Driver 2 - James Sallis - E-Book

Driver 2 E-Book

James Sallis

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  • Herausgeber: Liebeskind
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Vor sieben Jahren ist Driver, der wortkarge Stuntfahrer, der nebenbei bei Raubüberfällen den Fluchtwagen lenkte, abgetaucht. Einer dieser Überfälle war schiefgelaufen, und mehrere Leute sind für eine Tasche mit gestohlenem Geld draufgegangen. Erst als die Sache geregelt war, konnte Driver verschwinden und eine andere Identität annehmen. Nur hatte er nicht damit gerechnet, dass ihn die Vergangenheit eines Tages einholen würde. Sie kamen an einem Samstagmorgen, kurz nach elf Uhr, zu zweit. Es war bereits heiß und würde noch heißer werden ... James Sallis hat die Fortsetzung seines preisgekrönten und erfolgreich verfilmten Romans "Driver" geschrieben - und wieder einen außergewöhnlichen Roman noir geschaffen.

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James Sallis

Driver 2

Roman

Aus dem Englischen vonJürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem TitelDriven bei Poisoned Pen Press in Scottsdale, Arizona.

© James Sallis 2012© der deutschen Ausgabe:Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2012

Umschlaggestaltung: Marc Müller-Bremer, MünchenUmschlagmotiv: Thorsten Rother / plainpictureHerstellung: Sieveking print & digital, MünchenTypografie und Satz: Frese Werkstatt, MünchenDruck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-935890-99-1

Dieses Buch ist für Vicky,mit Wertschätzungund in großer Zuneigung

SIE KAMEN AN EINEM SAMSTAGMORGEN, kurz nach elf Uhr, zu zweit. Es war bereits heiß und würde noch heißer werden, der zarte Schweißfilm auf Elsas Stirn glänzte im Sonnenlicht. Nur die Andeutung einer Bewegung, im Augenwinkel, als sie eine kurze Seitenstraße überquerten – und schon war der Erste da. Driver wirbelte herum, rammte den Fuß mit dem gesamten Gewicht seines Körpers gegen das rechte Knie des Mannes und hörte, wie es nachgab. In dem Augenblick, als der Mann niederging, traf derselbe Fuß seine Kehle. Der Mann erbebte zweimal zitternd, versuchte, Luft durch die zerschmetterte Luftröhre zu saugen, dann bewegte er sich nicht mehr. Der andere hatte sich inzwischen von hinten genähert, aber Driver tauchte ab, rollte rückwärts, kam hinter ihm wieder hoch, sein linker Arm nahm den Mann in den Würgegriff, mit der rechten Armbeuge umschloss er fest das eigene Handgelenk.

Minuten später war es vorbei. Dann begriff er, was den Angriff des zweiten Mannes verzögert hatte. Elsa lehnte an der Wand des verlassenen Cafés, aus der Wunde unter ihrer Brust quoll stoßweise Blut.

Sie blickte auf, versuchte ihn anzulächeln, während das Licht in ihren Augen erlosch.

IN SPIELFILMEN SCHNELLT DER TYP, der fast ertrunken wäre, immer hoch aus dem Wasser wie ein Delfin im Sonnenlicht, schnappt nach Luft, die ihm so lange verwehrt war, das ganze Gesicht ein einziger Ausdruck von Erleichterung.

Als Driver das erste Mal auftauchte, vor sechs oder sieben Jahren, war es genauso gewesen, nur umgekehrt. Sonnenschein, Luft, Freiheit – doch sein Impuls war, wieder abzutauchen. Er wünschte sich Dunkelheit, Sicherheit, Anonymität. Er brauchte sie; konnte nicht verstehen, wie er ohne sie leben sollte.

Er war damals sechsundzwanzig.

JETZT WAR ER ZWEIUNDDREISSIG, saß an einem Tisch auf der Terrasse des HIPPIE PLACE, an der Längsseite des Gebäudes, abseits der Straße.

»Als sie damals diesen Laden hier hingesetzt haben«, erzählte ihm Felix, »war es, als hätten sie einem ein Strandhaus vor die Nase geknallt. Überall Sand, wohin man guckte. Als hätten sie nicht geschnallt, dass der Hügel voller streunender Katzen war. Die Katzen waren begeistert, sind von überall her gekommen. Das größte Katzenklo der Welt, verstehst du? Auf höherer Firmenebene wurde dann umentschieden.« Die Hände immer noch auf dem Tisch, lehnte Felix sich zurück, wobei seine zurückrutschenden Ärmel den unteren Teil verblichener Tattoos entblößten. Keine Herzen, Anker, Damenkörper oder Frauennamen. Stattdessen Messer. Ein oder zwei Flammen. Ein Wolf. »Schon lange her. Und du weißt ja, wie wenig Dinge hier bis zum Ende durchgezogen werden. Das Essen ist scheiße, aber darauf kann man sich zumindest verlassen.«

Driver wusste nicht viel über Felix, jedenfalls nicht über seine Vorgeschichte.

