Don't LEAVE me - Lena Kiefer - E-Book

Don't LEAVE me E-Book

Lena Kiefer

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Beschreibung

Ist ER ein Mörder?
Kann SIE ihn retten?
Hat ihre LIEBE eine Chance?


KENZIE und Lyall haben endlich wieder zueinandergefunden. Doch ihr hart erkämpftes Glück droht zu zerbrechen, denn gegen Lyall ist ein ungeheuerlicher Verdacht erhoben worden. Kenzie aber glaubt nicht daran, dass ihre große Liebe ein Mörder sein soll. Auch wenn die Beweise eine andere Sprache sprechen …

LYALL ist verzweifelt. Er steht unter Mordanklage und alles deutet auf ihn als Täter hin. Obwohl Kenzie alles tut, um seine Unschuld zu beweisen, sind seine Gegner immer einen Schritt voraus. Schon bald beginnt Lyall sich zu fragen, ob seine Liebe zu Kenzie überhaupt noch eine Chance hat …

Alle Bände der Don't-Trilogie:
Band 1 – Don't Love Me
Band 2 – Don't Hate Me
Band 3 – Don't Leave Me
Shortstory – Don't Kiss Me (Nur als E-Book verfügbar)

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Seitenzahl: 554

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Autorin

Lena Kiefer wurde 1984 geboren und war schon als Kind eine begeisterte Leserin und Geschichtenerfinderin. Einen Beruf daraus zu machen, kam ihr jedoch nicht in den Sinn. Nach der Schule verirrte sie sich in die Welt der Paragraphen, fand dann aber gerade noch rechtzeitig den Weg zurück zur Literatur und studierte Germanistik. Bald darauf reichte es ihr nicht mehr, die Geschichten anderer zu lesen – da wurde ihr klar, dass sie Autorin werden will. Heute lebt Lena Kiefer mit ihrem Mann in der Nähe von Bremen und schreibt in jeder freien und nicht freien Minute. Mit der »Don’t«-Reihe startet sie nach dem Erfolg ihrer »Ophelia Scale«-Trilogie nun ihr erstes New-Adult-Projekt.

Von Lena Kiefer sind bei cbj erschienen:

Don’t LOVE me (Band 1) Don’t HATE me (Band 2) Don’t KISS me (E-Short) Ophelia Scale – Die Welt wird brennen (Band 1) Ophelia Scale – Der Himmel wird beben (Band 2) Ophelia Scale – Die Sterne werden fallen (Band 3) Ophelia Scale – Wie alles begann (E-Short)

Mehr über cbj auf Instagram unter @hey_reader

Quellennachweis: Jane Austen, Stolz und Vorurteil, dtv (München, 2012), aus dem Englischen übersetzt von Helga Schulz (S. 426)

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

© 2021 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Graßhoff

sh • Herstellung: AJ

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN978-3-641-26274-7V004www.cbj-verlag.de

Für meine liebe Mama,

alles Gute zum Geburtstag!

1

Kenzie

Die Drehtür schwang herum und ich betrat den hellen Boden aus langen, quer gelegten Fliesen. Stumm atmete ich durch, versuchte so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Erst dann nahm ich meine Umgebung richtig wahr. Der schwarze Empfangstresen mit dem UAL-Logo vor den weißen, kühlen Wänden erinnerte eher an den Eingang eines modernen Hotels als an eine Universität. Und der Mann im schwarzen Anzug, der dahinter saß, mehr an einen Bankangestellten als einen Rezeptionisten.

»Guten Morgen«, grüßte er freundlich. »Kann ich Ihnen helfen, Miss?«

»Guten Morgen.« Ich traute meiner Stimme nicht und räusperte mich. »Ich bin Kenzie Stayton und habe um 10 Uhr einen Interview-Termin im Institut für Interior Design.« Die Worte klangen auswendig gelernt – weil sie genau das waren. Am liebsten hätte ich gerufen: Was zur Hölle mache ich hier? Wie kann ich ein Gespräch über meine Zukunft führen, wenn mein Freund erst gestern verhaftet worden ist und nun 500 Meilen von hier in einer Zelle um seine eigene bangen muss?

Du musst das durchziehen. Wir müssen jetzt nach außen hin so tun, als wäre alles vollkommen normal. Und du darfst niemandem davon erzählen, hörst du? Niemandem.

Das waren Finlays Worte gewesen, als ich gestern mit ihm gesprochen hatte. Aber ich verstand sie immer noch nicht. Natürlich wusste ich, dass aus Lyalls Verhaftung kein öffentlicher Skandal werden durfte, weil er dann von der Unterstützung seiner Familie abgeschnitten wurde. Aber was hatte das mit mir zu tun? Wieso konnte ich jetzt nicht in Edinburgh sein, um ihn zu besuchen? Für ihn da sein, so gut es ging?

Es gibt Leute, die von dir wissen, Kenzie. Die von euch wissen. Wenn einer von denen etwas ausplaudert und man dich daraufhin beobachtet, muss es so wirken, als wäre alles wie immer.

Der Rezeptionist schien meinen Termin gefunden zu haben. »Es ist im dritten Stock, Miss Stayton, Raum 3-567. Sie können davor warten, bis man Sie hineinbittet.«

Ich nickte, nahm meine Mappe und ging zur Treppe. Den Fahrstuhl direkt neben dem Durchgang zum Blueprint Café für die Studenten ließ ich bewusst links liegen. Bewegung half mir dabei, nicht durchzudrehen. Ich hatte heute Nacht nicht eine Minute geschlafen und noch immer kreisten dieselben Fragen durch meinen Kopf: Wie hatte das passieren können? Wieso hatte man Lyall für den Mord an Ada verhaftet – fast vier Jahre, nachdem sie gestorben war? Welche Beweise hatte die Polizei dafür? Er hatte es schließlich nicht getan.

Der Flur im dritten Stock war leer, niemand schien hier zu sein. Ich suchte den richtigen Raum und setzte mich auf den Stuhl davor. An der gegenüberliegenden Seite hing ein Bild an der Wand, die Skizze eines Raumes mit Holzvertäfelung, ausgestattet mit wuchtigen Polstermöbeln im Biedermeier-Stil. Mein Magen verknotete sich schmerzhaft, als ich daran dachte, dass Lyall mit mir hatte herkommen wollen. Er hätte bestimmt über das Bild gelästert, weil er diese Stilrichtung überhaupt nicht mochte.

Aber er war nicht hier. Er war im Gefängnis.

Ich atmete tief ein und wieder aus, versuchte mich zu beruhigen. Es hatte gestern auf dem Flughafen einen Moment gegeben, eine winzige Sekunde, in der ich Angst gehabt hatte. Dass ich mich wieder irrte, was Lyall anging. Dass er mich erneut belogen hatte. Aber dann hatte ich in seine Augen gesehen und gewusst, er hatte mir die Wahrheit gesagt. Über Ada, über ihre psychischen Probleme, über seine Selbstvorwürfe, weil er nicht sensibler mit ihr umgegangen war. Über ihren Tod. Nur … was bedeutete das? Versuchte jemand, Lyall etwas anzuhängen?

Finlay hatte gesagt, das wäre sicher alles nur ein Missverständnis, und er würde das bald geregelt haben, mithilfe der Anwälte, die für die Hendersons auf Abruf bereitstanden. Aber diese tiefe, alles verzehrende Angst in meinem Inneren hielt dagegen. Eine Angst, die ich so noch nie gefühlt hatte. Als stände ich an einem Abgrund und wüsste genau, der sichere Halt würde in den nächsten Sekunden wegbrechen. Aber nicht ich würde fallen. Sondern Lyall. Und das war viel schlimmer, als wenn es um mich gegangen wäre.

Eine Tür ging auf, und ich zuckte zusammen, weil das Geräusch auf dem leeren Flur unnatürlich laut hallte.

»Kenzie Stayton?« Eine Frau kam heraus. Sie war im mittleren Alter und trug eine schwarzumrandete Brille. »Sie können reinkommen.«

Ich erhob mich, ignorierte den Schwindel, der durch Schlaflosigkeit, Sorge und mangelnden Appetit verursacht wurde. Dann nahm ich meine Tasche und Mappe und betrat den Raum hinter der Tür.

»Schön, dass Sie da sind, Kenzie.« Als ich hereinkam, erhob sich Gloria Fowler von ihrem Platz hinter dem weißen Schreibtisch und gab mir lächelnd die Hand. »Ich habe mich schon darauf gefreut, Sie wiederzusehen.«

»Das geht mir genauso«, erwiderte ich und schüttelte ihre Hand, bemühte mich um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Eigentlich hätte dies einer der bedeutsamsten Momente meines Lebens sein sollen. Seit über fünf Jahren träumte ich davon, hier sitzen zu dürfen und dieses Gespräch zu führen – um danach hoffentlich an der UAL zu studieren. Aber jetzt fühlte es sich an wie ein Zahnarzttermin. Einer von der Sorte, bei der man genau wusste, man kam um den Bohrer nicht herum.

