Dornröschens Traum - N. Schwalbe - E-Book

Dornröschens Traum E-Book

N. Schwalbe

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Beschreibung

Was macht man, wenn die Saurier-Ehe nach fast 20 Jahren einen Knacks hat und Amor den falschen Mann trifft? Milly Dreizack, noch-verheiratet, hat sich ausgerechnet in Tom verliebt, den Freund ihres Mannes. Nun steht sie vor der Wahl: Dornröschen aus ihrem Jahrhundertschlaf wecken und um die Liebe kämpfen oder ihre Träume hinter der dicken Rosenhecke versauern lassen. Millys Lebensberater, der Teufel Luzifer und das Engelchen Aurora, sind natürlich genau gegensätzlicher Meinung, also muss Milly ihre eigene Entscheidung treffen. Nur, was ist die richtige Entscheidung? Gibt es wirklich nur einen Weg zum Herzen eines Mannes, wie Luzifer behauptet?

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Für dich, Tom, danke, dass du meine Prinzessin geweckt hast.

„Der Verstand ist ein Geschäftsmann und will alles berechnen, während das Herz ein Spieler ist, immer voller Hoffnung.“ (Osho)

Danke, Schneewittchen, dass du immer für mich da bist!

Inhaltsverzeichnis

Luzifer und Aurora

Superman’s Kryptonit

Amor’s Irrtum

Was für ein Todesstoß!

Nenn mich Dobby, den Hauselfen

Anti-Verliebtsein-Pille

Hilfe für Prinz und Dornröschen

Wieso kann ich nicht lügen?

Tu ich’s, oder nicht?

Nix Liebe

Eis geht immer

Eine Million Wege zu dir

Familienurlaub

Vorlesestunde

Umzug in die Heimat

Ein König kommt manchmal auch allein

Ein Ständchen für ein Sahneschnittchen

Luzifer und Aurora

Tausend Mal berührt, tausend Mal war (fast) nix passiert.

Ich stand vor Tom und schaute in seine grünen Augen, die mich plötzlich wie magisch anzogen. Ich ließ mich wie immer zur Begrüßung herzlich umarmen und hätte den Moment schockgefrieren können.

Groß und athletisch stand er mit seinen breiten Schultern dicht vor mir und lächelte mich an.

Ich erinnerte mich an unser letztes Zusammentreffen.

Er hatte schon damals so gut gerochen.

Ich betrachtete sein Haar.

Es war noch immer so voll und schwarz.

Seine Wimpern waren einfach außergewöhnlich.

(Sie drängten sich so dicht aneinander, dass nicht einmal ein Windhauch hindurch gepasst hätte.)

Seine Lippen waren wohlgeformt und luden mit jeder Bewegung zum Küssen ein.

Kurzum, er sah blendend aus.

Wie immer.

Seit fünf Jahren hatte ich einen Narren an Tom gefressen und mit jedem Mal spürte ich einen Hauch mehr Magie durch meine Adern rauschen, wenn ich ihn traf.

Auch heute war ich wieder wie verzaubert von ihm.

Dabei hatte sich meine innere Prinzessin längst schlafen gelegt. Ich hatte mit dem Thema ›Liebe‹ abgeschlossen. Aber Toms Anblick weckte Schmetterlinge in meinem Bauch, die meinen inneren Prinzen animierten, mein Dornröschen hinter der Dornenhecke endlich aufzuwecken.

»Milly, du bist seit zwanzig Jahren mit Paul zusammen. Da schleicht sich irgendwann ätzende Routine ein«, murrte das Teufelchenauf meiner Schulter. »Es wird Zeit, weiter zu ziehen!«

»Quatsch! Routine ist doch super, da weiß man, was man hat, aber das kannst du als Teufel ja nicht nachvollziehen, Luzifer«, widersprach das Engelchen.

»Aurora, zeig mir den Menschen, der nach so vielen Jahren Wiederholungsschleife nicht gelangweilt ist! Guck dir Millys Alltag doch mal an: Aufstehen, Frühstück machen, Arbeiten gehen, Termine erledigen, Mittagessen kochen, Kinder betüddeln, Abendessen machen, Vorlesen, TV gucken, schlafen gehen. Ich könnte schon vom bloßen Aufzählen in mein Höllenfeuer spucken«, stöhnte Luzifer.

»Komm, ganz so schlimm ist das doch nicht«, versuchte Aurora einzulenken. »Routine ist gut für die Seele und Menschen, die jeden Tag dasselbe tun, werden steinalt.«

»Pah«, schnaufte Luziferverächtlich, »lieber Sex, Action und kurze Weile, und dann früh ins Gras beißen, als nix davon haben und mit hundert an Langeweile sterben. Außerdem ist es doch bei mir im Höllenfeuer auch ganz schön.«

»Das war ja klar, dass das von dir kommt, Luzifer!«, empörte sich Aurora. »Hör nicht auf den, Milly! Der hat dich schon dazu überredet, deinen Job hinzuwerfen, obwohl du noch nicht einmal was Neues gefunden hattest.«

»War auch höchste Zeit! Der alten Mobbingbande würde ich ganz gewaltig mit etwas Höllenfeuer einheizen. Die hatten Milly gar nicht verdient!«

Tja, was soll ich sagen?

Willkommen im verrückten Innenleben von Milly Dreizack!

DAS waren meine ewigen Begleiter:

TEUFELCHEN, auch LUZIFER genannt.

Und ENGELCHEN, mit dem klangvollen Namen AURORA.

Sie waren nicht immer die besten Berater, aber mit irgendjemandem musste man sich ja unterhalten, wenn man ein Leben lang mit sich auskommen musste und noch dazu die Prinzessin verbuddelt hatte, die einst von der wahren Liebe geträumt hatte, bevor sie in ihren Dornröschenschlaf gefallen war.

»Vielleicht solltest du dich erst einmal vorstellen, Milly?«Aurora lächelte aufmunternd.

»Gute Idee«, stimmte Luzifer zu.

Okay, wo fange ich an?

