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Driver ist kein Verbrecher. Jedenfalls nicht im engeren Sinne. Er ist nur der beste Stuntfahrer, den man in Hollywood kriegen kann. Und manchmal fährt er bei Raubüberfällen den Fluchtwagen, obwohl ihn das gar nicht so richtig interessiert. Genauso wenig wie die Hollywoodfilme. Eigentlich will er nur fahren. Aber dann läuft einer dieser Überfälle schief, und Driver findet sich in einem schäbigen Motel in Arizona wieder, mit mehreren Leichen im Zimmer und einer Tasche voller Geldscheine. Eigentlich sollte auch er tot sein, denn der Raubüberfall war eine abgekartete Sache ... "Driver" von James Sallis ist ein literarischer Glücksfall: ein fesselnder, atmosphärisch dichter und zugleich virtuos erzählter Kriminalroman, eine Hommage an den klassischen Roman noir, die fast beiläufig zu großer Literatur wird.
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Seitenzahl: 151
James Sallis
Roman
Aus dem Englischenvon Jürgen Bürger
Ed McBain,
Donald Westlake und
Larry Block gewidmet —
drei großen amerikanischen Schriftstellern
As I sd to my
friend, because I am
always talking, – John, I
sd, which was not his
name, the darkness surrounds
us, what
can we do against
it, or else, shall we &
why not, buy a goddamn big car,
drive, he sd, for
christ’s sake, look
out where yr going.
Robert Creeley
Als er viel später in einem Motel am nördlichen Stadtrand von Phoenix mit dem Rücken an die Zimmerwand gelehnt dasaß und beobachtete, wie die Blutlache sich ihm langsam näherte, fragte sich Driver, ob er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Bald darauf gab es daran keinen Zweifel mehr. Aber noch befand sich Driver, wie man so sagt, ganz im Jetzt. Und zu diesem Jetzt gehörten das sich langsam in seine Richtung ausbreitende Blut, das Licht der bereits fortgeschrittenen Morgendämmerung, das durch Fenster und Tür drang, der Verkehrslärm von der nahe gelegenen Interstate, das leise Weinen von jemandem im Zimmer nebenan.
Das Blut sickerte aus der Frau, die sich Blanche nannte und behauptet hatte, aus New Orleans zu stammen, obwohl doch bis auf den aufgesetzten Akzent alles an ihr auf die Ostküste hindeutete – Bensonhurst vielleicht oder irgendeine andere entlegene Gegend Brooklyns. Blanches Schultern lagen quer über der Schwelle der Badezimmertür. Von ihrem Kopf war nicht mehr viel übrig, das wusste er.
Sie waren in Zimmer 212 im ersten Stock, der Boden war eben, sodass die Blutlache sich nur langsam ausbreitete und die Kontur ihres Körpers nachzeichnete, genau wie er es getan hatte. Das Blut bewegte sich auf ihn zu wie ein anklagender Finger. Er hatte starke Schmerzen im Arm. Die zweite Sache, die er wusste: schon bald würde es noch sehr viel mehr wehtun.
Dann wurde Driver sich bewusst, dass er den Atem anhielt. Er lauschte auf Sirenen, auf die Geräusche von Menschen, die sich unten auf dem Parkplatz versammelten, auf hektische Schritte vor der Tür.
Wieder wanderte Drivers Blick durch das Zimmer. Neben der halb offen stehenden Zimmertür lag eine Leiche, ein dünner, ziemlich großer Mann, vielleicht ein Albino. Komischerweise war dort nur wenig Blut. Vielleicht wartete das Blut nur noch etwas. Wenn sie ihn hochhoben, ihn umdrehten, vielleicht sprudelte dann alles auf einmal heraus. Aber im Moment sah man nur den matten Widerschein von Neonlicht auf der fahlen Haut.