»Meine Kollegin Indra Jacobs«, stellte Gloria mir die Frau mit der Brille vor. »Wir werden das Interview zusammen führen. Haben Sie Ihr Portfolio dabei?«

Ich nahm die Mappe hoch und reichte sie über den Tisch. »Ich habe auch alles digital, wenn Sie das lieber möchten.«

»Vielleicht später.« Mrs Jacobs legte meine Skizzen beiseite. »Erzählen Sie uns doch erst einmal ein wenig über sich.«

Mit der Frage hatte ich gerechnet, sie war Standard bei dieser Art von Bewerbungsgespräch. Und ich hatte mir die passende Antwort darauf schon vor Monaten zurechtgelegt. Aber jetzt fiel mir nichts ein. Mein Kopf war wie leer gefegt. Kompletter Blackout.

Reiß dich zusammen, mahnte ich mich selbst. Das hier ist wichtig. Lyall würde nicht wollen, dass du es seinetwegen vermasselst.

Ich holte Luft und schob die lähmenden Gedanken und Gefühle beiseite. Dann erzählte ich von mir, von meiner Familie, meinem Leben. Von dem Moment, als ich gemerkt hatte, dass ich Innendesignerin werden wollte, damals in der Firma meines Vaters, der mich die Stoffe für unseren neuen Wohn-Lkw hatte aussuchen lassen, als ich 14 gewesen war. Und es half, zu reden. Solange ich sprach, hatte nichts anderes Platz in meinem Kopf, und ich sah, dass meinen Gesprächspartnerinnen gefiel, was ich sagte.

»Dann ist Ihr Vater Thomas Stayton?«, fragte da Indra Jacobs.

Ich sah überrascht auf. »Ja, richtig. Kennen Sie ihn?«

»Nicht persönlich, aber mein Bruder hat einen Campervan von ihm gekauft.« Sie lächelte. »Wir mussten uns vorletztes Weihnachten drei Tage lang anhören, wie begeistert er von dem Van ist. Mittlerweile war er sogar in Afrika damit.«

Das entlockte mir tatsächlich ein Lächeln. »Wir freuen uns immer, wenn unsere Kunden zufrieden sind.«

Es ging noch ein paar Minuten um meine Anfänge, dann sahen die beiden Frauen sich die Entwürfe an, die ich aus meinem Skizzenbuch herausgetrennt und in die Mappe gelegt hatte, weil ich sie besonders gelungen fand: die Planung eines Büros für einen Kurs am College, mein eigenes Zimmer, ein paar von den Sachen, die ich bei Olsen gemacht hatte. Und natürlich alles zum Neubau des Kilmore Grand und zu meinem Raumteiler-Konzept. Ich hatte die Mappe vor meiner Reise nach Korfu zusammengestellt und nicht bemerkt, dass auch die Zeichnung hineingeraten war, in die Lyall bei unserem ersten richtigen Gespräch Änderungen hineinskizziert hatte. Als ich sah, dass Gloria sie in die Hand nahm, schnellte ich hoch.

»Entschuldigen Sie, das ist nicht von mir«, sagte ich und nahm die Zeichnung entgegen, faltete sie zusammen und merkte, dass meine Finger mir nicht richtig gehorchten. Die Gedanken an Lyall drängten an die Oberfläche, ich spürte, wie sie an meiner Fassung kratzten. Eilig schob ich das Blatt in meine Tasche und nahm mein aktuelles Skizzenbuch hervor, um den Moment zu überspielen. Nur erinnerte mich auch das Buch aus grauem Leinen an Lyall, schließlich hatte er es mir geschenkt. »Hier habe ich auch noch einige aktuelle Zeichnungen«, sagte ich etwas zittrig. »Ich bin erst gestern von Korfu zurückgekommen, wo ich für Theodora Henderson an einem Hotelprojekt arbeiten durfte.«

Gloria sah auf. »Ich habe davon gehört. Es ist Theodoras eigenes Hotel, nicht wahr? Ohne Rückendeckung der Henderson Group?«

»Ja, richtig. Das Kefi Palace, ein eher kleines Haus für Ruhesuchende. Ich durfte eine der Villen mit Theodoras Hilfe ausstatten, das hier sind die Zeichnungen dazu. Es gibt auch Fotos, die habe ich auf dem Laptop.« Immerhin das hatte ich noch geschafft, nachdem ich nach dem Schock am Flughafen völlig fertig zu Hause eingetroffen war. Zum Glück war meine Familie bei einem Konzert in Brighton gewesen und erst sehr spät zurückgekommen. Ich hatte bisher keinen von ihnen gesehen, denn heute Morgen hatten sie noch geschlafen, als ich gefahren war.

Mrs Jacobs nickte beeindruckt, als sie die Ausstattung der Villa betrachtete. »Theodora Henderson muss ja wirklich große Stücke auf Sie halten, wenn sie Ihnen bei einem solchen Projekt vertraut. Waren Sie schon vor dem Auftrag in Kilmore mit der Familie bekannt?«

»Nein«, ich schüttelte den Kopf. »Ich habe ein Praktikum bei Paula McCoy, der Innendesignerin für den Neubau des Grand, gemacht. So bin ich mit den Hendersons in Kontakt gekommen.« Mit einem ganz besonders, dachte ich den Satz zu Ende, und die vertraute Angst zog an meinem Herz. Aber nicht nur Angst, sondern auch heftige Zuneigung zu Lyall. Von der ersten Sekunde an war da zwischen uns etwas gewesen – und es hatte sich nicht von Lügen, der Vergangenheit, Distanz oder verstrichener Zeit vertreiben lassen. Würde unsere Liebe auch das überstehen, was uns jetzt drohte?

»Wie sehen Sie Ihre Zukunft?«, fragte mich Gloria als Nächstes. »Was möchten Sie erreichen?«

Ich wusste, sie meinte meine geplante Karriere als Innendesignerin. Aber ich konnte nichts sehen. Kein spezielles Land, keinen Arbeitgeber, kein Projekt, das ich schon immer hatte umsetzen wollen. Ich sah nur Lyall und mich – und mir wurde klar, dass unsere Zukunft direkt vor uns gelegen hatte und uns nun brutal entrissen worden war. Alles, was mit meinem Beruf zu tun hatte, erschien mir plötzlich vollkommen banal. Neben meinen Gefühlen, neben meiner Sorge. Neben Lyall, den ich liebte. Lyall, der jetzt irgendwo in einer Zelle saß und keine Ahnung hatte, wieso.

»Eigentlich«, sagte ich, »eigentlich möchte ich nur, dass alles wieder gut wird.«

»Gut?« Die beiden Dozentinnen wechselten einen irritierten Blick. »Wie meinen Sie das?«

Ich brachte kein Wort heraus, weil die Angst meinen Verstand überwältigte. Was, wenn Lyall nie zurückkommt? Wenn sie ihn für den Rest seines Lebens einsperren? Ich hatte diese Fragen bisher eisern ferngehalten, hatte mich darauf gestützt, dass alles sich aufklären würde. Aber nun überwältigten sie mich, drangen mir in jede Faser meines Bewusstseins. Ich spürte, wie Tränen der Verzweiflung in meine Augen traten und mir schlecht wurde.

»Kenzie?« Gloria lehnte sich nach vorne. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Ich … ich fürchte, mir geht es nicht so gut«, brachte ich heraus.

»Möchten Sie eine kurze Pause?«, fragte Gloria weiter.

Ich hätte nicken und um fünf Minuten draußen vor der Tür bitten sollen, um mich wieder zu sammeln. Aber da schüttelte ich schon meinen Kopf. »Nein. Das ist sehr nett, aber ich fürchte, ich bekomme es heute nicht besser hin. Tut mir wirklich leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe.« Ich stand auf, machte mir nicht die Mühe, meine Zeichnungen zusammenzusammeln, sondern schnappte nur meine Tasche und verließ fluchtartig den Raum. Der Student, der offenbar als Nächstes an der Reihe war, schreckte auf, und seine Augen wurden groß, als er sah, wie ich an ihm vorbeirannte und mir dabei mit dem Ärmel über das Gesicht wischte.

Blindlings lief ich die Treppe hinunter, landete in einem weiteren Gang. Die Leute hier sahen mich merkwürdig an, aber ich beachtete sie nicht weiter. Am Ende des Flures befand sich eine Tür nach draußen. Ich drückte den Hebel herunter und riss sie auf, trat an die frische Luft und versuchte, die Übelkeit wegzuatmen. Mein Puls war viel zu hoch, aber nicht wegen des Laufs. Es war meine Panik, die alle meine Zellen in Alarmbereitschaft versetzte. Und es gab momentan nur einen Menschen, der daran etwas ändern konnte.

Mit immer noch zittrigen Fingern zog ich mein Handy hervor und wählte die erste Nummer, die im Verlauf stand. Hinter dem Namen stand (14). So oft hatten wir gestern miteinander gesprochen, nachdem die Hölle über uns hereingebrochen war.

»Geh ran«, beschwor ich ihn leise, als könnte er mich hören, wo auch immer er gerade war. Lyalls Verhaftung war fast 24 Stunden her, er musste doch längst in Edinburgh angekommen sein. »Geh ran, geh ran, verdammt noch mal.«

»Das ist die Mailbox von Finlay Henderson«, ertönte die fröhliche Stimme von Lyalls Cousin. »Ich bin wohl gerade zu begehrt, um ans Telefon zu gehen, also sprich mir was drauf.«

Ich holte Luft, nachdem der leise Piepton verhallt war. »Finlay, wo bist du? Ich habe gerade mein UAL-Interview versaut und … ach, egal. Gibt es schon etwas Neues? Ruf mich bitte an, wenn du das abhörst, okay?« Dann legte ich wieder auf und versuchte es bei Edina – aber auch sie ging nicht an ihr Telefon. Wo waren die alle? Was war da los?

