Doris, Modell wider Willen - Gabriel Erbé - E-Book

Doris, Modell wider Willen E-Book

Gabriel Erbé

4,9

Beschreibung

Eigentlich hatte Doris genau das erreicht, was sie haben wollte. Sie war mit einem freundlichen, reichen, alten Mann verheiratet. Es machte ihr Spaß, sich bieder zu kleiden und zu frisieren. Alles war perfekt. Dann allerdings wird sie mit ihrer totgeschwiegenen familiären Vergangenheit konfrontiert. Schon am nächsten Tag muss sie sich widerwillig auf neue Lebensumstände einstellen. Ihre neue „Freundin“ Resi hat ziemlich unangenehme Vorstellungen bezüglich Doris Zukunft. Neben den beiden Kommissaren, die mit ihren Ermittlungsarbeiten wieder nur einen kleinen Teil des Buches füllen, gibt es ein kurzes Widersehen mit ein paar Hauptfiguren aus bereits veröffentlichten Romanen aus der „Ein Fall für Smidt und Rednich“-Serie. Falls jemand die dazugehörigen Bücher nicht gelesen hat, ist das kein Problem. Nach wie vor wird für die beiden Kommissare nebst ihrem Computerfreak Hottel kein romanübergreifender Handlungsstrang entwickelt.

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Das Buch

Eigentlich hatte Doris genau das erreicht, was sie haben wollte. Sie war mit einem freundlichen, reichen, alten Mann verheiratet. Es machte ihr Spaß, sich bieder zu kleiden und zu frisieren. Alles war perfekt.

Dann allerdings wird sie mit ihrer totgeschwiegenen familiären Vergangenheit konfrontiert. Schon am nächsten Tag muss sie sich widerwillig auf neue Lebensumstände einstellen. Ihre neue „Freundin“ Resi hat ziemlich unangenehme Vorstellungen bezüglich Doris Zukunft.

Neben den beiden Kommissaren, die mit ihren Ermittlungsarbeiten wieder nur einen kleinen Teil des Buches füllen, gibt es ein kurzes Wiedersehen mit ein paar Hauptfiguren aus bereits veröffentlichten Romanen aus der „Ein Fall für Smidt und Rednich“-Serie.

Falls jemand die dazugehörigen Bücher nicht gelesen hat, ist das kein Problem. Nach wie vor wird für die beiden Kommissare nebst ihrem Computerfreak Hottel kein romanübergreifender Handlungsstrang entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Buch I: Fremdbestimmt

Einkaufsbummel

Stahl

Entführung aus dem Serail

Privatdetektei

Zu mir oder zu Dir?

Alles ist im Gang

Resi legt los

Buch II: Ermitteln?

Update

Der Türöffner

Der Stromableser

Alte Bekannte

Lippen

Ermittlung eingestellt

Modeln

Nachlässigkeit wird bestraft

Ermitteln

Tiefpunkt

Phantombild

Immer weiter und immer weiter

Heiße Spuren

Bewegung

Adressen

Der Handrücken

Der einsame Hof

Relax mal

Endlich dicht dran

Schlimmer geht immer

Die Schlinge zieht sich zu

Glück

Überraschung

Wieder Zuhause

Nachwort

Prolog

Er hatte die Unterlagen immer und immer wieder durchgesehen. Einen Teil des Materials kannte er nur zu gut. Nicht im Entferntesten hätte er geglaubt, dass diese Unterlagen jemals in fremde Hände geraten konnten und jetzt war es doch passiert. Fast noch schlimmer wog der andere Teil der Unterlagen. Im wesentlichen Fotos. Unglaubliche Fotos. So unglaublich, dass er sogar das Risiko eingegangen war, die Fotos auf ihre Echtheit prüfen zu lassen. Danach hatte er selber noch ein paar Recherchen angestellt. Der Vertrauensbruch, den er dabei beging, nagte an ihm, bis er gegen seinen Willen das bestätigt sah, was er nicht bestätigt haben wollte.

Jetzt lief die Frist, die ihm gesetzt worden war ab. Er nahm das Telefon und wählte die Nummer.

„Ich nehme Ihr Angebot an.“

Buch I

Fremdbestimmt

Frau Schweigerl saß in tadelloser Haltung an dem grünen Tisch. Nur eine von vielen Spielerinnen und Spielern, die sich am Roulettetisch zusammengefunden hatten. Ihr Spiel war so unspektakulär wie verlustreich. Sie setzte ausschließlich auf rouge oder noir und legte zusätzlich bei jedem Spiel einen 100€ Jeton auf die 17.

Ihr gegenüber stand eine schwarzhaarige Frau, die gedankenverloren an ihrem Drink nippte. Kleidung und Haltung drückten große Stilsicherheit und solides Selbstbewusstsein aus. Frau Schweigerl hatte die Frau im Laufe des Abends ab und zu mit einem Blick gestreift, war aber nicht an ihr hängen geblieben. Sonst hätte sie vielleicht bemerkt dass die Schwarzhaarige scheinbar nur Augen für sie hatte.

Die 17 war noch kein einziges Mal gekommen und der Wechsel zwischen rouge und noir schien sich mit wenigen Ausnahmen an die Einsätze von Frau Schweigerl zu halten. Allerdings so, dass sie bei den meisten Spielen leer ausging.

Der beachtliche Stapel an Jetons mit dem sie das Spiel angefangen hatte, schwand zusehends. Trotzdem schien es ihr nicht die geringste Mühe zu machen, ihre aufrechte Körperhaltung und ein angedeutetes Permanentlächeln bei zu behalten. Sie war dezent und höchst akkurat geschminkt. Ihre blonden langen Haare waren zu einem stylischen und zugleich unspektakulären Dutt zusammengefasst, dem nicht ein einziges Haar entkommen konnte. Sie trug ein elegantes Kostüm das, von den Pailletten abgesehen auch gut als hochwertiges Businesskostüm hätte gelten können.

Als nur noch wenige Jetons vor ihr lagen, schob sie diese andeutungsweise zum Croupier, lächelte ihn mit geübter Mimik an und erhob sich von ihrem Platz. Sie ging, wie auch an den Abenden zuvor zur Bar, um sich dort noch einen Cocktail zu genehmigen. Das war der Moment auf den die schwarzhaarige Frau gewartet hatte. Natürlich hatte sich die Blonde wieder einen Barhocker am Rand der Bar ausgesucht. Zwischen ihr und dem nächsten Gast waren noch vier Plätze frei. Gerade, als sie den Strohhalm zwischen ihre Lippen nahm, ließ sich die Schwarzhaarige direkt neben ihr nieder.

„Verzeihen Sie bitte meine Aufdringlichkeit. Sie sind mir am Roulette aufgefallen.“

Aus der Nähe betrachtet, konnte die Blonde ihr junges Alter nicht mehr verbergen. Der Style und das Makeup hatten nur aus größerer Entfernung die Chance, eine Dame jenseits der Vierzig aus ihr zu machen.