Die zweite Leiche befand sich im Bad, fest eingeklemmt im Fensterrahmen. Dort hatte Driver ihn überrascht. Der Kerl hatte eine Schrotflinte gehabt. Blut aus seiner Halswunde hatte sich im Waschbecken darunter gesammelt, ein zähflüssiger, dicker Pudding. Driver benutzte zum Rasieren ein einfaches Rasiermesser. Es hatte mal seinem Vater gehört. Wann immer er ein neues Zimmer bezog, breitete er als Erstes seine Utensilien aus. Das Rasiermesser hatte mit Zahnbürste und Kamm dort neben dem Waschbecken gelegen.
Bislang nur die zwei. Dem Ersten, dem Kerl, der im Fenster eingeklemmt war, hatte er die Schrotflinte abgenommen, mit der er den Zweiten niederstreckte. Es war eine Remington 870, der Lauf abgesägt auf die Länge des Magazins, knapp vierzig Zentimeter. Das wusste er von einem billigen Mad-Max-Remake, an dem er mitgewirkt hatte. Driver achtete auf alles.
Jetzt wartete er. Lauschte. Auf Schritte, Sirenen, zuschlagende Türen.
Was er hörte, war das Tropfen des Badewannenhahns. Die Frau im Zimmer nebenan weinte immer noch. Doch da war noch etwas anderes. Ein scharrendes Geräusch …
Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass es sein eigener Arm war, der zuckte, seine Knöchel, die auf den Fußboden klopften, seine Finger, die scharrten, wenn die Hand sich zusammenzog.
Dann hörten die Geräusche auf. Überhaupt kein Gefühl mehr im Arm. Er hing einfach nur bewegungslos da, losgelöst von ihm, wie ein vergessener Schuh. Driver befahl ihm, sich zu bewegen. Nichts passierte.
Mach dir später darüber Gedanken.
Er blickte wieder zur offenen Zimmertür. Vielleicht war’s das, dachte Driver. Vielleicht kommt keiner mehr, vielleicht ist es vorbei. Vielleicht sind, vorläufig, drei Leichen genug.
Driver war kein großer Leser. Eigentlich auch kein großer Kino-Fan. Road House hatte ihm gefallen, aber das war schon lange her. Er sah sich nie die Filme an, in denen er gefahren war, aber manchmal, wenn er mit Drehbuchautoren herumhing, die außer ihm die Einzigen am Set waren, die den größten Teil des Tages nicht viel zu tun hatten, las er manchmal die Bücher, auf denen die Filme basierten. Er hatte keine Ahnung, warum.
Das jetzt war einer dieser irischen Romane, in denen Leute tierischen Stress mit ihren Vätern haben, dauernd auf Fahrrädern durch die Gegend strampeln und zwischendurch immer mal wieder irgendwas in die Luft jagen. Auf dem Foto auf der hinteren Innenseite des Schutzumschlags blinzelte der Autor wie eine frisch entdeckte Lebensform, die gerade ins grelle Sonnenlicht gezerrt worden war. Driver hatte das Buch in einem Antiquariat auf dem Pico gefunden und sich gefragt, was muffiger roch, der Pullover der alten Ladenbesitzerin oder die Bücher. Oder es war die alte Dame selbst. Alte Leute hatten manchmal diesen Geruch. Er hatte einen Dollar und zehn Cents bezahlt und war wieder gegangen.
Aber er konnte nicht erkennen, dass der Film irgendwas mit diesem Buch zu tun hätte.
Driver hatte in dem Film ein paar Szenen als Killer gespielt. Der Held haute darin heimlich aus Nordirland in die Neue Welt ab (das war übrigens der Titel des Buches: Seans Neue Welt), hundert Jahre Zorn und Groll im Gepäck. Im Buch ging Sean nach Boston. Die Filmfritzen machten L.A. daraus. Zum Teufel damit. Bessere Straßen. Auch das Wetter bereitete den Produzenten hier weniger Kopfschmerzen.
