Doctor Who - Die dunklen Gezeiten - Michael Moorcock - E-Book

Doctor Who - Die dunklen Gezeiten E-Book

Michael Moorcock

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Terraphilen sind von der Vergangenheit der Erde besessen und widmen sich der Aufgabe, antike Sportveranstaltungen neu aufzuführen. Der Doktor und Amy schließen sich ihnen auf einer Reise nach Miggea an, einem Stern an der äußersten Grenze der Wirklichkeit und Austragungsort für ein Spiel um den legendären Pfeil des Gesetzes. Es erweist sich jedoch schon als schwierig, Miggea überhaupt zu erreichen. Denn die Wirklichkeit fällt auseinander, Schiffe verschwinden, und Kapitän Cornelius und seine Piraten suchen nach leichter Beute. Der Doktor und Amy müssen herausfinden, wer so verzweifelt auf der Jagd nach dem Pfeil des Gesetzes ist, dass er dafür über Leichen geht ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 494

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1 Grün

Kapitel 2 Azurblau

Kapitel 3 Rot

Kapitel 4 Weiß

Kapitel 5 Schwarz

Kapitel 6 Gelb

Kapitel 7 Ein genaues Studium von Fahrplänen

Kapitel 8 Endlich im Äther unterwegs

Erste Pause

Kapitel 9 Der mit den Galaxien tanzt

Kapitel 10 Ein Takt zum Tanz der Musik

Kapitel 11 Antimaterial

Kapitel 12 Der Alte Raumschiff-Shuffle

Kapitel 13 Bingo hat eine ziemlich lange Leitung

Kapitel 14 Alles verändert

Kapitel 15 Luxusklasse

Kapitel 16 Dunkle Kunde: Der Zeit-Tsunami

Kapitel 17 Das Rot und das Schwarz

Kapitel 18 Kapitän Cornelius, der Pirat

Zweite Pause

Kapitel 19 Ein Gespräch in der Kapitänskajüte

Kapitel 20 Schiffe des Glücks

Kapitel 21 Das Turnier der Terraphilen

Kapitel 22 Turnierzeit

Kapitel 23 Die Aufgehende Sonne

Kapitel 24 Die sich füllenden Himmel

Kapitel 25 Doctor Whack

Kapitel 26 Der Pfeil des Gesetzes

Kapitel 27 Flucht ins Zentrum

Kapitel 28 Das wiederhergestellte Multiversum

Danksagung

Über den Autor

Michael Moorcock ist ein Mitglied der Science Fiction Writers Hall of Fame. 1939 in Mitcham, Surrey, geboren, gehört er zu den bedeutendsten und einflussreichsten Science-Fiction- und Fantasy-Schriftstellern. Er wurde vielfach für sein Schaffen mit allen wichtigen Preisen des Genres ausgezeichnet, unter anderem mehrfach für sein Lebenswerk.

Aus dem Englischen von Thomas Schichtel

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

Titel der englischen Originalausgabe: »Doctor Who – The Coming of the Terraphiles«

First published in 2010 by BBC Books. BBC Books is a part of the Penguin Random House Group of Companies

Copyright © Michael and Linda Moorcock 2010 für die Originalausgabe

Doctor Who is a BBC Wales production for BBC One

Executive producers: Steven Moffat and Brian Minchin

BBC, DOCTOR WHO and TARDIS (word marks, logos and devices) are trademarks of the British Broadcasting Corporation and are used under licence. Judoon created by Russell T Davies

Cover design: Lee Binding © Woodlands Books Ltd, 2010

Für die deutschsprachige Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Stefan Bauer; Textredaktion: Dr. Frank Weinreich, Bochum

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5597-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Prolog

Wer immer den Planeten Venedig genannt hat, hat einen guten Namen gewählt. Über die goldene Oberfläche zogen sich eine Million Wasserstraßen, sodass die Welt an einen Reichsapfel erinnerte. Wolken folgten den Kanälen im Lauf der Jahreszeiten und betonten den geometrischen Charakter dadurch eher, als dass sie ihn überdeckt hätten. Venedig war eine reiche und belebte Welt. Mehr Weltraumreisende setzten sich hierhin ab als auf jede andere ihrer ungefähr neun Rivalinnen im Sternensystem Calypso V, zu denen immerhin Ur XVII und die außergewöhnlich schöne Neue Venus gehörten, wo die Kolonisten sich allerdings auch jeder erdenklichen Gefahr aussetzten, um sich ihrer wunderschönen Sehnsuchtslandschaften erfreuen zu können.

Wie alle bewohnten Welten war Venedig eine Sperrzone für die großen Raketen der IGP und die noch gewaltigeren interstellaren Handelsschiffe der Terranischen Flotte, deren Routen sich häufig dem Zugriff von Freibeutern mit ihren weniger auffälligen und manchmal schnelleren Raumschiffen ausgesetzt sahen; von denen manche nach wie vor die zunehmend unberechenbaren Sonnenwinde als Energiequelle nutzten. Der zwölfte intergalaktische Krieg hatte zwar ganze Sonnensysteme zerstört, ließ jedoch nach allgemeiner Übereinkunft die planetaren Beutestücke unangetastet, und Bodenkonflikte auf diesen waren auf den Gebrauch legaler konventioneller Waffen der jeweiligen Region beschränkt. Auf Venedig gehörten dazu Gefechtsbarken von riesigen Ausmaßen, die von gewaltigen Segeln angetrieben wurden, deren Flächen sich in Bruchteilen von Quadratmeilen statt in Quadratmetern bemaßen, sowie schnelle kleine Gondeln, auf denen Ruder ebenso regelmäßig zum Einsatz kamen wie der Wind. Diese Boote huschten wie Käfer die breiten natürlichen Wasserstraßen entlang, und die Ruder hoben und senkten sich dabei wie untergliederte Beine. Aus dem Weltraum betrachtet wirkten sie auf den V–Schirmen wie Lebewesen mit eigenem Bewusstsein und eigenen Absichten. Der Pirat Cornelius hatte solche Gondeln früher sehr erfolgreich für seine Geschäfte genutzt und dabei die Irrungen und Wirrungen des Krieges umfänglich ausgenutzt. Im zurückliegenden halben Jahrhundert hatte er sie jedoch kaum noch eingesetzt.

Auf Venedig hatten nur wenige Landkriege getobt, und auch jetzt gab es nur noch wenige Konflikte irgendwelcher Art. Jeglicher Verkehr fand auf dem Wasserweg statt, und die Kanäle deckten vier Fünftel der Planetenoberfläche ab. Venedig gehörte nicht zu den vielen terrageformten Welten, die von den großen kommerziellen Weltenbauern gestaltet worden waren. Welche Schwerkraft auch immer den Planeten geformt hatte, es war auf natürlichem Wege geschehen. Man hatte schon lange herausgefunden, dass die meisten Himmelskörper ein gewisses Gleichmaß aufweisen, da dieses aus ihrer Geologie heraus geboren wird. Sogar die heulenden, ertragreichen Terrassen von Arcturus-und-Arcturus schuldeten diesem bekannten Phänomen ihre Existenz. Sie wurden von den kommerziellen Terraformer-Familien lediglich ausgenutzt, die für ein planetenhungriges Universum vor allem erdähnliche Welten anlegten.

In seinem langen Epiconeon schrieb Cornelius, der den Spitznamen »der Holländer« trägt:

Auf den Wogen der Sonnenwinde bremst und wendet das Schiff auf der p-Brane, und das ganze Multiversum gehört ihm.

Die sehnsüchtige Leere ruft, so herrlich verdorben,und verschmäht ein Dutzend planetare Avancen.

Diese Gitterkugel aus Silber, Gold und leuchtenden Perlen erhält alle Umkehrungen, und ihr Preis bleibtsowohl drohende Beute als auch gefährliche Versuchung.

Und doch gehören meine Unterstützung und mein Gehirn ganz ihr.

Aus keinem Anlass, weder Drohung noch Verlockung folgend,gebe ich jemals die Position auf, für die ich mich entschieden habe.

Sein Schiff heißt Paine. Die Hand leicht auf dem großen Ruder ruhend, so steht er stolz und sorglos auf der Brücke und ergötzt sich an der Schönheit, über die er gebietet. Sie ist das beste lichtgetriebene Schiff in der gesamten Raumzeit.

Ihre Segel spannen sich unter dem Druck zahlloser Milliarden blinkender Photonen; die Laderäume sind bereits gedrängt voll von der unschätzbaren und exotischen Beute hundert schöner Planeten. Innerhalb ihrer geheimnisvollen Lufthülle, entwickelt aus gestohlener Technik, drängt sich auf den Decks die facettenreiche Besatzung aus Fleisch, Metall und Blüten – rekrutiert aus fast allen intelligenten Kreaturen der Galaxie – und blickt auf eine Welt hinunter, die diese Wesen inzwischen als die eigene erachten.

»Eisenmaske« nennt man den Mann, der eine Pierrotmaske aus Messing im Stil der alten italienischen Komödie trägt. Cornelius der Pirat, der skrupellose Poet, der zuvorkommende Dieb, Kommandant eines gefürchteten und bekannten Schiffs, das man um seinen himmlischen Liebreiz ebenso beneidet wie um die Präzision des Zerstörungsarsenals – dieser Mann winkt mit der Hand und gibt damit das Signal zum Sinkflug. Nur die Unvergessene Lombardei unter ihrem Bukanierkapitän Hong Hunter hätte im freien Weltraum eine Chance gegen die Paine. Wenn die Venezianer ihre Radioteleskope auf sie richten, sobald sie in ihrer oberen Stratosphäre aufgetaucht ist, denken sie erleichtert daran, wie entschieden der Kapitän die Konventionen seines Gewerbes achtet. Die Paine kommt, um offen und ehrlich ihren Tribut einzutreiben, ganz nach den Bestimmungen, die von der gesamten Bruderschaft unterschrieben wurden, nur nicht vom abtrünnigen Cervantes. Cervantes behauptet, das Einzige zu besitzen, was Cornelius begehrt, aber keiner der beiden Piraten ist willens, dieses Etwas zu beschreiben oder auch nur zuzugeben, dass er weiß, worum es sich dabei handelt.