Ich bin Milly Dreizack, verheiratet, Mutter von unzähligen Kindern und irgendwo jenseits der Dreißig. Ich bin also ein etwas gereifterer, junger Hüpfer, der sich von Amors Pfeil hatte treffen lassen. Nur leider hatte Amor mal wieder nicht meinen Göttergatten Paul anvisiert, sondern (versehentlich oder absichtlich?) Tom.

»Endlich mal ein Engel mit Geschmack! Wenn ihr mich fragt, hat Amor den Richtigen getroffen!«, lobte Luzifer.

»Aber Tom ist für sie unerreichbar, Luzifer. Was will unsere Milly mit einem Mann, den sie nicht haben kann?

Das riecht nach gebrochenem Herzen«, wimmerte Auroravorahnungsvoll.

»Nee, das riecht nach Sex und Abenteuer!«, widersprach Luzifer.

(Die beiden waren sich selten einig!)

Ich war also etwa gefühlte fünf Millionen Jahre mit Paul verheiratet, hatte vier - mal mehr, mal weniger - entzückende Kinder sowie ein Haus, welches uns manchmal über den Kopf zu wachsen schien.

»Das wächst euch nur über den Kopf, weil du gekündigt hast, ohne einen neuen Job gefunden zu haben«, beschwerte sich Aurora.

»Da muss ich Aurora ausnahmsweise Recht geben. Andererseits ist das nur ein Haus. Ein Heim kann man sich überall einrichten. Sieh mich an! Ich habe tausend Ecken in meiner Unterwelt, die ich behause«, bemerkte Luzifer.

Unsere finanzielle Lage führte natürlich zu extremen Spannungen unserer ehelichen Saurierbeziehung, die sonst nur wenig erschüttern konnte. Schließlich waren wir gut eingespielte ›BF’s‹.

»›BF’s‹? Was soll das denn jetzt schon wieder sein, Milly?«, platzte Luzifer heraus.

»›Best friends‹ natürlich«, antwortete Aurora und lächelte verträumt. Dann wurde sie wieder ernst. »Echt jetzt? Ihr seid ›nur‹ beste Freunde? Klingt jetzt nicht so, als wenn Amors Pfeil euch irgendwann mal getroffen hätte!«

»Hat er auch nicht«, sagte Luzifer trocken. »Das solltest du doch wissen, Aurora. Schließlich wohnst du hier!« »Ich kann mir doch nicht alles merken, Luzifer!«, beschwerte sich Aurora.

Wo war ich stehengeblieben?

Genau, Tom!

Wir haben Tom getroffen, und zwar während unseres

Kurzurlaubes.

Apropos, Urlaub!

Paul hasste es, existenziell auf die Probe gestellt zu werden, während ich eher darauf vertraute, dass das Universum schon irgendwie für mich sorgen würde.

Und so entschied ich, während ich auf Antworten verschiedener Firmen wartete, trotz Joblosigkeit und Geldarmut mit der ganzen Familie in den Urlaub zu fahren.

»Urlaub nennst du das, Milly? Ich nenne das eher Häuser-Tramping. Ihr seid überall eingekehrt, wo man euch reingelassen hat. Das ist doch kein Urlaub!«, empörte sich Luzifer.

(Dieser Satz hätte auch durchaus von Paul kommen können.)

»Ach was, Milly, lass dir nix einreden. Das waren richtig tolle Tage mit Freunden und Verwandten. Liebe und Freundschaft sind doch das, was zählt«, versuchte Auroraihrem Erzfeind den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Du meinst, Häuser-Tramping ist der Klebstoff einer jeden Freundschaft?« Luziferschnitt eine Grimasse. »Auf welcher Naivitätswolke schwebst du denn, Aurora? Besuch ist wie Fisch, nach drei Tagen fängt er an zu stinken.«

»Darum hat Milly ja auch alles richtig gemacht. Sie ist nach drei Tagen einfach weitergezogen«, verteidigte Aurorameine Ehre.

Urlaub hin oder her, auf jeden Fall haben wir die Sommerferien etwas versüßt und sind in meine Heimat gefahren. Mit null Euro in der Tasche und einem Sack voller Geschenke für die Freunde, bei denen wir schlafen durften. Paul hat mich dafür gehasst, murrte ständig herum und kam tagelang nur selten aus seinem Zelt gekrochen. Wir, die Kinder und ich, haben es uns trotzdem richtig gemütlich gemacht und wir hatten eine Menge Spaß.

Den Kindern - und mir - war klar, nächstes Mal fahren wir ohne Spaßbremse, also ohne Paul.

»Genau, nächstes Mal fahren wir alleine - ohne Paul!«»Hast du nicht aufgepasst, Luzifer?«, hakte Aurora ein. »Milly ist versehentlich von Amors Pfeil getroffen worden. Was meinst du, was das für Folgen haben wird, dass sich unsere Milly nun für Tom interessiert? Glaubst du ernsthaft, dass es mit Paul noch ein weiteres Häuser-Tramping geben wird? Im Leben nicht! Ich sehe schon das Ende nahen.«

Während Paul also wie ein Obdachloser im Garten zeltete, war ich unbescheiden genug und habe die Angebote unserer Freunde angenommen und mit den Kindern im Haus geschlafen.

Ich wollte meine freundschaftlichen Bande genießen und das ist mir auch ganz gut gelungen. Um Paul eine Freude zu machen, hatte ich im Vorfeld kurzerhand zwei seiner Freunde eine Mail geschickt und gefragt, ob sie Lust auf ein Treffen hatten.

Dass beide ewig im Urlaub waren, konnte ich ja nicht ahnen. Und so waren wir schon fast auf dem Rückweg, als von ihnen eine Antwort kam. Mario hatte keine Zeit, dafür aber Tom.

›Seid ihr noch in der Nähe, Milly? VG, Tom.‹

›Ja, bis Sonntag. Melde dich einfach per WhatsApp!‹

Wir vereinbarten ein Treffen im Eiscafé und dann endlich weihte ich Paul ein.

»Echt, du hast Mario und Tom Bescheid gesagt, dass wir kommen?«, fragte Paul total gerührt.

»Klar. Aber ich hatte von den beiden nur die Firmen-Mailadressen. Und sie waren lange im Urlaub. Mario hat keine Zeit, aber Tom kann ein Treffen einrichten«, erwiderte ich, froh, dass Paul endlich wieder bessere Laune zeigte.