Sie nahm sich Zeit, den ersten Schluck ihres Cocktails zu genießen, bevor sie die Schwarzhaarige mit leicht hochgezogener Augenbraue betrachtete.

„Aha?“

„Sie spielen ohne jedes System. Warum bleiben Sie nicht auf rot oder auf schwarz?“

„Ich bin es nicht gewohnt, von Fremden einfach so angesprochen zu werden. Die Etikette verlangt zumindest, dass Sie sich mir vorstellen, wenn Sie mir schon ein Gespräch aufdrängen wollen.“

„Entschuldigung“, meinte die Schwarzhaarige, während sich ein Hauch von Röte in ihrem Gesicht ausbreitete, „mein Name ist von Berg. Altes Geschlecht aus dem Kanton Appenzell.“

„Frau von Berg. Sie lassen den typischen Schweizer Zungenschlag vermissen.“

„Das liegt daran, dass ich eingeheiratet bin. Gebürtig stamme ich aus Deutschland. Mein Mann und ich haben uns im Internat kennen gelernt.“

„Welches Internat haben Sie besucht?“

„Auf dem Tulpenberg.“

Mit der Nennung dieses Namens konnte die Schwarzhaarige das erhoffte Aufleuchten im Gesicht ihrer unfreiwilligen Gesprächspartnerin erkennen.

„Ich habe viel von dieser Schule gehört. Man legt dort Wert auf einwandfreie Umgangsformen.“

„Richtig. Mein Aufenthalt entsprach, wie ich gestehen muss nicht immer ganz dem Idealbild.“

„Das ist nicht zu übersehen.“

„Nicht jedem ist schon in jungen Jahren klar, was das Leben von einem verlangen wird. Ich habe meine Lektionen gelernt. Spät, aber immerhin.“

„Nun denn, dann will ich nicht so sein. Mein Name ist Schweigerl. Doris Schweigerl.“

„Ich würde immer auf einer Farbe bleiben Frau Schweigerl. Wenn ich lange genug spiele, dann habe ich zumindest eine gute Chance, dass ich am Ende des Abends in etwa so viel habe, wie vorher.“

„Sie meinen, weil beide Farben gleich häufig kommen müssen?“

„Genau deshalb“, lächelte Frau von Berg.

„Gestatten Sie mir diese direkte Offenheit. Das, was Sie vorschlagen ist aus mathematischer Sicht schlicht falsch.“

„Tatsächlich?“

„Tatsächlich. Erlauben Sie mir jetzt, meinen Cocktail in Ruhe zu genießen?“

„Entschuldigung, ich wollte mich nicht als Ratgeberin in Sachen Roulette aufspielen. Ich hatte eigentlich etwas ganz anderes im Sinn.“

Sie holte ein kleines Fotoalbum aus ihrer Tasche und zeigte Frau Schweigerl lächelnd die erste Fotografie. Gegen ihren Willen warf diese einen Blick auf darauf und war sichtbar um Fassung bemüht.

„Wo haben Sie das her?“

„Sie kennen die Person?“ wollt Frau von Berg, noch immer entspannt lächelnd wissen und schickte hinterher: „Sie sollten Ihre Gesichtszüge und Ihre Haltung besser kontrollieren. Sicherlich wollen Sie kein Aufsehen erregen.“

Automatisch ging ein Ruck durch die Angesprochene und sie sah, zumindest aus ein paar Schritt Entfernung wieder so aus, wie zuvor.

„Was wollen Sie?“

„So einiges. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob dies hier die richtige Umgebung ist, um das zu diskutieren.“

„Entweder hier oder gar nicht. Der Kontakt zu meinem Bruder ist schon seit einigen Jahren abgebrochen. Was also will er von mir. Ich gehe doch recht in der Annahme, das Sie von ihm kommen?“

„Gewissermaßen ja. Vermutlich allerdings nicht ganz so, wie Sie es sich vielleicht denken.“

Frau Schweigerl, die sich jetzt wieder vollkommen gefangen hatte, nahm einen Schluck von ihrem Cocktail.

„Kommen Sie einfach auf den Punkt“, forderte sie Frau von Berg auf, ohne das Lächeln aus ihrem Gesicht zu verlieren.

„Nun, er ist in unserer Obhut“, gab diese, ebenfalls lächelnd, zur Antwort. „Zugegebenermaßen nicht ganz freiwillig.“

„Sie kommen also hier hin, um mir mitzuteilen, dass Sie meinen Bruder entführt haben? Habe ich das richtig verstanden?“

Lächelndes Nicken.

„Sie sind wahnsinnig. Wie meinen Sie, können Sie mich daran hindern, dies den zuständigen Behörden zu melden?“

Frau von Berg blätterte lächelnd weiter. Gerade so, als ob sie die neuesten Fotos der Kinder zeigen wollte. Ihrem Gegenüber gelang es, die Haltung zu bewahren, als sie sich selber an der Seite ihres Mannes sah.

„Ich habe natürlich ein bisschen recherchiert“, erklärte Frau von Berg. „Es gibt in Ihrem Leben mehr zu verlieren als nur Ihren verstoßenen Bruder. Liege ich da richtig?“

Statt darauf einzugehen, gab Frau Schweigerl dem Barkeeper einen Wink.

„Der Cocktail war, wie immer hervorragend. Ich fühle mich heute leider nicht so recht.“

„Dann wünsche ich Ihnen eine erholsame Nacht Frau Schweigerl“, gab der Barkeeper freundlich zur Antwort, während er das Trinkgeld entgegennahm, das sie auf den Tresen gelegt hatte.

Ohne ein weiteres Wort an Frau von Berg zu richten, ging sie ruhigen Schrittes zu den Aufzügen und zog wenige Minuten später die Schlüsselkarte durch den Scanner an der Eingangstüre zu ihrer Suite.

Sie wachte am nächsten Morgen mit einem seltsam benommenen Gefühl auf. Gerade so, als ob sie am Vorabend zu viel getrunken hätte. Aber außer dieser impertinenten Person, die versucht hatte, sie zu bedrohen, hatte sie nicht in Erinnerung irgendetwas Besonderes erlebt oder gemacht zu haben. Es war ihr nicht ansatzweise klar, was sie bezüglich der Drohung unternehmen konnte. Jedenfalls konnte sie von ihrem Urlaubsort aus nicht aktiv werden. Selbst zuhause würde es schon schwierig genug werden, die Erpressung ohne Aufsehen zu beenden. Dafür war der Werdegang ihres Bruders zu heikel. Bislang war noch kein Journalist auf die Idee gekommen, bei ihr genauer zu recherchieren. Wenn doch, dann hatten die Informationen jedenfalls noch nicht den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Vielleicht war die Aufdeckung ihrer Verwandtschaft im Moment auch einfach nur unpassend. Eines war jedenfalls klar. Der Vorteil mit einem einflussreichen Ex-Senator verheiratet zu sein, konnte auch sehr schnell in einen Nachteil umschlagen. Dann nämlich, wenn es für eben diesen Ex-Senator – der sich noch immer mit Senator ansprechen ließ - keine andere Möglichkeit geben sollte, als sich medienwirksam von ihr zu distanzieren.

