Drachenzähmen leicht gemacht (2). Wilde Piraten voraus! - Cressida Cowell - E-Book

Drachenzähmen leicht gemacht (2). Wilde Piraten voraus! E-Book

Cressida Cowell

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Beschreibung

Ahoi, ihr Landratten! Plötzlich finden sich Wikingerjunge Hicks und sein Hausdrache Ohnezahn bei stürmischem Seegang mitten im Piraten-Ausbildungsprogramm der Räuberischen Raufbolde wieder. Eigentlich sollen die Piraten-Lehrlinge ja nur ihr erlerntes Wissen bei einer Schatzsuche in die Tat umsetzen, aber dann geht mit einem Mal alles drunter und drüber. Und natürlich muss sich auch Hicks als der zukünftige Häuptling des Wikinger-Stammes wieder unter Beweis stellen …

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Cressida Cowell

DRACHENZÄHMEN

LEICHT GEMACHT

Wilde Piraten voraus!

Aus dem Englischen von Karlheinz Dürr

Mit Illustrationen von Clara Vath

In der Reihe »Drachenzähmen leicht gemacht« von Cressida Cowell sind im Arena Verlag erschienen: Band 1 Drachenzähmen leicht gemachtBand 2 Drachenzähmen leicht gemacht. Wilde Piraten voraus!Band 3 Drachenzähmen leicht gemacht. Strenggeheimes DrachenflüsternBand 4 Drachenzähmen leicht gemacht. Mörderische DrachenflücheBand 5 Drachenzähmen leicht gemacht. Brandgefährliche FeuerspeierBand 6 Drachenzähmen leicht gemacht. Handbuch für echte HeldenBand 7 Drachenzähmen leicht gemacht. Im Auge des DrachensturmsBand 8 Drachenzähmen leicht gemacht. Flammendes Drachenherz

www.drachenzähmen.de

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Drittewar ein Furcht einflößender Schwertkämpfer, ein Drachenflüsterer und überhaupt der größte Wikingerheld, der jemals lebte. Doch seine Memoiren entführen dich in die Zeit, als er noch ein ganz gewöhnlicher Junge war und sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass aus ihm mal ein Held werden würde.

Cressida Cowellverbrachte ihre Kindheit in London sowie auf einer unbewohnten Insel an der schottischen Westküste. Sie war überzeugt, dass es dort nur so vor Drachen wimmelte, und ist seither von ihnen fasziniert. Neben den Aufzeichnungen von Hicks’ Memoiren hat sie mehrere Bilderbücher geschrieben und illustriert. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im englischen Hammersmith.

Clara Vathliebte es schon als Kind, bunten und verrückten Fantasiewesen eine Gestalt zu geben. Dass ihr dabei auch der ein oder andere Drache begegnet ist, kam ihr bei der Arbeit an Hicks’ Memoiren sehr gelegen. Seit 2012 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Unternehmen.

Dieses Buch widme ich meinem Opa Alan, meinem Vater Michael, meinem Bruder Caspar, meinem Ehemann Simon und meinem Sohn Alexander. In Liebe C. C.

Ein großes Dankeschön an Simon Cowell, Caspar Hare, Tiina Jalava und Andrea Malaskova für ihren Arbeitseinsatz und ihre Unterstützung.

Die Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Titel »How to Be a Pirate«, bei Hodder Children’s Books, London. © 2004 by Cressida Cowell

1. Auflage 2016 © 2005 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Aus dem Englischen von Karlheinz Dürr Einband, Satz und Illustration: Clara Vath ISBN 978-3-401-80644-0

Besuche uns unter: www.arena-verlag.dewww.twitter.com/arenaverlagwww.facebook.com/arenaverlagfans

1. SCHWERTKAMPF AUF HOHER SEE (NUR FÜR ANFÄNGER)

Thor war ERNSTHAFT böse.

Er hatte einen gewaltigen Sommersturm geschickt, der die See um die öde, kleine Insel Berk kräftig aufwühlte. Ein unbarmherziger Wind tobte über dem wilden, wütenden Ozean. Zornig dröhnte der Donner vom Himmel und Blitze zuckten ins Meer, als wollten sie es spalten.

Nur ein Wahnsinniger konnte dieses Wetter für geeignet halten, um einen netten, kleinen Segeltörn zu unternehmen.