»Halt durch, Lyall«, murmelte ich leise, als könnte er mich hören. »Bitte halt durch. Wir holen dich da raus.«

So würde es sein. So musste es sein. Schließlich siegte die Gerechtigkeit immer.

Oder etwa nicht?

2

Lyall

Haben Sie Adaline Warner umgebracht, Mister Henderson?

Nein.

Wir haben ihre Leiche gefunden. Und wir haben Beweise, dass Sie es waren. Wenn Sie jetzt gestehen, könnte Ihre Strafe milder ausfallen. Ich werde mit dem Staatsanwalt reden.

Ich möchte meine Anwältin sprechen.

Oh, kommen Sie schon. Das ist doch immer die gleiche Geschichte. Die große Liebe, die sich als gar nicht so groß entpuppt, dann die Trennung, Streit, und plötzlich wird man so wütend, dass man nur noch will, dass der andere verschwindet.

Ich habe sie nicht getötet. Ich könnte nie jemanden umbringen.

Jeder ist dazu in der Lage, Mister Henderson. Ich mache den Job schon lange genug, um das zu wissen.

Nein, ich nicht.

Dann haben Sie ihr nicht am Telefon gesagt, dass Sie wollen, dass sie verschwindet?

Ich …

Ja, Mister Henderson?

Ich will jetzt wirklich meine Anwältin sprechen.

Noch immer wurde mir kalt, wenn ich an das Verhör dachte. Mehrere Stunden hatte ich in dem Raum in einem Gebäude irgendwo in London verbracht, wo Inspector Miller versucht hatte, mir ein Geständnis abzuringen. Ewigkeiten hatte er mich dort festgehalten, ohne Wasser oder etwas zu essen, dafür mit den immer gleichen Fragen und seiner Hoffnung, ich würde irgendwann einknicken. Was nicht passiert war. Ich hatte genug über solche Situationen von Finlay gehört, um zu wissen, dass man vor der Polizei niemals irgendetwas zugab.

Irgendwann hatte er aufgegeben, und ich hatte meinen Anruf machen dürfen und war danach in einem vergitterten Transporter Richtung Norden gebracht worden, in eine Zelle im HMP Edinburgh. Sie hatten mich durchsucht, mir meine persönlichen Sachen abgenommen, und dann hatte sich die Tür hinter mir mit einem endgültigen Geräusch geschlossen. Seitdem hatte ich nichts gesehen außer diesen acht Quadratmetern mit dem winzigen Fenster. Es gab ein schmales Bett aus Metall, auf dem ich saß, in dem ich aber keine Minute geschlafen hatte – wie auch, wo mir das doch unter normalen Umständen schon schwerfiel. Dazu ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl, ein Waschbecken, eine Toilette hinter einer Trennwand. Es fühlte sich surreal an, hier zu sein. Als würde es jemand anderem passieren.

Ich versuchte seit Stunden einen klaren Gedanken zu fassen, aber es war schlicht nicht möglich. Mein Gehirn war in der gleichen Schockstarre wie mein Körper – schon seit dem Moment in Heathrow, als mein Leben von einer Sekunde auf die andere in seine Einzelteile zerfallen war. Ich wusste, was man mir vorwarf, aber ich fand keine Logik darin. Wieso man jetzt das mit Adas Tod herausgefunden hatte, nachdem doch alles feinsäuberlich von meiner Familie vertuscht worden war. Oder warum es Beweise geben sollte, die mich des Mordes an ihr überführen konnten. Es war absurd. Vollkommen absurd.

Das, woran ich mich klammerte, als wäre es mein einziger Halt, war Kenzie. Kenzie, die mich vollkommen fassungslos angesehen hatte. Kenzie, die sich für mich eingesetzt, sich sogar mit den Polizisten angelegt hatte. Und die genauso wenig wie ich wusste, warum ich jetzt in dieser beschissenen Lage war. Ich hoffte so sehr, dass sich an ihrer Überzeugung nichts änderte. Dass sie nicht doch zu glauben begann, an den Vorwürfen wäre etwas dran.

Das ist deine größte Sorge?, fragte eine boshafte Stimme in meinem Kopf. Wenn das hier schlecht für dich ausgeht, ist deine Beziehung mit Kenzie sowieso Geschichte.

Ich presste die Hand auf meinen schmerzenden Brustkorb, als Panik hineinströmte und mir die Luft abdrückte. Ich stand auf, lief zwei Schritte und stand vor einer Wand. Zwei Schritte in die andere Richtung, wieder eine Mauer. Mein Puls raste mehr als bei jeder Schwimmeinheit, die ich je absolviert hatte. Bewegung war mein Mittel gegen so ziemlich alles, aber ich konnte mich hier nicht bewegen. Der Raum war zu klein, alles war zu eng. Und wenn ich daran dachte, wie lange ich noch in dieser Zelle bleiben musste, bekam ich Todesangst. Ich konnte nicht atmen. Ich konnte nicht –

Es klackte laut, die Tür ging auf. Der Wärter, der mich hergebracht hatte, sah herein. Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen.

»Henderson? Ihre Anwältin ist da.« Prüfend schaute er mich an. »Kommen wir ohne Handschellen aus?«

»Natürlich«, nickte ich. Was hatte ich auch davon, wenn ich den Kerl angriff? Dann würde man nur denken, dass ich schuldig war. Und raus kam ich so auch nicht.

»Gut. Dann kommen Sie mit.«

Ich stieß die Luft aus, als hätte ich seit Stunden nicht mehr geatmet. Dann verließ ich die Zelle und musste vorangehen, durch einen grell beleuchteten Gang mit grau gestrichenen Mauern und fleckigem Linoleum-Fußboden. Ich trug immer noch die Klamotten von gestern, mein schwarzes Shirt und die Jeans, dazu graue Sneakers, deren Sohlen beim Laufen quietschten. In Untersuchungshaft durfte man seine eigene Kleidung tragen, das hatten sie mir erklärt.

Wir gingen durch zwei Türen und landeten in einem Raum, der außer einem schmucklosen Tisch mit vier Stühlen und ein paar Warnhinweisen an der Wand nichts weiter enthielt. Ich durfte mich setzen und wartete ein paar Minuten, bis die Tür sich wieder öffnete.

»Hallo, Lyall.«

Es war Sloan Cahill, die in den Raum kam, bewaffnet mit einer teuren Aktentasche und einem wachsamen Blick. Wie alle wichtigen Funktionen in unserer Familie waren auch die unserer Anwälte meist weiblich besetzt. Ich kannte Sloan bereits seit meiner Kindheit, weil sie schon immer die Rechtsberaterin meiner Mutter gewesen war. Und trotz ihrer strengen Haltung war ich wirklich froh, sie zu sehen.

Jedoch nicht so sehr wie die Person, die danach in den Raum kam.

»Fin«, stieß ich aus, als ich meinen Cousin erkannte.

»Hey, Mann.« Finlay sah völlig übermüdet aus und sein Lächeln hatte nicht die übliche Strahlkraft. Ich konnte sehen, dass er dazu ansetzte, mich zu umarmen, aber mit einem Blick zu dem Beamten an der Tür ließ er es bleiben. Ich spürte trotzdem, wie etwas Gefühl in meinen Körper zurückkehrte.

»Hast du etwas von Kenzie gehört?«, fragte ich. »Geht es ihr gut, ist sie h...«

Sloan schnitt mir mit einer knappen Geste das Wort ab und sah den Gefängniswärter an. »Ich möchte mit meinem Mandanten sprechen«, sagte sie streng. »Allein.«

Der Beamte nickte nur knapp, erinnerte daran, dass es nicht erlaubt war, mir irgendwelche Gegenstände zu geben, und ging dann.

»Erste Regel«, sagte die Anwältin zu mir. »Rede nicht über irgendetwas von Bedeutung, wenn jemand dabei ist, der zuhört. Du weißt nie, an wen er das weitertratscht. Wer ist Kenzie? Deine Freundin?«

»Ja.« Allein bei diesem einen Wort schnürte sich mein Herz zusammen. Wir waren endlich glücklich gewesen, verdammt. Wieso musste immer so eine Scheiße passieren, wenn einmal etwas gut lief? »Ist sie hier?« Wenn ich ehrlich war, hatte ich darauf gehofft, ihr in die Augen sehen und mich vergewissern zu können, dass sie mir glaubte.

Finlay schüttelte den Kopf. »Ich habe sie gebeten, erst einmal nach Hause zu gehen und weiterzumachen, als wäre nichts Ungewöhnliches passiert. Sie würde eh so schnell keine Besuchserlaubnis bekommen.«

»Woher hast du eine?«, fragte ich.

»Ich bin sozusagen Sloans Praktikant, deswegen durfte ich mit. Allerdings habe ich echt ein paar Verrenkungen machen müssen, damit ich offiziell gar nicht in der Stadt bin. Du weißt, dass niemand Wind von dieser Sache bekommen darf.«

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Daran, dass die Unterstützung meiner Familie sofort beendet war, wenn etwas über meine Verhaftung in der Öffentlichkeit publik wurde. Zu der ständigen Panik in meinem Inneren gesellte sich eine lähmende Kälte. Wenn das hier ein Skandal wurde, wäre nicht nur mein Ruf für alle Zeiten zerstört. Sondern auch jede Chance, freizukommen.

