8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €
Nie mehr die Qual der Wahl Es gibt Menschen, die sich nicht auf ein einziges Lebensthema beschränken wollen, weil sie sich so vieles vorstellen können. Erfolgsautorin Barbara Sher nennt sie »Scanner« und versteht darunter aufgeweckte, neugierige Zeitgenossen, die gerade unter der Fülle ihrer Interessen leiden. Denn Beschränkung heißt für sie Beschneidung in ihren Möglichkeiten. Barbara Sher befasst sich ausführlich mit Wesen, Freud und Leid von Scannern und verrät viele Tricks, wie sie aus ihrer Not eine Tugend machen und ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 311
Barbara Sher
Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast
Aus dem Englischen von Bettina Lemke
Deutscher Taschenbuch Verlag
Für meinen Enkel Leo
Entdecker, Liebender, Lernender, Lehrer, Spaßmacher
»Ich wünschte, jemand würde mich einfach schütteln und mir ganz genau sagen, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich bin es leid, mich für etwas zu begeistern und dann von einem wohlmeinenden Freund an all die Dinge erinnert zu werden, die ich ausprobiert habe und aus denen nichts geworden ist. Werde ich meine Fähigkeiten jemals nutzen? Werde ich auf dieser Welt jemals meine Spuren hinterlassen?«
Charlotte, eine Scannerin
»Durch die ganze Welt geht ein langer Schrei aus dem Herzen des Künstlers:
Gebt mir nur die Chance, mein Allerbestes zu tun!«
Isak Dinesen alias Karen Blixen
»Ich mache wahnsinnig gerne viele verschiedene Dinge, aber ich kann mich auf keins konzentrieren oder länger dranbleiben!«
»Ich verliere die Lust an Dingen, auch wenn ich anfangs dachte, sie würden mich bis an mein Lebensende interessieren.«
»Etwas Neues zu lernen, macht mir Spaß – aber sobald ich weiß, wie es geht, langweilt es mich.«
»Ich finde es schrecklich, etwas zweimal zu machen.«
»Ich weiß, dass ich mich für eine Sache entscheiden sollte – aber für welche nur?«
»Ich ändere ständig meine Meinung darüber, was ich eigentlich machen möchte.«
»Ich mache schlecht bezahlte Jobs, weil ich mich auf nichts festlegen will.«
»Sein ganzes Leben lang auf nur einen Beruf festgenagelt zu sein, finde ich öde – was ist mit all den anderen Jobs, die mir auch noch gefallen könnten?«
»Nur wenn ich viele Dinge gleichzeitig tue, bin ich voll konzentriert.«
»Ich beschäftige mich nie lange mit etwas, weil ich Angst habe, etwas Besseres zu verpassen.«
»Ich werde nie ein Experte für irgendetwas sein – und ich bin mir auch nicht sicher, dass ich es gerne wäre. Aber wie kann ich Erfolg haben, ohne mich zu spezialisieren?«
Wenn Sie einen dieser Sätze schon einmal zu sich selbst gesagt haben, sind Sie wahrscheinlich ein Scanner – also jemand, der auf ganz besondere Weise denkt. Im Gegensatz zu Menschen, die mit einem einzigen Interessengebiet zufrieden sind, sind Sie genetisch so strukturiert, dass Sie sich für viele Dinge interessieren, und genau das versuchen Sie zu leben. Da Ihr Verhalten auf die Menschen in Ihrer Umgebung ungewöhnlich – und sogar beunruhigend – wirkt, erklärt man Ihnen immer wieder, dass Sie etwas verkehrt machen und sich ändern müssen. Doch das ist grundfalsch, eine Fehldiagnose. Sie sind nicht dafür geschaffen, sich auf ein Interesse festzulegen, und das müssen Sie auch nicht! Sie sind nämlich ein völlig anderes Geschöpf.
Was Sie als Unvermögen betrachten und mit reiner Willenskraft überwinden wollen, ist in Wirklichkeit eine außergewöhnliche Begabung. Sie sind ein Multitalent, ausgestattet mit einem bemerkenswerten Geist, das in einer Welt zurechtzukommen versucht, die weder Ihre Persönlichkeit noch Ihr Verhalten versteht.