Nach einem schnellen Mittagessen in der viel zu kleinen Wohnung meiner Mutter sind wir dann zum Eiscafé gefahren.

Und hier waren wir nun…

Am Ort von Amors Verbrechen und seinem ›error in persona‹, wie Juristen es nannten, wenn der Täter das falsche Opfer traf.

Paul, Tom, die Kinder und ich setzten uns ins Eiscafé und bestellten ein Eis. Das Eis sah nicht wirklich lecker aus, aber ich schluckte jeglichen Kommentar herunter. Ich genoss eher Toms Anblick als meinen Vanille-Sahnehaufen, bei dem das schlechte Gewissen ohnehin den ganzen Geschmack versaute.

»Das Gewissen heißt Luzifer«, bemerkte Aurora .

»Und das ist auch gut so, schließlich will Milly Sex mit Tom und da muss sie in Topform sein!«, verteidigte Luzifer sich.

Während Tom also von seinem Urlaub erzählte, himmelte ich ihn an und dachte an damals…

Ich weiß noch, was Paul vor neun Jahren sagte, als er mir seinen Kollegen vorstellen wollte, mit dem er sich angefreundet hatte.

»Ich fürchte mich ein wenig davor, dir Tom vorzustellen. Er sieht aus wie ein äußerst attraktiver Scheich. Es gibt kaum eine Frau, die nicht auf ihn steht.«

Meine Neugier war geweckt.

»Meine auch, Milly, das kannste wissen! Ich witterte Sex und Abenteuer!«

»Luzifer, Sex ist doch nicht alles im Leben!«, warf Aurora kopfschüttelnd ein.

»Oh, ich finde schon, Süße!«

Als ich Tom also traf, konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, wovon Paul gesprochen hatte. Klar, Tom war ein attraktiver Hüne. Mit seinen schwarzen Haaren und den strahlend grünen Augen hatte er auch wirklich etwas Abendländisches.

Aber ein Frauenheld?

MEIN Frauenheld?

Nun ja, der Funke sprang damals NICHT über.

DAS sollte sich jedoch bald ändern!

Etwa vier Jahre später tauchten Tom, Mick, Mathis und Mario bei uns auf - ich nenne sie der Einfachheit halber liebevoll unsere ›M&Ms‹. Die Jungs besuchten uns in unserem neuen Zuhause einige hunderte Kilometer von Hamburg entfernt.

Eigentlich hatte sich Tom kaum verändert, und doch haute mich sein Anblick zum allerersten Mal um.

Die Jungs zelteten bei uns im Garten, abends saßen wir am Lagerfeuer und hatten eine Menge Spaß. Als Tom dann noch schnell unter die Dusche sprang, bevor er im Zelt verschwinden wollte, fielen mir danach fast die Augen aus dem Kopf: Nur mit Handtuch um die Hüfte geschlungen betrat er den Garten.

(Eigentlich hätte er für diesen Körper - UND diesen Auftritt - einen Waffenschein benötigt!)

»Ich konnte Sex und Abenteuer quasi RIECHEN! Aber leider war Milly nicht zielstrebig genug.«

»Das hat er doch mit Absicht getan, um unsere Milly zu beeindrucken und dann links liegen zu lassen«, rümpfte Auroradie Nase.

»Du meinst, Toms Teufel war nicht hartnäckig genug, sonst hätten sie schon damals im Zelt Sex gehabt?«, hakte Luzifernach. »Schwächling. Der kann nicht aus meiner teuflischen Familie stammen.«

»Du hast Familie? Erstaunlich. Nee, ich glaube eher, Toms Engelchen war zu stark.«

Ja, Tom war athletisch, hatte ein breites Kreuz, eine schmale Hüfte und ein Sixpack, das zum Anfassen einlud.

Seine Brust war glatt wie ein Babypopo und er hatte das coolste Parfüm, welches mir je in die Nase gekrochen war. Gott, ich hätte ihm vor die Füße sinken und ihn anflehen können, mich zu nehmen.

»Oh ja, beim Höllenfeuer, er war feurig.«

»Beim Zeus, er war wirklich himmlisch«, schwärmte Aurora.

Kurzum, ich hätte meine (ungeliebte) Oma (väterlicherseits) verkauft, um ihn wenigstens ANFASSEN zu dürfen. (Mit Opfern musste man ja sparsam umgehen!)

Ich hätte ALLES gegeben, um mit ihm auf dem weißen Schimmel davonzureiten. Ich war wirklich kurz davor, meinen inneren Prinzen loszuschicken, die Dornenhecke zu durchbrechen, damit er mein Dornröschen wachküssen konnte. Und natürlich hätte ich ALLES riskiert, um von ihm ins Zelt eingeladen und dort vernascht zu werden. Gott, was für eine himmlische Vorstellung!

»Geile Aussicht!«

»Wo bleibt die Romantik?«

»Du schon wieder, Aurora! Von Romantik bekommt man keinen Orgasmus«, widersprach Luzifer.

Aurora verdrehte die Augen. »Luzifer!«

»Ist doch wahr!«

Aber so groß meine Wünsche auch waren, sie zerplatzten wie eine Seifenblase, denn mehr als ein Flirt war nicht drin für mich.

Tom war mit einer schönen, blonden Polizistin verheiratet und hatte zum damaligen Zeitpunkt eine Tochter. Ich gehörte vermutlich nicht einmal annähernd in sein Beuteschema, denn er ließ mich eiskalt abblitzen.

»So eiskalt war das nun auch wieder nicht. Außerdem warst du ja schließlich mit seinem Freund verheiratet und hattest drei Kinder mit Paul.«

»Das ist sie leider immer noch. Aber meine Großmutter sagt immer: ›Seinen Mann kann man verlassen, seine Kinder nicht.‹ Selbst wenn es ihm genau so gegangen wäre wie dir, Milly, so wärest du mit DEM Anhang dann doch eine schlechte Partie für Tom gewesen«, sagte Luziferohne Umschweife. »Welcher Mann lässt sich schon eine Frau mit so vielen Kindern ans Bein binden? Nee, nee, das hätte nur für eine heiße Nummer gereicht. Die mir übrigens sehr recht gewesen wäre!«

»Blödsinn, Luzifer! Es gibt viele Männer, die auch Frauen mit Kindern nehmen«, widersprach Aurora.