Kapitän Cornelius bleibt sowohl für seine Leute als auch seine Geliebten eine geheimnisvolle Gestalt. Wenn die Leute seine lyrischen Veröffentlichungen studieren, um ihn besser kennenzulernen, so tragen diese Werke nur zu seinem Nimbus bei. Sie sagen über seinen Charakter lediglich aus, dass er Schönheit höher achtet als Stimmungen. Als einsame Gestalt steht er da, kaut auf einem Stück fettigen schwarzen Hundshais und erteilt mit ruhiger Sparsamkeit Befehle. Die Mahlzeiten nimmt er entweder allein oder mit seinem Bootsmann Peet Aviv ein, einer Frau mit fast ebenso viel Distanz zur Mannschaft, der man den gleichen Respekt entgegenbringt wie ihm. Niemand hier kann behaupten, dass er seinen Kapitän oder Bootsmann gut leiden kann, aber man gehorcht beiden mit mehr Vertrauen als jedem anderen Kommandeur, und diese Loyalität findet ihren Lohn. Sobald die Paine ihre lange Tour gewaltsamer Abenteuer abgeschlossen haben wird, verfügt jedes Besatzungsmitglied über ein ausreichend großes Vermögen, um Präsidenten und Könige zu kaufen. Cornelius jedoch, da sind sich die Leute gewiss, wird noch nicht gefunden haben, was oder wen er sucht. Die meisten sagen, es wäre eine Frau, vermutlich seine verschwundene Gattin. Andere sagen, er jage einem Artefakt nach, das einst einem Gott als Spielzeug diente.

Cornelius erteilt den Befehl. Die Ebenholzboote lösen sich vom Mutterschiff und segeln durch leuchtende, von der Sonne gefärbte Wolken in die Tiefe, um den Morgen Venedigs mit ihrer ganzen traurigen, überragenden Würde zu erfüllen.

Die von einhundert Planeten und aus einem Dutzend Raumzeitkontinua stammenden Piraten sind schließlich da. Nur wenige derer, die ihre Ankunft von Bootsdecks und Treidelpfaden aus verfolgen, verweigern der Macht dieser Leute die Anerkennung. Manche fallen gar auf die Knie und senken angesichts des Unausweichlichen die Köpfe, wie Bauern einem Feudalherrn huldigen.

Als es Abend wird, ist Cornelius mitten unter ihnen, lässt den rivalisierenden Gruppierungen des Planeten seine förmlichen Grüße überbringen und erklärt ihnen Kanal für Kanal, wie viel und in welcher Form sie zahlen müssen: sei es ein Barren Coronium, seien es Platinbarren, Versorgungsgüter oder neue Mannschaftsangehörige. (Diesen einen Barren Coronium fordert er jedes Mal. Dabei weiß er doch sicher, dass nicht so viel Coronium existiert?) Sein Preis ist hoch, aber der Preis für Widerstand wäre höher.

Als die Barken schließlich voll sind und sich im Zentralbecken versammeln, das man Grande Bayou nennt, wird sorgsam Inventur gemacht und die Quittungen ausgestellt. Dann beginnt die Rekrutierung, um Mannschaftspositionen neu zu besetzen, deren Inhaber im Kampf gefallen oder in den Ruhestand gegangen sind.

Peet Aviv, die den Spitznamen »die Heuschrecke« trägt, steht auf ihren eleganten Prothesen, fertigt Notizen an und gibt ruhig Befehle weiter. Cornelius – das Gesicht unter der schlichten geätzten Maske versteckt, die er in der Öffentlichkeit immer trägt – sitzt derweil neben ihr am Tisch und hält den Blick der leuchtenden melancholischen Augen in die Ferne gerichtet. Er blickt in Richtung der Saint-Marx-Insel, wo er, wie es heißt, einmal einer Novizin den Hof gemacht und sie dann an den einzigen Feind verloren hat, dessen Überlegenheit er jemals anerkannte und den er Gott nennt.

Ein Bürger unternimmt einen eiligen Versuch, seine Willfährigkeit zu demonstrieren und dem Kapitän unter vier Augen ein Wunderding vorzuführen. Er geht als reicher Mann, vielleicht aber auch als Gezeichneter. Kapitän Cornelius runzelt die Stirn, steckt sich das, was eine simple Perlenschnur sein könnte, in die Tasche und klappert damit, während er über eine andere Angelegenheit nachsinnt.

Nach einer Woche legt sich die friedliche Anspannung schließlich; die Piraten haben alle Gebühren eingetrieben, bereiten ihre Abreise vor und die Glocken von Saint Marx läuten. Sie verkünden das Ende der Erhebung der Abgaben. Als Gegenleistung für den entrichteten Preis erhält Venedig für eine weitere Dekade Schutz gewährt. Kapitän Cornelius nickt Peet Aviv zu. In einem Gewirr seidenen Pomps und strahlender Rüstungen werden die Bücher sowohl von den Piraten als auch den Kanalkapitänen abgezeichnet. Dann steigen die Barken himmelwärts und verschwinden zwischen den breiten Wolkenbändern. Wer angestrengt in sein Fernrohr blickt, der sieht die Paine kurz stillstehen, wie sie den Sonnenwind einfängt. Ihre Segel blähen sich, ihre Instrumente leuchten und blinken unter dem Mantel des ewigen Zwielichts auf den Decks. Dann ist auch das Schiff verschwunden, nur eine riesige und flüchtige Nachglut hängt noch in der strahlenden Schwärze des Alls. Die Paine ist zweifellos unterwegs zu ihrer Heimatbasis in der ZwergGalaxie Canis.

Eine Erinnerung an Verlust und Glanz. Als hätte das Multiversum Venedig eine Audienz mit der eigenen stolzen kalten Seele gewährt.

Kapitän Cornelius inspiziert bestimmte Posten des Schatzes. Er sucht nach dem einen sagenhaft wertvollen Barren Coronium. Dann zerbricht er sich den Kopf über seine Daten und Diagramme, bespricht sich mit Peet Aviv und entwickelt ein erstes Verständnis für jene Furcht, die er immer ausgenutzt, aber bis zum heutigen Tag nicht selbst verspürt hat. Denn dunkle Gezeiten laufen durchs Universum; Ströme von solcher Kraft, dass sie ganze Galaxien mit sich zerren und machtvolle Schwerkraftlinien verbreiten, denen selbst das Licht nicht entrinnt. Sie gefährden Kapitän Cornelius’ vertraute Lebensweise; in letzter Konsequenz bedrohen sie jede Form intelligenter Existenz. Werden sie nicht eingeschränkt, so absorbieren sie letztlich die ganze Schöpfung.

Vorläufig aber spannt der Lichtdruck nach wie vor seine Segel, wie der Kapitän immer angenommen hatte, dass er es auf ewig tun würde. Und so kreuzt die Paine weiter in den Sonnenwinden und setzt die lange Suche nach dem einsamen Artefakt fort, das ihrem Herrn vielleicht etwas bringt und sein Leben garantiert. Das Leben seines Schiffs und das Leben des ganzen Universums, das er liebt. Er segelt von den Randwelten ins Innere der Galaxie, trotzt der Schwerkraft des Zentrums, sucht in einem fort. Sucht nach dem einzigen Lebewesen, das er als gleichrangig akzeptiert, das sich ihm vielleicht anschließt oder ihm zumindest hilft und das man schlicht »den Doktor« nennt.

Kapitel 1Grün

Der in seinem knallbunten Gartenstuhl lümmelnde Urquart Banning-Cannon kippte den Panama-Hut nur ein klein wenig tiefer über die Augen und entschied, dass nichts über das Knarren von Eiche auf Weide und den Geruch eines frisch gemähten Rasens ging, um jemandem das Gefühl zu vermitteln, dass auf allen Welten alles in Ordnung war und auch mit dem Universum insgesamt vermutlich nicht allzu viel im Argen lag. Er stieß einen wirklich ansehnlichen, wenngleich ansatzweise vorsichtigen Seufzer der Erleichterung aus. Er fürchtete, Mrs Enola Banning-Cannon könnte wie ein witterndes Reh den Kopf heben und die natürliche Schlussfolgerung ziehen, er wäre nicht ausreichend beschäftigt. Es ist schließlich eine Binsenweisheit im Leben der meisten Ehefrauen, dass ein Mann, wenn er zufrieden ist, sich nicht genug um seine Gattin kümmert. Ein vorsichtiger Blick unter der Hutkrempe hervor beruhigte ihn. Mrs B-Cs ansehnliche Oberweite hob und senkte sich regelmäßig, und etwas, das man als halbwegs weiches damenhaftes Schnarchen bezeichnen konnte, kündete von einem kurzen Ausflug in jene Gefilde des Halbbewusstseins, die sie nach wie vor gern das »Land des Nickens« nannte. Bislang wurde dieser Urlaub, das musste er einräumen, allen Erwartungen auf meisterhafte Art gerecht.

Vor dem glücklichen Paar lief ein Match von Sportsleuten außerordentlich hoher Kompetenz. Es wurde größtenteils von einer Schar Experten verfolgt, die in unregelmäßigen Abständen ein Lob murmelten oder höflichen Beifall für einen besonders gut ausgeführten Zug in einem Spiel spendeten, das den dritten Tag lief und sich einem würdevollen Ende zuneigte. Es handelte sich um einen Sport der Galaxisklasse, für den sich nur die enthusiastischsten Liebhaber begeisterten.

