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Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht. Völlig niedergeschlagen betrat Bettina Gehrke das Sprechzimmer ihres Gynäkologen Dr. Markus Reintaler. »Herr Doktor, ich habe meine Tage wieder bekommen«, platzte sie sofort heraus, dann ließ sie sich mit einem tiefen Seufzer auf den Stuhl fallen, der dem Schreibtisch des Arztes gegenüberstand. »Warum kann ich denn einfach nicht schwanger werden?« Doch damit war auch Dr. Reintaler überfragt. Er hatte bei der Patientin wirklich alle Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluß darüber hätten geben können, weshalb es bei ihr mit einer Schwangerschaft nicht klappen wollte. Auch Bettinas Ehemann hatte sich von mehreren Ärzten untersuchen lassen, wobei sich aber angeblich ebenfalls keine Auffälligkeiten ergeben hatten. »Im Augenblick weiß ich wirklich nicht, was ich Ihnen noch raten soll, Frau Gehrke«, gestand Dr. Reintaler ehrlich. »Aus medizinischer Sicht gibt es eigentlich keinen Grund dafür, daß Sie nicht schwanger werden.« Er schwieg kurz. »Vielleicht sollten Sie die ganze Sache etwas gelassener angehen.« Mit einem verlegenen Lächeln fügte er hinzu: »Ich weiß schon, das ist leichter gesagt als getan. Wenn man sich ein Baby wünscht, dann ist es sicher nicht ganz einfach, sich keinen psychischen Zwang aufzuerlegen.« Bettina nickte. »Da haben Sie völlig recht, Herr Doktor, wobei ich sagen muß, daß ich vor drei Jahren, als wir uns zu einem Baby entschlossen haben, noch völlig locker und gelöst gewesen bin. Der Gedanke, daß ich Probleme mit dem Schwangerwerden haben könnte, kam mir überhaupt nicht. Schließlich hatte meine Mutter vier Kinder, und meine Schwestern sind auch schon längst mehrfache Mütter.« Ein wenig hilflos zuckte sie die Schultern. »Nur bei mir will es einfach
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Völlig niedergeschlagen betrat Bettina Gehrke das Sprechzimmer ihres Gynäkologen Dr. Markus Reintaler.
»Herr Doktor, ich habe meine Tage wieder bekommen«, platzte sie sofort heraus, dann ließ sie sich mit einem tiefen Seufzer auf den Stuhl fallen, der dem Schreibtisch des Arztes gegenüberstand. »Warum kann ich denn einfach nicht schwanger werden?«
Doch damit war auch Dr. Reintaler überfragt. Er hatte bei der Patientin wirklich alle Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluß darüber hätten geben können, weshalb es bei ihr mit einer Schwangerschaft nicht klappen wollte. Auch Bettinas Ehemann hatte sich von mehreren Ärzten untersuchen lassen, wobei sich aber angeblich ebenfalls keine Auffälligkeiten ergeben hatten.