Als sie auf nackten Füßen zum Bad ging hörte sie bei jedem Schritt ein auffälliges Klacken. Erschocken schaute sie zu ihren Füßen und sah an den beiden Zeigezehen einen breiten goldenen Ring. Schon beim ersten Versuch einen der Ringe abzustreifen merkte sie, dass der Ring viel zu eng saß, um ihn über das Gelenk zu schieben. Wo kamen die Ringe her?

Ihr Blick ging durch den Raum. Nichts schien verändert. Auch im Wohnraum war alles in seiner gewohnten Ordnung. Gerade, als sie zur Türe gehen wollte, um diese auf Einbruchsspuren zu überprüfen, blieb ihr Blick an einem kleinen Rosenbouquet hängen, das jemand auf den Tisch gelegt hatte. Dabei störte sie weniger die Geschmacklosigkeit des Arrangements, sondern viel mehr die Existenz des Bouquets.

Sie nahm die Karte, die deutlich sichtbar in den Blumen steckte und las mit ausdrucksloser Miene die Mitteilung.

„Liebe Frau Schweigerl,

leider konnten wir unsere anregende kleine Plauderei an der Bar nicht mehr fortsetzen. Deshalb möchte ich Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass ich noch den einen oder anderen Gedanken los werden möchte. Wir werden uns also noch einmal zu einem kleinen Plausch treffen müssen.

Bis dahin ersuche ich Sie, keine unüberlegten Maßnahmen einzuleiten. Als kleine Erinnerung habe ich Ihre beiden Zehen dekoriert. Eine, wie ich finde sehr gut zu verbergende Stelle. Nehmen sie es als eine kleine, wenn auch seltene Aufmerksamkeit von mir. Zu Ihrer Information: Die Ringe bestehen aus zwei Teilen, die erst an Ihrem Zeh ineinandergeschoben wurden. Es dürfte Ihnen unmöglich sein, die Ringe abzuziehen. Zumindest, wenn Ihnen nicht danach ist, die Zehen dafür ein wenig zu kürzen.

Letzteres ist dabei keine reine Fiktion. Wie die beiden Fotos unter dem Bouquet beweisen, hat Ihr Bruder diesen Weg gewählt, als ich ihn davon überzeugen wollte, für mich zu arbeiten. Es hat ihm nicht viel genutzt, außer, dass ich ihm einen gewissen Respekt zollen musste.

Wir sehen uns heute Abend. Aus naheliegenden Gründen kann ich Sie leider nicht im Casino besuchen. Halten Sie sich bitte einfach bereit. Ich werde Sie kurzfristig informieren.

Mit herzlichem Gruß

Ihre liebe Freundin von Berg“

Nachdem sie sich den Brief mehrfach durchgelesen und auch die Beweisfotos angeschaut hatte – sie konnte den Würgereiz nur mit Mühe besiegen – saß sie noch einige Minuten schweigend in dem Sessel. Jetzt rächte sich, dass sie ihrem Mann nicht in allen Bereichen, die ihre Vergangenheit anbetraf, reinen Wein eingeschenkt hatte.

Schließlich straffte sie sich und verrichtete ihre morgendliche Routine. Da sie danach noch immer keinen klaren Gedanken gefasst hatte, beschloss sie einfach das zu machen, was sie sich für den Tag ohnehin vorgenommen hatte und das Problem „von Berg“ zu ignorieren. Also stieg sie in ihr hoch geschlossenes Alltagsdirndl, zog ihre Bergstiefel an (wie verrucht sie sich in dieser Kleidung immer vorkam) und fuhr die kurze Strecke bis zur Talstation mit ihrem Cayenne an. Kurz danach hatte sie ihren Rucksack auf dem Rücken und machte sich an den Anstieg zu dem tausend Meter weiter oben liegenden Gipfelkreuz. Die Bergluft würde sicherlich ihren Kopf durchblasen. Am Ende konnte nur die rettende Idee stehen, die sie aus der Bedrohung befreien würde.

Während des Aufstiegs, bei dem sie zu den anderen Wanderern immer ausreichend Abstand hatte, um sich alleine zu fühlen, bekam sie entgegen ihrer Erwartung keine Ruhe in ihre Gedanken. Stattdessen kreisten die immer wieder um ihre vollständige Ratlosigkeit. Es gab niemanden, an den sie sich hätte wenden können, ohne selber Nachteile davon zu haben. Die Polizei, die sicherlich die richtige Adresse wäre, würde natürlich automatisch ihren Mann mit einbeziehen. Das war aber genau das, was sie verhindern wollte und musste. Es war hart genug, an seiner Seite zu bestehen. Alleine wegen des großen Altersunterschiedes. Ein Skandal, wie der, der durch das alles losgetreten werden würde, konnte sicherlich zu keinem guten Ende führen.

Am Gipfelkreuz nahm sie ihre Trinkflasche aus dem Rucksack und führte sie gedankenverloren an den Mund. Den Ausblick auf die herrliche sonnenbeschienene Bergwelt nahm sie gar nicht richtig war. Ihre Gedanken blieben nach wie vor in ihrem Karussell hängen. Sie wusste nicht wie lange sie so da gesessen hatte. Irgendwann raffte sie sich jedenfalls auf und stieg zu der nahegelegenen Almhütte ab, wo sie eine Brotzeit zu sich nehmen wollte.

Nachdem der Wirt ihr das zünftige Holzbrett mit dem Essen gebracht hatte, gelang es ihr endlich sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und wenn es nur das Essen war, das wieder einmal sehr gut zubereitet war. Wenn sie bedachte, wieviel ihr Mann in so manchem Edelschuppen für Speisen hinblätterte, die nur minimal besser waren, als diese Brotzeit, konnte sie nur den Kopf schütteln.

„Warum schüttelst du den Kopf? Schmeckt es nicht, Doris?“

Beim Klang der Stimme, wäre ihr fast das Besteck aus der Hand gefallen. Ohne, dass sie es mitbekommen hatte, hatte sich diese furchtbare von Berg neben sie gesetzt. Und nicht nur das, sie hatte auch noch die Unverschämtheit, sie beim Vornamen zu nennen. Bevor sie Worte gefunden hatte, um sich dagegen zu verwahren, plauderte die von Berg schon munter weiter.