Doch solange Sie nicht wissen, wer Sie sind, werden Sie den anderen zustimmen. Das wäre nicht nur ungerechtfertigt und falsch, es könnte Sie auch davon abhalten, Ihre Begabung zu fördern und Ihren persönlichen Beitrag in dieser Welt zu leisten. Es steht also sehr viel für Sie auf dem Spiel.
Sobald Sie sich als Scanner verstehen, verändert sich Ihr Blick auf sich selbst. Sie werden erkennen, dass Sie sofort damit aufhören sollten, der Norm entsprechen zu wollen, und stattdessen herausfinden, wer Sie wirklich sind. Für Ihren Start in die produktive Zukunft, für die Sie geschaffen wurden, benötigen Sie eine Art Gebrauchsanweisung. Die habe ich in diesem Buch für Sie aufgeschrieben.
Ich heiße Sie willkommen zu einem neuen Blick auf sich selbst … und beglückwünsche Sie! Eins steht fest: Sie sind weder ein Dilettant noch ein oberflächlicher Mensch. Sie sind einer Fehleinschätzung aufgesessen und daher vollkommen unschuldig. Ab sofort sind Sie frei von jeglicher Verurteilung und frei, das Leben zu führen, das Sie sich schon immer gewünscht haben.
Atmen Sie jetzt tief durch – und dann fangen wir noch einmal von vorne an.
Kapitel 1
Elaine hat ein paar Stunden für sich, was nicht oft vorkommt, und sie hat sich entschlossen, etwas zu tun, das ihr wirklich Spaß macht. Was das genau ist, steht noch nicht fest, aber es wird nicht schwer sein, etwas zu finden, weil sie so viele Dinge gerne tut.
Sie steht vor einem großen Tisch in ihrer Werkstatt und betrachtet zwei angefangene Projekte, die sie bisher nie zu Ende gebracht hat. Links neben ihr stehen zwei Körbe mit buntem Garn, daneben liegen eine Tube Klebstoff und eine Mappe mit Tonpapier. Allein beim Anblick dieser Dinge bekommt sie feuchte Hände. Sie bastelt für ihr Leben gern und hat einer Freundin schon vor Monaten ein Album versprochen. Sie vermeidet es, ihren Blick zu den Regalen hinter dem Tisch schweifen zu lassen, wo ein Klumpen Ton in einer Plastiktüte verstaut ist, daneben einige Holzwerkzeuge. Wenn sie mehr Zeit hat, fertigt sie das Tongefäß an, das sie bereits im Kopf hat. Diese großartige Idee kam ihr, als sie vor einer Weile ein paar Bildbände über Antiquitäten durchsah. Aber am liebsten würde sie gleich damit anfangen.
Sie zwingt sich, wieder auf den Tisch zu schauen. Direkt vor ihr liegen – noch in der Einkaufstüte – vier Bücher über die Geschichte Polens, die sie schon vor Monaten gekauft hat. Außerdem enthält die Tüte ein Päckchen Tonkassetten und ein Gerät, mit dem sie Telefongespräche aufzeichnen kann. Sie möchte gerne Interviews mit den älteren Mitgliedern ihrer Familie führen, die alle aus Polen eingewandert sind. Doch seit sie die Bücher in der Buchhandlung entdeckt hat, hatte sie noch keine Minute Zeit hineinzusehen. Sie liegen auf dem Tisch wie ein verlockendes Dessert, das sie sich aufhebt, um es zu genießen, sobald die Hausarbeit erledigt ist. Aber einige Verwandte werden alt – sie sollte sie wirklich bald anrufen. Elaine überlegt, ob sie sofort zum Hörer greifen sollte, um ein paar Telefontermine mit ihren Familienangehörigen zu vereinbaren und auszuprobieren, wie das Aufnahmegerät funktioniert. Sie vermisst ihre Tante Jessie.
Doch rechts von ihr steht, an den Tisch gelehnt, eine hohe, schlanke Schachtel, in der sich originalverpackt das E-Piano befindet, das sie sich vor drei Monaten zum Geburtstag gekauft hat. Sie könnte es in zwanzig Minuten aufbauen, wenn es nur ein freies Fleckchen im Haus dafür gäbe. Elaine weiß, dass das Klavier einen festen Platz braucht, denn wenn sie es jedes Mal wieder wegpacken muss, wird sie nie darauf spielen. Aber wer hat schon die Zeit, eine einzige Stelle freizuräumen, wenn eigentlich das ganze Haus ausgemistet werden müsste?