»Hast du mit Mum gesprochen?«, fragte ich meinen Cousin.

Er nickte. »Sie ist ziemlich ausgeflippt, als ich ihr gesagt habe, was passiert ist. Und natürlich wollte sie sofort kommen, aber ich konnte sie gerade noch davon abhalten. Sie hat eingesehen, dass sie nichts für dich tun kann, bis wir Genaueres wissen. Deswegen bleibt sie auf Korfu, um niemanden aufzuschrecken.«

Sloan stellte ihre Tasche ab und setzte sich. »Okay, sprechen wir jetzt über diese Anklage und nicht über hypothetische Szenarien.« Auch sie wusste, dass sie im Fall eines Skandals das Mandat abgeben musste – sie arbeitete schließlich für meine Familie und wurde von ihrem Geld bezahlt. »Bisher haben wir noch keine Informationen darüber, was die Gegenseite für Beweise hat. Wahrscheinlich machen sie uns das Material so spät wie möglich zugänglich, so läuft das immer.« Sie schlug geschäftsmäßig ihre lederne Mappe auf und nahm einen Kugelschreiber.

»Sloan«, sagte ich und bat sie damit, mich anzusehen. »Ich habe das nicht getan.«

»Das weiß ich, Lyall, sonst wäre ich sicher nicht hier. Aber es spielt keine Rolle, was ich glaube. Wichtig ist nur, ob die Staatsanwaltschaft Beweise hat, mit denen sie dich des Mordes an Adaline Warner überführen könnte. Und womit wir gegensteuern.«

»Was sollen sie denn für Beweise haben?«, fragte Finlay aufgebracht vom Fenster, an dem er lehnte. »Sie hat Selbstmord begangen, mitten im Wald. Stunden, nachdem sie Lye das letzte Mal gesehen hat.«

Ich zuckte kaum merklich zusammen, als er das Wort Selbstmord sagte, aber mein bester Freund sah es trotzdem. »Tut mir leid«, murmelte er. Als Antwort schüttelte ich nur mit dem Kopf. Adas Tod verfolgte mich seit Jahren. Erst in den letzten Wochen seit dem Gespräch mit Kenzie hatte ich damit begonnen, mir verzeihen zu können, was ich damals gesagt und vor allem, was ich nicht getan hatte: Ada zu helfen. Was war es für eine schreckliche Fügung, dass ausgerechnet jetzt Beweise für einen Mord auftauchten, den es gar nicht gegeben hatte?

Sloan schüttelte den Kopf. »Ich werde so schnell wie möglich Akteneinsicht fordern, um herauszufinden, womit wir es zu tun haben. Selbst wenn sie einen Tipp bekommen und die Leiche gefunden haben, wird sie kaum noch Beweiswert besitzen. Meiner Erfahrung nach haben sie bei einer solchen Verhaftung aus dem Nichts also entweder die Tatwaffe oder einen Zeugen.«

»Und beides ergibt keinen Sinn«, merkte Finlay an. »Also sollten wir besser darüber reden, wer ein Interesse daran hat, dich für etwas verhaften zu lassen, das du nicht getan hast.«

»Du denkst also auch, mir will das jemand anhängen?« Eine andere Möglichkeit konnte es kaum geben.

»Natürlich.« Finlay nickte. »Ist nur die Frage, wer. Hast du eine Idee?«

Ich senkte den Kopf. »Keine Ahnung. Mein Hirn will nicht funktionieren.« Mein Verstand brachte einfach nicht überein, dass ich genau wusste, ich war unschuldig – und trotzdem hier saß.

»Wie es aussieht, ist das ein böser Traum, der Realität geworden ist.« Sloan sah mich an. »Finlay hat mir auf dem Weg hierher die grobe Geschichte über Ada und dich erzählt. Du hattest eine Beziehung mit diesem Mädchen, richtig? Und nachdem du dich getrennt hast, hat sie sich umgebracht – was deine Familie vertuscht hat?«

Ich nickte stumm.

»War Ada psychisch krank?«

Ich nickte wieder.

»Herrje, Lyall, nun rede Klartext mit mir«, sagte sie ungeduldig. »Wir können uns nur beraten, bis der Haftrichter uns sehen will, und dann möchte ich vorbereitet sein.«

»Okay.« Ich riss mich zusammen. »Ja, sie war psychisch krank, wahrscheinlich Borderline. Aber das wurde nie von einem Psychologen diagnostiziert, sondern nur von meinem eigenen Therapeuten vermutet. Und eigentlich möchte ich nicht, dass es an die Öffentlichkeit gerät.«

»Ich denke nicht, dass du dir diesen Luxus leisten kannst«, sagte Sloan trocken.

Mein Blick flog zu Finlay, aber der zuckte nur mit den Schultern. Falscher Zeitpunkt, um den Ritter zu geben schien diese Geste sagen zu wollen.

Sloan notierte sich etwas auf ihrem Block. »Ich brauche den Namen dieses Psychologen, der dich betreut hat. Und Zeugen, die in der Hauptverhandlung etwas über den Geisteszustand des Mädchens erzählen können. Du selbst wirst auf keinen Fall aussagen, der Staatsanwalt würde dich zerlegen.« Sie schaute mich an. »Erst einmal müssen wir dich aber auf Kaution hier rausbekommen.«

»Du meinst, da könnte es Probleme geben?« Das hatte ich gar nicht in Erwägung gezogen. Meine Kenntnis von Gerichtsverhandlungen beschränkte sich auf Finlays Berichte und ein paar Filme und Serien. Und dort wurden die Leute doch immer auf Kaution freigelassen, oder nicht?

»Das werden wir sehen. Du musst dich vor dem Richter in erster Linie bescheiden geben. Allein dein Name macht es sehr schwierig, so zu tun, als wärst du ein normaler Kerl, der das Land nicht von jetzt auf gleich verlassen könnte, aber wir müssen es versuchen. Je harmloser du wirkst, desto eher wird der Richter einer Kaution zustimmen.«

Ich starrte sie an. »Und was, wenn er nicht zustimmt?« Musste ich dann im Gefängnis bleiben, bis die Verhandlung begann? Wann war das überhaupt? In einem Monat, oder drei, oder sechs?

Sloan öffnete den Mund, aber bevor sie etwas sagen konnte, kam der Wärter wieder herein.

»Mrs Cahill? Der Haftrichter ist nun bereit für Sie.«

»In Ordnung, danke.« Sloan nickte. »Gehen wir.«

Ich hatte erwartet, dass wir zu einem Gericht fahren würden, aber stattdessen gingen wir nur drei Büros weiter und landeten in einem Raum, der ebenso spartanisch ausgestattet war wie der andere, aber dessen Tischanordnung an einen Verhandlungssaal erinnerte. Finlay lächelte mir aufmunternd zu, bevor wir hineingingen, aber ich brachte keine Erwiderung zustande.

»Ich habe darum gebeten, die Prüfung hier zu machen«, raunte Sloan mir zu. »Vor Gericht ist zu viel los, und wir müssen versuchen, das Ganze zumindest bis zur Verhandlung vor der Welt zu verbergen.«

Ein älterer, gelangweilt aussehender Mann saß hinter dem Tisch und studierte eine Akte, eine blonde Frau in mittlerem Alter stand hinter einem der beiden Pulte auf der anderen Seite und musterte mich abschätzig, als ich hereinkam. Sloan begrüßte beide und stellte sich als mein Rechtsbeistand vor. Mein Puls schlug unregelmäßig und heftig gegen meinen Kehlkopf. Angst war definitiv kein ausreichendes Wort für das, was ich gerade empfand. Sloan hatte vorhin nicht auf meine Frage geantwortet, aber ich konnte mir denken, was passierte, wenn dieser Termin nicht dazu führte, dass man mich auf Kaution freiließ.

»Natalie Holden, ich bin die zuständige Staatsanwältin.« Die Blondine zeigte Sloan ein knappes Lächeln, das eher wie eine Drohgebärde wirkte. Ich ahnte nichts Gutes.

Der Richter schaute von seinen Unterlagen auf. »Können wir beginnen?«

Alle bejahten das, also las er eine Folge von Aktenzeichen vor, dazu den zuständigen Bezirk und meinen Namen sowie das Verbrechen, dessen ich mich schuldig gemacht haben sollte. Dann wandte er sich an meine Anwältin. »Mrs Cahill, was beantragen Sie?«

»Wir beantragen Freilassung auf Kaution, My Lord.« Sloan nickte höflich, offenbar war das die übliche Anrede. Ich bemühte mich um einen defensiven Gesichtsausdruck, obwohl mir meine Panik ins Gesicht geschrieben sein musste. Du musst harmlos und bescheiden wirken. Harmlos. Bescheiden. Harmlos.

»Mrs Holden, haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«, fragte der Richter.