»Klar, auf deiner Naivitätswolke, Süße!«

Ich träumte bereits damals von Tom, stellte mir vor, wie wir einfach durchbrannten, allen widrigen Umständen zum Trotz. Ich hatte die wildesten Phantasien, während sich mein innerer Prinz durch die Dornenhecke kämpfte. Leider blieben meine Phantasien auch solche und Dornröschen wurde nicht geweckt, denn mein Prinz brach seine Mission mittendrin ab.

Kurz darauf trennte ich mich von Paul. Ich hielt den Zwist, der sich in mir abspielte, einfach nicht mehr aus.

»Das war auch eine gute Entscheidung! Paul war damals unausstehlich!«, blubberte Luzifer.

»Stimmt«, pflichtete Aurorabei. »Aber so gleichgültig Paul bis dahin Milly gegenüber immer gewirkt hatte, plötzlich wurde er zum Löwen. Er kämpfte um sie und ein paar Monate später waren sie wieder zusammen. Total romantisch!«

»Romantisch? Du lebst wohl auf dem Mond, was?«, lachte Luzifer. »Milly war pragmatisch. Es war praktischer, mit der ganzen Kinderschar nicht alleine dazustehen. Und Paul hatte sich medikamentös so einstellen lassen, dass er nicht bei jeder Abweichung vom Alltag aggressiv aus sich herausplatzte.«

»Stimmt, die Schilddrüse kann aber auch echt tückisch sein!«

Meinen Kindern und meiner Familie zuliebe bemühte ich mich also, wieder mit Paul zusammenzuwachsen. Er machte es mir zum Glück leicht. War er doch die Jahre zuvor mürrisch, antriebslos und aggressiv gewesen, so wandelte er sich seit der Trennung ins genaue Gegenteil. Er schaffte es natürlich nicht ganz, frei von Ausbrüchen zu agieren, aber es war kein Vergleich zu vorher.

Meine Träume wurden weniger, ich fing an, meine Ausbruchspläne mit Tom zu vergessen. Ich vermied absichtlich alles, was mit ihm zu tun hatte und war froh, dass Paul ihn nicht mitbrachte. Mein innerer Prinz gab frustriert auf, bis…

»Es war auch besser so, dass Milly ihre Träume über Bord geworfen hat«, warf Aurora ein.

»Also, mir haben die Träume gefallen«, feixte Luzifer.

…bis Paul mit seinen ›M&M’s‹ gemeinsam auf Reisen ging. Erst einmal, dann zweimal…

Der Gedanke, dass er die ganze Zeit mit Tom zusammensein durfte, versetzte mir jedes Mal einen kleinen Stich. Ich wäre gerne an seiner Stelle gewesen.

Als Paul mir beim letzten Mal ein Foto von Tom schickte, spürte ich, wie meine Schutzmauer, die ich mir durch anstrengendes Ausblenden meiner Gefühle so mühsam aufgebaut hatte, zusammenbrach wie ein Staubgebilde, durch das ein Tornado fegte. Mein Prinz stand voll motiviert auf und fing an, sich an der Dornenhecke zu schaffen zu machen, als gäbe es kein Morgen mehr, wenn er Dornröschen nicht wecken würde.

Ich fühlte mich, als wenn es erst gestern gewesen wäre, dass Tom bei uns gewesen war. Und plötzlich wollte ich nichts anderes, als ihn wiederzusehen. Ohne groß darüber nachzudenken, schrieb ich an Paul:

›Schade, dass ich nicht mitkommen kann. Aber vermutlich würde ich euch nur stören. Ist ja ein Männerausflug.‹

›Tom würde dich mitnehmen.‹

Ich las Pauls Nachricht dreimal, bevor ich antwortete. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

›Ich dachte, Tom kann mich nicht leiden.‹

Ich wusste, das war hoch gepokert. Ganz so schlimm wird Tom vermutlich nicht empfunden haben, aber dennoch hatte er mich fünf Jahre zuvor doch recht unverblümt abblitzen lassen und bei mir das Gefühl hinterlassen, eine lästige Fliege zu sein.

»Schätzchen, er musste dich zurückweisen. Du bist die Frau seines Freundes«, versuchte Aurora, mich aufzumuntern.

»Boah, Aurora, sei nicht so spießig«, grunzte Luzifer.

»Was ist schon dabei. Gute Freunde teilen doch alles. Bei den Menschen bekommen gute Freunde sogar Küsschen.« »Du denkst doch auch nur an das eine, Luzifer.« Aurora verdrehte die Augen.

Es dauerte nur wenige Sekunden, dann kam die Antwort.

›Tom mag dich. Er findet dich sogar ziemlich heiß, wie er mir gerade nach ein bis zwei Bieren gestanden hat.‹

Was?

Waaaas?

Tom findet mich HEISS?

›Heiß‹ wie ›toll‹ oder ›geil‹?

»Milly, DAS ist jawohl DIE Chance zum Angriff! Beim heiligen Teufelsmist, mir kribbelt der Schwanz! Das riecht nach Sex und Abenteuer!«

»Nun beruhige dich, Luzifer! Heize Milly nicht noch an! Sie ist ihrem Mann seit 20 Jahren treu. Und das kann auch so bleiben.«

Luzifer gähnte. »Eben. Langweilig!«

Mir ging es gar nicht um Langeweile. Als vierfache Mutter hatte ich genug zu tun. Ich war auch keine gelangweilte Ehefrau, die nur mal eben so das Abenteuer suchte. Ich gehörte nicht zu denjenigen, die Aufregung pur brauchten, indem sie sich einen Seitensprung nach dem nächsten leisteten. Ich gehörte eher zu den Verfechtern der wahren Liebe - bevor sich mein Dornröschen schlafen gelegt hatte natürlich. (Wie lange diese Liebe dann hielt, stand natürlich auf einem anderen Blatt!)