Wenn sie fünf Personen auf einmal wäre und nicht nur eine, dann könnte sie das alles machen. Sofort. Noch heute. Sehnsüchtig blickt sie auf die schwarzen und weißen Tasten, die auf der Pianoverpackung abgebildet sind, und kann fast die Töne hören. Ihre Stimme scheint sich mit Musik zu füllen, und ihre Finger erinnern sich daran, wie sich die Tasten anfühlen. Könnte sie die Verpackung nicht einfach hier in der Werkstatt öffnen und vor dem Abendessen noch ein bisschen spielen?
Nein! Elaine hat ihrer achtjährigen Tochter ein Kostüm für eine Party versprochen, die in ein paar Wochen stattfindet. Deshalb sollte sie als Erstes damit anfangen und alles andere auf einen anderen Tag verschieben.
Aber plötzlich kommt ihr wieder die tolle Idee in den Sinn, die sie heute auf dem Nachhauseweg im Auto hatte – eine Idee, wie sie sich etwas dazuverdienen könnte, die garantiert funktionieren würde und für die sie nur sehr wenig investieren müsste. Und sofort steigt in Elaine das vertraute Gefühl auf, dass sie sofort aktiv werden muss, weil die Idee – wie alle ihre anderen guten Ideen – sonst weg ist.
Alles, was sie sieht oder worüber sie nachdenkt, findet sie prickelnd und fesselt ihre Aufmerksamkeit. Sie will alles machen. Aber dann steckt sie völlig fest und macht am Ende nichts von alledem. Sie könnte ebensogut putzen oder einkaufen gehen. Sie seufzt und geht nach draußen an die frische Luft. Wollte sie heute nicht joggen gehen? Ihr Hund trottet hinter ihr her und fragt sich, was sie bedrückt. Genau das fragt Elaine sich auch.
Elaine hat keine Aufmerksamkeitsstörung. Das hat sie schon vor Jahren medizinisch abklären lassen. Und sie weiß auch, dass sie sich nicht von unwichtigen Dingen ablenken lässt, wenn sie einmal an einem Projekt arbeitet.
Was also hindert sie daran? Warum ist sie so unentschlossen? Warum ist sie überhaupt so vielseitig interessiert? Warum fängt sie voller Begeisterung etwas an, doch dann geht ihr der Dampf aus, und sie hinterlässt lauter unabgeschlossene Projekte? Sie nimmt ihren Freunden und ihrer Familie nicht übel, dass sie wissend lächeln, wenn sie sich wieder in etwas Neues stürzt. Das lässt sie an sich abprallen – aber es nervt sie, dass sie fast nie zu einem Ergebnis kommt.
Aber wofür soll man sich bei so vielen Interessen denn entscheiden? Was ist das Richtige? Was das Wichtigste? Und dann fällt ihr noch etwas ein: Wollte sie nicht eigentlich ihre Spanischkenntnisse auffrischen, um nächstes Jahr vielleicht Teilzeit als Spanischlehrerin zu arbeiten und dadurch ihre Finanzen aufzubessern?
Elaine schüttelt den Kopf und verspürt fast schon eine Abneigung gegen die neue Idee und auch ein leises Gefühl der Verzweiflung. Immer wieder gerät etwas Neues und Interessantes in ihr Blickfeld, und selbst wenn sie das alles ignoriert und sich fest für ein Vorhaben entscheidet, sind die neuen Gedanken so mächtig, dass sie dann doch ins Grübeln kommt.
Die meisten Menschen, die sie kennt, wissen genau, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Warum pickt sie sich nicht einfach etwas heraus und zieht es durch? Sie ist doch gescheit. Und hat man ihr nicht gesagt, dass sie alles schaffen kann? Warum legt sie nicht einfach los?
Erinnert Elaine Sie an sich selbst? Fragen Sie sich auch, warum Sie in solch einem Dilemma stecken? Wissen Sie auch nicht, was Sie antreibt und warum Sie so anders sind als die Menschen, die sich schon früh für eine Sache entschieden und einen einzigen Weg verfolgt haben? Warum können Sie nicht Ihre Träume in Angriff nehmen – und dann auch dranbleiben? Wie wollen Sie Ihren neugierigen Geist jemals in eine Richtung lenken, wenn Sie es nicht schaffen, einer Sache auch mal den Rücken zu kehren? Wie ticken Sie?