Amy Pond genoss in vollen Zügen, was auch für sie ein bisschen wie Urlaub war. Ihr gefielen der bequeme Glockenhut und das seidige Kleid, und dass sie derzeit sogar den Charleston lernte. Sie hatte die zurückliegende Woche zusammen mit dem Doktor auf PeersTM verbracht, während er ordentlich trainierte. Er sollte als Nächster schießen. Als sie eintraf, um sich das Spiel anzusehen, erwischte sie einen kurzen Eindruck von ihm, wie er unter den übrigen Spielern auf der Veranda des Pavillons stand. Ein gepanzerter Judoon schlenderte die Stufen des Pavillons hinab, schwenkte seinen Whackit und quittierte den hier und dort aufklingenden höflichen Applaus der Zuschauer, während ein sechsgliedriger Hundemann von Chardoné zum anderen Ende trabte, einen Bogen in der Vorderpfote und einen Köcher voller Turnierpfeile auf dem Rücken.

Amy musste zugeben, dass es ihr schwerfiel, sich an die Teilnahme all der Völker der Galaxie an diesem im Grunde britischen Sport zu gewöhnen. Sie freute sich sehr, dass der Doktor genug Einfluss gehabt hatte, um sie mit auf diese Tour zu nehmen. Sie hatte Gefallen an dem bizarren Gemisch aus missverstandener englischer Kultur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts gefunden.

Taten sie das wirklich erst seit ein paar Tagen? Lag es weniger als eine Woche zurück, dass lautes Rauschen sie an Bord der TARDIS geweckt hatte? Eine krächzende Stimme hatte sich einer Sprache bedient, aus der Amy nicht schlau wurde, auf die jedoch der Doktor – oder jemand, der sich wie er anhörte – antwortete:

»Urdel durdel durdel, duroo. Comics. Schnapp, knack und knall. Zisch, wau und flatter. Kreisch, schrei und zwitscher. Zekuniefer. Quäle mir nach. Durchhängende Laster. Ich bin ein …«

Das war keine schöne Geräuschmischung als Begleitmusik, wenn man die verklebten Augen aufschlug.

Als sich Amy schließlich an der TARDIS-Konsole zum Doktor gesellte, hatte sie schon eine Menge Kaffee intus und Müsli gemampft. So war sie besser gewappnet, sich dem Trommelfeuer aus Seh- und Höreindrücken zu stellen, auf das er sich gerade konzentrierte. Er bat sie mit einem Wink um Hilfe. Inzwischen sprach er wieder Englisch oder zumindest etwas, das so ähnlich klang, während er auf den Nouveau-Retro-Steuerungspulten, Schreibmaschinen und Applausometern der TARDIS spielte – wie auf einer Wurlitzer-Orgel –, verzweifelt darauf erpicht, den Eingang der Bild- und Stimmsignale aufrechtzuerhalten, auch wenn sie ihm immer wieder entglitten. Er riss sich das Jackett herunter, schleuderte es auf den Fußboden und krempelte sich die Ärmel hoch, während Amy die Koordinaten konstant hielt.

»Nein!« Der Signalstrom brach schließlich mit einem entsetzlichen Kreischen ab, das sich für Amy anhörte, als käme es aus einer metallenen Kehle. »Hey, Duroo!«, schrie der Doktor und rang mit beiden Händen darum, eine große Saugglocke gedrückt zu halten. »Mach jetzt nicht schlapp! Dor – ic – Tal – Rum – ginnan Tom Mix. Ich empfange dich immer noch nicht richtig. Ging es da um die Farb-Pools?« Das erschreckende Kreischen ertönte aufs Neue und verklang dann langsam wieder. »Nein! Nein! Nein! Nein!« Er blickte zu Amy hinüber. »Ich könnte schwören, dass sie etwas über Tom Mix gesagt haben. Er war ein Stummfilmstar. Kennen Sie ihn?«

»Nie von ihm gehört.«

»Wir wissen, wo sie sind. Jetzt brauchen wir nur noch herauszufinden, wer sie sind.«

Grimmig bemühte er sich eine Zeitlang darum, die Verbindung wiederherzustellen, bis Amy ihm schließlich eine Tasse Tee und ein paar Pop-Tarts brachte. Ungeachtet seiner Proteste zwang sie ihn, sich zu setzen. Das waren doch sicher keine Tränen in seinen Augen?

Soweit sie herausfinden konnte, machte er sich wegen einiger böser Jungs Sorgen, die »General Frank/Freddie Force und seine Antimateriemenschen« hießen und sich auf unsere Seite eines superdichten schwarzen Lochs im Sagittarius vorgewagt hatten. Anscheinend hatten sie sich in ganz ferner Zukunft eine Weile dort aufgehalten, und ihr bösartiger Einfluss breitete sich nun rückwärts Richtung Hier und Jetzt aus.

»Sie leisten ihre altmodische Drecksarbeit«, erklärte der Doktor, »diese Antimateriemenschen. Tauchen aus dem ›Zweiten Äther‹ auf und verschwinden wieder darin. Und ich vermute, dass sie nicht die Einzigen sind.« Er kaute nachdenklich auf seinem Pop-Tart. »Jemand murkst an den üblichen Regeln für Energieflüsse herum. Zeit und Raum sind überall verstreut. Ganz wörtlich, meine ich. Sie werden zunehmend instabil.«

Der Doktor sprang auf, ehe Amy ihm erklären konnte, dass seine Worte für ihre Ohren blanker Unfug waren.

»Ich vermute«, fuhr er fort und zeigte mit anklagendem Finger auf Amy, »dass die alte Freundin des Generals, Peggy Steel – die Unsichtbare Lady Steel –, mit von der Partie ist. Eine ganz schön unappetitliche Bande. Und auch Quelchy führt etwas im Schilde. Man weiß nie, auf welche Seite er sich schlägt. Das sieht nicht gut für uns aus, egal, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.«

Er mampfte erst mal weiter sein Pop-Tart und richtete den besorgten Blick erneut auf die Bildschirme. »Sie müssen doch wissen, dass sie ihr eigenes Leben ebenso riskieren wie das aller anderen. Oder denken sie vielleicht, sie hätten eine Möglichkeit gefunden, einer kosmischen Zerstörung auszuweichen? Bei dem Haufen weiß man nie. Fortwährendes Leben im Augenblick des Todes riskieren – für was? Ewige und körperliche Folter …« Er wedelte abschätzig mit der Hand, und Krümel regneten auf Amy herab.

Er war so aufgedreht, wie sie ihn nur jemals erlebt hatte. Hinter alldem schien er jedoch auch Angst zu haben. Es gefiel ihr nicht, ihn so zu hören.

Natürlich entsprach es nicht seinem Wesen, lange furchtsam zu bleiben.

»Ich denke, ich rufe lieber meine Mails ab«, sagte er einen Augenblick später, pfiff Mister Mailman vor sich hin und rückte sich, ohne damit viel zu bewirken, die Fliege zurecht.

Das war eine solch banale Aussage, dass Amy kaum wusste, wie sie darauf reagieren sollte. »Ihre Mails?« Es fiel ihr schwer, nicht loszulachen. »Ich wusste gar nicht, dass Sie Mails bekommen.«

Er war verlegen und reagierte, indem er sie verspottete. »Warum sollte ich keine Mails bekommen? Es sind schließlich Informationen, und ich verlasse mich auf Informationen.« Er hatte einen alten Laptop aus einer Schublade geholt und murmelte ein Passwort, während er das Gerät mit einer Handkurbel aufzog. Ein verpixeltes Gesicht erschien zur Begrüßung auf dem altmodischen Bildschirm. »Guten Morgen, Doktor. Sie haben etwa zweiundachtzig Millionen neue Mails. Soll ich sie herunterladen?«

»Danke, ja.« Auf dem Bildschirm drängelten sich die Nachrichten, ein Geplapper aus unterschiedlichen Bildern, Stimmen und Sprachen. Grauenhaft! Er beugte sich mit gerunzelter Stirn vor und versuchte sie zu entziffern. Endlich sagte er: »Terraphile, bitte.«

Der Bildschirm stoppte plötzlich, nörgelte vor sich hin, spottete beinahe, dachte Amy, und zeigte widerstrebend eine blinkende lebhafte Website.

Jetzt lag es an Amy, zu grinsen. Sie hörte den Doktor ein weiteres Passwort aussprechen und sah ihm über die Schulter. »Oho, was ist das?«, neckte sie. »Sie sind Mitglied im Club der verzweifelten Esser von Dan Pies? Die haben doch bestimmt gewusst, dass ich für genügend Cow Pies Ihr Geheimnis verraten würde!«

Sie beugte sich über seine tweedbekleidete Schulter, um sich das Display genauer anzusehen. »Verflixt! Die Pangalaktische Legion der Terraphilen? Sie müssen Ihre Beiträge bis zum …«

Sie las weiter und fühlte sich immer fröhlicher, wie so häufig, wenn sie neue Aspekte der komplexen Persönlichkeit des Doktors entdeckte.

»Was ist das?«

»Seid gegrüßt, Miterdenwürmer! Wir haben Nachrichten von den neuesten und großartigsten RENAISSANCE-TURNIEREN!« (Begleitet wurde das vom Bild eines Judoon, eines Kentaur, zweier Frauen, zweier Männer und eines Hundeartigen, alle in helles Grün und grelles Weiß gekleidet.)

Ein Begleitkommentar erläuterte, wer das war, aber Amy verstand kaum ein Wort. Der Doktor schien nicht begeistert davon, dass sie zusah, war aber zu sehr damit beschäftigt, sich Notizen zu machen, als dass er ihr hätte Vorhaltungen machen können.