»Im Augenblick weiß ich wirklich nicht, was ich Ihnen noch raten soll, Frau Gehrke«, gestand Dr. Reintaler ehrlich. »Aus medizinischer Sicht gibt es eigentlich keinen Grund dafür, daß Sie nicht schwanger werden.« Er schwieg kurz. »Vielleicht sollten Sie die ganze Sache etwas gelassener angehen.« Mit einem verlegenen Lächeln fügte er hinzu: »Ich weiß schon, das ist leichter gesagt als getan. Wenn man sich ein Baby wünscht, dann ist es sicher nicht ganz einfach, sich keinen psychischen Zwang aufzuerlegen.«
Bettina nickte. »Da haben Sie völlig recht, Herr Doktor, wobei ich sagen muß, daß ich vor drei Jahren, als wir uns zu einem Baby entschlossen haben, noch völlig locker und gelöst gewesen bin. Der Gedanke, daß ich Probleme mit dem Schwangerwerden haben könnte, kam mir überhaupt nicht. Schließlich hatte meine Mutter vier Kinder, und meine Schwestern sind auch schon längst mehrfache Mütter.« Ein wenig hilflos zuckte sie die Schultern. »Nur bei mir will es einfach nicht klappen.«
Dr. Reintaler zögerte einen Moment, dann stellte er die Frage doch: »Haben Sie sich eigentlich schon einmal über eine künstliche Befruchtung Gedanken gemacht?«
»Wenn ich ehrlich bin – nein. Ich wollte eigentlich schon auf natürlichem Weg schwanger werden.«
Dr. Reintaler nickte. Dafür hatte er durchaus Verständnis, andererseits…
»Vielleicht sollten Sie doch mal darüber nachdenken, Frau Gehrke«, meinte er. »Im Grunde ist es ja kaum etwas anderes.«
»Wie man’s nimmt«, wandte Bettina ein, dann seufzte sie. »Aber Sie haben schon recht, Herr Doktor. Bevor ich völlig kinderlos bleiben muß, werde ich es lieber damit versuchen.«
»Überlegen Sie es sich«, riet Dr. Reintaler. »Sie sind erst neunundzwanzig, da muß man noch nichts übers Knie brechen. Ich wollte eigentlich nur, daß Sie sich mit dieser Möglichkeit einmal etwas näher beschäftigen.«
»Das werde ich tun, Herr Doktor«, versprach Bettina. »Wenn Manfred… ich meine, mein Mann auch damit einverstanden ist, dann werde ich mich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Das geht leider nicht«, entgegnete Dr. Reintaler bedauernd. »Ich bin nur noch bis zum nächsten Ersten hier in Bielefeld. Mein Vater klagt über zunehmende Herzprobleme, und sein Hausarzt hat ihm nun dringend geraten, seine Tätigkeit als Arzt aufzugeben. Mein Vater hat zwar nichts gesagt, aber ich glaube, er wäre doch sehr enttäuscht, wenn ich seine Praxis nicht übernehmen würde.«
Bettina war über diese Nachricht sichtlich erschrocken. »Wo ist denn diese Praxis, Herr Doktor? Um Sie als Arzt nicht zu verlieren, nehme ich gern auch einen längeren Anfahrtsweg in Kauf.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich natürlich«, meinte Dr. Reintaler und wurde dabei tatsächlich ein wenig verlegen. »Allerdings fürchte ich, daß dieser Anfahrtsweg sogar Ihnen zu weit sein dürfte. Die Praxis meines Vaters ist nämlich in München.«
»Ach, du liebe Zeit«, entfuhr es Bettina. »So weit kann ich für einfache Routineuntersuchungen natürlich nicht fahren. Aber… ich meine…« Sie senkte den Kopf. »Wenn ich mal ein größeres Problem hätte…«
Da lächelte Dr. Reintaler. »Dann können Sie mich jederzeit anrufen.« Er nahm einen Notizzettel, schrieb seine künftige Adresse samt Telefonnummer auf und reichte ihn Bettina. »Ich werde für Sie da sein, Frau Gehrke, egal, wann Sie mich brauchen.«
»Das ist sehr lieb von Ihnen, Herr Doktor«, erklärte Bettina, und man sah ihr die Erleichterung an. Sie hatte in den vergangenen drei Jahren zu dem sympathischen jungen Arzt ein so grenzenloses Vertrauen gefaßt, daß sie jetzt nur sehr ungern auf ihn verzichtete.
»Ich bin allerdings sicher, daß Sie auch mit meinem Nachfolger sehr gut zurechtkommen werden«, meinte Dr. Reintaler. »Er ist ein ausgesprochen netter und überaus verantwortungsbewußter Arzt.«
»Da bin ich sicher«, stimmte Bettina zu. »Einem anderen würden Sie Ihre Praxis auch bestimmt nicht übergeben.«
Wieder war Dr. Reintaler über dieses Lob sehr gerührt, und dabei kam ihm erneut zu Bewußtsein, wie sehr er alle seine Patientinnen vermissen würde.