Er wusste, dass er bei der Operation Wüstensturm dabei gewesen war; als Ranger, wie er dem wenigen entnahm, das Felix erzählt hatte. Und irgendwann davor war er ein Gangmitglied im guten alten Ost-L. A. gewesen. So eine Art Leibwächter oder Vollstrecker. Ein ewiges Überschreiten von Türschwellen in immer wieder neue Leben. Sie hatten sich bei einem Job kennengelernt, wobei es gewirkt hatte, als sei Felix einzig und allein deswegen dabei gewesen, weil er auf einen der anderen Typen aufpasste. Sie waren auf das Thema Operation Wüstensturm gekommen, denn Felix und der Typ waren gemeinsam dort gewesen. Ist der Job vorbei, wird man in der Regel zu Fremden. Aber irgendwas hatte Klick gemacht. Felix und Driver waren in Kontakt geblieben.

Und mit wem ließ es sich besser abhängen, wenn man untergetaucht war? Auf die eine oder andere Art war Driver sein ganzes Leben lang von der Bildfläche verschwunden.

»Weiß deine Hilfe zu schätzen«, sagte Driver. Der Kaffee schmeckte leicht nach Fisch-Tacos, eine Spezialität des HP.

Felix folgte mit den Augen zwei Frauen, die zu ihren Plätzen vorne am Geländer geleitet wurden. Mutter und Tochter? Zwanzig, dreißig Jahre Altersunterschied, ähnlich gekleidet. Gleiche Körpersprache, gleiche Beine.

»Steht noch was an?«

»Zum Beispiel?«

»Oh, zum Beispiel denjenigen, der dir auf den Fersen ist, davon zu überzeugen, dass das keine so gute Idee ist.«

»Zu solchen Leuten geht man nicht einfach hin und redet mit ihnen.«

»Ich hatte nicht unbedingt an eine Unterhaltung gedacht.«

»Okay. Aber es ist nicht nötig. Ich habe mich unsichtbar gemacht. Sie können mich nicht sehen, es ist vorbei.«

»Unsichtbar, hm? Deswegen sitzen wir auch hier hinten bei den Mülltonnen und du bist mit einem Hut reingekommen, der fast bis auf die Nase runtergezogen war.« Er nippte an seinem Kaffee und verzog das Gesicht. »Riecht nicht annähernd so scheußlich, wie er schmeckt. Obwohl, der Hut ist echt cool.«

Die Ältere der Frauen lächelte Felix zu. Typische Highland-Park-, Upper-East-Side- oder Scottsdale-Frau. Geld, Klasse, Privilegien. Trotzdem saß sie da und lächelte diesem hartgesottenen Kerl zu, mit seinen verblichenen Tattoos und seiner miesen Frisur. Felix hatte irgendetwas an sich, das die Menschen für ihn einnahm.

Die jüngere Frau warf einen Blick herüber, um zu sehen, was es da so Interessantes gab. Dann lächelte auch sie.

»Unsichtbar oder nicht, ich werde dich im Auge behalten, auf Leuchtsignale achten.« Auf gewisse Weise hatte Felix die Wüste nie verlassen, genauso wenig wie L.A. Hatte die Last nicht abgelegt, sondern schleppte sie im Inneren mit sich herum. »Der Schlüssel ist da, wo er immer ist. Soweit ich weiß, ist keiner da. Wenn doch, wirst du dich wohl unterhalten müssen ... Johnny, mein Guter!«

Johnny, der Kellner, war gekommen, um zu fragen, ob er noch etwas für sie tun könne. Braun gebrannt, blond, einer von der Sorte, die wahrscheinlich fünfundzwanzig war, aber wie achtzehn aussah und auch weiterhin so aussehen würde, bis die vierzig, fünfundvierzig sie kalt erwischte.