„Ich bin übrigens die Resi. Hier auf dem Berg lässt man ja glücklicherweise die Förmlichkeiten weg, die das Leben im Tal oft so kompliziert machen. Freut mich, dass wir uns hier mal so ganz locker unterhalten können.“

„Mich ganz und gar nicht. Was bilden Sie sich ein Frau von Berg? Was soll das mit diesen furchtbaren Ringen? Wie sind Sie überhaupt in meine Suite gekommen?“

„Ach, das musst du nicht wissen Doris. Wichtig ist doch eigentlich nur, dass ich rein gekommen bin und dass du davon nichts mitbekommen hast.“

„Hören Sie auf, mich zu duzen Ich verbiete Ihnen mich zu duzen.“

Als ob Resi nichts davon mitbekommen hätte, musterte sie ihre Gesprächspartnerin eingehend.

„Weist du eigentlich, dass ich dich noch nie in einer Hose gesehen habe? Ist das irgendwie so ein Tick von dir? Immer nur Röcke tragen?“

„Das gehört sich so für eine Dame“, gab Doris zur Antwort, wobei sie automatisch ihre Dirndlschürze glatt strich.

„Immer nur in Röcken? Das ist doch eigentlich nur bescheuert.“

„Was wollen Sie von mir? Und was soll das mit den Ringen?“

„Direkt zwei Fragen auf einmal. Nun gut. Die erste Antwort lautet: die eine oder andere Dienstleistung und ein bisschen Spaß haben. Die zweite Antwort: Dich daran erinnern, dass ich da bin und dich nicht mehr von der Angel lassen werde.“

„Was hindert mich daran, Sie einfach anzuzeigen?“

Im gleichen Moment, in dem ihr die Frage herausgerutscht war, hatte sie die Frage auch schon bereut.

„Das musst du selber wissen. Ich hindere dich jedenfalls nicht.“

„Die Fotos sind doch wohl eine Montage oder? Ich meine, warum sollte sich mein Bruder freiwillig das vordere Glied seines Zehs abschneiden nur um diese albernen Ringe los zu werden?“

„Ach, das ist einfach erklärt. Seine Ringe waren im Gegensatz zu deinen ein bisschen modifiziert. Da war noch so eine lästige Kette dran, die wiederum an einer Wand befestigt war. Ich habe ihm dann klar gemacht, dass er entweder auf meine Forderungen eingehen muss“, erklärte Resi im Plauderton, „oder in dem Keller, in dem er steckte verhungern müsste. Als dritten Weg habe ich ihm dann noch so eine Geflügelschere hingelegt. Danach habe ich ihn für ein paar Tage alleine gelassen und siehe da: Er hat die Schere benutzt.“

„Du verarschst mich.“

„Gratuliere, endlich hast du mich geduzt. Und dann auch noch so eine ordinäre Sprache… Nein, ich führe dich nicht an der Nase herum.“

„Mein Bruder hätte garantiert alles unterschrieben, was du ihm hingelegt hättest. Hinterher hätte er es dann wieder irgendwie geschafft da raus zu kommen. Was sollte er den überhaupt unterschreiben?“

„Ich wollte seine Einwilligung, ihn in ein Kunstwerk zu verwandeln.“

„Wie? Was meinst du damit?“

„Eigentlich ganz einfach. Ich tätowiere für mein Leben gerne.“

„Dann mach einfach ein Geschäft auf, in dem man sich tätowieren lassen kann. Was soll mein Bruder in der Geschichte. Wie ich schon sagte: Das ist alles nur Blödsinn.“ Sie räusperte sich, um damit eine klare Trennlinie zu setzten und sich die Chance zu geben, wieder zur normalen Anrede zurückzukommen. „Jetzt stehen Sie bitte auf und lassen mich hier raus.“

Resi überhörte die Aufforderung lächelnd.

„Das Problem ist, dass ich hundert Prozent seiner Haut für mein Kunstwerk nutzten wollte. Solche Modelle findet man nicht überall.“

„Sie sind bescheuert. Lassen Sie mich jetzt sofort raus. Ich schreie sonst die ganze Terrasse hier zusammen.“

„Das ist ein schwerer Fehler liebe Doris“, meinte Resi, während sie sich demonstrativ zurücklehnte um es sich auf der Bank noch ein Stückchen gemütlicher zu machen. „Ich sag mal so: Dies ist deine letzte Chance in Ruhe mit mir zu reden. Nicht, dass du das missverstehst. Wir werden ohnehin früher oder später miteinander reden. Nur eben nicht mehr in einem so angenehmen Ambiente, wie hier auf der Alm.“

„Nichts als leere haltlose Drohungen. Ich glaube kein Wort von dem, was Sie da reden. Und jetzt machen Sie mir endlich Platz.“

„Ich habe noch ein paar Bilder mitgebracht. Vielleicht hast du ja Lust darauf?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, holte sie wieder ihr kleines Fotobuch hervor, schlug mit freundlichem, aufmerksamem Gesichtsausdruck eine Seite auf und zeigte sie ihrer unfreiwilligen Gesprächspartnerin. Als der, wie erwartet die Farbe aus dem Gesicht wich, wurde aus Resis freundlichem Gesichtsausdruck ein fröhliches Lachen.

„Hab ich mir doch gedacht, dass du dich über das Foto freuen würdest. Möchtest du vielleicht eine Kopie? Wer weiß, ob es überhaupt noch mal so ein lebendiges Foto deines Bruders geben wird.“

„Was sind Sie nur für ein Mensch?“ wollte Doris mit tonloser Stimme wissen.

„Zunächst mal folgendes. Du wirst mich ab sofort duzen. Ansonsten bin ich es, die das Gespräch beenden wird. Die Konsequenzen für deinen Bruder werde ich dir dann in den nächsten Tagen per Foto zu kommen lassen. Also? Wie heiße ich? Und zwar bitte im ganzen Satz.“

Doris musste mehrfach schlucken, während sie zwischen dem Foto und Resi hin und her blickte. Schließlich kam zwischen verkniffenen Lippen, „du bist Resi“, hervor.

„Na geht doch. Und weil wir uns so gerne haben, wirst du mir jetzt einen Kuss geben.“

„Sie spinnen ja wohl!“

Mit enttäuschter Miene packte Resi das Fotobuch in ihre Tasche und stand von der Bank auf. Doris gelang es nur ein paar Sekunden lang ruhig sitzen zu bleiben, bevor sie Resi dann doch zurückhielt.

„Sorry…, Resi. Das war nicht so gemeint. Komm setzt dich doch bitte wieder zu mir. Ich werde tun, was du verlangst.“

Resi hielt lächelnd in ihrer Bewegung inne, setzte sich dann immer noch lächelnd neben Doris und gab ihr einen Kuss auf den Mund, wobei sie eine Hand an Doris Nacken legte und damit deren Kopf sanft, aber bestimmt zu sich zog.