*
Dr. Robert Daniel wollte an diesem Morgen gerade in die Praxis hinuntergehen, als sein Sohn Stefan ins Eßzimmer gestürmt kam.
»Meine Güte, habe ich heute verschlafen«, stieß er aufgeregt hervor. »Vor fünf Minuten hat mein Dienst begonnen, und wenn Wolfgang merkt, daß ich nicht da bin, dann macht er mich bestimmt mal wieder zur Schnecke.«
Dr. Daniel schmunzelte. »So schlimm wird’s schon nicht werden. Jeder kann mal verschlafen. Ich bin sicher, daß auch Wolfgang dafür Verständnis hat.«
»Das hätte er vielleicht gehabt, bevor er Chefarzt der Waldsee-Klinik geworden ist«, entgegnete Stefan gequält und winkte ab, als Irene Hansen, die ältere, verwitwete Schwester Dr. Daniels, die hier nun schon seit geraumer Zeit den Haushalt führte, mit einem Tablett hereinkam. »Für mich kein Frühstück mehr, Tante Irene. Ich muß schauen, daß ich endlich in die Klinik komme.«
Und schon war er draußen.
Irene seufzte tief auf. »Der arme Junge verhungert noch mal.«
»Keine Angst, Irenchen«, tröstete Dr. Daniel seine Schwester. »Seit Darinka Stöber als Krankenpflegehelferin in der Waldsee-Klinik arbeitet, wird mein Sohn bestens verköstigt. Du weißt ja, daß sie schon als Schulmädchen für ihn geschwärmt hat, und nach allem, was ich so mitbekommen habe, verwöhnt sie Stefan jetzt nach Strich und Faden.« Er seufzte. »Ach, wenn ich es als Assistenzarzt doch auch mal so schön gehabt hätte.« Dann grinste er schelmisch. »Und nicht nur als Assistenzarzt. Wenn ich mir vorstelle, von einem hübschen jungen Mädchen jeden Morgen Kaffee und Kuchen serviert zu bekommen…«
»Da mußt du schon mit mir vorliebnehmen«, fiel Irene ihm trocken ins Wort.
Dr. Daniel lachte, dann nahm er seine Schwester brüderlich-liebevoll in den Arm. »Von Herzen gern, Irenchen. Es war ja auch nur ein Scherz.« Dann warf er einen Blick auf die Uhr. »So, ich muß jetzt ebenfalls schauen, daß ich in die Praxis hinunterkomme.«
Hier herrschte dann auch schon die übliche Montagshektik, die Dr. Daniel ganz unbarmherzig aus dem geruhsamen Wochenende zurückholte.
*
Währenddessen hatte Dr. Stefan Daniel ziemlich atemlos die Steinhausener Waldsee-Klinik erreicht und erfuhr zu seiner Erleichterung von der Sekretärin Martha Bergmeier, die auch als Mädchen für alles fungierte, daß sich der Chefarzt Dr. Wolfgang Metzler und der Oberarzt Dr. Gerrit Scheibler schon seit einiger Zeit bei einem Notfall im Operationssaal befanden. Stefans Zuspätkommen würde also unbemerkt bleiben.
Der junge Assistenzarzt hatte allerdings nicht lange Gelegenheit, sich über diese glücklichen Umstände zu freuen, denn gerade als er auf die Station gehen wollte, stürzte ein Mann in die Eingangshalle.
»Schnell! Einen Arzt!« keuchte er. »Meine Frau ist schwanger und hat Blutungen!«
Stefan reagierte sofort. Er wies zwei Pfleger an, die schwangere Frau aus dem Auto ihres Mannes zu holen und auf einer fahrbaren Trage in die Gynäkologie hinüberzubringen.