»Ha! Genau das ist dein Fehler, Milly! Du suchst nach der ›wahren‹ Liebe, aber ein Abenteuer ist viel besser als das«, platzte Luzifer heraus.

»Quatsch! Nur wahre Liebe macht glücklich«, jauchzte Aurora. »Wecke deine Prinzessin bloß wieder auf!«

»Boah, Weiber!« Luzifer verdrehte die Augen.

Ich konnte kaum fassen, was ich da las.

Paul schickte mir zusätzlich noch ein Foto von Tom.

Es war umwerfend!

ER war umwerfend!

Genauso wie die nächste Nachricht!

Die haute mich dermaßen vom Hocker, dass ich am liebsten zu den Jungs gefahren wäre, um die Verheißung wahr werden zu lassen.

›Wenn seine Frau nicht wäre, würde er dich auch gerne vernaschen. Er überlegt schon, ob er sie fragt, ob sie etwas dagegen hat. Ich würde natürlich gerne zugucken wollen.‹

Was?

Waaaas?

»Was?«

»Was?«

Erstens: Ich war total geflasht, dass mein heimliches Objekt der Begierde SEX MIT MIR haben wollte!

Zweitens: Ich war fassungslos, dass er allen Ernstes seine Ehefrau FRAGEN wollte, ob er fremdgehen durfte.

»Entschuldigt mal! Welcher Waschlappen fragt bitte seinen Partner, ob dieser etwas gegen’s Fremdpimpern hat?«, mischte sich Luzifer ein. »Wer holt sich bitte eine ERLAUBNIS? Überreicht er seiner Frau einen Zettel: ›Bitte kreuze an: Darf ich fremdgehen. Jaoder Nein‹? Kommt dein Tom vom Planeten der Naiven? Ich bin fassungslos. Milly, such dir was anderes, um endlich Sex und Abenteuer zu haben! So wird das nie was! Seine Frau wird wohl kaum so doof sein und zustimmen. Er ist ein Adonis! Dann wäre sie ihn ja schneller los, als sie blinzeln könnte.«

»Oh, es gibt viele Paare, die das so handhaben, Luzifer. Wenn die Frau keinen Bock auf Sex hat, darf ihr Göttergatte mit Erlaubnis und natürlich, ohne dass Liebe im Spiel ist, fremdpimpern. Aber Toms Frau müsste wirklich verrückt sein, wenn sie ihren äußerst attraktiven Mann teilen würde«, stimmte Aurorazu. »Den würde sie doch niemals zurückkriegen!«

»Echt jetzt? So was machen Menschen? Boah, wie krank ist das denn?«

Drittens: Mein Mann wollte ZUGUCKEN?

»Hallooooo! Dein Mann ist ein VOJEUR? Hätte ich ihm übrigens gar nicht zugetraut«, sagte Luzifervergnügt.

»Paul hat sich wirklich sehr verändert«, stimmte Aurora zu. »Vom Sexmuffel zum Sex-Anleitungsbuchleser! Und das, um die Langeweile aus deinem Ehebett zu vertreiben und dir himmlischen Sex zu bereiten, Milly. Das Angebot mit Tom macht er dir bestimmt aus tiefster Liebe. Er liebt dich und darum gönnt er dir einen Adonis im Bett. Was für ein Held!«

»Quatsch, Aurora! Paul sucht nur einen Live-Porno, nix Liebe! Nun, machen wir uns nix vor, Milly«, sagte Luzifer, »eure Beziehung war von Anfang an nicht besonders aufregend. Paul hatte kaum Erfahrungen mit Frauen und du hattest bereits mit deinem allerersten Freund den weltbesten Sex aller Zeiten. Du bist quasi vom Paradies in die Hölle gewandert. Das mag im echten Leben cool sein, schließlich bin ich cool. Aber was Sex anbelangt, ist das ein No-Go.«

»Das waren noch Zeiten…«, schwärmte Aurora, »damals, als du mit Ralph zusammen warst«, fügte sie hinzu. »Da hat dein Dornröschen noch nicht geschlafen! Gott, es war himmlisch!«

»Da muss ich dir wohl oder übel Recht geben Aurora! Ich habe Milly nie wieder so verliebt gesehen. Ralph war aber auch ein ganzer Kerl! Ein Mann ganz nach meinem Geschmack. Sex, Sex und nochmal Sex. Der Mann wusste, wie man eine Frau glücklich machte, Milly!« Luzifer wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

»Sex ist doch nicht alles, Luzifer!«, widersprach Aurora.

»Das kann auch nur jemand sagen, der über den Wolken schwebt und nicht einmal in die Nähe eines sexuell aufgeladenen Ortes kommt«, blubberte Luzifer.

Stimmt, es hatte quasi NICHTS gegeben, was Ralph und ich NICHT ausprobiert hatten. Unser Sex war phantastisch. Mehr als das. Besser noch als ›9 1/2 Wochen‹. Ach, was sage ich, besser als alle Erotikfilme zusammen.

»Bei Paul war es echt harte Arbeit, damit man überhaupt am Ball blieb. Nicht einmal das Zugucken hat Spaß gemacht. Der Typ war ja in drei Sekunden fertig, wenn er überhaupt Bock zum Vögeln hatte. Ich glaube, die ersten fünfzehn Jahre sind wir überhaupt nicht auf unsere Kosten gekommen.«

»Ich fand es schlimmer, dass Paul Milly nicht geliebt hat. Es fehlte an Romantik. Und die beiden haben nicht einmal aus Liebe geheiratet«, stöhnte Aurora.

»Nicht DIE alte Leier wieder, Aurora. Paul war halt noch in seine Ex verschossen. Er war nun mal kein Abenteurer. Aber Milly hätte die Handbremse ziehen müssen, als sie es noch konnte. Wenn wenigstens der Sex bombastisch gewesen wäre! Mädel, Mädel!«Luziferschüttelte den Kopf.