„Na geht doch. Du wirst dich dran gewöhnen. Das ist nämlich die Begrüßung die ich immer von dir erwarte, wenn wir uns irgendwo treffen und das ist natürlich auch die Verabschiedung, wenn sich unsere Wege wieder trennen.“

Als spontane Reaktion strich Doris ihre Dirndlschürze glatt und schaute dann wieder zu Resi.

„Sind Sie… bist du“, sie senkte die Stimme zu einem kaum noch hörbaren Flüstern, „lesbisch?“

„Ob ich lesbisch bin?“ wollte Resi in normaler Lautstärke wissen. „Nein bin ich meines Wissens nicht. Aber, wenn du schon davon sprichst. Wäre vielleicht mal eine sehr unterhaltsame Variante, dafür zu sorgen, dass dein persönliches Umfeld den Eindruck gewinnt, dass du lesbisch bist. Wäre doch lustig oder?“

„Was sollte daran lustig sein. Außerdem bin ich verheiratet. Das sollten… das solltest du wissen. Also kann ich ja wohl nur normal sein.“

„Naja. So richtig logisch ist das natürlich nicht. Erstens gibt es unheimlich viele Homos, die einfach nur deshalb eine Heteroehe anfangen, weil sie sich nicht trauen, zu dem zu stehen was sie empfinden. Zweitens gibt es generell sehr viele Ehegründe, die nicht nur mit Liebe zu tun haben. Geld, Ansehen, versehentliche Zeugung von Nachwuchs. Und noch einiges mehr. Bei dir zum Beispiel haben Geld, Ansehen und Flucht vor der eigenen Familie eine ziemlich große Rolle gespielt.“

„Das ist eine Lüge. Ich liebe meinen Mann. Und er liebt mich.“

„Dann kannst du ihm doch ruhig von deinem Bruder erzählen und kannst ihm auch ruhig erzählen, dass du bei deinem Jahresurlaub in den Alpen nicht nur in einem bescheuerten Dirndl die Berge hoch und runter läufst, sondern auch jeden Abend im Spielcasino hockst.“

Resi schaute herausfordernd in Doris Gesicht.

„Nein? Kannst du nicht? Dann scheint es mit der tollen großen Liebe aber auch nix zu sein.“

„Sag mir einfach was du willst. Ich werde dann sehen, was ich tun kann.“

„Das ist mal ein Angebot, liebe Doris. Ist eigentlich ganz einfach. Ich will, dass du mich hier in deinem Urlaub kennen lernst und mich dann zu dir nach Hause einlädst, weil wir uns hier so gut verstanden haben. Ich werde ein paar Wochen in eurem großen Haus wohnen und irgendwann wieder verschwinden. Dein Mann wird natürlich wissen wollen was ich so lange in eurer Stadt mache. Also wirst du ihm erzählten, dass ich Künstlerin bin und für ein längeres Projekt in deiner Stadt bleiben werde. Natürlich werde ich mich überglücklich darüber zeigen, dass du mir so großzügig ein Dach über dem Kopf anbietest.“

Doris hatte mit zunehmendem Entsetzen zugehört.

„Du spinnst. Wie soll das gehen?“

„Naja, hier und da wird man ein bisschen improvisieren müssen. Aber ich habe schon ganz andere Aufgaben gelöst. Einfach mal anfangen und dann geht das schon. Außerdem haben wir beide ja noch drei wunderbare Tage vor uns, an denen wir uns gegenseitig ein bisschen besser kennenlernen können. Schließlich musst du ja auch etwas über mich wissen. Sonst würden wir natürlich sofort auffliegen. Das wäre dann sehr ärgerlich für deinen Bruder, weil ich dann auf einmal wieder richtig viel Zeit hätte, mich um die Verschönerung seines Körpers zu kümmern.“

Doris musste sich zu ihrem Leidwesen eingestehen, dass Resi in der Einschätzung ihrer Ehe mit dem Senator in Schwarze getroffen hatte. Weder von ihrer Seite noch von der Seite ihres Mannes war viel Liebe im Spiel. Vielmehr bot die Ehe ihr selber finanzielle Sicherheit und ihrem Mann eine Frau, die sich in der Gesellschaft sicher bewegen konnte und wegen ihres Alters ein kleines Stückchen Extravaganz in sein Leben brachte. Er schmückte sich gerne damit, ein bisschen aus der Reihe zu tanzen. Alles, was er von ihr verlangte, war der Kleidungsstil und natürlich die Präsenz an seiner Seite, wann immer er sie einforderte. Insgesamt kein wirkliches Opfer, da er ein sehr aufmerksamer und charmanter Begleiter war. In der Bekleidungsfrage hatte sie sich ziemlich schnell an das gewöhnt, was er sehen wollte. Nicht altersgemäß aber auch nicht zu schlimm. Natürlich liebäugelte sie manchmal damit, sich mal so richtig gehen zu lassen und irgendwas ganz aufregendes, Sex versprühendes zu tragen, aber die Anwandlungen waren so selten, dass sie ganz gut auszuhalten waren. Mehr als diese beiden Dinge verlangte er definitiv nicht von ihr. Sie bewohnten sogar unterschiedliche Flügel in ihrem Domizil. Das alles wollte sie mit Sicherheit nicht aufgeben, nur weil ihr Bruder mal wieder in Schwierigkeiten geraten war, die er selber nicht mehr steuern konnte. Und erst recht nicht weil ihr Bruder sie jetzt auch noch mit in seine Probleme riss.

„Okay. Ich lasse mich darauf ein. Aber ich erwarte, dass es nach deinem Besuch bei mir dann endgültig vorbei ist.“

„Fein“, meinte Resi mit einem Gesichtsausdruck, der Doris die reine Freude signalisiert hätte, wenn sie es nicht besser gewusst hätte, „dann erwarte ich aber auch etwas von dir Doris.“

„Dass ich dich zu mir einlade reicht doch wohl.“

„Nein, das reicht nicht. Ich erwarte von dir, dass ich dich nicht immer wieder mit dem bedauerlichen Schicksal deines Bruders konfrontieren muss.“

„Schon gut, schon gut. Ich werde tun, was du von mir verlangst. Zumindest, wenn es in meiner Macht liegt.“

„Na, dann ist ja alles wunderbar. Du wirst dich noch wundern, was alles in deiner Macht liegt. Ich werde übrigens heute in deine süße kleine Suite einziehen. Freust du dich schon?“

„Was willst du?“

„Doris“, meinte Resi mit einem gespielt übertriebenem Seufzer, „du willst doch wohl nicht schon meinen ersten Wunsch, der nun wirklich extrem einfach zu erfüllen ist, abschlagen.“

„Nein. Natürlich nicht. Trotzdem kommt das ein bisschen überraschend. Ich meine, du hast schließlich hier irgendwo eine eigene Unterkunft. Du kannst genauso gut weiter da wohnen, wo du jetzt wohnst und wir treffen uns dann vielleicht zum Abendessen. So in der Art hatte ich mir das vorgestellt.“

„So in der Art hast du dir das vorgestellt? Nun, da muss ich dich leider auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Also zum letzten Mal. Und das meine ich wirklich so. Du tust einfach, was ich sage. Die Entscheidung, was für dich im Bereich des Machbaren ist, überlässt du dabei einfach mir. Alles klar?“

Endlich konnte Resi in Doris Gesicht erkennen, dass der Groschen gefallen war. Endlich hatte sie verstanden.