»Allerdings, My Lord«, entgegnete die Staatsanwältin. »Mister Henderson gehört zur einflussreichen Henderson-Familie, die Hotels und Ferienresorts auf der ganzen Welt unterhält und über nahezu unbegrenzte Geldmittel verfügt. Wenn Sie ihn auf Kaution freilassen, können Sie ihm genauso gut ein Flugticket in ein Land ohne Auslieferungsabkommen schenken. Mit einem Schleifchen darum.«

Sloan holte Luft. »Das ist Unsinn, My Lord. Mein Mandant hat einen schottischen Pass, dazu Familie vor Ort, und außerdem ist er unschuldig. Er hat keinen Grund, sich der Strafverfolgung zu entziehen.«

Der Richter sah auf. »Gibt es wichtige Bezugspersonen vor Ort – abseits der wohlhabenden Familie?«

»Seine Freundin«, wandte Finlay ein. »Sie stammt aus dem Süden, My Lord, und steht voll und ganz hinter ihm.«

»Nun, das sollte sie sich besser noch mal überlegen«, schnaubte die Staatsanwältin. »Sonst landet sie vielleicht da, wo die letzte ihr Ende gefunden hat.«

Ich zuckte bei dieser Anspielung nach vorne, aber Sloan packte meinen Arm und hielt mich so auf meinem Stuhl.

»My Lord, wie es scheint, ist Mrs Holden nicht in der Lage, ihre persönlichen Ansichten über meinen Mandanten für sich zu behalten«, sagte meine Anwältin. »Ich beantrage Austausch wegen Befangenheit.«

»Die Befangenheit der Staatsanwältin können Sie in der Hauptverhandlung anzeigen, Mrs Cahill.« Der Richter nahm seinen Kugelschreiber. »Die Argumente von Staatsanwältin Holden sind einleuchtend. Daher entscheide ich: Keine Freilassung auf Kaution. Der Beschuldigte verbleibt in Haft bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung. Ich werde veranlassen, dass er ein zügiges Verfahren bekommt.«

Was? Nein! Meine Kehle schnürte sich zu. Ich dachte an die winzige Zelle, in der ich mich kaum bewegen konnte. Ich konnte nicht dort bleiben! Das würde ich keine weiteren Wochen überstehen, nicht mit diesen Gedanken in meinem Kopf und ohne eine Möglichkeit, Kontakt mit jemandem aufzunehmen.

»Sir, bitte, ich kann nicht –«, begann ich, wurde aber von meiner Anwältin gestoppt.

»Vielen Dank, My Lord«, unterbrach mich Sloan. »Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Dann bugsierte sie mich so schnell wie möglich nach draußen.

»Wieso hast du mich nicht ausreden lassen?«, zischte ich vor der Tür. »Vielleicht hätte ich ihn überzeugen können, mich gehen zu lassen.«

Sloan verdrehte die Augen. »Mit dieser Staatsanwältin, die dich für eine Ausgeburt der Hölle hält? Lyall, bei dir besteht sowohl Flucht- als auch Verdunklungsgefahr! Du hättest sagen können, was du willst, du hättest keine Chance gehabt. Im Gegenteil, wahrscheinlich hätte er das Verfahren nicht priorisiert und du wärst die nächsten sechs Monate nicht aus diesem Loch rausgekommen. Wäre das besser?« Ich blieb stumm und sie atmete aus. »Jetzt bekommen wir einen schnellen Verhandlungsbeginn und ich baldige Akteneinsicht. Und die brauchen wir, wenn wir wissen wollen, was zur Hölle hier eigentlich los ist.«

»Was bedeutet ein schneller Beginn?«, fragte ich.

»Sechs Wochen, wenn es gut läuft.« Es war Finlay, der mir antwortete. Er war nach uns aus dem Raum gekommen. »Vielleicht auch zwei Monate, je nach Auslastung des Gerichts.«

Ich fuhr mir durch die Haare, griff fest danach und begrüßte den Schmerz, der verhinderte, dass ich die Fassung verlor. Sechs Wochen oder noch länger. Und dann eine Verhandlung, deren Ausgang niemand kannte. Nur langsam drang zu mir durch, dass die Staatsanwaltschaft etwas gegen mich in der Hand haben musste. Und dass diese Beweise vielleicht auch eine Jury überzeugen konnten, obwohl nichts Wahres daran war.

»Was kann ich tun?« Ich musste irgendetwas machen, sonst drehte ich durch.

»Dich ruhig verhalten«, antwortete Sloan. »Kein Aufsehen erregen, keine Schwäche zeigen. Und dich möglichst genau daran zu erinnern versuchen, was in dieser Nacht passiert ist. Das würde uns helfen.«

Ich nickte. Wir liefen, begleitet von einem Wärter, zu dem Bereich, wo ich Sloan und Finlay verabschieden musste, weil sie nicht mit in den Trakt für Untersuchungshäftlinge durften. Als wir an der massiven Stahltür angekommen waren, hatte ich meine Gedanken zu einem vorläufigen Ende gebracht.

»Können die mich … werden die mich verurteilen?«, fragte ich leise. Was bekam man für Mord? Lebenslang hörte man immer, aber was bedeutete das genau?

»Immer ein Schritt nach dem anderen«, mahnte Sloan. »Ich komme wieder, sobald ich mehr weiß.«

Ich dankte ihr für ihren Einsatz, und sie trat ein paar Schritte zurück, um Finlay und mich einen Moment reden zu lassen.

»Wie fühlst du dich?«, fragte mein Cousin.

»Wie ich mich fühle?« Ich hörte die Hysterie in meiner Stimme. »Ich habe eine Scheißangst! Wenn es jemanden gibt, der mir das anhängen will … jemanden mit Einfluss oder Beziehungen … Was, wenn die mich den Rest meines Lebens einsperren? Was, wenn –«

»Hey, nicht durchdrehen. Lass nicht zu, dass dir die Gedanken das Hirn zerfressen.« Finlay fasste mich mit einem Blick zu dem Wärter an den Schultern. Er hinderte ihn nicht daran. »Du hast das nicht getan, und das ist das Einzige, was zählt. Wir werden uns was einfallen lassen. Halt solange durch, okay?«

Ich wollte nicken, aber ich schaffte es nicht.

»Bitte sag K …, sag ihr, ich …« Meine Stimme brach mir weg.

»Mach ich.« Finlay lächelte. »Sie liebt dich, Lye. Das tun wir alle. Vergiss das nicht.«

»Du musst sie beschützen, okay? Wer immer dahintersteckt, wird vielleicht auch die Leute bedrohen, die mir wichtig sind.«

»Keine Sorge. Ich kümmere mich darum, dass sie in Sicherheit ist.«

»Danke.«

Ich nickte, er nickte, der Wächter wurde ungeduldig, nahm mich mit, weg von Finlay. Wir liefen schweigend zu meiner Zelle, er ließ mich hinein.

Und dann schloss sich die Tür und ich war wieder allein.

3

Kenzie

Tomatensoße. Eier. Cornflakes.

Ich starrte auf die Einkaufsliste in meiner Hand, aber ich verstand den Sinn der Worte nicht, die darauf standen. Willa hatte den Zettel geschrieben und ich ihn aus Gewohnheit mitgenommen, weil ich meistens für den Einkauf sorgte. Nur dass ich normalerweise bei Verstand war, wenn ich das tat. Aber jetzt war nur eine Sache in meinem Kopf: Lyall. Wieso erreichte ich niemanden aus seinem Umfeld? Das konnte doch kein gutes Zeichen sein.

In diesem Moment klingelte mein Telefon und ich kramte es hektisch hervor. Einen irrationalen Moment lang hoffte ich, Lyalls Namen auf dem Display zu sehen. Dass ich rangehen und seine Stimme hören würde, die mir sagte, es wäre alles nur ein Irrtum gewesen. Aber er war es nicht. Es war Finlay.

»Endlich!«, rief ich, als ich den Anruf annahm. Die Leute im Supermarkt drehten sich irritiert zu mir um. »Wo warst du? Ich habe ungefähr tausendmal versucht, dich zu erreichen!«

»Ich war im Gefängnis, da muss man die Handys abgeben.« Finlay klang ernst und meine Hoffnung auf gute Nachrichten sank. »Wir waren gerade beim Richter wegen der Untersuchungshaft. Er hat einer Kaution nicht zugestimmt.«

»Was bedeutet das?«, fragte ich und schlug kurzerhand den Weg zu dem Raum ein, in dem immer Kinderfilme gezeigt wurden, damit die Eltern in Ruhe einkaufen konnten. Er war leer. Ich ging hinein und zog die Tür zu.