»DIE TERRAPHILEN SUCHEN DIE ›GEISTERWELTEN‹ AUF! Drei großartige Mannschaften werden im Terraphilen Pangalaktischen interplanetaren Renaissance-Nachspiel-Turnier, das in diesem schrägen Miggea-System im Zentrum der Galaxie stattfindet, um den legendären silbernen Pfeil der Artemis spielen, der von unermesslichem Wert sein soll. Ihr kennt das System. Schauplatz eines Dutzends planetarer Thriller? Sexton Blake auf den Geisterwelten? ›Niemand wagt es, dort länger als ein Jahr und einen Tag lang zu leben…‹ Es heißt, das wäre allen Spielern gegenüber fair. Ein Planet, der dem Zentrum der Galaxie so nahe liegt wie nur was! Offenkundig stellt der Pfeil der Artemis einen lohnenden Preis dar. Außerdem werden der Gewinnermannschaft für die nächsten zweieinhalb Terra-Jahrhunderte alle möglichen geldwerten Vorteile zuteil! Wir halten euch auf dem Laufenden, Miterdenwürmer, während die Mannschaften nach Miggea unterwegs sind – ein Name, der, wie wir gehört haben, von einer alten Erd-Kriegergöttin herrührt. Möchte jemand zusätzliche Einzelheiten melden…? Das Oberringeltier.«

Amy schüttelte inzwischen selbst den Kopf. »Ich kapiere es ja. Es ist eine Site für Erdfreaks. Leute aus der Zukunft, ja? Die sich gern in etwas zurechtmachen, was sie für Kleidung der Menschen halten …« Sie tat so, als prüfte sie kurz die Aufmachung des Doktors, und wandte sich wieder dem Bildschirm zu, der über ihnen einzustürzen drohte. »Sie sind ein… was? Sie geben Fanzines heraus, die …« Sie las vom Bildschirm ab. »… ErdWürmer und Novae Terrae heißen?«

»Es ist nur eine einzelne Organisation«, verteidigte er sich. »Ich bin beigetreten, als ich vor einigen Jahren in der Zukunft war. Ich war einfach nur neugierig.«

Er zeigte sich sehr abwehrend. Sie widmete ihm einen ihrer ganz eigenen Blicke und konnte sich nicht verkneifen, ihn noch ein Stück mehr zu sticheln.

»Ich mache es mir zur Aufgabe, über das auf dem Laufenden zu bleiben, was in der …«

Sie schenkte ihm wieder ein warmherziges Lächeln. »Ein Terraphiler, ja? Das erklärt eine Menge. Sie sind ein echter Fan? Ein Fan meines albernen kleinen Planeten? Deshalb verwenden Sie so viel Zeit darauf, uns vor all diesen Schrecknissen und Invasionen zu retten! Sie tun das, weil wir Ihr Hobby sind! Stimmts? Geben Sie’s zu!«

»Oh nein, das ist nicht der Grund. Versprochen!« Er wurde auf einmal ernst. »Aber was den Rest angeht …« Er zeigte ihr eine leicht selbstironische Armesündermiene. »… das ist noch schlimmer, als Sie denken. Vielleicht … habe ich auf diese Weise anfänglich Interesse an der Erde entwickelt … Der echten Erde, meine ich. Nicht der, die in der Vorstellung dieser Fans existiert hat. Sie leiden an Terraphilie, richtig – aber die beruht auf dem Bild der alten Erde, das die Leute im Jahr 51.007 haben. Ein bisschen wie die Überlegungen der Leute in Ihrer Zeit, wie das altsumerische Ur ausgesehen haben könnte. Oder Atlantis. Oder Barsoom. Nur hatten es die Terraphilen ein bisschen einfacher, denn sie konnten ein paar Bücher konsultieren …« Der Bildschirm verblasste allmählich.

»Was für Bücher?«

»Eine recht gemischte Sammlung. Diese Bücher stellen eine Art Stein von Rosetta für die Akademiker des einundfünfzigtausendsten Jahrhunderts dar. Sämtliche von der Alten Alten Erde übriggebliebenen gedruckten Texte, die man tief verschlossen in einer Naturhöhle in Arctic Skipton gefunden hat. Die Geschichte von Robin Hood ist einer davon. The Boy’s Friend. Thriller Comics. The Captain. Handbuch des Empires für britische Jungen. Captain Justice und das Unterseekanonenboot. Sexton Blake und der Schrecken der Tongs. Manche Leute halten Sexton Blake übrigens für das größte epische Gedicht in welcher Sprache auch immer«, sagte der Doktor in einem Tonfall, demzufolge er vermutlich mit diesen Leuten übereinstimmte. »Dann haben wir da noch eine Sammlung von Zigarettenbildern aus der Zeit zwischen 1919 und 1940. Ich vermute, dass es sich dabei um die Bestände eines Zeitungskiosks im alten Old Yorkshire handelt. Falls dieses Geschäft wie so viele andere auf einem Höhlensystem errichtet worden war, könnte es von einem der gewaltigen Erdbeben verschluckt worden sein, die auf den Kometeneinschlag folgten.« Er sah, was Amy für ein Gesicht machte, und setzte rasch hinzu: »Nun ja, machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wenigstens vorläufig nicht. Aber alle diese Schriften waren von unschätzbarem Wert für das Studium der antiken Erde. Ich habe mich den Terraphilen vor Äonen angeschlossen; es liegt so lange zurück, dass ich mich nicht einmal daran erinnere. Aber ich zahle immer noch meine Beiträge an die LdT. Nicht weniger aus Nostalgie als aus sonst einem Grund.«

»Die LdT?«

»Die Liga der Terraphilen. Sie sind die leidenschaftlichsten Veranstalter historischer Festivals. Die meisten ihrer legendären Sportarten wurden diesen Büchern entnommen.«

»Die sind aber schon ein bisschen britozentrisch, nicht wahr? Gibt es ein solches Wort? Immerhin erklärt es das.«

»Erklärt was?«

»Warum Sie so wenig Interesse am Rest des Planeten zeigen.«

»Gar nicht wahr!«

»Na ja, Sie scheinen auch Amerika zu mögen, aber was, sagen wir mal, China angeht …«

»Ich interessiere mich sehr für China!«

»Ach wirklich?«

»Wirklich. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit für diese Auseinandersetzung.«

»Sie sind ein Time Lord; Sie müssten alle Zeit des Universums haben.«

»Das wäre nett.« Er klang wieder distanziert und abgelenkt, als er sich erneut seinen Hauptinstrumenten und Bildschirmen zuwandte. »Das Datum ist jedoch das Jahr 51.007. Jetzt muss ich das nur noch genauer bestimmen und eine Stelle aussuchen. Ah! Ich weiß …«

»Was?«

»Sie tragen ein Freundschaftsspiel auf einem Planeten der Peers aus. Davon existieren mehrere. PeersTM …« Er sprach das »TM« regelrecht aus. »… ist eine Konzession, die eine Art England erschaffen hat, das niemals existierte. Es ist zum Schreien! Sie würden es lieben. Besser als Disneyland, das verspreche ich. Na ja, jedenfalls anders. Wir könnten dort zu ihnen stoßen. Auf diese Weise werden Frank/Freddie und die Bande nicht bemerken, dass wir ein besonderes Interesse an den Miggeanischen ›Geisterwelten‹ haben, und können uns nicht zuvorkommen.« Er schnalzte nachdenklich mit der Zunge. »Ich werde meine Fertigkeit mit dem Vorschlaghammer auffrischen müssen.«

»Vorschlaghammer?«

»Um die Nuss zu knacken. Das ist eine meiner besten Disziplinen. Ich verabscheue allerdings den Breitschwertkampf.«

Während Amy ihm zusah, wie er neue Koordinaten einstellte, fand sie kaum Gelegenheit, über die Bedeutung seiner Worte nachzudenken. Erst nachdem sie die von ihm einprogrammierten Raum-Zeit-Koordinaten erreicht hatten, fragte sie: »Warum sorgen Sie sich um etwas, das so weit in der Zukunft liegt? Inwieweit ist das für uns von Belang?«

»Nun, wie alles andere, so ist auch die Zukunft relativ. Die Zeit bewegt sich in den verschiedenen Abschnitten der Galaxie mit variabler ›Geschwindigkeit‹. Was im Zentrum unserer Galaxie geschieht, wirkt sich auf die Vergangenheit ebenso aus wie auf die Zukunft. Wie Wellen, die sich rings um einen ins Wasser geworfenen Stein ausbreiten, verstehen Sie?«

»Und diese Wellen sind stark genug, um überall durch Zeit und Raum zu laufen? Sie sind also jetzt für uns gefährlich?«

Er war ehrlich zu ihr. »Ich bin mir nicht ganz sicher. Das ist etwas, worüber sich die Time Lords früher den Kopf zerbrochen haben. Das war natürlich zu einer Zeit, als sie noch etwas unternehmen konnten, um zu verhindern, dass dieses Phänomen auftritt. Psychologen, Mythologen, Metaphysiker, Historiker, Astrophysiker … Es waren tausende brillanter selbstloser Denker, die sich alle mit demselben Problem befasst haben. Aber jetzt bin nur noch ich da.«

»Hey, ich bin auch hier!«

»Und ich bin sicher, dass Sie ebenso brillant sind.« Er lächelte. »Sogar vermutlich noch brillanter. Zunächst müssen wir jetzt aber diesen silbernen Pfeil finden. Er scheint die Macht in sich zu bergen, von der uns dieser Typ zu erzählen versuchte, der die Nachricht geschickt hat.«

»Also machen wir uns jetzt auf?« Sie fühlte sich seltsam unbehaglich in der Magengegend.

»Ja«, bestätigte der Doktor. »Sie und ich und welch bunten Haufen an Bundesgenossen wir auch immer auf die Schnelle finden mögen. Oh, wir brauchen vermutlich die Unterstützung einer Armee. Aber wir werden ruckzuck im Jahr 51.007 eintreffen, und sämtliche Armeen, die mir vielleicht einen Gefallen getan hätten, sind tot. Berufsrisiko, schätze ich. Es sei denn natürlich, ich kann mit Kapitän Abberley und den Bubbly Boys Verbindung aufnehmen … Oh, Sie würden die klasse finden! Haben Sie schon von ihnen gehört? Manche nannten sie auch die Chaos Kids… Verzeihung. Einundzwanzigstes Jahrhundert. Ich hatte es vergessen. Es sind insgesamt drei. Und dazu ihr Onkel – oder möglicherweise Vater – Käpt’n Abberley. Zwei Brüder und ein Vetter. Sie … ups!« Die TARDIS führte einen wilden Schlenker nach rechts aus. »Uff.« Dann einen zurück nach links.