„Nun gut“, gab Doris mit belegter Stimme klein bei. „Du wirst also heute bei mir einziehen. Gerne.“

„Dann hätten wir das endlich. Ich schlage vor, du begleichst eben die Rechnung und dann machen wir uns gemeinsam auf den Weg zurück zu deinem Luxusauto. Roulette fällt heute übrigens aus. Wir machen etwas Besseres.“

Als Resis Koffer endlich in der Suite standen, schaute sie sich in Ruhe in den Räumen um und nippte ab und zu von ihrem Prosecco. Schließlich wendete sie sich wieder zu Doris die in aufrechter Haltung – die Beine eng aneinander, nur auf der Vorderkante des Sessels sitzend – darauf gewartet hatte, was jetzt kommen würde.

„Dann wollen wir mal mit den Vorbereitungen für den Abend beginnen liebste Doris. Zieh dich erstmal komplett aus.“

Als sie das überraschte Gesicht sah, verdrehte sie die Augen.

„Doris. Das ist im Bereich des Machbaren. Also leg gefälligst los.“

Nachdem sie sich einen Ruck gegeben hatte, stand Doris mit angestrengtem Lächeln auf und wendete sich Richtung Schlafzimmer.

„Nein, nein. Mach es direkt hier. Warum diese Scheu? Ich sehe dich hinterher ohnehin ohne Kleidung.“

Als sich Doris beim Ausziehen mit dem Rücken zu Resi drehte, verdrehte Resi die Augen, sagte aber nichts, sondern schaute lieber in aller Ruhe zu, wie sich Doris widerstrebende aus ihrer Kleidung schälte. Nachdem sie die unausweichliche Frage „Die Unterwäsche auch?“ mit Ja beantwortet hatte, stand Doris schließlich nackt vor ihrem Sessel.

„Wenn du dich jetzt mal noch umdrehen würdest? Nur keine falsche Scham. Ich bin selber eine Frau. Du musst also nicht damit rechnen, dass ich dir irgendwas abschaue.“

Mit einem Arm vor der Brust und einer Hand vor ihrer Scham drehte sich Doris zögerlich um. Dabei gab sie ihre sonst so sicher eingeübte Haltung mit dem stets durchge drückten Rücken auf.

„So gibt das nichts Doris. Ich habe eigentlich auch keine Lust, dich hier ewig zu motivieren. Bleib einfach einen Moment stehen. Ich hole eben ein kleines Hilfsmittelchen.“

Kurz danach kam sie mit einem Paar Handschellen zurück.

„Schon mal gesehen?“

Mit erstauntem, leicht panischem Blick nickte Doris und hielt reflexartig ihre Hände hinter den Rücken. Dabei hatte sie die wenig realistische Idee, dass Resi dann die Handschellen nicht anlegen könne.

„Wenn du dich sofort so hingestellt hättest, wären dir die Handschellen erspart geblieben. Aber du hast dich nicht so hingestellt. Einmal umdrehen und die Hände schön auf dem Rücken lassen.“

Kurz danach hörte und spürte Doris zweimal ein ratschendes Geräusch. Automatisch versuchte sie ihre Hände auseinander zu ziehen, was durch den soliden Stahl natürlich verhindert wurde.

„Sei froh, dass mir irrwitzigerweise noch nach Nachsicht zu mute ist. Das ist eines der angenehmsten Modelle. So. Und jetzt drehst du dich wieder zu mir. Ich möchte mir jetzt mal in Ruhe anschauen, was ich aus dir machen kann.“

Sie setzte sich mit ihrem Prosecco auf einen Sessel und schaute sich ihr Opfer in Ruhe von oben bis unten an.

„Du trägst keine Haare an deiner Muschi?“

Doris nickte errötend, sagte aber nichts.

„Das wäre schon ganz praktisch, wenn du in ganzen Sätzen antworten würdest. Schließlich bist du nicht geknebelt. Ist doch klar, dass ich wissen will, wieso du das machst. Also kannst du auch selber auf die Idee kommen und es mir direkt erzählen.“

„Mein früherer Freund wollte das so. Und ich wollte es auch so.“

„Aber jetzt gibt es deinen alten Mann und dein früherer Freund ist abgehakt. Warum machst du es also immer noch?“

„Ich habe mir die Haare komplett entfernen lassen.“

„Ach?“ kommentierte Resi mit hochgezogener Augenbraue. „Komplett bedeutet, dass der Haarwuchs für immer beendet ist? Wenn ich mir den Rest von dir so anschaue, hast du dich scheinbar vom Hals abwärts behandeln lasse?“

„Ja“, nickte Doris, deren Gesichtsfarbe immer roter wurde.

„Erzähl doch mal. Das ist doch eine richtig schöne Überraschung. Ich hätte dir das gar nicht zugetraut. Nur weil dein Freund das wollte, hast du das gemacht?“

„Selbstverständlich. Er kam aus einem Kulturkreis in dem sich die Frauen schon immer rasiert haben. Zumindest an den Beinen. Er hat es aber nicht geliebt, wenn die ersten Stoppeln nachkamen. Und dann haben wir uns darauf verständigt, dass ich direkt den gesamten Körper enthaaren lasse. Für mich ist das auch angenehmer. Die Hygiene ist wesentlich besser zu wahren, wenn man haarlos ist.“

„Das dauert aber doch eine ganze Zeit. Also mit dem Enthaaren.“

„Richtig. Insgesamt zwei Jahre. Dann war es fertig.“

„Respekt. Das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut. Und sonst so? Wie war das Liebesleben mit deinem ehemaligen Freund.“

„Was soll besonderes sein. Wenn wir körperliche Nähe brauchten haben wir uns ins Bett gelegt und es gemacht.“

Resi verdrehte die Augen.

