7,99 €
Oh du spannende Weihnachtszeit!
Max und Mia planen in diesem Jahr eine ganz besondere Weihnachtsüberraschung zusammen mit ihrem Freund Carlo von der Pizzeria. Doch dann verschwindet Carlo von einem Tag auf den anderen und die Pizzeria ist geschlossen. Der einzige Hinweis ist eine Nachricht von Carlo für Max und Mia: PASST AUF! IM DORF PASSIERT WAS, WAS NICHT GUT IST! MEHR DARF ICH NICHT SAGEN!
Ob Max und Mia ihrem Freund helfen und das Rätsel rechtzeitig vor Weihnachten aufklären können? Vielleicht erschnüffelt ja Sennenhund Caruso die heiße Spur!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 141
Wolfram Hänel
Drei Weihnachtsengel auf heißer Spur
Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
Zeichnungen von Susanne Göhlich
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Der Autor dankt dem Tourismusverband Großarltal für die freundliche Unterstützung: www.grossarltal.info
1. Auflage 2017© 2017 cbj Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 MünchenAlle deutschsprachigen Rechte vorbehaltenUmschlagkonzeption: Karl Müller-BussdorfCK · Herstellung: AJSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-20074-9V001www.cbj-verlag.de
So, Leute, da bin ich wieder! Max, von guten Freunden auch Mäxchen genannt. Und seit genau einem Jahr im Dauerausnahmezustand. Schönes Wort, oder? So schön, dass ich’s gleich noch mal hinschreiben muss: DAUERAUSNAHMEZUSTAND.
Also so was wie ein Zustand, der
a) nicht normal ist,
b) schon länger dauert
und c) auch nicht so schnell wieder aufhören wird.
Vielleicht sogar nie, wenn ich Pech habe! Andererseits weiß man das nicht genau. Vielleicht habe ich ja auch Glück und morgen ist alles vorbei. Weil eine gewaltige Lawine ins Tal gedonnert kommt und alles plattmacht. Wobei nicht ganz klar ist, ob man das dann wirklich »Glück« nennen könnte …
Aber ich merke schon: Ihr blickt gerade nicht durch. Und deshalb ist es vielleicht besser, wenn ich kurz noch mal ein paar Sachen notiere, die wichtig sind. Damit ihr wisst, worum es überhaupt geht.
Also, das Ganze hat vor genau einem Jahr angefangen. Als meine Mutter mit mir und meiner Schwester Mia umgezogen ist. Und zwar aus einer schönen großen Stadt in ein kleines einsames Bergdorf mitten in den Alpen. Wo im Winter meterhoher Schnee liegt und Tag und Nacht die Lawinen ins Tal donnern. Immer haarscharf an den Häusern vorbei. Siehe oben. Und wo mein Onkel Toni ein Hotel hat. Ein kleines Hotel. Mit ein paar kleinen Zimmern, in denen es nicht viel mehr gibt als ein Bett, einen Schrank, ein Waschbecken und genau drei Kleiderhaken an der Wand. Manchmal auch noch einen wackligen Tisch und einen Stuhl davor.
Mia und ich haben jeder ein solches Drei-Kleiderhaken-Zimmer ganz oben direkt unter dem Dach. Wenn wir aus dem Fenster blicken, können wir unten im Tal das Dorf mit dem Kirchturm sehen. Und den alten Skilift, der schon seit Jahren nicht mehr funktioniert. Außerdem auch noch die Pizzeria von Carlos Vater, mit der blinkenden Leuchtreklame auf dem Dach, bei der die beiden »Z« kaputt sind:
PIERIA.
Wenn es allerdings schneit, können wir gar nichts sehen! Weil die Schneeflocken so dicht am Fenster vorbeiwirbeln, als hätte gerade jemand einen weißen Vorhang zugezogen.
Aber zurück zum Anfang. Wir sind also zu Onkel Toni ins Hotel gezogen. Und Caruso war natürlich auch dabei! Caruso ist unser Hund. Ein Berner Sennenhund, der nicht unbedingt der Hellste ist, aber dafür echt nett. Und der so sabbert, dass man am besten mit einem Wischlappen hinter ihm herläuft. Gewissermaßen ein Berner-Sabbermonster-Sennenhund!