»Beruhigen Sie sich«, bat er den aufgeregten jungen Mann. »Für Ihre Frau wird jetzt alles getan.« Er wies auf die Bank, die an der linken Wandseite stand. »Wenn Sie hier bitte warten würden.«
Der junge Mann zögerte, kam dieser Aufforderung dann aber doch nach.
In der Zwischenzeit war Stefan bereits in die Gynäkologie hinübergeeilt. Er wußte, daß es nicht viel Sinn haben würde, wenn er die Patientin untersuchte. Er war erst Assistenzarzt. In diesem Fall würde aber sicher ein versierter Gynäkologe vonnöten sein.
»Schwester Bianca«, sprach er die Stationsschwester an. »Ist Frau Dr. Kern schon im Haus?«
Bianca Behrens schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie müßte aber bald kommen.«
»So lange kann ich nicht warten«, murmelte Stefan, dann betrat er das Ärztezimmer, hob den Telefonhörer ab und wählte die Privatnummer von Frau Dr. Kern, doch niemand meldete sich. Offensichtlich war sie schon auf dem Weg hierher, aber wenn sie gerade erst die Wohnung verlassen hatte, dann konnte es unter Umständen noch fast eine halbe Stunde dauern, bis sie in der Klinik eintreffen würde. Kurzerhand nahm Stefan den Hörer ein zweites Mal ab und rief in der Praxis seines Vaters an. Wie immer ging dort die junge Empfangsdame Gabi Meindl an den Apparat.
»Grüß Gott, Fräulein Meindl, hier Daniel«, gab sich Stefan zu erkennen. »Können Sie meinen Vater bitte schnellstens zur Waldsee-Klinik herüberschicken? Ein Notfall.«
»Tut mir leid, Herr Dr. Daniel«, entgegnete Gabi bedauernd. »Ihr Vater ist gerade auf dem Weg nach München. Das war auch ein Notfall. Die Patientin mußte schnellstens in die Sommer-Klinik.«
»So ein Mist«, knurrte Stefan, verabschiedete sich von Gabi und legte auf, während er fieberhaft überlegte, was er jetzt tun könnte. In diesem Moment hörte er Schritte hinter sich, und als er sich umdrehte, sah er sich der Gynäkologin Alena Kern gegenüber.
»Alena! Endlich!« stieß er hervor, und bevor die Ärztin auch nur eine Frage stellen konnte, fuhr er auch schon fort: »Vor fünf Minuten ist eine schwangere Frau mit Blutungen in die Klinik gekommen, und ich konnte weder Sie noch meinen Vater erreichen.«
Alena eilte in die Gynäkologie, zog währenddessen schon ihren Blazer aus und schlüpfte in den weißen Kittel, den Stefan ihr reichte.
»Wo sind der Chefarzt und der Oberarzt?« wollte sie nebenbei wissen.
»Im OP«, antwortete Stefan knapp. »Seit einer Stunde – soweit ich informiert bin.«
Alena nickte nur, dann betrat sie das Untersuchungszimmer, wo die junge Frau mit blassem Gesicht und offener Angst in den Augen auf der Untersuchungsliege lag.
»Ich bin Alena Kern, die Gynäkologin der Klinik«, stellte sich die junge Ärztin vor, dann lächelte sie die Patientin beruhigend an. »Keine Sorge, ich werde alles für Sie tun, was nötig ist.«
»Ich habe solche Angst vor einer Fehlgeburt«, gestand die Frau. »Dr. Reintaler hat ja immer wieder gesagt, daß ich mich schonen solle, aber…« Ein wenig hilflos zuckte sie die Schultern. »Wir wollten auf diesen Urlaub dann doch nicht verzichten.«
»Haben Sie Ihren Mutterpaß dabei?« wollte Alena wissen, während sie bereits dünne Plastikhandschuhe überstreifte, um die Patientin untersuchen zu können.