Aber da gab es tatsächlich ein einziges Boot, das heftig von einer Welle zur nächsten geschleudert wurde. Der hungrige Ozean verbiss sich in seine Bordplanken in der Hoffnung, das Schiffchen zum Kentern zu bringen, um es dann mit allen Seelen an Bord zu verschlingen und ihre Knochen zu zertrümmern und zu Sand zu zermalmen. Der Wahnsinnige, der das Schiff führte, hieß Grobian der Rülpser. Grobian leitete das Piratenausbildungsprogramm der Insel Berk und dieser irre Segeltörn gehörte zu Grobians Unterricht im Fach Schwertkampf auf hoher See (Anfängerkurs).

»OKAY, IHR VERLOTTERTER HAUFEN!«, brüllte Grobian, ein eins neunzig großer, dicht behaarter Muskelberg mit einem Bizeps vom Durchmesser eines Fußballs und einem Bart, in dem sich offenbar eine Großfamilie Wühlmäuse ausgetobt hatte. »LEGT EUCH IN DIE RIEMEN, IHR VERDAMMTEN FAULEN SÄCKE, UND FÜHRT EUCH NICHT AUF WIE SCHLEIMIGE KNOCHENLOSE QUALLEN ... HICKS, DU RUDERST WIEDER WIE EIN ACHTJÄHRIGER, UND ÜBERHAUPT GEHÖRT DAS BREITE ENDE DES RUDERS INS WASSER ... WIR WOLLEN NICHT DAS GANZE JAHR HIER DRAUSSEN BLEIBEN ...«, und so weiter.

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte biss knirschend die Zähne zusammen, als eine gewaltige Welle über die Bordwand krachte und ihn voll ins Gesicht traf.

Hicks ist eigentlich der Held dieser Geschichte, obwohl man das natürlich nicht glauben konnte, wenn man ihn sah. Er war eher klein und schmächtig und hatte ein so durchschnittliches Gesicht, dass man es sich fast nicht merken konnte.

Um ihn herum kämpften sich zwölf weitere Jungen an den Rudern des Schiffes ab und jeder Einzelne von ihnen sah weit mehr wie ein Wikingerheld aus als Hicks. Warzenschweini zum Beispiel war erst elf, hatte aber bereits eine prächtige Sammlung von Pubertätspickeln im Gesicht und außerdem das Problem eines sehr eigenen Körpergeruchs. Stinker der Dussel konnte mit einer Hand genauso kräftig rudern wie die anderen Jungen mit beiden und hatte daher ständig eine Hand frei, um ausgiebig in der Nase zu bohren. Rotznase war der geborene Anführer. Und Planlos wuchsen die Haare schon büschelweise aus den Ohren.

Hicks dagegen war der absolute Durchschnitt, ein völlig unscheinbarer, magerer, sommersprossiger Junge, den man in einer Menschenmenge leicht übersehen konnte.

Unter den Ruderbänken kauerten dreizehn Drachen, ein Drache für jeden Jungen.

Der Drache, der Hicks gehörte, war viel, viel kleiner als die übrigen. Er hieß Ohnezahn und gehörte zur Spezies der smaragdgrünen Gewöhnlichen oder Felddrachen. Er hatte enorme Augen und trug ständig einen schmollenden Ausdruck im Gesicht. Im Moment jammerte er kläglich auf Drachenesisch.*

»Die Wikinger sind ve-ve-verrückt. Ohnezahn haha-hat Salz in den Flügeln. Ohnezahn sitzt in eklig kalter Wasserlache. Ohnezahn ist hu-hu-hungrig. Gi-gi-gib mir was zu futtern!« Er zerrte an Hicks’ Hosenbein. »Ohnezahn will sofort was zu f-f-fressen!«

»Tut mir leid, Ohnezahn.« Hicks stöhnte auf, als das Boot in ein gewaltiges Wellental stürzte. »Aber das ist wirklich nicht der beste Augenblick ...«

»THOR ALLEIN WEISS«, brüllte Grobian, »wieso ihr Rotzlümmel, ihr NUTZLOSES FISCHFUTTER in den ruhmreichen Stamm der Räuberischen Raufbolde aufgenommen worden seid! Aber jetzt habt ihr erst mal vier Jahre Piratenausbildung vor euch, bevor ihr Schleimkröten den Schwarzen Helm bekommt und euch wirklich WIKINGER nennen dürft ...«

Oh, super, dachte Hicks düster.