Meine Mutter hat dann als Köchin bei Onkel Toni angefangen. Was gut war, weil sie eindeutig besser kochen kann als Onkel Toni. Mia hat für die Hotelgäste Skikurse gegeben. Was nicht ganz so gut war, weil sie selber noch Mühe hatte, nicht in jeder Kurve umzufallen. Und ich? Ich war der Hotelboy! Das heißt, ich habe jede Menge Koffer die Treppen hoch und runter geschleppt, den Gästen gezeigt, wo die drei Kleiderhaken in ihrem Zimmer sind, und so lange an der Tür gestanden, bis sie mir ein Trinkgeld gegeben haben. Die Gäste natürlich, nicht die Kleiderhaken! Man könnte also auch sagen, dass ich mehr oder weniger alleine das ganze Hotel am Laufen gehalten habe.
Aber so richtig gut lief es trotzdem nicht. Weil die meisten Feriengäste lieber in ein Hotel mit Swimmingpool und Sauna wollten, statt in Onkel Tonis alte Bruchbude. Und es wurde erst besser, als sich rumgesprochen hat, dass meine Mutter die besten Kasnocken im ganzen Dorf macht. Und noch bessere Frittatensuppe! Von ihren sozusagen weltberühmten Germknödeln will ich gar nicht erst reden.
Was Kasnocken, Frittatensuppe oder Germknödel sind, kann ich später noch mal erklären. Dann verrate ich euch auch, dass »Tafelspitz« kein klein gehackter Hund ist, sondern … wie gesagt, später!
Okay, was müsst ihr jetzt noch wissen? Vielleicht dass meine Mutter und mein Vater sich jetzt wieder besser verstehen. Weil sie sich nicht mehr jeden Tag sehen. Denn mein Vater arbeitet immer noch in der schönen großen Stadt, in der wir früher auch gewohnt haben. Aber er kommt fast jedes Wochenende zu Besuch! Ich glaube allerdings, dass er vor allem deshalb kommt, weil er sich immer noch Sorgen um uns macht. Also um Mia und mich! Weil er denkt, dass wir vielleicht aus Versehen wieder in so eine Sache rutschen könnten wie letztes Jahr zu Weihnachten. Als Mia und ich fast ganz alleine eine Bande von Verbrechern überführt haben. Die sich als Weihnachtsmänner verkleidet und das Nachbardorf ausgeraubt hatten! Und die auch glatt mit der Beute davongekommen wären, wenn wir sie nicht mit einem Trick auf den alten Sessellift gelockt und erwischt hätten.
Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die jetzt viel zu lange dauern würde, um sie euch zu erzählen. Im Moment ist eigentlich nur wichtig, dass wir immer noch bei Onkel Toni wohnen. Und meine Mutter ist immer noch Hotelköchin, während Mia und ich inzwischen im Dorf zur Schule gehen und uns natürlich jeder kennt. Wegen der Sache mit den falschen Weihnachtsmännern. An der übrigens auch Carlo beteiligt war, unser Freund von der Pizzeria. Man könnte wahrscheinlich sogar sagen, dass Carlo und wir so ziemlich die besten Freunde sind, die es gibt. Zusammen mit Caruso natürlich, unserem Sabbermonster-Sennenhund! Wenn jemals jemand ein Buch über uns schreiben sollte, müsste es heißen: DIEGEFÜRCHTETENVIERAUSUNTERBERG. Oder so ähnlich jedenfalls. Und natürlich nur von Verbrecherbanden gefürchtet. Alle anderen finden uns großartig!
Zurzeit ist Onkel Tonis Hotel noch ziemlich leer, weil die meisten Feriengäste erst zu Weihnachten kommen. Und mit ein bisschen Glück verirren sich dann vielleicht auch welche zu Onkel Toni. Aber immerhin soll heute Abend schon mal der erste Gast auftauchen, der sich schon vor Wochen angemeldet und unser bestes Zimmer gemietet hat. In dem es zwar auch nur drei Kleiderhaken gibt, aber dafür einen riesigen Balkon, der direkt über der Küche ist, sodass man schon nachmittags weiß, was es abends zu essen gibt.