»Selbstverständlich«, antwortete die Frau. »In meiner Handtasche.«
Alena warf Stefan einen kurzen Blick zu, den er sofort verstand. Wortlos öffnete er die Handtasche der Frau und holte den Mutterpaß heraus. Er wußte, welche Angaben Alena brauchte.
»Sechzehnte Schwangerschaftswoche«, erklärte er. »In der zehnten Woche leichte Blutungen, ansonsten keine Komplikationen.«
»Danke, Stefan«, meinte Alena, dann richtete sie sich auf. »Ich fürchte, Sie müssen ein Weilchen bei uns in der Klinik bleiben, Frau…« Sie ließ den Satz bedeutungsvoll offen.
»Seeberger«, antwortete die Frau sofort. »Ilse Seeberger.«
»Es handelt sich tatsächlich um einen beginnenden Abort«, fuhr Alena mit ernstem Gesichtsausdruck fort. »Allerdings bin ich sicher, daß wir das mit Bettruhe wieder in den Griff bekommen werden.« Beruhigend tätschelte sie Ilses Hand. »Wir werden schon dafür sorgen, daß Sie Ihr Baby nicht verlieren.«
Bei diesen Worten liefen Ilse unwillkürlich ein paar Tränen über das Gesicht.
»Es war wirklich nur eine ganz harmlose Wanderung, Frau Doktor«, versicherte sie. »Gerhard und ich sind extra langsam gegangen, weil ich ja wußte, daß ich mich nicht anstrengen soll. Als ich dann im Waldcafé auf die Toilette ging, sah ich das Blut in meinem Slip.« Sie schluchzte auf. »Ich dachte schon… jetzt wäre alles aus.«
»So schnell geht es in den meisten Fällen nun auch wieder nicht«, entgegnete Alena. »Wie gesagt, Frau Seeberger, Sie werden jetzt ein Weilchen das Bett hüten müssen, dann hören die Blutungen sicher bald wieder auf.« Sie wandte sich dem jungen Assistenzarzt zu. »Wir sollten Frau Seeberger vielleicht noch an den Wehenschreiber anschließen, damit wir sicher sein können, daß mit den Blutungen nicht auch noch vorzeitige Wehen eingesetzt haben.«
»Geht in Ordnung, Alena, ich kümmere mich gleich darum«, versprach Stefan.
»Gut.« Mit einem aufmunternden Lächeln trat die junge Ärztin zu Ilse und ergriff ihre Hand. »Ich darf Sie dann mit meinem Kollegen allein lassen, Frau Seeberger. Er wird Sie anschließend auch auf die Station bringen, und im Laufe des Nachmittags werde ich noch mal nach Ihnen sehen.«
Dankbar drückte Ilse Alenas Hand. »Ich bin ja so froh, daß ich in dieser Klinik gelandet bin. Alle sind hier so nett zu mir.« Dann erschrak sie. »Ach du liebe Zeit, ich habe ja gleich nach dem Urlaub einen Termin bei Dr. Reintaler. Den muß ich noch absagen, wenn ich hierbleiben muß.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken«, meinte Alena. »Ich werde Ihren Arzt selbstverständlich informieren.«
Sie verabschiedete sich von Ilse und betrat wenig später das Ärztezimmer. Erst warf sie einen Blick auf den Stempel im Mutterpaß: Dr. Markus Reintaler, Bielefeld
»Sieh an, der liebe Markus«, schmunzelte Alena. »Wie der Zufall so spielt.«
Sie griff nach dem Telefonhörer und wählte die angegebene Nummer.
»Praxis Dr. Reintaler, guten Morgen«, meldete sich eine sympathische Frauenstimme.