»Wir fangen jetzt mal mit der wichtigsten Kampfkunst der Wikinger an, und das ist: SCHWERTKAMPF AUF HOHER SEE«, grinste Grobian. »Also, ihr ausgekotzten Napfschnecken, merkt euch gleich mal die wichtigste Regel des Piratenschwertkampfs: ES GIBT KEINE REGEL. Beißen, kratzen, Augen ausstechen und überhaupt alles, was hinterhältig und gemein ist, bringt euch Extrapunkte. Verlierer ist, wer als Erster schreit: ›Ich ergebe mich!‹«

»Bis dahin sind wir alle längst abgesoffen«, knurrte Hicks.

»ALS ERSTEN KÄMPFER«, brüllte Grobian weiter, »RUFE ICH STINKER DEN DUSSEL AUF. WER TRITT GEGEN IHN AN?«

Stinker grunzte glücklich, als ihm klar wurde, dass er wieder mal Blut vergießen durfte. Er war ein hirnloser Schlägertyp, dessen haarige Fäuste beim Gehen praktisch neben ihm auf dem Boden schleiften. Seine kleinen, fies blickenden Augen und der neue, riesige Nasenring ließen ihn wie einen borstigen, äußerst übellaunigen Eber aussehen.

»Also – wer kämpft gegen Stinker?«, wiederholte Grobian der Rülpser die Einladung.

Zehn Jungen reckten die Hände in die Höhe und schrien: »IchKommandantJawohlBitteNehmtMichKommandant.« Alle schienen begierig zu sein, sich von Stinker zu Haferschleim verarbeiten zu lassen. Doch das war zu erwarten gewesen. Denn so waren die meisten Raufbolde eben.

Aber eine echte Überraschung war, dass auch HICKS aufgesprungen war und schrie: »Ich melde mich, ich, Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte!«

Das war deshalb so ungewöhnlich, weil Hicks zwar der einzige Sohn von Häuptling Haudrauf dem Stoischen war, aber keinesfalls ein »geborener Sportler«. Wie gesagt Hicks war sehr klein und schmächtig und beim Bummsball, Blutschweißpressen und all den anderen äußerst gewalttätigen Wikingersportarten war er fast genauso schlecht wie sein bester Freund Fischbein. Allerdings schielte Fischbein auch noch, hinkte, litt unter zahlreichen Allergien und hatte absolut keine Kontrolle über seine Gliedmaßen.

»Was ist denn in dich gefahren?«, flüsterte Fischbein Hicks erschrocken zu. »Setz dich hin, du Trottel ... Der macht dich doch kalt ...«

»Keine Angst, Fischbein«, sagte Hicks, »ich weiß genau, was ich tue.«

»Okay, HICKS«, dröhnte Grobian überrascht. »Komm hier rauf, Junge, und zeig uns, was in dir steckt.«

»Wenn ich JEMALS Häuptling dieses Stammes werden will«, raunte Hicks Fischbein zu, »dann muss ich doch erst mal bei irgendwas ein Held werden, oder?« Er zog seine Jacke aus und legte den Schwertgürtel um.

»Hör einfach mal auf mich«, sagte Fischbein. »FÜR DIESEN SPORT BIST DU NICHT GEBAUT. Schlaue Ideen okay, mit Drachen reden okay, aber Einzelkampf gegen ein Biest wie Stinker den Dussel? Ganz bestimmt nicht – NIE UND NIMMER.«

Hicks achtete nicht auf ihn. »Für Schwertkampf hatten wir Hartnäckigen vom Hauenstein schon immer eine besondere Begabung, liegt bei uns vermutlich im Blut ... Brauchst nur an meinen Ururgroßvater Grimmbart den Abscheulichen zu denken, den besten Schwertkämpfer ALLER ZEITEN ...«

»Schon gut, schon gut, aber hast DU SELBER jemals mit dem Schwert gekämpft?«, wollte Fischbein wissen.