„Du hast jetzt nicht wirklich ‚wir haben es gemacht’ gesagt. Das kann doch wohl nicht war sein. Da hat der Mann eine komplett enthaarte Frau mitsamt ihrem perfekten Körper neben sich liegen und ihr habt es dann nur ‚gemacht’? Ist das dein Ernst?“

„Doch. Warum? Andere machen es doch auch.“

„Die Frage ist das ‚wie’. Bei euch war dann wohl eher Blümchensex angesagt? Mann legt sich auf die Frau. Mann hat Orgasmus. Mann rollt von der Frau runter und fällt schnarchend in Tiefschlaf. Frau kann schauen, wo sie mit ihren Gefühlen bleibt.“

Doris stimmte ihr nickend zu. „Er hat nicht geschnarcht. Aber ansonsten war es natürlich genau so wie du das beschreibst. Ist doch normal.“

„Tja, liebe Doris. Ich halte das jetzt wirklich nicht für normal. Ist aber im Wesentlichen dein Problem, was dir dabei alles entgeht.“

Als Doris darauf nichts sagte, forderte Resi sie mit einer kreisenden Bewegung ihrer Finger dazu auf, sich einmal langsam um ihre eigene Achse zu drehen.

„Schon mal über eine Tätowierung nachgedacht?“

Resi konnte das Lachen nur schwer zurückhalten, als sie das erschrockene Zucken von Resis Körper sah.

„Nein?“

„Natürlich nicht. Ich bin nicht so weltfremd, dass ich nicht wüsste, dass viele Menschen - sogar Frauen - so etwas machen. Aber für mich kommt das nun wirklich nicht in Frage.“

„Willst du wirklich nicht oder hast du Angst vor der Reaktion des Opas, mit dem du verheiratet bist.“

„Ich will es nicht. Mein Mann würde es ohnehin nicht sehen. Unsere Beziehung ist nicht auf Sex angelegt. Demzufolge sieht er von meiner Haut nicht mehr, als das, was man bei jedem sehen kann.“

In der danach eintretenden Pause, in der Resis Lächeln immer breiter wurde, dämmerte es Doris, dass sie eine geschicktere Antwort hätte geben können.

„Natürlich würde es der Frauenarzt sehen. Das wäre sehr peinlich.“

„Netter Rettungsversuch liebe Doris. Aber der kennt ja auch schon deinen komplett enthaarten Körper. Das scheint dir auch nichts auszumachen. Außerdem ist es überhaupt nicht die Aufgabe der Ärzte, sich über solche Sachen aufzuregen. Ganz im Gegenteil. Die freuen sich auch, wenn sie mal so eine richtig gute Tätowierung sehen.“

„Schmuck tragen ist auch nicht deine Sache?“ wollte Resi dann wissen, als Doris nichts antwortete.

„Selbstverständlich trage ich Schmuck. Sogar sehr gerne. Nur jetzt im Moment nicht.“

„Na dann ist das ja schon mal geklärt“, grinste Resi. „Aber genug geredet. So, wie du jetzt bist, kannst du nicht auf die Straße. Das will ich dann mal schnell ändern. Bleib einfach hier stehen. Mehr verlange ich nicht von dir.“

Resi rollte danach einen ihrer Koffer in den Raum und zog, wie Doris sofort erkennen konnte, ein Korsett heraus.

„Das sollte dir eigentlich passen. Wenn es dir recht ist, dann mache ich die Handschellen jetzt wieder auf. Nur zur Sicherheit: Wo gehören deine Hände nicht hin?“

Wieder schoss Doris das Blut in den Kopf. Sie deutete mit den Augen auf ihre Brüste und ihre Schamlippen. „Hierhin? Also hierhin nicht, meine ich.“

„Braves Mädchen. Du lernst schnell“, lobte Resi mit übertriebener Euphorie.

Eine halbe Stunde später hatte sie das Korsett trotz Doris Stöhnen komplett geschlossen.

„Du siehst hervorragend aus. Dann will ich mal sehen was wir von deiner Garderobe nutzen können. Bring mir erstmal deine gesamte Unterwäsche. Bring am besten direkt noch einen Beutel mit. Dann können wir direkt aussortieren.“

Ohne weiteren Kommentar ging Doris zu ihrem Wäschefach und legte alles in fein säuberlichen Stapeln auf den Tisch. Dabei ging sie in die Hocke, da sie von dem sehr eng geschnürten Korsett gehindert wurde, sich normal zu beugen.

„Das machst du schon sehr gut. Ist das alles an Wäsche?“

„Ich habe die Schmutzwäsche selbstverständlich nicht geholt.“

„Na dann“, grinste Resi, „hast du das ja schon mal richtig gemacht. Jetzt hebst du ein Stück nach dem anderen hoch und hältst es dir vor den Körper.“

Ohne weiter zu fragen, leistete Doris Folge.

Beim ersten Höschen, das aus sehr angenehmem Satin gefertigt war, befahl ihr Resi, das Wäschestück in den Beutel zu packen, was Doris mit Erleichterung machte. Sie hatte schon Angst, dass sie das gute Stück aussortieren müsste. Als sich dann aber am Ende ausnahmslos alle Wäschestücke in dem Beutel befanden, wurde sie skeptisch.

„Den Beutel machst du jetzt schön brav zu und legst ihn da zur Seite. Wir kümmern uns später drum.“

Resi griff wieder in ihren Koffer und zog einen Stringtanga heraus. Mit Blick auf den Beutel meinte sie: „Du wirst in Zukunft keinen dieser Liebestöter mehr an deine Haut lassen. Haben wir uns da verstanden?“

Doris nahm das sehr übersichtliche Wäschestück zögerlich in die Hand.

„Nur zu“, spornte Resi sie an, als sie das Zögern sah.

Wie von Doris befürchtet, vermittelte ihr der auch vorne sehr schmal geschnittene Tanga das Gefühl, dass er jeden Moment in den Schlitz zwischen ihren Schamlippen rutschen würde.

„Hast du ein legeres Oberteil mit Ausschnitt?“

„Selbstverständlich nicht. Wann sollte ich so etwas tragen?“

„Jetzt zum Beispiel. Aber okay. Wenn du das nicht hast, dann wirst du sicherlich im Besitz von Blusen sein. Such dir etwas Schlichtes heraus. Am besten schwarz.“

Kurz danach stand Doris in einer schlichten schwarzen Bluse im Raum. Resi schaute ihr in Ruhe zu, wie sie alle Knöpfe inklusive des Kragenknopfes schloss. Besonders interessant fand sie es dabei, zu beobachten, wie sich in Doris Gesicht die Freude darüber widerspiegelte, dass sie sich so vollständig bekleiden konnte, ohne dabei von Resi unterbrochen zu werden.

„Da hast du dir aber viel Mühe mit dem Zuknöpfen gegeben. Mit dem gleichen Engagement kannst du jetzt die oberen Knöpfe wieder öffnen. Oberhalb der Linie deiner Brustwarzen will ich keinen geschlossenen Knopf sehen. Das ist meiner Meinung nach noch extrem zugeknöpft. Du kannst mir also mal wieder dankbar sein.“

Doris ließ die Arme hängen und schaute verzweifelt in Resis Gesicht.

