. »Stimmt’s?«   Er schenkte ihr ein gefährliches Lächeln. »Wir brauchen Ihre Hilfe nicht. Das Victoria Police Department ist mehr als fähig, diesen –«   Jasi funkelte ihn mit einem eisigen Blick an.  »Das hier ist kein Wettpinkeln, Detective. Das CFBI wurde hinzugezogen, damit gehört der Fall uns. Alle beide. Wenn Sie damit ein Problem haben, dann erzählen Sie dasIhremVorgesetzten.«  Außer sich vor Wut nickte Randall Scott kurz zu, stapfte wütend zu seinem Truck und raste davon. Scott sah ihm nach. Einen Augenblick später verabschiedete er sich mit rauer Stimme und steuerte auf das offene Feld zu. Er gesellte sich zu einer Gruppe Feuerwehrmänner, zeigte in Jasis Richtung und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.   Verrückt.   Unter leisem Fluchen wirbelte sie herum und schaute Eric Jefferson direkt in die Augen.   »Was ist mit Ihnen, Sergeant Jefferson? Haben Sie auch ein Problem mit unserer Anwesenheit?«   Der Polizist lächelte. »Hauptsache, dieser Job wird erledigt, Agent McLellan. Das ist mein Motto. Solange ein Serienbrandstifter frei herumläuft, können wir jede Hilfe gebrauchen.«   »Schade, dass die beiden das nicht auch so sehen«, knurrte Jasi und warf einen finsteren Blick in Scotts Richtung.  Jefferson sah zu den Männern. »Scott ist bloß ein Anfänger mit ‘ner großen Klappe. Randall andererseits, der ist ein Hitzkopf. Den sollte man an die kurze Leine nehmen.« Er nickte in die Richtung, in der Randall verschwunden war. »VorsolchenTypen müssen Sie sich eher in Acht nehmen … und vielleicht noch vor Chief Walsh.«  »Um den Chief kümmere ich mich schon«, murmelte sie. »Sobald ich den Mann gefunden habe.«