»Na ja, eigentlich nicht«, gab Hicks zu, »aber ich hab alle möglichen Lehrbücher darüber gelesen und kenne alle Techniken – Durchstechausfall, Abwehrparade, Grimmbarts Bluthiebstoß ... Und außerdem hab ich ein neues, sagenhaft gutes Schwert ...«

Hicks schwang sein Schwert durch die Luft. Es war tatsächlich beste Handarbeit, ein Beschleunigter Blutstecher mit Beschleunigungsstreifen und einem Griff in der Form eines Hammerhaikopfes.

»Außerdem«, fuhr Hicks fort, »werde ich wohl kaum in tödliche Gefahr geraten ...«

Die Piratenlehrlinge übten nämlich nur mit hölzernen Schwertspitzen. »Verhätscheln nenn ich das!«, war Grobians Meinung. »ZU MEINER ZEIT lief das noch ganz anders.« Für den Raufbold-Stamm hatte das allerdings den Vorteil, dass mehr Piratenlehrlinge die Ausbildung überlebten als zu Grobians Lehrlingszeiten.

Fischbein seufzte. »Okay. Du bist wahnsinnig. Aber wenn du es schon tun musst, dann schau ihm immer genau in die Augen ... lass dein Schwert niemals sinken ... und schicke schon mal eine Sondersendung Gebete zum Donnergott Thor, denn du wirst jede Hilfe brauchen, die du kriegen kannst.«

* Drachenesisch: Muttersprache der Drachen. Für alle Leser, deren Drachenesisch-Kenntnisse ein wenig eingerostet sind, wurden die Äußerungen in unsere Sprache übersetzt. Hicks war der einzige Mensch, der diese faszinierende Sprache beherrschte.

2. DER KAMPF GEGEN STINKER

Stinker lief kampfbegierig auf dem Deck auf und ab und schnaubte vor Aufregung.

»MACH IHN KALT, STINKER!«, schrie Rotznase Rotzgesicht, Stinkers engster Freund und natürlich ebenfalls ein Schlägertyp.

Rotznase HASSTE Hicks.

»Klar, mach ich«, grinste Stinker.

»Dasss wird ein Masssaker!«, zischte Stinkers Drache Seeschlange, ein hässlicher, großer Gronckel mit platter Nase und äußerst üblem Charakter. »Mein Meissster wird ihm jedesss Glied einzeln ausreißßßen und den Möwen zum Fraßßß vorwerfen.«

»Da-da-darauf würde ich nicht wetten«, sagte Ohnezahn ohne rechte Überzeugung und biss Seeschlange noch schnell und fest in den Schwanz, bevor er sich unter einer der Ruderbänke in Sicherheit brachte.

Hicks schob sich langsam auf Stinkers hoch aufragende Gestalt zu. Er schluckte und versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, was im Handbuch für Helden über den Schwertkampf gegen einen stark überlegenen Gegner stand ... Irgendetwas über ausweichen, den Feind ermüden, seine körperliche Schwerfälligkeit gegen ihn selbst ausspielen ...

»D-du-du darfst dich nur nicht e-e-erwischen lassen!«, riet ihm Ohnezahn, der für einen Augenblick unter der Bank hervorkam und dann gleich wieder in seinem Versteck verschwand, als sich Seeschlange auf ihn stürzte und die rasiermesserscharfen Zähne knapp hinter ihm mit lautem Krachen zusammenschlugen.

Leichtfüßig und selbstsicher trat Hicks vor und blickte Stinker direkt in die fiesen, kleinen Schweinsäuglein. Stinker zeigte ihm sein gemeinstes Grinsen. Und ließ sein Schwert mit einem gewaltigen Schlag auf Hicks’ Kopf niedersausen.

Hicks wich dem Schlag aus.

»Ja-ha, Hicks!«, brüllte Fischbein. »So ist’s richtig!« Stinker schaute ziemlich verdutzt aus der Wäsche. Er holte zu einem neuen, noch gewaltigeren Schlag aus. Und wieder wich Hicks aus.

Dieses Mal war er so schnell, dass Stinker stolperte und beinahe das Gleichgewicht verlor.

»HICKS! HICKS! HICKS!«, brüllten die meisten Jungen. (Hicks war damals bei den anderen Jungen sehr beliebt, weil er nur einen Monat zuvor ganz allein einen Seedrachen getötet hatte, der drauf und dran gewesen war, den ganzen Stamm zu vernichten.*)

Hicks verspürte in sich so etwas wie ein leichtes Glücksgefühl.

Die Sache lief großartig.