Es versprach, eine weitere störungsfreie Fahrt zu werden, erkannte sie.

Amy half dem Doktor in der Zeit, die sie hier auf Besuch waren, seine Turniersportarten aufzufrischen. Er war begeistert von ihr. Sie war selbstverständlich in fast allem gut – in manchen Spielen entwickelte sie eine richtiggehende Kompetenz –, nur der Umgang mit Kegel und Keule ging über ihre Begriffe. Die meisten übrigen Spiele, die zu dem Galaxieweiten Sport beitrugen, für den sich vor allem Terraphile dieser fernen Zukunft begeisterten und der eine so seltsam asynchrone Verwandtschaft zu ihrer eigenen gar nicht so fernen Vergangenheit aufwies, verstand sie. Und sie teilte auch den Abscheu des Doktors vor dem Breitschwertspiel.

Sobald der Doktor bereit war, steuerten sie die TARDIS zu einem bestimmten PeersTM-Planeten. Der Doktor gab vor, von einem anderen PeersTM zu stammen und unbedingt an einem Bognerspiel oder im Grunde jedem Spiel teilnehmen zu wollen. Das brachte ihm sofort ein Probetraining bei den »Gentlemen« ein, und er erwies sich als guter Allrounder mit einer besonderen Begabung für Hammer und Nuss. Und so stellte man ihn unter den Ersten Fünfzehn auf, worauf er trotz seines hemmungslosen Einsatzes nanotechnischer Lernverfahren viel stolzer war, als Amy für bekömmlich hielt. Bislang schien Fußball sein Lieblingssport gewesen zu sein. Jetzt kam es jedoch darauf an, a) um den geheimnisvollen silbernen Pfeil zu spielen und ihn zu gewinnen, und b) festzustellen, wo Frank/Freddie Force und seine/ihre gräulichen Antimateriemenschen steckten, um so viel von seinem/ihrem Plan zu vereiteln, wie sie nur zu ergründen vermochten. Natürlich nur, wenn Force & Co tatsächlich einen Plan hatten. Oder überhaupt existierten.

»Andernfalls …«, wandte sich der Doktor müde an Amy und schlug dabei einen Ton an, der schon jedes Grauen erlebt hatte, nur dieses nicht, »… fällt der Vorhang für alles Leben im Universum. Puff! Und diesmal ohne Chance auf ein Comeback.«

»Jetzt sind Sie aber melodramatisch«, meinte sie.

»Ist es Ihnen noch nicht aufgefallen?« Seine Augen funkelten einen Augenblick lang. »Wir leben in einem permanenten Melodrama. Ich bin der Irre mit dem Kasten, wissen Sie noch?«

»Also ist ja alles okay.« Amy lächelte.

Kapitel 2Azurblau

Hari Agincourt war azurblau. Hätte man gesagt, er fühlte sich wie die Farbe eines Mittelmeerhimmels zur Mittagszeit, so wäre das seiner Stimmungslage nicht gänzlich gerecht geworden. Hätte er Englisch oder sonst eine antike Sprache in der Schule gewissenhafter gebüffelt, dann wäre ihm sicher etwas Tiefgründiges von Self oder Lester eingefallen, das seine Verfassung wiedergab. Er lag unweit des Whackit-Felds am Fluss, saugte an einem Stift und sann über einen Reim für »Schlange im Gras« nach, der sich jedoch nicht einstellen wollte. Da schwebte Jane »Flapper« Banning-Cannon vorbei, die atemberaubende Zielperson seines Sinnens, indem sie einen Stechkahn mit der Stange lenkte und in hohem klarem Sopran »I’m a Hip Swaying Honey From Honolu-la-lu-la« sang. Jane hatte eine rote Rose im eleganten schwarzen Herrenschnitt stecken und trug ein hauchdünnes Lavendelkleid der jüngsten Loondooner Kollektion ihres gewählten Jahres. Ihr Begleiter war ein recht gutaussehender, aber scheinbar gedankenleerer junger Mann in einem hellgrünen Blazer und einem dazu passenden Strohhut. Er lümmelte auf einem Kissenstapel, spielte auf einer teuren Ukulele und starrte auf eine etwas einstudiert wirkende Art und Weise in die Ferne.

(Jane, deren romantische Obsession mit dem mittleren Edwardianischen Zeitalter sie dazu gebracht hatte, einen der populärsten Mädchennamen jener Epoche anzunehmen, hatte sich natürlich in den gutaussehenden Hari verliebt, kaum dass er damals den Platz der Bogenschützen betreten hatte. Nach mehreren Fehlschlägen hatte sie einen Plan ausgetüftelt, in dessen Rahmen der arme Bingo, ihr widerstrebender Ukulelespieler, in genau jenem Stechkahn und zu genau jenem Zeitpunkt wurde, als sie in den Blick des herrlich azurblauen Hari Agincourt geriet. Und der war tatsächlich so eifersüchtig, wie Flapper es sich gewünscht hatte, stand aber nicht, wie sie auch gehofft hatte, im Begriff, aus der Deckung zu springen und ihr seine unsterbliche Liebe zu erklären.)

Hari starrte morbide auf den Ukulelespieler, seinen Mannschaftskameraden und besten Freund (oder ehemals besten Freund, wie er jetzt lieber dachte) Lord Robin von Sherwood, Earl of Lockesley. »Bingo« Lockesley war der beste Bogenschütze auf PeersTM (XXII) und der einzige andere Einheimische in dem intergalaktischen Team, das man (etwas irreführend) die »Gentlemen« nannte.

Hari war am Ufer anscheinend unentdeckt geblieben, vor allem aufgrund des hohen Röhrichts. Doch nun war er, wie wir unbekümmert sagen können, in seiner Azurbläue voll entfaltet: Hari existierte in einem azurnen Universum. Wäre er ein fortgeschrittener Musiker der alten Berliner Schule gewesen, dann hätte er hier und jetzt ein 12-Ton-Konzert unter dem Titel Blues for my Blues für Oboe und Kübelspritze komponiert und wäre damit sicherlich zu einer prestigeträchtigen Tour durch die führenden Selbstmordsalons der Galaxie eingeladen worden. Leider war er jedoch nur ein verarmter Allround-Gentleman-Bogenschütze, wie man ihn vielleicht einstellen würde, damit er die Zielwerte und die Bogenschützenhaltung des Neffen verbessern half, auch wenn man für dieses Privileg sicher kein Vermögen ausgegeben hätte. Danach kamen dann nur noch die üblichen Nachwuchslehrerjobs und so weiter. Nicht genug, um sich ein Flugmobil aus dritter Hand und ein anständiges Zimmer auf einer einigermaßen heiteren Etage der Stadt leisten zu können, geschweige denn den soliden Unterhalt der eigenen Person, der Ehegattin und des Nachwuchses. Was, wie er traurig überlegte, nicht einmal das Problem Nummer eins war.

Problem Nummer eins stellte sich vielmehr in drei Teilen dar:

a) die Liebe der fraglichen Dame zu gewinnen;

b) die Haltung des vernarrten Vaters der Geliebten zu lockern, eines Menschen – den man ohne Übertreibung als lodernden Furunkel auf dem Angesicht eines Universums aus Furunkeln bezeichnen konnte –, der Hari, wenn er ihn überhaupt zur Kenntnis nahm, als mehr denn wertlos und mit einem frevelhaften Maul ausgestattet betrachtete, aber sicherlich nicht als geeigneten Gatten für den eigenen Augapfel;

und c) das Gleiche die vernarrte Mutter der Geliebten betreffend erreichen.

Nicht einmal die furchterregendste Tigerin beschützte ihren Nachwuchs so, wie es Mr U. J. Banning-Cannon IV aus Great Hamptons, Long Island, USA, regenerierte Erde, tat, der Terraformungsmagnat. Wie es sich traf, war Mr B-C aber noch eine gurrende Taube, verglich man ihn mit Mrs B-C, einer stattlichen Dame mit einem kräftigen rechten Haken. Sie hatte die Aura eines ausgehungerten Riesenpterodaktylus, den man unerwartet dabei antrifft, wie er übellaunig einen kleinen Tyrannosaurus zerfetzt, um den Küken ein zufriedenstellendes Mittagessen zu überbringen.

Mrs B-C war eine geborene Orion Tarbutton, eine, wie es hieß, Familie aus reinem arsenveredelten Eisen mit einer finsteren und mörderischen Vergangenheit, dabei zudem mit dem Fluch der Tarbuttons geschlagen, den sie von einer Generation zur nächsten weitergaben. Wohl wahr, besagter Fluch konnte als Tugend beginnen (oder zumindest als ein Weg, um Säcke voller Knete zu machen), wandelte sich letztlich jedoch immer zum Laster, das natürlich im Hang zum Glücksspiel lag. Im Gegensatz zu ihrer anderen Schwäche hatte Mrs B-C das Glücksspiel aber die meiste Zeit gut im Griff.

Ohne dass Gatte und Tochter davon wussten, hatte Mrs Banning-Cannon diese Galaktische Nostalgietour genau aus dem Grund vorgeschlagen, weil sie das alte Bedürfnis in sich aufsteigen spürte, das diesmal drohte, die Ketten zu sprengen, in die sie es mental gelegt hatte. Nur Augenblicke vor der Entscheidung, diese Luxusbildungsreise anzutreten, hatte sie, während sie noch über die Eheaussichten der Tochter verzweifelte, sich dabei ertappt, wie sie die Sendung Erster durchs Ziel des Majors auf ihrem V verfolgte. Der Major empfahl Warp-Faktor 10 beim 2:30-Uhr-Rennen im Gorgonenlückenpark, Himmel auf Erden, Aldebaran, der anerkannten Hochburg des Koop-Koop-Rennsports. Mrs B-Cs Hand hatte unbewusst nach ihrem Holo-V gegriffen, während ihre Augen wie Sommerblitze nach dem Buchmacher-Icon schlugen. Sie stand nur wenige kurze Sekunden davor, Fünftausend auf Sieg und Platz für das fragliche Füllen zu setzen, als ein sehr lautstark vorgetragener Reisebericht sie rettete. Sie hatte vergessen, die entsprechende Funktion abzuschalten.