»Es bedeutet, dass Lyall in Untersuchungshaft bleibt, bis die Verhandlung beginnt.«

»Verhandlung?« Ich holte Luft. »Ich dachte, das wäre alles nur ein Missverständnis! Du hast gesagt –«

»Ich weiß, was ich gesagt habe«, unterbrach Finlay mich, aber es klang eher müde als verärgert. »Aber so wie es aussieht, gibt es irgendwelche Beweise, die Lye belasten. So schwer, dass es für eine Anklage reicht.«

»Was denn für Beweise? Er hat sie nicht getötet!«

»Kenzie, ich weiß das und du weißt das. Genau wie derjenige, der Lyall das anhängen will. Und in einer normalen Welt säße er nicht in einer Zelle, weil niemand die Mittel hätte, um so etwas zu inszenieren. Aber wir sind die Hendersons, wir leben nicht in der normalen Welt. Unsere ist voller Neider, Intrigen und irgendwelchem Scheiß, den die meisten Leute sich gar nicht vorstellen können.«

Ich schüttelte den Kopf und merkte, dass er immerhin halbwegs wieder funktionierte. Ein Wunder angesichts der Eiseskälte in meinem Inneren. »Das hat mit eurer Welt nichts zu tun. Bestimmt war es Adas Familie.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Finlay. »Die haben nicht die Möglichkeiten dazu.«

»Ihr Bruder hat Lyall letzten Sommer zusammengeschlagen.«

»Ja, genau. Er hat ihn körperlich attackiert. So machen das die Warners – mit der Brechstange. Aber das hier ist anders. Es ist das Werk von jemandem, der subtil vorgeht.« Finlay seufzte. »Bisher ist aber alles nur Spekulation. Sobald wir die Beweise kennen, werden wir wissen, womit wir es zu tun haben.«

Ich holte Luft und versuchte, meine Angst in Schach zu halten. »Sag mir, dass du ihn da rausboxen kannst. Dass er freikommt.«

»Ich tu, was ich kann, Kenzie. Glaub mir, ich werde alles dafür tun.«

Auf dem Bildschirm an der Wand versuchte Shaun das Schaf gerade, den Farmhund Bitzer abzulenken, indem er einen Knochen warf. Ich drehte dem Geflacker den Rücken zu.

»Was kann ich solange machen?«, fragte ich.

Finlay schwieg.

»Bitte sag nicht, dass ich hierbleiben und weiterhin so tun soll, als wäre alles in Ordnung.«

Er schwieg weiter.

»Finlay, komm schon!«

»Das ist ein beschissener Tanz auf dem Vulkan, verstehst du das nicht?!«, fuhr er mich an. »Wenn die Verhaftung öffentlich wird, dann wird sich alle Welt auf Lyall stürzen! Der Rat wird ihm die Unterstützung entziehen, er wird keinen Kontakt mehr zur Familie haben dürfen –«

Ich schnappte nach Luft. »Aber du würdest ihn doch nicht im Stich lassen, oder?«

»Natürlich nicht!«, rief Finlay. »Wenn ich mich entscheiden muss, wird die Antwort immer Lyall sein. Nur bin ich noch kein Anwalt, und ich kann mir auch keinen in der Liga leisten, die hier nötig ist. Wir brauchen die Unterstützung der Familie dringend.«

»Aber wieso bin ich denn ein Problem in dieser Rechnung?« Ich verstand es einfach nicht. »Du bist schließlich auch vor Ort und viel bekannter als ich. Wer sollte mir folgen, um herauszufinden, dass ich in ein Gefängnis in Edinburgh gehe, um Lyall zu sehen?«

»Darum geht es nicht. Oder nicht nur.« Finlay zögerte. »Da läuft etwas, dessen Ausmaß wir noch nicht überblicken. Wir wissen nicht, wer dahintersteckt – und wen er sich noch vornimmt. Wenn derjenige erfährt, dass ihr beide zusammen seid, könntest du in Gefahr geraten.«

»Das ist mir scheißegal«, sagte ich hart.

»Lyall aber nicht. Er will auf keinen Fall, dass dir etwas passiert.«

Diese zwei Sätze bremsten meine Wut abrupt und ersetzten sie durch Liebe, die noch viel schmerzhafter war. Selbst in so einer beängstigenden Situation dachte Lyall daran, dass ich in Sicherheit war? Obwohl er sich vor allem um sich selbst sorgen sollte? Tränen stiegen mir in die Augen und der Kloß in meinem Hals verzerrte meine Stimme. »Du hast ihn gesehen, oder? Wie geht es ihm, Fin?« Wieso fragte ich das erst jetzt? Das hätte das Erste sein müssen.

»Was denkst du denn?« Finlay stieß die Luft aus, als könnte er auf diese Art irgendetwas besser machen. »Er ist geschockt und hat Angst. Aber er ist stark und wird durchhalten, bis wir ihn freibekommen. Ich soll dir sagen, dass er dich liebt. Und hofft, dass du an ihn glaubst.«

»Das tue ich«, sagte ich leise. »Richte ihm das aus, wenn du ihn das nächste Mal siehst.«

»Vielleicht könntest du das auch selbst tun.«

Ich wusste nicht, was er meinte. »Selbst?«

»Du kannst ihm schreiben«, erklärte Finlay. »Es wird ihm sicher helfen, zu wissen, dass du auf seiner Seite bist. Aber nicht unter deinem richtigen Namen, die checken die Post dort, vor allem in Untersuchungshaft. Denk dir irgendein Pseudonym aus und wirf den Brief nicht direkt bei dir im Ort ein.«

Ich atmete aus. »Okay.« Ich sollte schreiben. Schreiben! Ich konnte doch nicht hier in High Wycombe sitzen und nichts machen, außer Briefe ins Gefängnis zu schreiben. Aber ich wusste, Finlay würde sich im Moment nicht darauf einlassen, dass ich bei den Ermittlungen half. »Das mache ich.«

»Gut. Ich muss los. Halt die Ohren steif. Ich melde mich wieder, wenn es etwas Neues gibt.«

»Was ist eigentlich mit Edina? Ist sie bei euch?«

»Nein, sie fliegt heute zurück nach London und war ähnlich begeistert wie du, die Füße stillhalten zu müssen. Wenn du willst, ruf sie doch später an.«

»Mach ich. Danke, Finlay.«

»Dank mir, wenn ich ihn da rausgeholt habe. Bis dann, Kenzie.«

Er legte auf und ich nahm das Handy vom Ohr, blieb stehen, wo ich war, mit einem merkwürdigen Gefühlsgemisch in meinem Herzen. Liebe, Hoffnung, Angst und Sorge drehten Runde um Runde, ohne eindeutigen Gewinner. Immer noch fühlte sich das alles an wie ein Albtraum, und ich erwartete, dass Lyall mich gleich wecken und mir einen guten Morgen wünschen würde. Aber nichts passierte. Da waren immer noch animierte Schafe auf dem Bildschirm hinter mir, und als mich jemand ansprach, war es nicht Lyall, sondern ein kleiner Junge, der schüchtern durch den Türspalt spähte und fragte, ob er Shaun anschauen dürfte.

»Klar, komm rein«, sagte ich. »Das ist eine gute Folge.«

Dann ging ich hinaus und versuchte, mich wenigstens für fünf Minuten auf den Einkauf zu konzentrieren.

»Kenzie, du hast noch gar nichts von Korfu erzählt.« Susanna stellte die Schüssel mit den Kartoffeln ab und lächelte mich an. »Dein Vater hat erzählt, ihr wärt dort sehr fleißig gewesen. Bist du denn trotzdem dazu gekommen, die Insel ein bisschen zu genießen?«

»Ja, ein bisschen schon.« Ich ließ die Gabel mit den Bohnen sinken. Seit wir mit dem Essen begonnen hatten, versuchte ich, etwas hinunterzuwürgen, aber es gelang mir mehr schlecht als recht. Dass heute Dads Freundin und ihr älterer Sohn Alex bei uns zu Abend aßen, war eigentlich ganz gut – so konnte mich meine Familie nicht so genau beäugen, obwohl sie sicher alle ahnten, dass etwas nicht stimmte. Vor allem Willa war durch Alex ganz gut abgelenkt, mit dem sie wahlweise flirtete oder zoffte.

»Ein bisschen mehr, oder nicht?« Jetzt grinste meine Schwester breit. »Waren Lyall und du nicht auf einer Jacht und dann an einem einsamen Strand?«

Das hatte ich nun davon, dass ich ihr am Telefon in epischer Breite davon berichtet hatte, wie Lyall und ich die letzten zwei Wochen auf der Insel verbracht hatten. Ich war einfach so glücklich gewesen, dass ich es ihr hatte erzählen müssen.

»Waren wir«, murmelte ich und gab Willa mit Blicken zu verstehen, dass sie das Thema abhaken sollte.

»Das klingt so, als hättet ihr eine gute Zeit gehabt«, sagte Susanna. Ich merkte, dass sie wegen meiner Abwesenheit mit dem Rest meiner Familie wesentlich vertrauter war als mit mir – und deswegen versuchte, Interesse zu zeigen. Aber ich war zu beschäftigt mit mir selbst, um den Gefallen zu erwidern.

»Warum ist Lyall eigentlich doch nicht mitgekommen?« Eleni sah mich an. Ich hatte gestern nur kurz in die Familiengruppe bei WhatsApp geschrieben, dass der Plan sich geändert hatte und ich allein auftauchen würde. »Habt ihr euch gestritten?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ihm ist nur was dazwischengekommen.« Eine Verhaftung wegen Mordes, um genau zu sein. Ich nahm mein Glas und umschloss es fester als nötig. »Er wird herkommen, wenn das erledigt ist.«

»Na, hoffentlich«, meinte Willa. »Ich habe schon viel zu lange keinen heißen Typen mehr gesehen. Diese Stadt hat echt nichts zu bieten, was das angeht.«

»Entschuldige mal, und was ist mit mir?«, beschwerte sich Alex. Willa hob eine Augenbraue.

»Was soll mit dir sein?« Sie gab es vollkommen verwirrt zurück, und alle lachten, sogar ich, auch wenn es sich gekünstelt anfühlte. Der Schlagabtausch zwischen den beiden begann und ich war erst einmal aus dem Schneider. Zumindest, bis das Gespräch auf Alex’ geplantes Studium kam.