Aber Stinker wurde jetzt erst recht böse. Er schnaubte wütend, stürzte vor und zielte mit einem äußerst brutalen Stoß direkt auf Hicks’ Herz. Hicks hüpfte wieder leichtfüßig zur Seite und ... rutschte auf den schlüpfrigen Deckplanken aus. Und schon griff Stinkers fleischige Faust nach ihm, packte ihn am Hemd und hielt ihn fest. Das war nicht mehr so großartig.

Okay, dachte Hicks, nun hat er mich also. Was jetzt? Ohnezahn schoss unter seiner Bank hervor und flatterte ein paar Sekunden lang direkt vor Hicks’ Nase. »E-e-ergib dich! E-e-ergib dich!«, schrie er, so laut er konnte, bevor er wieder in sein Versteck zurückzoomte.

»Ich kann mich nicht ergeben!«, sagte Hicks würdig. »Schließlich soll ich hier doch als Piratenheld auftreten, oder? Piraten ergeben sich nicht.«

»So ist’s brav«, sagte Stinker zufrieden und hieb mit dem Schwert ein paarmal kräftig auf Hicks’ Helm. Hicks versuchte zwar, sich zu wehren, war aber zu langsam.

Das ist nun wirklich megapeinlich, dachte Hicks, als Stinkers Schwert zum dritten Mal auf seinen Helm krachte. Höchste Zeit für ein paar Ausfälle.

Zuerst versuchte er es mit der Abwehrparade. Er hatte den Bewegungsablauf klar und deutlich vor Augen – elegant und mit viel Stil. Aber als sein Gehirn versuchte, seinem Arm Anweisungen zu geben, reagierte dieser genauso ungeschickt und tölpelhaft wie immer. Stinker riss ihm einfach den schicken Beschleunigten Blutstecher aus der Hand und warf ihn über Bord.

Die Zuschauer pfiffen und jubelten.

Fischbein und Ohnezahn verzogen die Gesichter und stöhnten. »Ohnezahn ka-ka-kann nicht mehr zuzu-zuschauen!«, stöhnte Ohnezahn und schlug die Flügel vor dem Gesicht zusammen. »E-E-ERGIB DICH endlich, du Menschentrottel.«

»Na, was hast du jetzt vor, Hicks?«, rief Rotznase verächtlich. »Willst du mit bloßen Händen weiterkämpfen? Wär’s nicht besser, dich zu ERGEBEN?«

»Kommt nicht infrage!«, gab Hicks störrisch zurück. Stinker drängte mit atemberaubend schnellen Stößen gegen Hicks’ Bauch auf ein rasches Ende.

»UM THORS WILLEN!«, brüllte Grobian wütend. »Du kämpfst wie ein Milchbubi. Es bringt dir doch nichts, wenn du stöhnend auf dem Boden herumliegst! Mach was – beiß ihn in die Wade, aber mach wenigstens IRGENDWAS!«

»NUTZLOS!«, krähte Rotznase schadenfroh. »Hicks der Nutzlose, hab ich’s euch nicht immer gesagt? Und der soll letzten Monat einen Drachen umgelegt haben? Alles Schwindel! NUTZ-LOS! NUTZ-LOS! NUTZ-LOS!«

Jungen sind sehr wankelmütig. Hicks’ Ansehen als Held schwand auf der Stelle. Und alle stimmten in den Chor ein: »Nutz-los! Nutz-los! Nutz-los!«

Sogar die Drachen schrien eifrig mit.

»Kratz ihm die Augen aus!«, kreischte Langkralle.

»Reiß ihm die Flügel aus!«, heulte Feuerwurm.

»E-e-ergib dich!«, stöhnte Ohnezahn.

Mit befriedigtem Grunzen steckte Stinker sein Schwert in die Scheide und legte es beiseite, um sich mit den Dingen zu befassen, die ihm wirklich richtig Spaß machten, dem Nahkampf Mann gegen Mann. Auf seine ganz eigene, nette Art war Stinker nämlich ein richtiger Künstler. Er liebte es, das Fleisch seines Gegners mit nackten Händen zu greifen und ein wenig umzuformen – so ähnlich wie ein Töpfer, der den weichen Ton modelliert.

Unter dem Jubel der übrigen Jungen setzte er sich zunächst einmal auf Hicks. Dabei presste er Hicks’ Gesicht auf die Deckplanken und zwirbelte ihm kräftig das Ohr.