Merkur sei Dank, das hier ist kein Koop-Koop-Rennen, dachte sie. Stattdessen handelte es sich lediglich um einen Bericht über die aktuelle Tour der Pangalaktischen Sportneuaufführungsgesellschaft, die sich, wie traditionell üblich, ihrem Finale auf Flynn im recht brenzligen System von Miggea zuneigte, unweit des galaktischen Kerns. Es blieben nur noch drei Spiele auszutragen. Die drei fraglichen Mannschaften waren die »Gentlemen«, die »Touristen« und die »Besucher«. Sie schienen recht gleichwertig zu sein. Kein Team wirkte besonders prädestiniert dafür, den begehrten »Großen Pfeil« zu gewinnen, der manchmal auch förmlicher »Juwelenpfeil der Artemis« genannt wurde, aber auch einfach als der »Silberne Pfeil« bekannt war. Jedenfalls war der Preis so selten zu sehen, dass man nur bei der Übergabe an den Sieger Gelegenheit dazu haben würde. Hätte dieser spezielle Sport Mrs B-C nicht so fürchterlich gelangweilt – einzelne Spiele konnten sich über Wochen, manchmal Monate hinziehen, und sie wiesen Regelelemente zur Verhinderung unentschiedener Ergebnisse auf, wobei archaische und verblüffende Fertigkeiten eine Rolle spielten, welche man aus der dunkel erinnerten Vergangenheit des Heimatplaneten wiederbelebt hatte –, dann hätte sie sich glatt überlegt, ein Sümmchen auf den Ausgang zu setzen. Es hieß, unter Enthusiasten wechselten sogar richtig große Summen den Besitzer…

Nein!

Hätte sie sich jetzt einen Ausrutscher geleistet und V-Kontakt zu ihrem Buchmacher hergestellt, dann wären fünf volle Jahre des Verzichts – sogar auf das Lottospiel – wie Spülwasser durch den Abfluss verschwunden. Glücklicherweise erfüllte eine Wiederaufführung historischer Sportarten, wie z. B. Nüsseknacken, sie mit sofortiger Langeweile und schauderndem Abscheu, sodass es ihr recht leichtfiel, ihr V innerhalb eines Augenblicks abzuschalten.

Sie schaltete das V fast sofort wieder ein, als ihr eine Lösung für ihre Probleme einfiel. Sie suchte in ihrer V-Mail nach einem Brief, von dem sie so gerade noch wusste, dass sie ihn irgendwann erhalten hatte. Die Nachricht stammte von einem Terraphilen, und sie hatte ihn so entschieden zu ignorieren geplant, wie es nur die Reichen fertigbringen. Und da war er! Ein seltsam gekleideter, blökender alter Knacker bat sie darin, den Preis für den Sieger des 15. Vierteljahrtausend-Wiederaufführungsturniers der Terraphilen auf Flynn zu überreichen. Man bot ihr die Erstattung aller Auslagen für zwei Personen sowie die Weltraumreise nach Flynn im Miggea-System an. Sie würde sie an Bord des Luxustourliners ISS Gargantua verleben, mit Zwischenaufenthalten auf etlichen pittoresken Planeten, wo man die Schönheiten und Gebräuche der Alten Erde replizierte. Ein Angebot von Messrs Tip Top Travel, Inc.

Wie die meisten reichen Menschen liebte Mrs Banning-Cannon Sonderangebote. Was konnte schöner sein als ein kostenloser Urlaub? Und wenn man ihre Tochter mit einrechnete, dann wurden sogar zwei Drittel von jemand anderem bezahlt als ihr und ihrem Gatten! Wie die Dinge lagen, wurde Mrs B-C gerade voll von der Bewunderung für den eigenen verblüffenden Intellekt in Anspruch genommen. Ein Urahne hätte vielleicht »Heureka!« geschrien.

Innerhalb von Minuten hatte sie den Terraphilen geantwortet und ihnen mitgeteilt, dass es ihr eine große Freude sei, ihr Angebot anzunehmen und den silbernen Pfeil nach dem Finale des Großen Turniers zu überreichen. Sie werde also nun die Reise arrangieren und die Rechnung an die entsprechende Abteilung schicken. Sie widmete sich, ihren Ehemann Urquart und ihre schöne Tochter Jane (alias »Flapper«) ganz dem, was ihr Messrs TipTop Travel Inc. als die Galaktische Deluxe-Wiederaufführungstour anboten. Messrs Tip Top sagten der Öffentlichkeit zu, dass ihre Tour die beste und erlesenste im Angebot war, versprach sie doch sowohl informativ als auch gesund zu sein. Alles würde bereitgestellt werden, einschließlich der neuesten und modernsten Nanotech-Übersetzungstabletten, kultureller Informationen und Stilempfehlungen.

Mit anderen Worten: Sie überlegte sich, dass Mr Banning-Cannon und ihr gemeinsamer Augapfel sich zu einem starken Preisnachlass fortbilden konnten, während sie selbst, Mrs B-C, sich wohlverdiente Nickerchen in den Sonnen von zig heißen Planeten gönnen und sich zuzeiten ihrem anderen Laster hingeben würde, das klinisch unter dem Begriff Millinerophilie bekannt ist, der althergebrachte Zwang, Hüte einkaufen zu gehen. Und mehr noch, sie erhielt eine gute Chance, das übrige Problem zu lösen: Mit etwas Glück fand und heiratete ihre Tochter einen Peer. (Sie gestand sich selbst ein, nicht recht zu wissen, was ein Peer tatsächlich war, aber es reichte, dass ihre Freundinnen neidisch sein würden.) Als vorteilhaft schlug dabei zu Buche, dass das Unternehmen ihres Ehemanns Inhaber der PeerTM-Konzessionen war und das Geld somit in der Familie bleiben würde.

Aus ihrer Sicht war zudem günstig, dass »Mittelalterliche Turniere (Bognerei Plus)« eine Sportart darstellte, auf die sie noch nie hatte wetten wollen. Nicht nur gehörte diese zu den wenigen Sportarten, die nur selten auf dem Menü ihres Buchmachers auftauchten, die Wettkämpfe verliefen auch sehr langsam und unaufgeregt. Sie stellte sich vor, dass es ein Spiel fast gänzlich für blaublütige feine Pinkel war. Die Mannschaften bestanden vermutlich weitgehend aus Angehörigen dessen, was Mrs B-C dank einer Fehlfunktion des Nanoübersetzers nach wie vor die »britische Aristokratie« nannte.

Es trug ebenfalls zu Mrs B-Cs Beruhigung bei, dass viele der übrigen Planeten, die sie besuchen würden, vom Familienunternehmen ihres Gatten, TerraFormaTM, geschaffen worden waren. Das Unternehmen erzielte den größten Teil seiner Gewinne, indem es diverse intergalaktische Höllenlöcher in erdähnliche Spezialwelten umwandelte, die zumeist Sportmotiven gewidmet waren. So war die TFIII-Reihe überwiegend dem Golf gewidmet, die TFVI-Reihe dem Frauenroman, die TFXVI-Reihe dem Obstball usw. Die TFXX-Reihe diente dem Motiv des Bogenschießens und der Mittelalteraufführungen. Sie war somit vielleicht die am wenigsten populäre Reihe und bot am ehesten die Chance, dass sie nicht von Touristen überlaufen war. Wie die meisten Touristen, so verabscheute auch Mrs Banning-Cannon Touristen und bemühte sich, ihnen um jeden Preis aus dem Weg zu gehen. Deshalb freute sie sich zudem sehr darüber, dass die Terraphilen das Kreuzfahrtschiff Gargantua für die Veranstaltungstour gechartert hatten. Günstigerweise begann sie auch noch auf Cygnus 34, unweit des Banning-Cannon-Heims unter Barnards Stern, um dann, wie schon festgestellt, auf Miggea im Sagittarius zu enden, nahe dem Zentrum der Galaxie, wo Mrs B-C dem siegreichen Team den begehrten Juwelenpfeil der Artemis überreichen würde.

Wie schon erzählt, genossen sie und ihr Gatte gerade einen erfrischenden Schlummer in Gartenstühlen auf dieser neu geschaffenen englischen Dorfwiese, wo gutaussehende junge Männer in Whackitpullovern und Blazern sowie hübsche junge Frauen in Glockenstrohhüten und hauchdünnen Seidenkleidern stehend der jeweiligen Mannschaft oder einzelnen Spielern zujubelten. Einige wenige strenge Terraphile waren auch dabei, die auf authentischen Turnierformen bestanden, darunter Pagenschnitte, Wedgewood-Plattenrüstungen, bodenlange Samtkleider, die eine oder andere Nonnenhaube, ellenlange Perlenketten, Ordenskleider, Zylinder, Bloomer und so weiter, wie man sie den ältesten erhalten gebliebenen Fotos von der Erde aus der Zeit zwischen 1430 und 1930 entnommen hatte; die Tourbetreiber nannten diese Epoche das Gute Alte Eusa. Hinter ihnen saßen auf der Veranda des Pavillons mit seinen vielen flatternden Fahnen Burschen von zahlreichen Planeten mit gefiederten Zipfelmützen, Wappenumhängen, grünen Pumphosen. Vor allem aber trugen sie grellbunte Blazer des Alten und Höchst Ehrwürdigen Ordens der bogenschießenden Terraphilen. Sie genossen ihre Pints von VW Best und warfen gelegentlich Blicke auf das »Freundschaftsspiel« zwischen den Gentlemen und ihren alten Rivalen, den Touristen, das inzwischen seinen dritten Tag erlebte.