Driver trank einen Schluck von seiner Horchata und warf einen Blick auf den Fernseher, wo Jim Rockford sein übliches verbales Tänzchen veranstaltete. Er schaute wieder in das Buch, las ein paar weitere Zeilen, bis er an dem Wort Ungebräuchlichkeit hängen blieb. Was für ein Scheißwort war das denn? Er schlug das Buch zu und legte es auf den Nachttisch. Dort leistete es anderen von Richard Stark, George Pelecanos, John Shannon und Gary Phillips Gesellschaft, alle aus demselben Laden am Pico, in dem stündlich Damen jeden Alters Armladungen von Liebesromanen und Krimis anschleppten, um sie zwei zu eins einzutauschen.
Ungebräuchlichkeit.
Im Denny’s zwei Blocks weiter fütterte Driver das Telefon mit Münzen und wählte Manny Gildens Nummer, beobachtete dabei, wie Leute das Restaurant betraten und verließen. Ein beliebtes Lokal, jede Menge Familien, jede Menge Typen, bei denen man ein Stück zur Seite rutschen würde, wenn sie sich neben einen setzten. Und das in einem Viertel, in dem die Sprüche auf den T-Shirts und Grußkarten bei Walgreen’s in der Mehrzahl auf Spanisch waren.
Vielleicht würde er anschließend frühstücken, dann hatte er wenigstens was zu tun.
Er und Manny hatten sich bei den Dreharbeiten zu einem Science-Fiction-Film kennen gelernt, bei dem Driver in einem Post-Apokalypse-Amerika einen El Dorado unter dem Hintern hatte, der rein optisch an einen Panzer erinnerte. Das traf auch für das Handling zu.
Manny war einer der angesagtesten Autoren in Hollywood. Es hieß, er hätte schon Millionen gebunkert. Vielleicht stimmte das ja auch, wer wusste das schon? Jedenfalls lebte er immer noch in einem heruntergekommenen Bungalow draußen Richtung Santa Monica und trug immer noch T-Shirts und Chinos mit umgekrempelten Aufschlägen, dazu bisweilen bei offiziellen Anlässen, wie bei einem der in Hollywood so beliebten Meetings, ein uraltes Kordsakko. Und er kam von der Straße. Keine gutbetuchte Familie, keine akademischen Titel. Bei einem schnellen Gläschen hatte Drivers Agent mal erzählt, dass Hollywood fast komplett aus Cum-laude-Absolventen von Ivy-League-Universitäten bestünde. Manny, der für alles Mögliche engagiert wurde, von Henry-James-Adaptionen bis zur Massenproduktion von Drehbuchschnellschüssen für Genre-Filme wie Billy’s Tank, strafte das jedoch Lügen.
Wie üblich meldete sich sein Anrufbeantworter:
»Sie wissen selbst, wer hier spricht, sonst würden Sie nicht anrufen. Mit ein bisschen Glück arbeite ich gerade. Wenn nicht – und falls Sie Geld für mich haben oder einen Auftrag –, hinterlassen Sie bitte eine Nummer. Andernfalls nerven Sie nicht und legen einfach auf.«
»Manny«, sagte Driver. »Bist du da?«
»Ja. Ja, ich bin hier … Bleib ’ne Sekunde dran, okay? Muss nur schnell was zu Ende bringen.«
»Du bringst immer gerade irgendwas zu Ende.«
»Lass mich nur gerade speichern … So. Erledigt. Was total Neues, sagt mir die Produzentin. Virginia Woolf, plus Leichen und heiße Verfolgungsjagden.«
»Und was hast du gesagt?«
»Nachdem ich mich geschüttelt hab? Was ich immer sage. Treatment, Überarbeitung oder Drehplan? Wann brauchen Sie’s? Was springt für mich dabei raus? Scheiße. Sekunde mal, ja?«
»Klar.«
»… na, wenn das mal kein Zeichen unserer Zeit ist. Ein Vertreter für Bio-Lebensmittel.«
»Super Geschäft, darum dreht sich doch alles in Amerika. Bei mir ist hier letzte Woche eine Frau aufgekreuzt, die mir Kassetten mit Liedern von Walen andrehen wollte.«