»Das war wirklich kein feiner Zug von Paul«, nickte Aurora. »Zwei Jahre lang hat er mit seiner Ex…HINTER Millys Rücken! Hinter UNSEREM Rücken!«

Ja, das waren harte Zeiten für mich gewesen, die ich schon fast vergessen hatte. Ich war schwanger, als ich Paul dabei erwischte, wie er Liebesschwüre durchs Telefon säuselte, nur leider nicht in meine Richtung. Als er nach dem Telefonat in die Küche kam und mir offenbarte, dass er nicht wüsste, ob er nicht doch ›nur‹ seine Ex-Freundin lieben würde, war das wie ein Schlag in den Magen. Mit der Neandertalerkeule hatte er damit quasi meinem Dornröschen eins über den Kopf gebraten und sie in den Jahrhundertschlaf befördert. Die Jahre danach waren ein einziger Kampf ohne ein Fünkchen Liebe auf beiden Seiten. Fünfzehn Jahre hatte ich das mitgemacht, bis ich die Nase voll hatte und mein Dornröschen wiederhaben wollte.

Nach der Trennung vor fünf Jahren aber bemühte sich Paul plötzlich das erste Mal um mich. Vielleicht war ich auch nur interessant, weil ich beruflich eine leitende Funktion inne hatte. Erfolg machte bekanntermaßen ja sexy. Von einer schnöden Hausfrau schienen sich Männer schneller trennen zu können.

»Ich habe dir gleich gesagt, Paul ist kein Typ zum Heiraten«, sagte Luzifer.

»So kann man das auch nicht sagen. Jetzt ist er doch handzahm«, warf Auroraein. »Außerdem musste Milly ihn heiraten, schließlich hatte er ihr ein Kind gemacht. Wie sieht das denn aus, wenn eine Frau ohne Mann dasitzt!«

Genau das war auch mein Gedanke, als Paul mir sagte, er wüsste gar nicht, ob er seine Ex-Freundin oder mich lieben würde. Zwei ganze Jahre hinterging er mich dann noch, aber ich blieb.

»Das war der Zeitpunkt, wo du ihn hättest rausschmeißen sollen. Aber stattdessen hast du dich von seinen Eltern bequatschen lassen, ihn zu HEIRATEN«, pfefferte Luziferverärgert vor.

»Pauls Eltern haben Millys Ehre gerettet. Das ist doch ein feiner Schachzug«, widersprach Aurora.

»Blödsinn! Sie haben ihre eigene Ehre gerettet, schließlich hatte ihr feiner Sohn Milly ein Kind gemacht, ohne mit ihr verheiratet gewesen zu sein. Das war purer Egoismus!«, konterte Luzifer. »Sonst hätten die Leute im Ort gequatscht.«

Machen wir uns nichts vor: Ich hatte Paul auch aus purem Egoismus geheiratet, denn ich wollte nicht als Schlampe dastehen, die sich von verschiedenen Männern Kinder machen ließ. Also kam alles von einem Mann, Liebe war da Nebensache. Ich war zudem wirtschaftlich abgesichert. Und meine innere Prinzessin, die sich tief in mir nach der wahren Liebe gesehnt hatte, war ohnehin mit der Keule niedergestreckt worden. Das Thema ›Liebe‹ hatte ich also irgendwo hinter der dicken Rosenhecke von Paul begraben lassen. Mein guter Ruf war mir wichtiger.

Wo waren wir stehengeblieben?

»Tom wollte dich mal so richtig durchnageln«, erinnerte mich Luzifer.

»Stimmt, aber nur mit Erlaubnis seiner Frau«, fügte Aurorahinzu.

Genau, Paul war weit weg mit seinen ›M&M’s‹. Ich aber saß mit Pauls Nachrichten zuhause und konnte nur noch an zwei Dinge denken: an Tom und an Sex.

»Oh jaaaaa«, Luzifer wackelte mit den Augenbrauen, »und mir soll niemand erzählen, dass sich Frauen ihr Glück nicht selbst basteln können. Milly, Milly…du heißer Feger!«

»Also wirklich, Luzifer!«

»Erzähle mir, dass du Millys Höhepunkte NICHT genießt!« Auffordernd blickte Luzifer Aurora an.

Dieseschnalzte mit der Zunge. »Na guuuut…tue ich.« Luzifergrinste nur.

Eine Woche später kam mein Göttergatte von seiner Reise nach Hause. Er war wie ausgewechselt. Er war so, wie ich ihn einst kannte: mürrisch, aggressiv und lustlos.

»Der blöde Macker hatte doch allen Ernstes den Nerv, dir zu sagen, dass er keinen Bock hatte, wieder zuhause zu sein«, empörte sich Luzifer. »Dabei hatte ER dich in die Pampas verschleppt!«

»Das war wirklich sehr unromantisch«, pflichtete Aurora ihm bei.

Ja, Paul wollte gar nicht zuhause sein. Er wollte zurück auf die Reise mit seinen ›M&M’s‹. Also schlug ich kurzerhand vor, selbst auf Reisen zu gehen und seine ›M&M’s‹ zu besuchen. Ich organisierte unseren Kurzurlaub und schrieb Tom eine Nachricht.

»Da warst du schon!«, ermahnte mich Luzifer. »Nun komm endlich zum Punkt. Du hast ihn dir nackt vorgestellt, richtig?«

»Luzifer!«

Und ob ich das hatte!

Wir saßen im unromantischsten Eiscafé an der Straße und trotzdem bewunderte ich seine Brust, die sich durch sein enges Shirt SEHR deutlich abzeichnete.

Mann, war er sexy, wie er da in der Sonne saß!

Und seine tiefe, männliche Stimme war jawohl so was von ARRRRRRGH!

(Vermutlich hat sie meinen Prinzen aus seiner Starre geholt! Denn der stand plötzlich mit der Machete vor der Rosenhecke.)

Eigentlich hätte ich jedes seiner Worte in mich aufsaugen müssen wie ein Schwamm. Aber ich wollte nicht hören, dass Tom der Urlaub mit seiner Frau trotz einiger Widrigkeiten gefallen hatte. Ich wollte nicht hören, dass er noch immer mit seiner Frau zusammen war. Ich kannte sie nicht, aber um ehrlich zu sein, wollte ich sie auch gar nicht kennenlernen. Schließlich wollte ich IHN haben, nicht sie.

»Milly, du sollst ja auch Tom klarmachen, nicht seine Frau!«, warf Luzifer ein.