Die Spieler setzten sich aus noch mehr Burschen in grellem Lincoln-Grün zusammen. Ihre Hosen, soweit sie überhaupt welche trugen, wurden von alten Schulkrawatten gehalten, während ihre Träger stumpfe Holzpfeile auf zwei weitere Burschen feuerten, einer davon ein nashornartiger Judoon und der andere ein hundeartiger Pilparque, beide in stark gepolsterten Rüstungen, Helmen und Handschuhen. Sie hatten an beiden Enden des Spielfelds Position bezogen und schwangen große Whackits. Beide versuchten zu verhindern, dass die Schützen das »Wotsit« oder die Zielscheibe trafen (ein rundes Strohobjekt auf drei Beinen, unterteilt in zahlreiche bezifferte Abschnitte), hinter der wiederum »Wotsit-Keeper« standen, deren Aufgabe es anscheinend war, die das Ziel verfehlenden Pfeile zu fangen und sie in das besagte Wotsit zu rammen. Wer immer als Erstes 380 erreichte, würde, wie es Mrs Banning-Cannon verstanden hatte, zum Sieger erklärt werden. Es nimmt wunder, überlegte sie müde, dass die Buchmacher überhaupt irgendein Interesse an diesem Sport entwickelten.

Obwohl die große Matriarchin diesen besonderen unter den PeersTM-Planeten des Reiseplans ausgesucht hatte, weil er nach ihrer Überzeugung von blaublütigen Menschen besiedelt worden war, so ging die tatsächliche Kolonisation auf Enthusiasten des Bogensports zurück, die den großen Mr Peer zu ehren trachteten, den Begründer des ursprünglichen Londoner Bogenschützen-Trainingszentrums seines Namens. Mrs B-C hatte damit einen Glückstreffer gelandet, auch wenn sie den Grund nicht ganz richtig verstand. Überall auf PeersTM waren Burschen, zumeist humanoid oder zumindest zweibeinig, damit beschäftigt, zu schießen, zu schlagen, zu fangen, Wotsits zu hüten oder in einem der zahlreichen Pavillons einiger tausend historischer Turnierplätze Pints zu trinken. All dies auf einem Konzessionsplaneten, der seit neuntausend Jahren an eine »nachgezüchtete« Familie mit unbestreitbaren genetischen Verbindungen zum England der Alten Alten Erde vermietet war. Der aktuelle Chefkonzessionär der Familie Lockesley in der alten Jagd-, Schieß- und Angeltradition war Lord Robin von Sherwood, Earl of Lockesley, ein leidenschaftlicher Bogenschütze auf einem fast ganz der Bognerei und der Internatsschulerziehung gewidmeten Planeten, den manche einen vögelnden, laufenden, springenden, büffelnden und schlagenden Planeten nannten. Wer keinen Spaß an Wettkämpfen hatte, wurde entweder für irgendein Fehlverhalten in der Schule »arretiert« oder verzehrte sich elendiglich nach einer der Schönheiten beiderlei Geschlechts, mit denen der Planet reichlich bestückt war, um den Nachschub an neuen Burschen und Wuchtbrummen aufrechtzuerhalten, die zur Schule gehen und im großen und noblen Turnier mitmachen konnten, dem Großen Alten Whacken, wie die Fans das nannten.

PeersTM war eine von mehreren Konzessionen im Mährischen Sternhaufen, deren Bauauftrag an die Familie Banning-Cannon gegangen war. Sämtliche dieser Planeten hießen PeersTM, waren weitgehend identisch und wiesen ein ordentliches Vorkommen (in jeweils geeigneten Spezies) an Anständigen Kerlen, Blöden Ärschen, Hübschen Mädchen und natürlich Furchterregenden Magistraten auf, an Netten Onkeln und Schrecklichen Tanten, Knackern (alt) und Knackern (jung), ganz zu schweigen von Polizisten (behelmt) und Polizisten (unbehelmt) sowie Heiratstauglichen Dienstmädchen, Littlejohns, Scarlet Will O’Haras, Magnum Carters und all den sonstigen Charakteren und Komparsen, die man wahrscheinlich, wie die meisten Anständigen Kerle dachten, für diesen ganz schön famosen Planeten brauchte. Der Entwurf für diesen Planeten der TerraFormaTM-Gesellschaft war von Algernon Pine beigesteuert worden, einem wiederhergestellten Autor der Altenglischen Mittelalterlich-Edwardianischen Schule, den man vor etwa zehntausend Jahren auf dem Mars aufgetaut hatte.

Pine, die ehrliche Seele, hatte leicht verschnupft reagiert, als er feststellte, dass man seine Vorschläge hier und dort nachjustierte, bis man ihm erklärte, Demokratie fordere nun einmal, der Öffentlichkeit zu geben, was sie wollte. Zu diesem der Geschichte der Alten Alten Erde so fernen Zukunftsdatum blieb nur wenig vom Original übrig. Man sollte aber darauf hinweisen, dass, soweit der öffentliche Geschmack das ermöglichte, die Rekonstrukteure ihr Bestes getan hatten. Die Konzession war von Experten auf einem Gebiet zusammengesetzt worden, das man heute Historische Unterhaltungsindustrie nannte, und somit standen ausgezeichnete Schablonen für viele hübsch und sicher hergestellte neue Planeten zur Verfügung. Dass die meisten davon eine relativ kurze und doch schwungvolle Epoche zwischen dem fünfzehnten und zwanzigsten Jahrhundert in Europa beschworen, lag am durch und durch eingefrorenen Zustand der Originalen Terra (der Alten Alten Erde). Ein paar nukleare Winter und ein großer Komet hatten dafür gesorgt.

Nachdem die Experten durch sorgsame Recherche bestätigt hatten, dass es sich beim Bogner- oder Bogenschützensport um den populärsten Wettkampf in alten Zeiten gehandelt hatte, rekonstruierten sie ihn geschickt als das große Finale der Historischen Turnieranten und legten die Turnierregeln (2137) fest, nach denen heutzutage alle spielten. TerraFormaTM garantierte, dass ihre nachempfundenen Planeten den Originalen so nahekamen wie möglich.

Die Gesellschaft der Terraphilen veranstaltete alle zweieinhalb Jahrhunderte ein Großturnier und setzte dabei als Siegespreis den alten silbernen Pfeil der Artemis aus (den Großen Schaft), dessen Ursprung im Nebel der Zeit versunken lag. Manche behaupteten, er wäre übernatürlicher Herkunft. Das Turnier war dadurch zum exklusivsten Spiel des Universums geworden. Die Spieler gehörten häufig der anderen Galaxieweiten Wiederaufführungsgesellschaft an, dem Alten und Höchst Ehrwürdigen Orden der bogenschießenden Terraphilen, der sich viel darauf zugutehielt, die Gebräuche, Kostüme und Verhaltensweisen der Ursprünglichen Altenglischen Bogner und Ritter zu pflegen. Vor den Hauptspielen mussten erst mehrere andere Veranstaltungen durchgeführt werden, etwa den Knappen vierteilen, Breitschwertkampf, den Bauern niederreiten, den Gastwirt kaltmachen, den Drachen einkerkern, den Eisernen Roland klatschen. Am beliebtesten von allen war die Nuss mit dem Vorschlaghammer knacken. Dazu kamen diverse Wettkämpfe mit Äxten, Drachenlanzen, Schwertern, Kriegshämmern und etlichen weiteren Hilfsmitteln uralter zwischenmenschlicher Konflikte.

Womit ungefähr das Ausmaß der Kenntnisse dargestellt ist, die Mrs Banning-Cannon vom Großen Alten Whacken hatte oder zu haben wünschte. All das und noch viel mehr hatte ihr der liebenswürdige Bingo, Lord Sherwood, erklärt, dessen Heimatplanet PeerTM war und der in Mrs B-Cs Augen den Vorzug genoss, ein anerkannter reinrassiger Edler des Königreichs zu sein; unverheiratet und Erbe einer riesigen Burg namens Lockesley Hall irgendwo in der hiesigen Hemisphäre des Planeten, eine Liegenschaft mit Ländereien von den Ausmaßen eines mittelgroßen Landes. Das machte ihn nicht nur zum Begehrten Junggesellen, sondern er sah auch einigermaßen gut aus, wenn er auch ein bisschen begriffsstutzig war und zu viel über das Thema des Alten Turniers der Bogenschützen redete, zu dem er, wie sich herausstellte, mehrere gut besprochene Aufsätze im Des Whackers Weisheit veröffentlicht hatte, dem angesehensten V-Journal zum Thema. Dass er nach eigenem Eingeständnis arm wie eine Kirchenmaus war und dringend etwas brauchte, das er mal als »Zaster« bezeichnete, mal als »Moneten«, »Kies« oder »Silbernes«, das steigerte seinen Rang als Begehrter in Mrs B-Cs Augen nur; schließlich weiß jeder Plutokrat, dass die einst reichen Mittellosen stets leichter zu formen sind als die Armen, die noch nie etwas anderes gewesen sind. Und obwohl sie sich einen Blaublüter zum Schwiegersohn wünschte, so sollte der doch nicht pampig sein und Widerworte geben. Dabei war ihr zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, dass ein solcher Schwachmat nicht direkt den Traumehepartner ihrer willensstarken Tochter darstellte.

Mit vor dem milden Licht halb geschlossenen Augen schenkte Mrs Banning-Cannon einem schwer gepolsterten und behelmten Whacker ein wohlwollendes Lächeln, der gerade das verteidigte, was, wie sie verstanden hatte, das Spielfeldende auf Seiten der Gentlemen war. Er hielt es gegen einen bekanntermaßen eifrigen hundeartigen Spieler, G. H. O’Gruffy, der mit dem Schwanz wedelte – womöglich aus Gefühl nahenden Triumphes – und laut und herausfordernd bellte, während er mit dem Bogen auf ein Wotsit anlegte, das von einem gegnerischen Whacker verteidigt wurde. Dessen Schutzkleidung war inzwischen mit so vielen feststeckenden Pfeilen gespickt, dass er einem Stachelschwein auf dem Zenit seiner Stachelschweinhaftigkeit ähnelte; Mrs Banning-Cannon erachtete ihn liebevoll für ihren prospektiven Schwiegersohn, tatsächlich aber handelte es sich um den Sehr Ehrenwerten Old Bill Told, der als Double für Bingo im Einsatz war.