»Wie hat sie ausgesehen?«
»So Ende dreißig. Jeans mit abgeschnittenem Bund, zerschlissenes blaues Arbeitshemd. Latina. Muss so gegen sieben Uhr morgens gewesen sein.«
»Ich glaube, die war auch bei mir. Hab nicht aufgemacht, aber einen Blick durch den Spion riskiert. Stoff für ’ne gute Geschichte – würde ich noch Geschichten schreiben. Was brauchst du?«
»Ungebräuchlichkeit.«
»Ah, wir lesen wieder, was? Könnte gefährlich sein … Es bedeutet, dass etwas nicht mehr gängig ist. Wenn etwas nicht mehr gebräuchlich ist, kommt es außer Gebrauch.«
»Danke, Mann.«
»Das war’s?«
»Ja, aber wir sollten mal wieder einen trinken gehen.«
»Unbedingt. Ich hab noch diese Sache hier, ist aber schon fast fertig, dann muss ich noch ein bisschen am Remake eines argentinischen Films feilen, danach bleiben ein oder zwei Tage, um die Dialoge für so eine künstlerisch anspruchsvolle polnische Scheiße auf Vordermann zu bringen. Hast du kommenden Donnerstag schon was vor?«
»Donnerstag ist gut.«
»Im Gustavo’s? So gegen sechs? Ich bring ’ne Flasche von dem guten Stoff mit.«
Das war Mannys einziges Zugeständnis an den Erfolg: er liebte guten Wein. Er würde mit einem chilenischen Merlot oder einer australischen Cuvée aus Merlot und Shiraz aufkreuzen. In Klamotten, für die er vor sechs Jahren beim erstbesten Secondhand-Laden vielleicht zehn Dollar hingeblättert hatte, würde er dasitzen und diesen fantastischen Tropfen einschenken.
Schon bei dem Gedanken daran hatte Driver den Geschmack von Gustavos geschmortem Schweinefleisch mit Yucca im Mund. Das machte ihn hungrig. Und erinnerte ihn an den Slogan eines anderen, erheblich nobleren Restaurants in L.A.:Wir würzen unseren Knoblauch mit Speisen. Im Gustavo’s hatte man für die zwei Dutzend Stühle und halb so viele Tische vielleicht alles in allem hundert Dollar hingelegt, die Vorratskisten mit Fleisch und Käse waren für jeden zu sehen, und es war auch schon eine ganze Weile her, seit die Wände ihren letzten Anstrich bekommen hatten. Aber ja, das beschrieb es ziemlich gut: Wir würzen unseren Knoblauch mit Speisen.
Driver kehrte zum Tresen zurück, trank seinen kalten Kaffee. Bestellte noch eine Tasse, eine heiße, die auch nicht viel besser war.
Ein Stück den Block hinunter nahm er bei Benito’s einen Burrito mit Machaca-Füllung auf einem Berg in Scheiben geschnittener Tomaten und Jalapeños. Das schmeckte zumindest nach etwas. Aus der Musicbox tönte die typisch mexikanische Musik, Gitarre und Bajo Sexto erzählen davon, wie’s schon immer gewesen ist, das Akkordeon öffnet und schließt sich wie die Kammern eines Herzens.
Bis Driver mit ungefähr zwölf einen Wachstumsschub bekam, war er klein für sein Alter, etwas, das sein Vater schamlos auszunutzen wusste. Der Junge passte locker durch schmale Öffnungen, Badezimmerfenster, kleine Hunde- und Katzenklappen und so weiter, was ihn zu einer großen Hilfe in der Branche seines Vaters machte: der Einbruchsbranche. Als dann der Wachstumsschub kam, ging es schlagartig. Praktisch über Nacht machte er einen Sprung von einszwanzig auf fast einsneunzig. Seitdem fühlte er sich irgendwie fremd in seinem eigenen Körper. Die Arme baumelten an seinen Seiten, und er hatte einen trottenden Gang. Wenn er zu rennen versuchte, geriet er oft ins Stolpern und knallte der Länge nach hin. Was er jedoch ausgezeichnet konnte, war Auto fahren. Und er fuhr wie der Teufel.