»Wir könnten ein paar Biere gebrauchen. Wenn du Zeit hast. Keine Eile.«

Felix begutachtete Johnny von hinten, während der sich entfernte, und warf dann noch einen Blick auf seine beiden Damen. »Irgendeine Idee, wer dieses Killerkommando auf der Straße war?«

»Oder was dahintersteckt? Keine Ahnung.«

»Ausweise hatten sie sicher keine dabei.«

»Unwahrscheinlich. Nicht, dass ich lange genug geblieben wäre, um nachzusehen.«

»Aber du bist sicher, dass es Killer waren.«

»So wie die ankamen, eindeutig.«

»Von allen Möglichkeiten, wie man jemanden umlegen kann, ist das definitiv die dämlichste. Viel zu viele Unbekannte, fraglicher Ausgang, und dann hängst du da fest. Warum also aus nächster Nähe?«

»Und warum Elsa?«

»Die sie umgelegt haben, bevor du an der Reihe warst. Das ergibt doch keinen Sinn.«

Johnny brachte die Biere. Er wischte den Tisch mit einem nassen Lappen ab, nahm beide Kaffeetassen mit der linken Hand und setzte die Flaschen mit der rechten ab.

»Hattest du kürzlich ein Ding laufen?« fragte Felix.

Driver schüttelte den Kopf.

»Dann also irgendeine alte Geschichte.«

»Wie so oft.«

Felix nahm einen kleinen Schluck Bier und ließ ihn im Mund kreisen, bevor er ihn herunterschluckte. »Hervorragende Blume.« Er blickte hinüber zu einem Baum, wo ein Vogel so inbrünstig sang, als begänne in einer Stunde der Tag des Jüngsten Gerichts oder die Abschlussprüfung des Examens. »Glaubst du, Vögel können gurgeln?« Dann, ohne ihn anzusehen: »Im Badezimmer, der Schrank unterm Waschbecken. Wirf all den Scheiß raus, dahinter ist ein Brett, das man hochschieben kann. Nur, falls du eine brauchen solltest.«

»Danke, Felix.«

»De nada. Fahr vorsichtig, mein Freund.«

FELIX NANNTE ES SEINEN KANINCHENBAU. Anders als andere Seelen, die keine feste Heimat hatten, hielt er an einem Ort fest, wenn er ihn verließ. Das war Teil seines Man-kann-nie-wissen-Grundsatzes, der auch seine Antwort auf alles war, was das Leben ihm so entgegenschleuderte, und auf all die Fragen, die es aufwarf: warum er bestimmte Dinge tat; warum andere taten, was sie taten; und wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass die Sonne am nächsten Morgen wieder aufgehen würde. Felix’ Wohnungen, ein paar unscheinbare Häuser und andere Verstecke, waren über ganz Phoenix verstreut.

Diese spezielle Kaninchenhöhle war die südöstliche Einheit eines Vierparteienhauses, ehemals ein respektables Einfamilienhaus in einem Stadtteil, der früher ein gemütlicher Vorort gewesen war und jetzt zur Innenstadt gehörte. Verdorrte Reben hingen an der einen Seite des Gitters, das die Einfahrt säumte. Eidechsen flitzten über die dahinter liegende Kunststeinmauer. Der Schlüssel lag unter einem Ziegelstein am Fuß einer Jahrhundertpflanze, neben der Doppelgarage, die inzwischen den Mietern als Lagerraum diente. Driver linste durch das Fenster. Dutzende von Kisten, Möbel, ein Kanonenofen, gerahmte Bilder, ein alter Fender-Gitarrenlautsprecher. Sah ziemlich genauso aus wie das letzte Mal, als er hier gewesen war, vor mehr als einem Jahr, obwohl die Chancen gut standen, dass die Mieter seitdem zwei, drei Mal gewechselt hatten.

Driver überschlug schnell die Anzahl der Kakerlaken, bevor er auspackte – zwei in der Badewanne, noch atmend, sechs in der Küche, die meisten davon tot. Das Auspacken dauerte ungefähr so lange wie der Kakerlaken-Check. Driver hatte sich nie viel aus Besitztümern gemacht, deshalb war es einfach gewesen, das Haus und den ganzen Rest abzustreifen. Elsas Leiche zurückzulassen war der schwerere Part gewesen.

Sein Gepäck bestand nur aus einem praktischen Matchbeutel, passend zu seiner praktischen Kleidung: Jeans, Kakihosen, blaue Oberhemden und ein Sakko, T-Shirts, Unterwäsche, schwarze Socken, alles ganz normale Sachen von Target oder Sears. Er packte die Klamotten in eine Kommode, deren Farbe der von Ahornsirup glich. Die Laminatbeschichtung war stellenweise abgenutzt, changierte wie Steine in einem Flussbett. Die Anzahl der Kakerlaken erhöhte sich um drei.