»Aber vielleicht freundet sich Milly mit seiner Frau an und dann sieht sie Tom öfters? Das wäre doch noch viel besser. Sie könnte ihn fast täglich sehen«, schwärmte Aurora.

Luziferverdrehte die Augen. »Mensch, Aurora, wie naiv bist du bitte? Ich freunde mich doch nicht mit der Feindin an, um an den Schwanz meiner Begierde zu kommen! Wobei…vielleicht hast du Recht. Milly, du solltest SIE klarmachen, um an IHN ranzukommen. Aurora hat Recht.«

»So, wie du das jetzt auslegst, habe ich das nicht gemeint. Ich dachte eher daran, dass Milly sich mit Toms Frau anfreunden könnte und dann vergisst sie von ganz alleine, dass sie scharf auf Tom ist«, widersprach Aurora.

»Boah, ich muss gleich kotzen, Aurora! Wo bleibt dein Sinn für Sex und Abenteuer?« Luzifer schnitt eine Grimasse, durch die er nicht unbedingt schöner wurde. »Ich habe Sinn für Romantik. Und die ist jawohl nicht gegeben, wenn sich Milly in einen verheirateten Mann verliebt, oder? Sie sollte lieber ihre Beziehung mit Paul in Schuss halten.« Aurora lächelte aufmunternd.

»Darüber lässt sich streiten. Ich finde, sie sollte Paul absägen und Tom entführen.«

Ich erinnere nicht, an welchem Punkt seiner Erzählungen Tom plötzlich sein Handy zückte und ein Selfie von uns Dreien schoss. Ich war bisher davon ausgegangen, dass er eher kamerascheu war. DAS jedoch überraschte mich. Wozu machte er ein Foto, auf dem ICH zu sehen war?

»Milly, das ist doch wohl logisch! Er hat DICH fotografiert, weil er scharf auf DICH ist und wie kommt er besser zu seiner Bildvorlage? Na? Klar, indem er dich gemeinsam mit Paul fotografiert«, meldete sich Luzifer zu Wort. »Unauffälliger geht’s doch gar nicht. Kluger Schachzug! Gefällt mir, der Mann!«

»Wieso? Ich finde das ist eine schöne Erinnerung von Paul und Milly«, widersprach Aurora.

Luzifer lachte hämisch. »Ich glaube, du bist wirklich so blöd, Aurora! Du tust nicht mal so! Natürlich hat Tom ein Selfie von unserer hübschen Milly gemacht, damit er sich bei nächstbester Gelegenheit einen runterholen kann mit dem Foto als WV.«

»›WV‹? Was soll das nun schon wieder sein?«, fragte Aurora perplex.

Luzifer grinste fies. »Das musst du schon selbst herausfinden, Süße! Auf jeden Fall schaut unser heißer Held auf das Bild von Milly, packt seinen geilen Schwanz aus und stellt sich vor, wie er sie nehmen würde. Von allen Seiten, wild und actionreich. Mann, wie vermisse ich den geilen Sex, den Milly früher hatte!« Luziferlächelte mich besonders liebreizend an. »Apropos, Milly, du brauchst Sex und Abenteuer! Dringend! Mach endlich was klar, Mädel!«

Voller Empörung flog Aurora auf die andere Schulter. »Boah, Luzifer, was bist du nur für ein fieser Teufel! So was macht doch so ein schöner Mann wie Tom nicht! Was du dir nur gleich wieder vorstellst! Tom hat das Foto als Andenken gemacht. Eine Erinnerung! Milly ist nur zufällig mit auf dem Bild.«

»Hahaha«, lachte Luzifer. »Genau. Tom lässt das Bild entwickeln und hängt es in die Familiengalerie. Das war jawohl der Witz des Jahrtausends. Bleib du mal in deiner Traumwelt, Aurora! Ich weiß, wo der Hase lang läuft. Ich kenne die Männer! Die haben es faustdick hinter den Ohren. Was meinst du, warum so viele bei mir im Höllenfeuer landen? Bestimmt nicht, weil sie Blümchenmuster gezählt haben.«

»Was ist so verkehrt an Blümchenmustern?«, fragte Aurora beleidigt.

Abschätzend blickte Luzifer zu Aurora. »Alles.«

Zurück zum Eiscafé…

Ich hätte noch stundenlang im absolut ungemütlichen Eiscafé sitzenbleiben können, auch wenn das Eis überhaupt nicht schmeckte, aber Paul drängte ärgerlicherweise zum Aufbruch. Das wiederum passte zu seinem Urlaubs-Gesamtbild, denn die ganze Woche über hatte er nicht gerade viel Charme und Ausdauer versprüht.

Paul wollte die lange Autofahrt hinter sich bringen.

Schweren Herzens verabschiedete ich mich also von Tom, genoss die zweite Umarmung innerhalb von einer Stunde und sorgte dafür, dass die Kinder heil ins Auto kamen.

Tom ging unterdessen in seiner schnittigen Lederkluft zu seinem schnittigen Motorrad.

»In a sexy way, bitte, Milly! In seiner Kluft sah dieser Kerl so was von heiß aus, dass selbst ich das mit Neid zugeben muss«, sagte Luzifer anerkennend.

»Oh ja, was für ein Mann! Wie er wohl im feinen Hochzeitsanzug aussieht?«, schwärmte Auroramit einem Fußflip.

»Das wirst du nie erleben, wenn du Milly nicht endlich ermutigst, Tom aufzusuchen, damit er sie mal richtig rannimmt!«

Fünfzig Meter und eine einspurige Straße trennten uns.

Ich sah, wie Tom zu uns blickte und noch einmal die Hand hob. Er lächelte. Fast hatte ich das Gefühl, sein Lächeln galt allein mir.