Nachdem er ausgewachsen war, konnte sein Vater ihn kaum noch gebrauchen. Für seine Mutter hatte sein Vater schon erheblich länger keine Verwendung mehr. Daher überraschte es Driver auch nicht, als sie eines Abends beim Essen mit Fleisch- und Brotmesser auf ihn losging, eines in jeder Faust, wie eine Ninjakämpferin in rot-weiß karierter Schürze. Bevor sein Vater seine Kaffeetasse abstellen konnte, hatte sie ihm ein Ohr abgeschnitten und einen breiten roten Mund quer über seine Kehle gezogen. Driver schaute zu, aß dann weiter sein Sandwich: Frühstücksfleisch und Pfefferminzmarmelade auf Toast. Das beschrieb ziemlich umfassend die Kochkünste seiner Mutter.
Er hatte immer über den Gewaltausbruch dieser sonst so sanftmütigen, stillen Frau gestaunt – als wäre ihr ganzes Leben auf diese eine, unerwartete drastische Tat ausgerichtet gewesen. Danach war sie nicht mehr zu gebrauchen. Driver gab sein Bestes. Aber am Ende kam der Staat und schälte sie samt Schonbezug aus einem dreckverkrusteten, dick gepolsterten Sessel. Driver verfrachteten sie zu Pflegeeltern nach Tucson. Bis zu dem Tag, an dem er sie verließ, zeigten sich Mr. und Mrs. Smith überrascht, wann immer er durch die Haustür kam oder aus dem winzigen Mansardenzimmer, in dem er wie ein Zaunkönig lebte.
Ein paar Tage vor seinem sechzehnten Geburtstag kam Driver herunter, mit seiner gesamten Habe in einem Matchbeutel und dem Ersatzschlüssel des Ford Galaxie, den er aus einer Küchenschublade gefischt hatte. Mr. Smith war arbeiten, Mrs. Smith unterrichtete in der Bibelschule, wo Driver bis vor zwei Jahren, als er beschloss, nicht mehr hinzugehen, ständig Preise gewonnen hatte, weil er sich die meisten Textstellen aus der Bibel einprägen konnte. Es war Hochsommer, oben in seinem Zimmer war es unerträglich heiß und unten kaum weniger. Schweißtropfen fielen auf den Zettel, während er schrieb.
Das mit dem Auto tut mir leid, aber ich brauche einen fahrbaren Untersatz. Sonst hab ich nichts mitgenommen. Danke, dass ihr mich aufgenommen habt, danke für alles, was ihr getan habt. Ehrlich.
Er warf das Bündel auf den Rücksitz, setzte aus der Garage zurück, hielt vor dem Stoppschild am Ende der Straße und bog dann scharf links Richtung Kalifornien ab.
Sie trafen sich in einer schäbigen Bar zwischen Sunset und Hollywood Boulevard östlich der Highland Avenue. Katholische Mädchen in Schuluniformen warteten gegenüber von auf Spitze, Leder und Dessous spezialisierten Läden und Schuhgeschäften voller Pumps mit Mega-Stiletto-Absätzen auf ihren Bus. Driver erkannte den Kerl in dem Augenblick, als er durch die Tür kam. Gebügelte Kakihose, dunkles T-Shirt, Sakko. Die obligatorische goldene Armbanduhr. Massig Ringe an Fingern und Ohren. Smooth Jazz plätscherte vom Band, ein Piano-Trio, vielleicht ein Quartett, etwas rhythmisch Glitschiges, das sich nie richtig fassen ließ.
Der Neuankömmling nahm einen Johnny Walker Black, pur. Driver blieb bei dem, was er hatte. Sie gingen zu einem Tisch im hinteren Teil des Lokals.