»Moment mal.« Mein Vater drehte sich zum Kühlschrank um, an dem ein Kalender hing. »Wann ist denn dein Interview in London für den Studienplatz, Kenzie?« Ich hatte ihnen davon erzählt, aber den genauen Termin nicht genannt. Sollte ich nun lügen? Nein, lieber nicht.

»Das war heute.«

Seine Augen wurden groß. »Und da sagst du nichts? Wie ist es gelaufen?«

»Ich … es lief gut, denke ich.« Gott, ich war so eine erbärmlich schlechte Lügnerin. »Ich kannte Gloria Fowler ja schon vorher, also war es nicht so aufregend wie gedacht. Sie wollen nächsten Monat Bescheid geben.«

Mein Vater lächelte. »Ich bin wirklich stolz auf dich, mein Schatz.«

Ich nickte nur und senkte den Blick wieder auf meinen nahezu unangerührten Teller, während Susanna über Oxford sprach, wo Alex nach dem Sommer anfangen würde. Als wir jedoch später abräumten, fragte mich erst Willa leise, ob alles okay sei, dann Juliet. Und spätestens da spürte ich, dass ich es keine weitere Minute durchhalten würde, so zu tun, als wäre alles bestens. Also nutzte ich den Moment, als die anderen ins Wohnzimmer gingen, sah alibimäßig auf mein Handy und lief zur Garderobe, um dann geschäftig meine Sneakers anzuziehen. »Ich habe was vergessen, ich muss noch mal weg«, informierte ich meine Familie.

»Jetzt?« Mein Vater zog die Brauen zusammen.

»Ja, es ist wichtig. Lyall hat mir etwas für seine Schwester mitgegeben und sie braucht es dringend, also werde ich nach London fahren und es ihr bringen. Wahrscheinlich übernachte ich dann auch dort. Willy, kann ich dein Auto nehmen? Loki ist ja in der Firma.« Ich nahm meine Tasche, die neben dem Eingang stand.

»Klar.«

»Danke«, ich lächelte. »Schönen Abend noch. Wir sehen uns morgen.«

Damit zog ich die Tür zu und war allein mit meinem klopfenden Herzen, als ich im Laufschritt zu dem altersschwachen Fiat rannte, um etwas zu entkommen, dem ich niemals davonlaufen konnte.

Die Montagehalle meines Vaters war dunkel, als ich hineinging. Ich schloss die Tür hinter mir und ließ das Licht ausgeschaltet. Hier fand ich mich blind zurecht, schließlich kannte ich jeden Quadratzentimeter der Firma, seit ich ein kleines Mädchen war.

Loki stand an seinem Platz im hinteren Teil der Halle, wo wir die Autos abstellten, an denen gerade nicht gearbeitet wurde. Bevor ich nach Korfu geflogen war, hatte ich ihn komplett gemieden und sogar verkaufen wollen, nur weil er mich an Lyall erinnert hatte. Aber genau das wollte ich jetzt – an Lyall erinnert werden.

Der Wagen war nicht abgeschlossen, und ich wappnete mich innerlich, bevor ich die seitliche Schiebetür aufzog und hineinstieg. Natürlich war er nach dem Sommer in Kilmore leer geräumt und gereinigt worden – deswegen roch er jetzt schwach nach Putzmitteln und vor allem nach dem Holz, das ich verarbeitet hatte. Trotzdem überfiel mich eine ganze Flut von Erinnerungen, als ich zu dem Schalter an der Küchenzeile griff und damit die Lichtleiste über dem Bett einschaltete. Die kleinen Lämpchen warfen einen warmen Schein auf die unbezogene Matratze, und ich dachte an die Nacht, die Lyall und ich in den Highlands verbracht hatten. Seitdem war viel passiert, nicht nur Gutes – aber mit Happy End, zumindest hatte ich das geglaubt. Und nun steckten wir in einer viel größeren Krise als der Trennung wegen seiner Lügen. Obwohl ich das nie für möglich gehalten hätte.

Ich ließ mich auf das Bett fallen und strich über das Kissen neben mir. Und dann sah ich sein Gesicht vor mir, kurz nachdem er beschlossen hatte, dass ich ihm wichtiger war als sein Plan, die Familie auf einen anderen Kurs zu führen.

Ich liebe dich, Kenzie. Schon in Kilmore habe ich gewusst, dass ich dich eines Tages lieben werde, und es ist nicht weggegangen, obwohl ich dachte, dass ich das mit uns verbockt hätte. Aber jetzt … jetzt weiß ich, dass du, dass diese Sache zwischen uns genau das ist, was ich immer wollte.

Fest presste ich die Lippen aufeinander und drückte die aufkommenden Tränen beiseite, als ich daran dachte, wie er mich angesehen hatte. Wie seine dunklen Augen geleuchtet hatten, als ihm klar geworden war, dass es eine Zukunft für uns geben würde – ganz egal, was wir vorher durchgemacht hatten. Ich hatte seine Liebeserklärung ohne Zögern erwidert und wir hatten daraufhin die nächsten Wochen geplant. Und noch im Flugzeug hatte ich einen Satz zu Lyall gesagt, der mir jetzt vorkam, als hätte ich damit dieses Unglück heraufbeschworen.

Eigentlich ist es mir völlig egal, was wir tun. Solange du bei mir bist.

Es war die Wahrheit gewesen. Es war immer noch die Wahrheit. Aber Lyall war nicht bei mir. Er war auch nicht einfach nur in Chicago, wo ich mit ihm hätte reden und ihm sagen können, wie sehr ich ihn vermisste. Er war unerreichbar für mich, allein in einer Zelle, ohne zu wissen, was auf ihn zukam. Ich hätte alles darum gegeben, dort zu sein. Sie hätten mich mit ihm einsperren können, das wäre mir egal gewesen. Solange ich ihm nur sagen konnte, dass alles in Ordnung kommen würde. Und das so oft wie es nötig war, um ihn zu beruhigen. Um mich zu beruhigen.

Ich verhafte Sie wegen des Mordes an Adaline Warner. Sie haben das Recht, zu dem Vorwurf zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann jedoch vor Gericht gegen Sie verwendet werden.

Ein trockener Schluchzer entfuhr mir, aber ich versuchte nicht, ihn zu unterdrücken. Niemand war hier, niemand konnte hören, dass ich weinte. Also weinte ich, während diese Szene am Flughafen immer und immer wieder vor meinem inneren Auge abgespielt wurde.

Bitte, Kenzie. Du weißt, dass ich das nicht getan habe. – Natürlich weiß ich das!

Natürlich weiß ich das? Was für ein gequirlter Mist. Ich hätte etwas anderes sagen müssen. Etwas, das ihm half. Ein dämliches Natürlich weiß ich das half ihm doch nicht, verdammt! Ich hätte ihm etwas mit Bedeutung sagen müssen. Nicht so etwas Banales wie das.

»Es tut mir leid«, flüsterte ich leise, als würde das irgendwas besser machen. Als würde er das hören, 500 Meilen von hier entfernt. Ich griff nach dem Kissen, presste es an mich, und meine Tränen begannen zu laufen, ohne dass ich sie daran hindern konnte. Wenn ich ihm doch nur hätte sagen können, dass ich an ihn glaubte und dass ich ihn liebte.

Aber das kannst du doch.

Finlay hatte gemeint, ich könnte Lyall schreiben, oder nicht? Also würde ich ihm schreiben. Immer noch weinend stand ich auf und wühlte in Lokis Schränken, aber dort fand ich nur den Block mit Haftnotizen, den Lyall benutzt hatte, um mir seine Nummer dazulassen, nachdem er die Nacht über bei mir geblieben war.

Wieder schüttelte mich eine Welle aus Verzweiflung, aber ich straffte die Schultern und versuchte, mich zusammenzureißen. Ich hatte jetzt eine Aufgabe, also würde ich sie auch erfüllen und Lyall damit helfen. Im Büro drüben gab es Papier und Stifte. Dort würde ich auch alles andere finden, was ich für einen Brief brauchte, wie Marke und Umschlag.

Ich wischte mir mit dem Ärmel über das Gesicht, verließ Loki und ging quer durch die Halle. Auf Dads Schreibtisch fand ich einen großen Notizblock und einen Kugelschreiber. Aber als ich wieder aus dem Büro kam, hörte ich ein Geräusch – jemand machte sich an der Seitentür zu schaffen. Ich hatte die Alarmanlage abgeschaltet, als ich hereingekommen war. Waren das etwa Einbrecher? Konnte so viel Unglück auf einmal passieren?

Hastig ging ich hinter den Regalen mit Furniermustern in Deckung und sah mich nach etwas um, mit dem ich mich verteidigen konnte. Vergeblich. Als die Tür tatsächlich aufging und gegen die Wand schlug, hielt ich die Luft an.

»Sei leise, verdammt«, flüsterte jemand.

»Wieso, es ist doch niemand hier. Oder ist das so ein Transformers-Ding und die Dinger erwachen alle zum Leben?«

Erleichtert atmete ich auf. Es war Willa – zusammen mit Alex.