Der silberne Pfeil der Artemis war mit anderen Wertsachen in einem supersicheren zeitversiegelten Reisetresor verstaut und voraus nach Flynn geschickt worden, wo er erst unmittelbar vor der Überreichung ans Siegerteam geöffnet werden würde. Mrs Banning-Cannon war entschlossen, die Tour so zu genießen, wie sie es am meisten liebte. Die Attraktivität des Spiels wurde ihr allmählich deutlicher, seit sie bemerkt hatte, dass es von den Zuschauern regelrecht verlangte, in Gartenstühlen zu sitzen und einen Großteil der Spieldauer zu durchschlafen. Fast zufällig hatte sie einige Regeln und Objekte aufgeschnappt und hatte inzwischen sogar eine Lieblingsmannschaft gefunden. Es war das Team, das Lord Bingos Erste Fünfzehn aufs Feld schickte: die Gentlemen – eine der drei Mannschaften, auf deren Sieg im Finale des Pangalaktischen Turniers man von Anfang an gesetzt hatte, obwohl man derzeit leicht die Titelverteidiger favorisierte, die Touristen. Dabei, so sagte sie sich entschieden, spielten Siegchancen keinerlei Rolle, wenn man bedachte, dass hier ohnehin nur ein Freundschaftsspiel ausgetragen wurde. Sie hatte gelesen, dass sich manche Spieler so für ihren Sport begeisterten, dass sie Nanoidentitätstabletten einnahmen, die ihnen die Überzeugung vermittelten, Menschen zu sein. Nicht wenige von ihnen waren Akademiker aus allen Winkeln der Galaxie. Sie hatten beschlossen, sich in fremdartige Kulturen zu vertiefen und sie durch eigene Erfahrung kennenzulernen.

Bei einem überproportionalen Teil der Touristen handelte es sich um Judoon, deren nashornartige Erscheinung besonders geeignet war, die Rüstung der Whacker zu tragen. Im Allgemeinen bevorzugten die Judoon die eher kriegerischen Sportarten ihres Heimatplaneten, und einige waren dort verboten worden, da man fürchtete, sie könnten die gesamte Bevölkerung nebst dem Planeten exterminieren. Atomball zum Beispiel war ein illegaler Sport und wurde nur auf wenigen abgelegenen Randplaneten ausgetragen. Zuzeiten gab ein fernes explodierendes Sternsystem Hinweis auf gewissermaßen so etwas wie einen Pyrrhussieg.

Mr B-C hatte nun keinerlei Einwände dagegen, auf den Planeten des eigenen Unternehmens Urlaub zu machen und auf diese Weise das Geld in der Familie zu halten – so tat er es sowieso gern, zumal er dann auch nicht allen Launen seiner Gattin in der Frage von Hutsammlungen oder sonstigen Marotten nachgeben musste. Aber über ihre Auswahl an Bewerbern für die Hand seiner Tochter war er gar nicht glücklich, als sie darauf bestanden hatte, ihm die Herren vorzuführen. Zum einen betrachtete er die meisten von ihnen als Angestellte oder zumindest Kunden, die sich vorstellten, das eigene Fortkommen zu unterstützen, indem sie sein Schwiegersohn wurden. Er ahnte nicht, dass die bloße Vorstellung einer solchen Verbindung den meisten geeigneten Kandidaten ein sehr flaues Gefühl bereitete. Zum anderen hatte er persönlich längst seinen Neffen Hamlet Tarbutton ausgesucht.

Der junge Ham hatte den Vorzug, Wachs in der Hand seines Onkels zu sein und nicht zu viel Intelligenz mitzubringen, wohl aber ein großes eigenes Vermögen von Mr B-Cs führender Rivalin, seiner Schwägerin, der großen Chefin von Ea­rthmakersTM GmbH. Dieses Unternehmen war darauf spezialisiert, Planeten nach dem Vorbild legendärer goldener Zeitalter umzuwandeln und neu auszustatten, darunter Der Glanz des alten Rom, Wundersames Indien der Moguln, Die Schönheit des Büffels, Die Götter des Antiken Griechenlands und so weiter. Die Fusion dieser beiden mächtigen Imperien wäre unvermeidlich, wenn man Ham überreden konnte, den Antrag zu stellen. Und Jane dazu, ihn zu akzeptieren. Damit wären Mr B-Cs finanzielle Verluste in einem Augenblick ausgeglichen. Man kann durchaus sagen: Hätte er geahnt, dass Flapper einen Amateurbogenschützen ohne Titel ins Auge fasste, den sie gerade mal sechs Tage zuvor bei einer zu ihren Ehren vom örtlichen Squire veranstalteten Hohen Teegesellschaft kennengelernt hatte – einen jungen Mann, der noch stärker verarmt war als Bingo Lockesley –, dann hätte ihr Vater der nächsten Supernova einen harten Wettkampf geboten. Dieser besondere Teil des Universums konnte also von Glück sagen, dass Flapper der Sehnsucht ihres Herzens nicht hatte nahelegen können, ihr einen Antrag zu machen. Stattdessen nahm sie Zuflucht zu der Taktik, den besten Freund des jungen Agincourt zu überreden, dass er ihr gegenüber Süßholz raspelte. Auf diese Weise, so fand sie, werde das Objekt ihrer Zuneigung durch Eifersucht stimuliert, auf dass er nicht wie ein liebeskranker Frosch in den Rohrkolben Trübsal blies.

Und noch ein weiterer Umstand hatte Flappers Pater familias in eine Trübsal gestürzt, die so tief reichte wie die Hari Agincourts: der neue Hut seiner Gattin, den sie sich tags zuvor gekauft hatte und den sie auf der Gartenparty des nächsten Tages zu tragen angekündigt hatte. Das Ereignis fand bei Lord Sherwood statt, wurde aber vom örtlichen, als Omar der Notts bekannten Bonzen ausgerichtet. Es war als eine Abschiedsfeier gedacht, zu der sowohl alle Gentlemen wie alle Touristen eingeladen worden waren. Das versetzte Mr B-C in eine noch schlechtere Geistesverfassung als üblich.

Man kann durchaus behaupten, dass seine Standardlaune die eines spanischen Stiers war, der sowieso beständig im Griff blutiger Wut war und nun Anstoß an einem Toreador nahm, der ihm ein albernes rotes Seidentuch vor die Nase hielt. Abgesehen von der Frucht der eigenen Lenden betrachtete er die jüngeren Milliarden der Galaxie gern als entschieden minderwertige Lebensformen. Die Bewohner dieses besonderen Planeten hielt er für besonders wertlos. Nicht einfach nur für faul, sondern für geistlos – ein Planet voller Nichtsnutze. Dass einer von diesen um die Hand seiner Tochter anhielte, wäre schwerer zu schlucken als ein ganzer Laib Gouda, heruntergespült mit einem Pint Bieressig. (Womit sich Mr B-C auskannte, hatte er doch eine solche Heldentat in seinen früheren und glücklicheren Tagen als Verschwender der Familie ausprobiert.) Somit war die Neigung seiner Frau zur Millinerophilie vergleichsweise eine gurrende Taube und ein laues Lüftchen für Mr B-Cs Seele. Einmal abgesehen von ihrem jüngsten Erfolg ihres ganz persönlichen Wettbewerbs, die größten, hässlichsten und teuersten Hüte des bekannten Universums – und, wie er vermutete, auch jenseits davon – auszusuchen und zu erwerben.

Über all das brütete er noch immer, während er in seinem Gartenstuhl lümmelte und dem erholsamen Schwirren der Eibe sowie dem beruhigenden Klopfen der Eiche lauschte. Bislang hatte er weder Erholung noch Ruhe erlebt. Am Vortage war Enola Banning-Cannon in ihre Hotelsuite zurückgekehrt, zwei stämmige Bots im Gefolge, die gemeinsam eine monströse Hutschachtel trugen.

Nach der Öffnung erwies sich der Inhalt der Schachtel als äußerst übelkeitserregende Konfektion aus giftigen Farben, Ebenholz, Federn, Gaze, Elfenbein, Silberstückchen, Gold- und vermutlich Platindraht. Angereichert wurde diese Mischung um einen ganzen Sturzbach aus Edelsteinen, gefördert aus den Eingeweiden von hundert Planeten, sowie schließlich vier facettenreichen Gemmen, die an Augen erinnerten. All dies überspannte mehr als hinlänglich die anderthalb Meter rings um das Haupt der Gattin ausladende Krempe. Das Ganze gemahnte an eine Shummyunny, eine auf Perseus IX hausende räuberische Arachnide, bei der es sich tatsächlich um eine Albtraumkreatur handelte. Sicherlich eine aus Mr B-Cs Albträumen. Besagte Kreaturen tendierten dazu, ihn mit einer Mischung aus Übelkeit, Schwindelgefühl und einem unwiderstehlichen Drang zu erfüllen, in die Welt hinauszurennen. Wobei er dazu wie eine Krähe krächzen und sich alle Kleider vom Leib reißen würde, bis er einen kleinen dunklen Raum fand, in dem er sich einschließen und den sich zwangsläufig anschließenden Durchfall ventilieren konnte. Auch jetzt vermochte er sich wieder kaum zu beherrschen und erregte den Argwohn seiner Gattin, dass er eine Abneigung gegen ihre Kopfbedeckung haben könnte. Sie ließ den wie eine sprungbereite Spinne auf ihrem Haupt hockenden Modeartikel zurück in seine Schachtel packen, nicht ohne sich dahingehend auszudrücken, dass sie ihm seinen Willen nur vorläufig zu lassen gedachte, jedoch… »… werde ich den Hut natürlich auf der Gartenparty des Earl of Lockesley tragen.«

»Ich dachte, du hättest gesagt, er wäre ein Lord«, murmelte Mr B-C, noch ehe ihm die Bedeutung der übrigen Aussage aufging.