Um kurz nach sechs sollen Mia und ich den neuen Gast von der Bushaltestelle im Dorf abholen. Aber vorher müssen wir unbedingt noch zu Carlo, um mit ihm endlich einen Plan zu machen, was wir dieses Jahr als große Weihnachtsüberraschung für alle auf die Beine stellen können. Die Zeit wird langsam knapp und ich hoffe nur, dass uns noch rechtzeitig was einfällt. Oder dass uns zufällig noch mal ein paar falsche Weihnachtsmänner über den Weg laufen!
Allerdings war Carlo heute nicht in der Schule, und als wir vorhin bei ihm geklingelt haben, hat niemand aufgemacht. Auch auf seinem Handy war er nicht zu erreichen. Und irgendwie bin ich ein bisschen nervös, was mit ihm los ist. Normalerweise wissen wir ja alles voneinander, und wenn irgendetwas passiert wäre, hätte er uns ganz bestimmt Bescheid gesagt. Aber wenn ich darüber nachdenke, dann fällt mir auf, dass Carlo sich in den letzten Tagen irgendwie komisch benommen hat.
Was ist mit Carlo los?
Lies morgen weiter!
Draußen schneit es, und wir sind kaum zur Tür raus, als Caruso auch schon anfängt, Schnee zu fressen. Ich habe irgendwie den dummen Verdacht, dass er denkt, das weiße Zeug müsste weg. Jetzt hat er wahrscheinlich vor, so lange Schnee zu verschlingen, bis der Hügel vor unserem Hotel wieder schön grün ist.
Mia formt einen Schneeball und wirft ihn so weit, wie sie nur kann. Caruso jagt los und wühlt sich mit der Schnauze voran bis zu der Stelle, wo der Schneeball gelandet ist. Und frisst ihn auf! Ich sag’s ja, Caruso ist nicht unbedingt der Hellste.
Jetzt wartet er schwanzwedelnd darauf, dass wir den nächsten Schneeball für ihn werfen.
Aber da erscheint Onkel Toni hinter uns in der Tür. »Denkt daran, dass ihr nachher den neuen Gast abholen müsst!«
Typisch Onkel Toni! Er glaubt wirklich, dass nichts klappt, wenn er nicht alles selber macht. Oder einen nicht wenigstens alle fünf Minuten daran erinnert. Dabei haben Mia und ich noch nie vergessen, einen neuen Gast abzuholen. Höchstens dass wir mal ein bisschen zu spät waren. Oder der Gast zu früh, das passiert allerdings öfter mal …
»Geht klar!«, ruft Mia zurück. »Wir nehmen einen Schlitten fürs Gepäck mit.«
»Gute Idee«, stimmt Onkel Toni ihr zu.
»Äh, übrigens, Onkel Toni«, setze ich möglichst harmlos an und schiele wie zufällig zu dem Motorschlitten hinüber, der neben der Haustür geparkt ist. »Da fällt mir gerade ein …«
»Nein«, unterbricht mich Onkel Toni sofort. »Kommt gar nicht in Frage.«
Mist! Manchmal scheint es, als könnte er echt Gedanken lesen. Dabei weiß ich ganz genau, wie man Motorschlitten fährt! Es ist auch gar nicht so schwierig, man muss nur aufpassen, dass man am Berg nicht zu schräg fährt, weil man sonst mit dem Ding umfällt. Aber bis zur Bushaltestelle gibt es null gefährliche Stellen, und ganz sicher würde es auf den neuen Gast mehr Eindruck machen, wenn wir mit dem Motorschlitten angebrettert kämen, anstatt so ein altes Holzgestell hinter uns herzuzerren. Das Problem ist einfach, dass Onkel Toni manchmal keine Ahnung hat!
»Du hast es immerhin versucht«, meint Mia und grinst. Sie kann nämlich auch Gedanken lesen.
Onkel Toni verschwindet wieder im Haus. Und wir holen den Kinderschlitten aus dem Keller und stapfen los.
Ich hoffe, ihr erinnert euch noch, wo wir hinwollen? Genau, zu Carlo, unserem Freund aus der Pizzeria, der weder in der Schule war noch an sein Handy gegangen ist. Was äußerst merkwürdig ist!