»Oh, ihr schleimigen Miesmuscheln«, stöhnte Fischbein und presste die Augen zu. »Das kann man ja nicht mit ansehen! DU SCHAFFST ES, HICKS!«, brüllte er dann. »DU MUSST DOCH NUR SEIN KÖRPERGEWICHT GEGEN IHN AUSSPIELEN!«

»Vielleicht verrätst du mir noch, wie?«, presste Hicks aus einem Mundwinkel hervor, da sein Gesicht immer noch gegen die Planken gedrückt wurde. »Wie denn – solange er auf mir hockt?«

Während alle gebannt dieses Massaker verfolgten, griff Rotznase heimlich nach Stinkers Schwert und nahm die Holzspitze ab.

»ERGIB DICH! ERGIB DICH!«, brüllte Stinker und hüpfte mit seinem Hintern auf Hicks auf und ab.

»Nein!«, weigerte sich Hicks.

»Vielleicht fängt der kleine Hicks gleich zu flennen an«, krähte Rotznase.

»NUTZ-LOS! NUTZ-LOS! NUTZ-LOS!«, sang der gesamte Knabenchor.

Ohnezahn tauchte unter Warzenschweinis Bank hervor, blickte schnell nach rechts und links – von Seeschlange war nichts zu sehen. Und nur ein paar Fußbreit entfernt war Stinkers riesiger, fetter, bebender Hintern. Eine solche Versuchung war für einen so kleinen Drachen einfach zu groß. Also riss Ohnezahn sein Maul so weit auf, wie es nur ging, schoss vorwärts und schlug sein scharfes Gebiss in diesen wabbelnden Hintern, so fest er nur konnte.

»AUUUAAAHHH!«, heulte Stinker auf und ließ Hicks los, der blitzschnell aus Stinkers Reichweite robbte.

Aber jetzt wurde Stinker erst richtig, richtig böse.

Er packte sein Schwert mit aller Macht – es war ihm völlig egal (oder er bemerkte es gar nicht), dass die Holzspitze fehlte – und stürzte sich auf Hicks. Der sprang schnell zur Seite, aber die scharfe Schwertspitze drang durch sein Hemd und trennte ein sauber geschnittenes Stück aus dem Stoff.

»Oh nein!«, rief Hicks, dem plötzlich klar wurde, dass er jetzt wirklich verdammt tief in DICKSTER TINTE saß.

»Stinker, dein Schwert hat keine ...«

Aber Stinker hörte nicht hin. Mit wütendem Brüllen schwang er sein Schwert auf Hicks’ Kopf zu. Hicks duckte sich weg und die bösartig scharfe Klinge rasierte die Spitze eines der Hörner von Hicks’ Helm ab und grub sich dann tief in den Schiffsmast.

»STOPP!«, brüllte Hicks hinter dem Mast hervor, während Stinker in rasender Wut an seinem Schwert zerrte, um es freizubekommen. »Dein Schwert hat keine Holzspitze und DU BRINGST MICH NOCH UM ...«

Aber Stinker war jetzt so wütend, dass er rein gar nichts mehr hören konnte. Er packte das Schwert noch einmal, spannte all seine prächtigen Muskeln und riss es mit aller Gewalt so plötzlich aus dem Mast heraus, dass er schwer auf den Hintern fiel, und zwar genau auf die Stelle, aus der Ohnezahn gerade ein großes Stück Fleisch herausgebissen hatte.

»AUUUAAAHHH!«, brüllte Stinker vor Schmerzen.

»HA-HA-HA-HA-HA!«, brüllten die Jungen und bogen sich vor Lachen.

Stinker kam taumelnd auf die Füße, jetzt endgültig so rasend vor Wut wie ein harpunierter Wal. Mit wildem Gebell warf er sich auf Hicks. Der konnte zwar noch einmal ausweichen, aber dieses Mal rutschte er gründlich aus und stürzte. Stinker drückte ihn mit einer Hand auf die Planken und hob die Schwerthand weit über den Kopf.

»NEIN! TU’S NICHT!«, schrie Hicks verzweifelt, aber Stinkers Augen quollen vor Kampfeslust fast aus den Höhlen und sein Schwert sauste bereits durch die Luft auf Hicks’ Brust herunter.