Ein Vogel hatte sein inzwischen verlassenes Nest außen auf den Sims des Schlafzimmerfensters gebaut. Durch ein Loch im Fliegengitter reichte es zur Hälfte bis in den Zwischenraum dahinter. Nur ein winziges Stück Eierschale war zurückgeblieben.

Seit gestern hatte er sich nur von Kaffee, Luft und Nerven ernährt. Zwei Straßen weiter hatte er ein Schnellrestaurant gesehen, einen Diner, Billy’s oder Bully’s, schwer zu sagen bei dem Schild. Letztes Mal war es noch ein Mexikaner gewesen.

Der alte Geruch hatte sich trotz des neuen Besitzers gehalten, so als gehörten Chili, Koriander und Kreuzkümmel zu den Pigmenten in der blauen Wandfarbe. Ging man nach der Reihe der Barhocker, den Sitznischen und der Küchendurchreiche, war der Laden in seinem früheren Leben mal ein Big Boy’s oder ein Denny’s gewesen. Ein alter Mann mit einem weißen Haarkranz, der an eine halb abgewehte Pusteblume erinnerte, saß am Tresen, als hätte er dort Wurzeln geschlagen. In sicherer Entfernung stand ein Kellner und unterhielt sich durch die halb geöffnete Küchentür. Ein junges Pärchen saß in einer der hinteren Sitznischen, in der Nähe des Notausgangs, beide schwer beschäftigt mit irgendwelchen kleinen Geräten, iPods, Handys, was auch immer.

Driver setzte sich ans andere Ende des Tresens, weit weg von Pusteblume, der immer wieder Blicke in seine Richtung warf. Die Eier waren überraschend gut, der Speck dick geschnitten und mit genau der richtigen Menge Fettrand. Der Kaffee war frisch, aber wässrig. Als der Koch durch das Fenster linste, nickte Driver ihm zu und hob seine Gabel.

Jemand hatte den Namen Gabriel in das Resopal des Tresens geritzt, mit der schräg gehaltenen Klinge eines Taschenmessers, wie es aussah. Driver fragte sich, in welcher Phase der Wiedergeburt des Diners das wohl passiert war, wer der Schnitzer gewesen war und welche Geschichte sich dahinter verbarg. War es sein eigener Name? Der eines Freundes oder Geliebten? Driver dachte darüber nach, welche Mühe sich alle gaben, Markierungen zu hinterlassen, Zeichen dafür, dass man hier gewesen war, der Weg einen hier entlanggeführt hatte. Schnitzereien wie diese, aber auch die Schilder an Wänden, Gebäuden und Überführungen waren eigentlich nichts anderes als urbane Äquivalente zu Höhlenmalereien.

Er zahlte an der Kasse 7,28 $ und kürzte den Rückweg über den Parkplatz ab. Direkt dahinter kam er an einem Block von Häusern vorbei, fünf in einer Reihe, die wirkten, als gehörten sie gar nicht hierher, so schick waren sie – saubere Fenster, keine Ablagerungen auf den Dächern, der Rasen frisch gestutzt, ein zehn Zentimeter breiter Randstreifen rund um die Fundamente, Einfahrten und Bürgersteige abgestochen. Er fragte sich, ob es ein und dieselbe zwanghafte Person war, der die Häuser gehörten und die sich um sie kümmerte. Als er die Straße überquerte, kehrte er zurück in die reale Welt voller Baracken und Notunterkünfte.

Er bemerkte den Wagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite seines Hauses parkte, eine schnittige Buick-Limousine zwischen lauter Pick-ups und anderen Schrotthaufen, nur ein Insasse darin.

Der andere war schon durch den Hintereingang rein, nahm er an.

Driver kürzte ab, tauchte hinter die Mauer, die die Gasse säumte. Dort stapelte sich genug Krempel, um fünf oder sechs Häuser zu möblieren; aber überall fehlte etwas: Beine an den Möbeln, Gläser von Spiegeln, Kabel oder Einzelteile an Geräten. Das Tor, so wusste er von anfänglichen Erkundungen, wurde von einer Kette verschlossen, die er erreichen konnte, allerdings nicht geräuschlos. Trotzdem kein Problem. Die Mauer war nur einsachtzig hoch, und durch eine Lücke konnte er den anderen Typen sehen, der an der Wand der alten Garage lehnte, das Haus im Blick.

Driver war oben, drüber hinweg und auf ihm, als ein Auto langsam vorbeifuhr und den Mann kurz ablenkte. Manikürte Fingernägel fuhren wie eine Harke über Drivers Arm, an einer Hand ein Rubin- oder Blutjaspisring, so dick wie ein Jelly Bean.