Wir stapfen also über den Hügel. Caruso hat inzwischen aufgegeben, den ganzen Schnee fressen zu wollen. Wahrscheinlich hat er eingesehen, dass er es nie schaffen wird. Aber er hat schon eine neue Aufgabe gefunden. Er versucht, den Schlitten zu fangen, den Mia hinter sich herzieht. Und vor Aufregung hat er bereits die gesamte Sitzfläche vollgesabbert! Wir können nur hoffen, dass der neue Gast ein bisschen kurzsichtig ist und nichts merkt.
Als wir an der Straße sind, treffen wir zwei Mädchen, die eine Klasse unter uns sind und gerade aus dem Dorf kommen. »Im Skigeschäft gibt es ein Sonderangebot mit diesen coolen Mützen, wie du sie hast«, erklären sie. »Und jetzt haben wir endlich auch welche!«
Stimmt, das ist nicht zu übersehen, denke ich und verdrehe die Augen. Die Rede ist natürlich nicht von meiner Mütze, sondern von dem völlig bescheuerten Teil, das Mia auf dem Kopf hat. Mit einem Rentiergeweih aus Stoff! Vielleicht soll es auch ein Elchgeweih sein, keine Ahnung, aber Mia findet das Ding jedenfalls so toll, dass sie es am liebsten noch mit ins Bett nehmen würde. Und offensichtlich ist sie ja nicht die Einzige, die darauf steht, als selbst gestrickter Elch durch die Gegend zu laufen.
»Cool«, sagt sie jetzt und bewundert die anderen beiden Elche.
»Absolut cool!«, erklären ihre Artgenossen begeistert. »Und wo wollt ihr hin?«
»Nur eben schnell zu Carlo«, sage ich und zeige zur anderen Straßenseite hinüber, wo auf dem Flachdach das »PIERIA«-Schild blinkt.
»Hä? Wisst ihr das denn gar nicht?«, fragen die beiden Mädchen und starren mich an, als ob ich der Elch wäre.
»Was?«, frage ich zurück. »Was wissen wir nicht?«
»Carlo ist doch weggezogen! Gestern Abend schon.«
»Quatsch«, erklärt Mia. »Davon hätte er uns was gesagt, er ist schließlich unser Freund!«
»Aber er ist trotzdem weg. Zusammen mit seinem Vater. Wir haben sie getroffen, als sie mit ihrem Lieferwagen an der Tankstelle waren. Und Carlo hat gesagt, dass sie zurück nach Italien wollen.«
»Quatsch«, sage ich jetzt auch. Klar, Carlo kommt aus Italien, und seine Mutter wohnt da in Neapel, aber …
»Aber wenn sie umgezogen wären, hätten sie ja wohl einen Möbellaster gebraucht. Und außerdem ist die Leuchtreklame über der Pizzeria noch an und …«
Und dann weiß ich nicht weiter. Es kann nicht sein, denke ich nur. Vielleicht sind sie nur weg, um Carlos Mutter zu besuchen. Weil die plötzlich krank geworden ist oder einen Unfall hatte oder so was. Und sie mussten so schnell los, dass Carlo nicht mehr dazu gekommen ist, uns Bescheid zu sagen! Das ist jedenfalls die einzige Erklärung, die mir im Moment einfallen will.
Die beiden Mädchen zucken mit den Schultern und laufen weiter. Und Mia und ich stehen mit Caruso und dem vollgesabberten Schlitten am Straßenrand und starren auf das blinkende Schild über dem Eingang. Was uns allerdings auch nicht weiterhilft.
»Das kann nicht sein«, sagt Mia. »Los, lass uns noch mal selber nachgucken, ob wir irgendwas entdecken.«
Aber da ist nichts. Außer der Leuchtreklame ist alles dunkel. Auch die Hintertür zur Küche ist verriegelt, und am Eingang zum Restaurant hängt noch nicht mal ein Schild, auf dem so was steht wie »Vorübergehend geschlossen« oder so. Nichts.
Caruso rennt aufgeregt hin und her, als würde er eine Spur verfolgen. Aber dann hebt er doch nur sein Hinterbein und pinkelt an die Stufen.
»Irgendwas stimmt hier nicht«, sagt Mia.
»Das sehe ich genauso«, sage ich.