Ob Sie’s glauben oder nicht, es gibt sehr gute Antworten auf diese Fragen. Wenn Sie – wie so viele Scanner, denen ich begegnet bin – denken, dass die Lage hoffnungslos ist, habe ich ein paar nette Überraschungen für Sie. Hier die erste und wichtigste: Wenn Scanner nicht meinen würden, sich auf einen Bereich beschränken zu müssen, wären 90 Prozent ihrer Probleme gelöst!
Scanner lieben es, zu lesen und zu schreiben, zu reparieren und Dinge zu erfinden, Projekte und Geschäftsideen zu entwickeln, zu kochen, zu singen und perfekte Dinnerpartys zu geben. (Sie werden bemerken, dass ich nicht das Wort »oder« verwende, denn Scanner mögen nicht das eine oder das andere, sondern alles.) Ein Scanner lernt vielleicht voller Begeisterung Bridge oder Boccia, aber sobald er es einigermaßen beherrscht, verliert er möglicherweise die Lust daran. Eine Scannerin zeigte mir stolz ihren Anstecker mit der Aufschrift: »Habe ich schon gemacht«.
Für Scanner ist die Welt wie ein riesiger Süßigkeitenladen voller Verlockungen. Und am liebsten würden sie mit beiden Händen zugreifen und sich die Taschen vollstopfen.
Das klingt eigentlich wunderbar, nicht wahr? Das Problem ist nur, dass Scanner im Süßwarenladen verhungern. Sie denken, dass sie nur von einer Süßigkeit naschen dürfen. Dabei wollen sie von allen naschen. Wenn sie sich zu einer Entscheidung durchringen, sind sie ewig unzufrieden. Doch in der Regel treffen Scanner gar keine Entscheidung. Und es geht ihnen nicht gut dabei.
Als Kindern ging es den meisten Scannern großartig. In der Schule hatte niemand etwas gegen ihre vielseitigen Interessen einzuwenden, schließlich ist in jeder Schulstunde ein anderes Fach dran. Aber spätestens in den höheren Klassen oder kurz danach wird erwartet, dass man sich entscheidet, und hier wird es für den Scanner problematisch. Während andere sich ohne Schwierigkeiten auf ein Fach festlegen können, ist ein Scanner dazu einfach nicht in der Lage.
Doch Volkes Stimme verkündet eine niederschmetternde und scheinbar unstrittige Botschaft: Als Hans-Dampf-in-allen-Gassen wirst du es nirgendwo zur Meisterschaft bringen. Du bleibst immer ein Dilettant, ein Amateur, ein oberflächlicher Mensch – und beruflich wirst du es gewiss nicht allzu weit bringen. Und so verwandelt sich ein Scanner, während seiner ganzen Schulzeit ein lernbegieriger Schüler, schlagartig in einen Versager.
Doch ein Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf: Würde die Welt Scanner einfach weiterhin so akzeptieren, wie sie sind, dann hätten Scanner keinerlei Probleme. Sie müssten sich lediglich ein paar Managementtechniken aneignen und quer zur vorherrschenden Meinung zu sich selbst stehen. Sobald ein Scanner erkennt, wer er ist, und nicht länger versucht, ein anderer zu sein, verschwinden in aller Regel die Gefühle der Unzulänglichkeit, Scham, Frustration sowie seine Unentschlossenheit und Handlungsunfähigkeit.
Offensichtlich sind Scanner ein ungewöhnlicher Menschenschlag. Meist fällt ihnen das aber gar nicht auf, da sie nicht oft Menschen treffen, die so sind wie sie.
Woran erkennen Sie, ob Sie ein Scanner sind?
Um diese Frage zu beantworten, sollten wir zunächst klären, wer kein Scanner ist.