»Hier Kern von der Waldsee-Klinik in Steinhausen«, gab sich Alena zu erkennen. »Verbinden Sie mich bitte mit dem Kollegen Reintaler.«
»Selbstverständlich, Frau Dr. Kern, einen Augenblick bitte.« Es knackte in der Leitung, dann meldete sich eine angenehm tiefe Männerstimme. »Reintaler.«
»Hallo, Markus, hier ist Alena.«
»Alena?« wiederholte Dr. Reintaler überrascht. »Alena Kern?«
»Genau die.«
»Das ist ja eine nette Überraschung!« rief Dr. Reintaler erfreut aus. »Wir haben ja seit einer Ewigkeit nichts mehr voneinander ge-hört.«
»Ja, weil du treulose Seele dich nie mehr bei mir gemeldet hast«, hielt Alena ihm vor. »Dabei hattest du mir beim letzten Studententreffen ganz fest versprochen, bei Gelegenheit mal anzurufen.«
»Ich weiß«, antwortete Dr. Reintaler zerknirscht. »Ich hatte es mir auch immer fest vorgenommen, aber jedesmal ist etwas dazwischengekommen.« Daß der Hauptgrund für sein nicht eingehaltenes Versprechen Alenas Verlobung mit Dr. Hartwig Simon gewesen war, verschwieg er.
»Mach dir deswegen keine Gedanken mehr, Markus«, entgegnete Alena. »Wahrscheinlich hättest du sogar enorme Schwierigkeiten gehabt, mich zu finden.«
»Ja… bist du denn nicht mehr in Leipzig?« fragte Dr. Reintaler erstaunt.
»Nein, und zwar schon lange nicht mehr. Ich habe meine Verlobung mit Hartwig gelöst.« Sie seufzte. »Das ist eine lange und sehr unerfreuliche Geschichte, Markus.« Sie schwieg kurz. Der Gedanke an Dr. Hartwig Simon, der ihr Liebe vorgeheuchelt hatte und in Wirklichkeit nur aus Berechnung mit ihr zusammengewesen war, schmerzte noch immer ein wenig. Nicht, weil sie Hartwig vielleicht noch lieben würde – das war vorbei, endgültig. Aber den Verrat an ihrer eigenen Liebe, die damals wirklich von Herzen gekommen war, hatte sie Hartwig nie ganz vergessen können – und verzeihen schon gar nicht!
»Alena, bist du noch da?« drang Dr. Reintalers Stimme an ihr Ohr.
»Ja, Markus, entschuldige. Da hat mich wohl für ein paar Sekunden die Vergangenheit eingeholt, dabei wollte ich überhaupt nicht mehr an diese ganze unselige Geschichte denken.« Dann wechselte sie abrupt das Thema. »Ich arbeite jetzt seit geraumer Zeit an einer kleinen Klinik in Bayern.«
»So ein Zufall«, meinte Dr. Reintaler. »Dann werden wir uns ja in Kürze vielleicht wieder öfter sehen. Ich bin nämlich auch nur noch ein paar Tage hier in Bielefeld, dann übernehme ich die Praxis meines Vaters in München.«
»Das ist ja wunderbar«, urteilte Alena und freute sich aufrichtig, weil sie und Markus sich dann doch gelegentlich würden treffen können. Sie hatten sich während der Studienzeit schon immer ausgezeichnet verstanden, und eine Weile hatte es sogar ausgesehen, als würde aus dieser Freundschaft mehr werden, doch dann war Hartwig in Alenas Leben getreten.
»Über diesen ganzen Neuigkeiten hätte ich jetzt beinahe den eigentlichen Grund für meinen Anruf vergessen«, fiel es Alena plötzlich ein. »Ich habe seit einer Stunde eine Patientin von dir auf meiner Station. Ilse Seeberger.«
Dr. Reintaler seufzte. »Dann hat sie also doch nicht auf mich gehört. Sie hat Blutungen und vorzeitige Wehen, habe ich recht?«
»Blutungen ja«, antwortete Alena. »Ob sie auch Wehen hat, wird gerade von unserem Assistenzarzt überprüft. Mit Bettruhe werden wir das aber wieder in den Griff bekommen.«