»Aber was?«
Ich habe eine Idee. Neben der Pizzeria gibt es eine Garage, die Carlos Vater als Lagerraum benutzt, weil sie ohnehin zu klein für den Lieferwagen ist. Und diesmal haben wir mehr Glück. Das Tor ist nicht verschlossen!
Als wir das Licht einschalten, sieht alles aus wie immer. Auf dem Regal an der Rückwand stapeln sich die leeren Pizzakartons, und auch die großen Kanister mit Pepperoni, Oliven und in Öl eingelegten Tomaten stehen ordentlich aufgereiht an der Seite. Aber ich suche nach etwas anderem. Und das ist nicht da!
Was fehlt in der Garage?
Lies morgen weiter.
Auf jeden Fall ist Carlo nicht mal eben nur kurz weg«, sage ich leise zu Mia und zeige auf die Ecke, wo die Skier von Carlo und seinem Vater an der Wand lehnen. Und wo auf dem Betonboden noch ein Rostfleck von der nassen Stahlkante des Snowboards zu sehen ist.
Mia kapiert sofort, was ich meine. »Carlos Board ist weg«, sagt sie und nickt.
»Und wir wissen beide, dass er sein Board nicht mitschleppen würde, wenn er vorhätte …«
»… heute oder morgen wieder zurückzukommen«, bringt Mia meinen Satz zu Ende. »Oder wenn er nur seine Mutter in Neapel besuchen will, wo es gar keinen Schnee gibt.«
»Das heißt …«
»Dass er vielleicht wirklich weggezogen ist!«
Für einen Moment sagen wir gar nichts mehr. Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich. Es muss irgendetwas passiert sein, weshalb Carlo und sein Vater verschwunden sind, ohne dass Carlo mit uns darüber geredet hat. Es musste also entweder ganz schnell gehen und Carlo hatte keine Zeit, oder es ist etwas, was … wir nicht wissen sollen! Für die zweite Möglichkeit spricht auch, dass er noch nicht mal eine SMS geschickt hat. Und ich fand ja schon in den letzten Tagen, dass er irgendwie komisch war …
»Es passt nicht«, erklärt Mia kopfschüttelnd. »Mal angenommen, sie sind wirklich weggezogen, warum haben sie dann nicht alles mitgenommen? Ich wette, dass ihre Möbel immer noch da sind, in den Lieferwagen haben ja höchstens ein paar Kartons mit ihren Klamotten gepasst, und vielleicht noch …«
»Was würdest du mitnehmen, wenn es ganz schnell gehen muss?«, unterbreche ich sie.
Mia zuckt mit den Schultern. »Meine Lieblingsklamotten, »meine Lieblingsbücher, meine Lieblings-CDs, meine Lieblingsposter …«, zählt sie an den Fingern auf.
»Und wenn du Carlo wärst?«
»Mein Snowboard, klar. – Aber überleg doch mal, wie es war, als wir umgezogen sind!«, setzt sie dann hinzu. »Da haben wir auch viele Sachen nicht mitgenommen, weil wir ja wussten, dass bei Onkel Toni kein Platz ist, und trotzdem wäre Mutti nie ohne ihren Lieblingsschrank und die große Truhe von Opa und ohne seinen Ohrensessel weggegangen!«
»Und wenn wir uns irren?«, frage ich. »Wenn die beiden Mädchen von vorhin zwar den Lieferwagen an der Tankstelle gesehen haben, aber vorher schon ein Möbellaster da war?«
»Und wann? Das hätten wir doch mitgekriegt!«
»Als wir in der Schule waren«, schlage ich vor. »Oder nachts!«
»Okay, fragen wir die Nachbarin.«
Mia dreht sich um und stiefelt zu dem Haus hinüber, das hinter der Pizzeria steht. Ich rufe Caruso und folge ihr.
Die alte Frau, die da hinten wohnt, scheint nicht gerade begeistert zu sein, als wir vor ihrer Tür stehen. Obwohl sie uns natürlich ganz genau kennt! Weil hier im Dorf eigentlich jeder jeden kennt. Und normalerweise passiert auch nichts, ohne dass es nicht irgendjemand mitkriegt.
»Wir haben nur schnell eine Frage«, sagt Mia.
»Ich hab keine Zeit«, antwortet die alte Frau und will gleich die Tür wieder zumachen.