»Hab deinen Namen von Revell Hicks.«
Driver nickte. »Guter Mann.«
»Wird immer schwerer, an all den Amateuren vorbeizukommen, wenn du verstehst, was ich meine. Jeder hält sich für supercool, jeder meint, er macht die beste Spaghettisoße, jeder hält sich für einen guten Fahrer.«
»Du hast mit Revell gearbeitet, also gehe ich davon aus, dass du ein Profi bist.«
»Kompliment zurück.« Der Kerl kippte seinen Scotch herunter. »Tatsache ist, dass du nach allem, was ich höre, der Beste bist.«
»Bin ich.«
»Dann hab ich noch gehört, dass es problematisch sein kann, mit dir zu arbeiten.«
»Solange wir uns verstehen, nicht, nein.«
»Was gibt’s da zu verstehen? Es ist mein Job. Also hab ich auch das Sagen. Ich leite das Team, nur ich sage, wo’s langgeht. Entweder reihst du dich im Team ein oder du lässt es bleiben.«
»Dann lass ich’s bleiben.«
»Okay. Deine Entscheidung …«
»Und wieder geht eine großartige Gelegenheit den Bach runter.«
»Komm, ich geb dir wenigstens noch einen aus.«
Der Mann ging zur Theke eine neue Runde holen.
»Interessieren tut’s mich aber doch«, sagte er und stellte ein frisches Bier und einen Scotch auf den Tisch. »Macht’s dir was aus, mich aufzuklären?«
»Ich fahre. Das ist alles, was ich mache. Ich bin nicht dabei, wenn du das Ding planst, und auch nicht, wenn du’s den anderen verklickerst. Du sagst mir, wo es losgeht, wohin wir fahren und wo es anschließend hingeht. Du bestimmst die Uhrzeit. Ich beteilige mich an nichts, ich kenne niemanden, ich bin unbewaffnet. Ich fahre.«
»Mit der Einstellung dürftest du gewaltig Probleme kriegen, was Angebote betrifft.«
»Das ist keine Einstellung, es ist ein Prinzip. Ich lehne erheblich mehr Arbeit ab als ich annehme.«
»Dieser Job ist aber erste Sahne.«
»Das ist jeder.«
»Aber dieser ist anders.«
Driver zuckte mit den Achseln.
Eine dieser reichen Gemeinden nördlich von Phoenix, sagte der Kerl, sieben Autostunden von hier, so viele teure Villen wie Karnickelhügel. Die verdrängen noch die Kakteen aus der Wüste. Er schrieb etwas auf einen Zettel, schob ihn dann mit zwei Fingern über den Tisch. Driver erinnerte sich, so was schon mal bei Autoverkäufern gesehen zu haben. Manche Menschen waren so verdammt blöd. Wie könnte jemand, der auch nur einen Funken Stolz und Selbstachtung besaß, sich auf so etwas einlassen? Welcher Idiot würde sich das bieten lassen?
»Das ist ein Scherz, ja?« sagte Driver.
»Wenn du nicht aktiv beteiligt sein willst, keinen Anteil haben willst, dann eben so. Honorar für eine Dienstleistung. Wir machen’s ganz umkompliziert.«
Driver leerte seinen Kurzen und schob das Bier über den Tisch. Tanz mit dem, der dich bezahlt hat. »Tut mir leid, deine Zeit verschwendet zu haben.«
»Und wenn ich eine Null dranhänge?«
»Wie wär’s mit dreien?«
»So gut ist keiner.«
»Du hast es selbst gesagt, da draußen gibt’s jede Menge Fahrer. Such dir einen aus.«
»Ich glaube, das hab ich gerade.« Er forderte Driver mit einem Kopfnicken auf, sich wieder zu setzen, schob das Bier wieder auf seine Seite. »Ich mach hier nur ein kleines Tänzchen mit dir, check dich aus.« Er befingerte den kleinen Ring in seinem rechten Ohr. Später glaubte Driver, dieser Tick hätte ihm schon alles sagen müssen. »Wir sind zu viert, geteilt wird durch fünf. Zwei Anteile für mich, einer für jeden von euch. Kommst du damit klar?«
»Kann ich mit leben.«
»Dann sind wir uns einig.«
»Sind wir.«
»Gut. Noch einen Kurzen?«
»Warum nicht?«
Genau in dem Augenblick hob das Altsaxofon zu einem langen Solo an, so langsam und geschmeidig wie eine nächtliche Autofahrt.