Ein guter Würgegriff lässt nicht viel Bewegungsspielraum. Es ist nicht nur die Atmung, man klemmt auch die Halsschlagadern ab und unterbricht die Blutversorgung des Gehirns. Wenn man bei Kung-Fu-Filmen mitwirkt, hängt man stundenlang mit Stars und Stuntmen herum, während man darauf wartet, aufzusatteln und zu fahren. Dabei lernt man so einiges.

Ohne nachzudenken – inzwischen war er auf einem Level, auf dem Denken und Handeln ineinander überzugehen schienen – knallte Driver den Körper des Mannes gegen die Garagenwand, ein dumpfer Aufschlag, wie eine Pauke, lauter als erwartet, dann ein mehrfaches Echo. Er schlüpfte hinter ihn, in den schmalen Gang zwischen Garage und Mauer.

Es dauerte ganze drei Minuten, bis der andere aufkreuzte. Er kam rein, hatte etwas in der linken Hand, Knarre, Schlagring, Taser, entdeckte seinen Partner und bewegte sich langsam auf ihn zu. Tief zusammengekauert beobachtete Driver alles durch die Bretterspalten.

Linkshänder. Und zwanzig Kilo zu viel um die Hüften.

Driver wartete.

Der Mann näherte sich, schaute sich noch einmal um. Ging dann umständlich in die Knie und mit der linken Hand zu Boden, um sich abzustützen.

In dem Moment, als der Mann den Blick abwandte, war Driver zur Stelle und trat ihm mit voller Wucht auf die Hand. Die Finger, die immer noch die Pistole umfasst hielten, knackten. Aber der Mann gab keinen Laut von sich. Er sah auf, mit leerem Blick, und wartete ab, was passieren würde.

Driver trat ihm ins Gesicht.

In der Ferne hörte man Sirenen, drüben auf der McDowell oder irgendwo dort; kamen vielleicht in diese Richtung, vielleicht aber auch nicht. Driver sah sich um. Es war nicht laut genug gewesen, um die Nachbarn zu alarmieren, aber drei oder vier mehrstöckige Häuser waren in Sichtweite, jemand konnte etwas gesehen und gemeldet haben. Er lauschte wieder auf die Sirenen. Kamen sie näher? Sosehr er auch mit diesen beiden reden wollte, eine Unterhaltung führen, wie Felix sich ausdrückte, er konnte das Risiko nicht eingehen.

Er war schon durch die Gasse und um die Ecke, als zwei Polizeiwagen auf die San Jacinto einbogen.

»IST DAS DEINE VORSTELLUNG von sich bedeckt halten?«

»Bin etwas außer Übung.«

Driver telefonierte mit einem Einweghandy. Felix hatte ihn aufgrund seiner Nachricht zurückgerufen, die er im Tattoo-Studio auf der Camelback Road hinterlassen hatte.

»Scheint nicht gerade viel zu bringen, sich bei irgendwelchen Müllcontainern zu verstecken.«

»Stimmt. Sie sind mir wieder auf die Spur gekommen, und das ziemlich schnell.«

»Gefällt mir auch nicht. Sie haben dich gefunden, und es besteht das Risiko, dass sie mehr über mich wissen als gut ist.«

»Genau das hab ich beim Einchecken auch gedacht.«

»Du hast vier von ihren Leuten erledigt, und sie fahren immer noch auf Reserve. Warum auch immer die so heiß auf dich sind, jetzt wird’s noch brenzliger. Was kann ich für dich tun?«

»Ich brauche einen neuen Unterschlupf.«

»Geld?«

»Dafür ist gesorgt.« Die alten Gewohnheiten waren nicht komplett mit dem alten Leben verschwunden. Er hatte bündelweise Geld, Ausweise und Kreditkarten.

»Könntest dich vielleicht bei Maurice melden.«

»Der Typ, der Dokumente fälscht?«

»Nicht nur Dokumente. Er erstellt ganze Identitäten – Geburtsurkunden, Militärdienst, Schulabschlüsse. Aber er ist genauso gut darin, sie auszuradieren. Es wäre im Moment sicher ratsam, etwas unsichtbarer zu werden.«

»Du hast recht.«

»Komm in einer Stunde beim Ink Spot vorbei. Justin hat alles, was du benötigst. Schlüssel, Klamotten. Wenn du noch etwas brauchst, ruf mich direkt an.«

Felix gab ihm die Nummer. »Das habe ich dabei und es ist immer an.«

»Vielen Dank, alter Freund.«

»Ist schon okay. Bleib locker ...«

»... und pass auf dich auf. Wird gemacht.« Driver legte auf.