»Schätzchen, das galt allein deinen geilen Titten, die sich durch den dünnen Stoff abzeichneten«, sagte Luzifer und verdrehte die Augen. »Dass ihr Frauen immer so naiv sein müsst!«

»Luzifer! Also wirklich! Toms Lächeln galt Milly. Milly ganz persönlich. Also ihrem Gesicht. Sieh dir doch unsere Milly an. Herausgeputzt hatte sie sich. Wasserfallshirt in Altrosa, kurzer Faltenrock, wohlgeformte Beine, gut verpackte Brüste, schicke Haarfrisur, tolle Augen…«

»Aurora! Du hast ja Augen im Kopf! Wahnsinn! Nur leider keinen Verstand, um die Informationen umzusetzen, die dein Auge ans Hirn weitergibt. Toms Blick galt Millys Körper. Er hat es für ein Sexabenteuer gescannt.«

»Bist du fies, Luzifer!«

Ich spürte, dass ich am liebsten ausgestiegen und zu Tom gelaufen wäre, damit er mich auf seiner heißen Maschine mit in den Sonnenuntergang nahm.

Aber ich konnte rein gar nichts tun.

Paul drängte und Tom hielt uns nicht auf.

Mutlos ließ mein innerer Prinz die Machete sinken, mit der er angefangen hatte, sich durch die Dornenhecke zu kämpfen, um endlich Dornröschen aufzuwecken.

Wir fuhren los in Richtung meiner zweiten Heimat.

Etwa drei Minuten später hupte es.

Ein Motorrad sauste vorbei.

Es war Tom.

Hinter ihm folgte noch ein Motorradfahrer.

»Das ist Mathis!«, rief Paul begeistert.

Tom winkte und deutete an, ihm zu folgen, statt auf die Autobahnauffahrt zu fahren.

Schon dieser männliche Wink versetzte meinen Prinzen und mich in helle Aufregung. Es war, als wenn er mich in sein Reich der Lust winkte.

Mein Prinz stand auf und kämpfte weiter.

Paul folgte den beiden und das erste Mal seit einer Woche zeichnete sich ein echtes Lächeln auf seinen Lippen ab.

»Ist das süß!«, sagte ich lächelnd. »Mathis hat sich extra Zeit genommen, um dich noch zu treffen. Und du hast im Eiscafé herumgedrängelt, dass du aufbrechen willst. Wenn du nicht gedrängelt hättest, hätte er uns noch im Eiscafé erwischt.«

»Ich habe keinen Bock auf die Autofahrt, Milly. Darum habe ich gedrängelt«, pampte Paul mich an.

Ich lächelte tapfer. »Meinst du, die Autofahrt ist kürzer, weil wir früher fahren?«

»Ich habe eben keine Lust, erst spät abends zuhause anzukommen.«

»Dich muss ich nicht verstehen, oder?« Ich blickte Paul an. »Du hast die Chance, deine Freunde zu treffen und ziehst eine quälend lange Autofahrt vor, die wir ohnehin nicht vermeiden können, nur um in ein leeres Haus zu kommen? Wenn ich die Wahl zwischen Freunden und Haus hätte, würde ich die Freunde vorziehen.«

»Tja, das unterscheidet uns eben.«

Wir hielten hinter den beiden an einer Tankstelle an und stiegen aus. Die Kinder blieben artig im Auto sitzen und vergnügten sich mit ihren Handys.

Während Paul Mathis begrüßte und mit ihm quatschte, wandte sich Tom an mich. »Und, Milly, wie läuft es beruflich?«

Boah, er wandte sich an mich!

MOI!

Tom INTERESSIERTE sich für mich!

Wahnsinn!

»Er interessierte sich für dein Höschen unter deinem kurzen, sexy Rock, Milly«, wandte Luziferein, »nicht für dich!«

»Nein«, schwärmte Aurora, »das war ECHTES Interesse!«

»Oh, Milly! Schmeiß dich an ihn ran! Erzähl ihm was vom Pferd oder vom rosa Einhorn! Erzähl ihm, dass du kurz davor bist, einen Oscar zu gewinnen! Den Pulitzer-Preis! Du musst ihn BEEINDRUCKEN!«, rief Luzifer aufgeregt auf meiner Schulter hüpfend.

(Mann, Luzifer machte mich ganz schön nervös, und das war ich auch ohne ihn schon!)

»Spinnst du? Milly ist arbeitslos. Quasi. Sie ist mega erfolglos. Warum soll sie ihm Lügen auftischen?«, wandte Aurora fassungslos ein.

»Boah, Engelchen, bist du doof? Milly beeindruckt doch keinen Mann, indem sie ihm von ihren Misserfolgen erzählt! Milly, leg dich ins Zeug! Männer ficken am liebsten erfolgreiche Weiber«, feuerte mich Luzifer an.

»Naja, das Jahr war ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt…«, deutete ich wage an und erzählte irgendein wirres Zeug, an das ich mich Sekunden später vor lauter Aufregung nicht einmal mehr erinnern konnte.

Tom nickte und blickte mir gaaaanz tief in die Augen. »Ja, Paul hatte schon so was erzählt. Aber du könntest doch mal ein Buch schreiben. Das machen doch viele Journalisten.«

»Ja, gute Idee«, erwiderte ich.

Tom nickte.

Und lächelte.

Aber er lächelte kein ›du-bist-ganz-nett-Lächeln‹, nein, er lächelte ein ›ich-finde-dich-echt-heiß-und-ich-würde-dich-gerne-flachlegen-Lächeln‹.

Seufz!

Ich schwebte auf Wolke eintausendundsieben.

Gott, saß mein Haar noch?

Machte ich im Rock eine gute Figur?

»Alles gut, Milly, aber strecke deine Brust weiter raus, damit sich deine Nippel mehr abzeichnen durch deinen geilen Spitzen-BH«, riet Luzifer.

»Quatsch, Milly! Lächele! Das sagt mehr als tausend Nippel.«

»Naaaaa, flirtet ihr schon wieder, ihr zwei?« Mathis umarmte mich herzlich. »Hallo Milly! Ihr könnt es wohl auch nicht lassen, was?«

»Wir? Flirten? Niemals«, widersprach ich grinsend.

Mathis zwinkerte mir vergnügt zu. Tom warf mir einen heißen Blick zu.

»Vielleicht gibt es ja einen Sachbearbeiter im Universum, der Paul irgendwie kurzzeitig ausschalten kann?«, schlug

Luzifervor. »Ich meine, JETZT ist jawohl DIE Gelegenheit, um sich Tom an den Hals zu werfen. Er FLIRTET mir dir, Milly! Das musst du ausnutzen!«