„Was soll das? Wo soll das alles hinführen? Kannst du mir nicht einfach sagen, wieviel Geld ich dir geben soll und mich dafür einfach in Ruhe lassen? Ich laufe hier doch nicht wie eine Nutte herum.“

„Mach die Knöpfe auf“, zischte Resi zwischen den Zähnen hervor, „und hör endgültig mit deinem Gezicke auf. Ich bleibe so lange in deiner Nähe, wie es mir Spaß macht. Und so wirst du mir den Spaß garantiert nicht verderben.“

Erschrocken über den plötzlichen Wandel fing Doris mit hektischen Bewegungen an, die Knöpfe zu öffnen. Sie kontrollierte mehrfach mit ihren Blicken, ob ihre Brüstwarzen, die von dem Korsett nur sehr knapp bedeckt waren, auch sicher vor fremden Blicken geschützt waren.

„Stell dich nicht so an. Es wird dir schon nichts raus fallen. Zieh dir jetzt noch einen von deinen Röcken und die Bergschuhe von eben an. Dann geht es los.“

„Was ist mit meinen Haaren?“

„Die bleiben so, wie sie jetzt sind.“

Kurz danach fuhren die beiden mit dem Aufzug direkt bis in die Tiefgarage durch. Mit Doris Wagen fuhren sie bis in die Innenstadt. Der Einkaufsbummel fing nach wenigen Minuten vor einem Trachtenmodengeschäft an.

„So Doris. Eine kleine Bewährungsprobe. Wir werden jetzt eine Lederhose für dich kaufen. Du bestimmt mit deinem Verhalten darüber, ob dein Bruder ein bisschen mehr Strafe für dich abbüßen muss oder nicht. Alles klar?“

Doris musste zwar ihren Atem erst wieder beruhigen, aber dann nickte sie ihr Einverständnis, gab allerdings zu bedenken: „Man kennt mich hier. Möglicherweise steht das deinen Plänen im Weg.“

„Man kennt dich hier nicht, liebe Doris. Trotzdem ein netter Versuch. Du hast diesen Laden noch nie betreten. Deine seltsame Alpenmode hast du ausnahmslos in Münchens Edelschuppen gekauft.“

Damit hielt Resi die Türe auf und betrat hinter Doris das Geschäft. Der Verkäuferin, die mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu kam, erklärte Resi ohne Umschweife, dass sie auf der Suche nach einer kurzen Lederhose für ihre Freundin wären.

„Wir wollen es heute Abend mal so richtig krachen lassen. Ich hoffe, sie können uns weiterhelfen?“

Die Verkäuferin taxiere Doris, die erstaunlich professionell lächelte.

„Es darf ein bisschen sexy sein?“

Nicken von Resi und leicht verzögertes Nicken von Doris.

„Das Korsett behalten Sie an?“

Doris stieg während des unsicheren Nickens das Blut in den Kopf.

„Ich kann Ihnen gerne etwas zeigen. Wir werden mit Sicherheit das Richtige finden.“

Kurz danach kam sie mit einer Hose zurück und drapierte sie zusammen mit einer rot-weiß karierten Bluse mit geübten Griffen auf dem Verkaufstisch.

„Was meinst du Doris?“ wollte Resi lächelnd wissen.

„Das kann ich so nicht sagen. Ich habe noch nie verstanden, wie jemand sich ein sicheres Urteil bilden kann, ohne die Sachen angezogen zu sehen.“

„Dann darf ich Sie hier rüber bitten?“

Die Verkäuferin trug die beiden Kleidungsstücke zur Kabine und hielt die Türe für Doris geöffnet.

Als Doris dann mit Umziehen beschäftigt war, wendete sie sich mit gesenkter Stimme direkt an Resi.

„Ihre Freundin trägt so etwas heute zum ersten Mal?“

„Ja“, nickte Resi verschwörerisch, „Sie glauben gar nicht, wie viel Arbeit das war, sie von ihrem furchtbaren Mann loszueisen. Er lässt ihr kaum Luft zum Atmen. Deshalb sollen die Tage hier umso schöner werden. Aber“, fügte sie mit noch stärker abgesenkter Stimme hinzu, „ich habe nichts gesagt.“

Die Verkäuferin schüttelte wissend ihren Kopf und murmelte dabei so etwas wie „diese armen unschuldigen jungen Dinger heiraten aber auch heute viel zu früh.“

Danach trat Doris unsicher aus der Kabine. Die Beine der Lederhose waren an den Enden umgeschlagen, so wie es sich für eine ordentliche Lederhose gehörte. Der unsichere Blick bezog sich wohl eher darauf, dass die Hose absolut eng anlag und bereits aufhörte, als Doris Beine gerade angefangen hatten.

Die Bluse hatte sie stramm in den Hosenbund gesteckt. Zu Resis heimlicher Freude waren die oberen Knöpfe nicht geschlossen.

„Das sieht ganz hervorragend aus, meine Dame“, lobte die Verkäuferin. „Ich würde Ihnen allerdings empfehlen, die Bluse nicht in den Bund zu stecken. Dann kommt auch ihr traumhaftes Korsett wesentlich besser zur Geltung. Ich darf mal?“ wollte sie der Form halber noch wissen, als sie der völlig überraschten Doris bereits die Bluse aus der Hose zog, die unteren Knöpfe öffnete und die beiden losen Enden verknotete. Danach trat sie freudestrahlend einen Schritt zurück und wollte von Doris wissen: „Besser oder?“

„Traumhaft“, urteilte Resi sofort. „Weist du was, Doris? Das nehmen wir. Am besten du lässt es gleich an.“

Doris schaute - mehr weil sie glaubte, dass die Rolle es von ihr verlangte - in den Spiegel und sah ihren persönlichen Alptraum vor sich. Das schwarze Korsett war mehr als deutlich zu sehen, die Bluse hatte mal gerade noch zwei geschlossene Knöpfe. Ihre langen weißen Beine standen komplett ungeschützt in den klobigen Schuhen. Es gab nichts, was ihr auch nur ansatzweise gefiel. Trotzdem brachte sie es über sich zu lächeln und Resi zuzustimmen.

Nachdem Doris bezahlt hatte, nahm Resi die Tasche mit den abgelegten Sachen und trug sie für Doris zum Auto.

„Jetzt noch schnell ein bisschen Schmuck und dann bist du fertig.“

Diesmal ging es allerdings nicht in eines der edleren Geschäfte. Stattdessen musste Doris sich Unmengen an billigen Armbändern und zu guter letzt noch eine dieser viel zu großen Wollmützen kaufen. Als sich Doris so ausstaffiert in einem Schaufenster betrachtete, erkannte sie für einen klei