»Komm, der Bus steht da drüben.« Ich erkannte, wie sie ihn im Dunkeln an der Hand nahm und mit zum Schulbus zog – einem anderen als dem im letzten Sommer. Der erste Bus hatte so viel Anklang gefunden, dass mein Vater nun Aufträge für mehrere Projekte dieser Art hatte.

»Warte.« Auf halbem Weg zog Alex meine Schwester in seine Arme und küsste sie. Nicht auf die harmlose Art, sondern so, dass Willa sofort ihre Hände unter sein Shirt schob. Ich spürte in meinem Magen einen dumpfen Schmerz. Keine zwei Tage war es her, dass mich jemand genau so geküsst hatte. Und ich geglaubt hatte, es würde immer so sein.

Ich verbarg mich, so gut ich konnte, und hörte, wie Willa leise lachte und die beiden sich wieder in Bewegung setzten. Das war gut. Ich würde einfach verschwinden, sobald sie im Bus waren, dann sahen sie mich nicht.

»Was ist das denn?« Willa hielt inne und schaute ins Hintere der Halle. Verflucht, in Lokis Innerem brannte noch Licht.

»Ist das nicht der Camper deiner Schwester?«, fragte Alex. »Der, den sie verkaufen wollte?«

»Das ist nicht mehr aktuell«, antwortete Willa. »Sie hat sich mit dem Kerl wieder versöhnt.«

»Ach, mit diesem wahnsinnig heißen Typen, von dem du gesprochen hast? Ich bin immer noch beleidigt deswegen.«

»Stell dich nicht so an. Er ist ein Henderson, die sind einfach nicht von dieser Welt. Und ehrlich … mache ich gerade den Eindruck, als fände ich dich nicht heiß?« Willas Ton bekam etwas Schmeichelndes. Ich trat einen Schritt zurück, weil ich den beiden ihre Privatsphäre gönnen wollte …

… und stieß dabei prompt gegen das Regal.

Durch den Stoß kamen zwei der Furnierplatten ins Rutschen und glitten von den Regalbrettern. Bevor ich sie abfangen konnte, fielen sie laut polternd zu Boden. Ich griff schnell nach dem Lichtschalter, damit Willa und Alex sahen, dass ich kein Einbrecher war … oder Poltergeist. Als die Strahler an der Decke aufflammten, blinzelten die beiden erschrocken ins Licht.

»Kenz? Du hast uns zu Tode erschreckt!« Willa starrte mich ungläubig an. »Was machst du hier? Wolltest du nicht nach London zu Lyalls Schwester?«

»Hab’s mir anders überlegt«, sagte ich. »Bitte lasst euch nicht stören. Ich mach nur bei Loki das Licht aus und bin dann schon weg.«

Meine Schwester hob die Hand und musterte mich mit ihrem typischen Scanner-Blick. »Halt, stopp.« Ihr Blick flog zu Alex, wahrscheinlich überlegte sie, ob sie die geplante Nacht mit ihm erst mal auf Eis legen sollte, um mich auszuhorchen. In seinem Gesicht erkannte ich die Hoffnung, dass sie das nicht tun würde. Aber er kannte sie wohl einfach noch nicht gut genug.

Und schon nickte Willa ihm zu. »Du. Bus. Ich brauche nicht lange.« Sie zeigte mit ihrer Hand in die Richtung. »Und du.« Sie sah mich an. »Mitkommen.« Sie packte mich am Arm und schleifte mich förmlich zu Loki, wo sie mich auf die Sitzbank drückte und die Tür schloss. »Du hast genau fünf Minuten, um mir zu sagen, was los ist.«

»Gar nichts«, wehrte ich ab. »Es ist alles in Ordnung.«

»Erzähl mir keinen Scheiß.« Willa wedelte mit der Hand. »Du hast eindeutig geheult und bist schon den ganzen Abend total komisch gewesen. Also raus damit, was ist passiert? Hat es was mit Lyall zu tun?«

»Es … ja, schon.«

»Echt jetzt?« Sie verdrehte genervt die Augen. »Ich bin wirklich kurz davor, ernsthaft ärgerlich zu werden. Was stimmt mit dem Typen nicht, dass er dich immer wieder unglücklich macht? Auch wenn es Bücher gibt, die uns das Gegenteil verkaufen wollen – gutes Aussehen und Geld rechtfertigen es nicht, Frauen scheiße zu behandeln.«

»Das hat er nicht.« Ich sah zu Boden. »Er kann nichts dafür.«

»Wer denn dann? Was war los?«

Konnte ich es Willa sagen? Finlay hatte mich gebeten, Stillschweigen zu wahren, aber meine Schwester hatte sich schon bei Ada als verlässliche Geheimnishüterin erwiesen. Sie würde auch das hier nicht weitererzählen.

»Lyall ist verhaftet worden«, stieß ich hervor.

»Heilige Scheiße!«, rief sie aus. »Warum? Drogen?«

»Mord.« Es kam mir kaum über die Lippen, so absurd erschien mir dieses Wort in Kombination mit Lyall.

»Mord?« Willas Augen wurden riesig. »An wem?«

»An diesem Mädchen, das sich vor ein paar Jahren in Kilmore das Leben genommen hat. Aus irgendwelchen Gründen glaubt die Polizei nun, Beweise zu haben, dass er sie umgebracht hat.«

»Und, hat er?«

»Was?«, rief ich empört. »Nein! Bist du irre?!«

»Ich wollte es nur ausschließen.« Willa zuckte mit den Schultern. »Also will es ihm jemand anhängen? Seine gruselige Großmutter? Die verkorkste Familie von diesem Mädchen? Oder die berühmte dritte Partei, von der noch niemand etwas ahnt?«

Ich hätte nicht überrascht sein sollen, wie schnell Willa die Situation erfasste. Sie war einfach die Klügste von uns. Sicherlich diejenige mit dem geringsten Taktgefühl, aber auch die mit dem meisten Grips.

»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Wir stehen irgendwie alle noch unter Schock. Finlay war heute bei ihm, zusammen mit einer Anwältin, damit Lyall auf Kaution freikommt, aber das wurde abgelehnt. Wegen Fluchtgefahr.«

»Wann haben sie ihn denn verhaftet? Und wo ist er jetzt?«

Ich erzählte ihr die ganze Geschichte vom Flughafen, der Festnahme und dazu alles, was ich von Finlay über die Situation wusste. Willa hörte es sich wie immer ruhig an und schüttelte dann den Kopf.

»Verrückt. Das ist alles völlig verrückt. Ich dachte, so etwas passiert nie wirklich.«

»Offenbar doch.«

»Ich frage mich nur – was machst du noch hier? Wieso bist du nicht auf dem Weg nach Schottland, damit ihr euch wenigstens durch eine Glasscheibe sehen könnt?« Sie hielt inne. »Sorry. Das war unangebracht.«

Ich hob die Schultern als Antwort auf ihre Frage. »Finlay sagt, je weniger Aufmerksamkeit auf die Sache gelenkt wird, desto besser. Wenn jemand Lyall schaden will, dann vielleicht auch mir, sobald rauskommt, dass wir zusammen sind. Und dann ist da noch der ganze Mist mit seiner Familie, die ihn sofort kaltstellt, sobald irgendetwas davon an die Öffentlichkeit dringt. Deswegen musst du auch unbedingt schweigen, Willy. Kein Wort, nicht zu Leni, Juliet, zu Dad oder Alex. Absolut kein Wort.«

»Klar. Ich sage nichts.« Sie sah sich um und entdeckte den Block und Stift. »Was hattest du eigentlich vor? Außer dich fertigzumachen, weil du hier an Lyall erinnert wirst, natürlich.«

»Ich wollte ihm schreiben.« Ich senkte den Kopf. »Wenn wir schon nicht reden können, sollte er doch wenigstens wissen, dass ich auf seiner Seite bin.«

Meine Schwester sah mich an und lächelte. »Du liebst ihn wirklich, oder?«

»Ja«, sagte ich erstickt. »Das tue ich. Aber ich weiß nicht, ob das genug ist.«

»Das ist immer genug.« Sie schloss mich in die Arme und drückte mich an sich. »Ich gehe mal zu Alex und schicke ihn nach Hause. Er wird verstehen, dass du mich mehr brauchst als er.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, mach das nicht. Ich fühle mich besser, wenn wenigstens ihr einen schönen Abend habt.«

»Bist du sicher? Der Sex mit ihm ist echt gut, keine Frage, aber ich glaube, ich könnte ihn auch morgen Abend dazu überreden.« Sie grinste.

»Ich bin sicher.«

Wieder sah Willa mich prüfend an und ich brachte ein schiefes Lächeln zustande. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich fürchte, die Stimmung ist hinüber. Ich sage Alex Bescheid, dass heute nichts mehr läuft, und besorge uns irgendwo eine teure Flasche Whiskey. Du wirst sie für diesen Brief brauchen, glaub mir. Oder danach.«

»Okay. Danke, Willy.« Ich widersprach kein weiteres Mal, nicht nur, weil ich wusste, dass es sinnlos war. Es war auch so, dass ich froh war, nicht allein sein zu müssen.

»Dafür nicht, Schwesterherz.« Willa strich mir über den Arm, bevor sie ging und die Schiebetür hinter sich zuzog. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus, bevor ich das Licht über dem Tisch einschaltete.

Dann nahm ich den Stift, schlug den Notizblock auf und begann zu schreiben.