Klar, Spezialisten sind keine Scanner. Wenn Sie in einem Bereich völlig aufgehen und sich dort fühlen wie ein Fisch im Wasser, nenne ich Sie einen »Taucher«. Zu dieser Kategorie zählen eindeutig Profimusiker, Wissenschaftler, Mathematiker, Profischachspieler, Sportler, Geschäftsinhaber und Bankiers. Diese Menschen können sich bei einem Hobby zwar entspannen, aber ihre wahre Leidenschaft gilt eigentlich ausschließlich ihrem Arbeitsgebiet. Taucher wundern sich sogar häufig darüber, dass es anderen Menschen nicht so geht wie ihnen.
Im Gegensatz dazu sind Scanner immer begierig zu erfahren, was es da draußen in der Welt noch so alles gibt, und stecken ihre Nase gerne in alles Mögliche. Ein Taucher verschwendet kaum einen Gedanken daran, was er alles verpassen könnte – ein Scanner dagegen verbringt viel Zeit damit, den Horizont abzustecken und über seinen nächsten Schritt nachzudenken.
Menschen, die ständig von einer Idee zur nächsten springen, tun dies aus sehr verschiedenen Gründen. Für manche ist das einfach ein Weg, zu einer Entscheidung zu finden. Und wenn sie dann die richtige Wahl getroffen haben, fällt es ihnen leicht, alles aufzugeben, mit dem sie zuvor geliebäugelt haben.
Andere haben – wie ich bemerkt habe – überraschende Gründe für ihre geistige Bewegungsfreude. Hier zwei Aussagen dazu.
»Ich habe Jahre damit verbracht, mich selbst und alle in meiner Umgebung zu frustrieren, indem ich ständig von einer Sache zur nächsten gesprungen bin. Allmählich habe ich erkannt, dass ich tief in meinem Inneren eigentlich wusste, was ich von Anfang an wollte. Aber ich hatte einfach zu viel Angst, mich darauf festzulegen. Meine unablässige Suche nach Alternativen war nichts anderes als eine ausgeklügelte Vermeidungstaktik.«
»Ich habe immer vermieden, das zu tun, was ich wirklich tun wollte, weil ich Angst davor hatte, mittelmäßig zu sein oder vollkommen zu versagen. Daher ließ ich mir, bevor meine Leistungen beurteilt werden konnten, ständig etwas Neues einfallen.«
Depressive Menschen halten sich fälschlicherweise häufig für Scanner. Depressionen können ein fahriges Bewusstsein hervorrufen, sodass die Betroffenen sich nicht lange auf etwas konzentrieren können. Und so mancher Depressive glaubt, seine Unfähigkeit, sich einer Sache intensiv zu widmen, sei der Grund für seine Depression. Aber das Gegenteil ist meistens der Fall: Er kann sich keiner Sache intensiv widmen, weil er depressiv ist. Eines der Hauptsymptome einer Depression ist das beständige Gefühl der Unlust.
Und dann ist da noch das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS). Bevor sie wissen, wer sie sind, denken viele Scanner, eine Aufmerksamkeitsstörung sei ihr Problem – einfach weil jeder davon ausgeht, dass es eine Form von Ablenkbarkeit ist, sich für ganz viele Dinge zu interessieren. Viele Scanner haben tatsächlich auch ADS – und sind trotzdem echte Scanner. Ich bin auch Menschen mit ADS begegnet, die keine Scanner waren. Sobald einem klar wird, dass ein Scanner kein Problem mit seiner Konzentrationsfähigkeit hat, besteht meist keine Verwechslungsgefahr mehr.
Ich bin eine Scannerin, und bei mir wurde ADS diagnostiziert. Und ich kann Ihnen sagen, dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen dem Gefühl festzuhängen, weil ich eine ADS-Attacke habe – dann ist mein Geist vernebelt, und es fällt mir schwer, dem zu folgen, was ich tue –, und dem Gefühl festzuhängen, weil ich das typische Scannerproblem habe und meine Aufmerksamkeit von so vielen Dingen angezogen wird, dass ich mich für keines entscheiden kann.
Selbstverständlich gibt es viele Menschen, die auf ihrem Arbeitsgebiet zu Hause sind und darüber hinaus das eine oder andere zusätzliche Interesse pflegen, wie beispielsweise der Rechtsanwalt, der gerne kocht und Reisen macht, oder der Werbefachmann, der Antiquitäten sammelt. Aber es gibt einen merklichen Unterschied zwischen einem Berufsaufsteiger mit einer überschaubaren Anzahl von Interessen und Hobbys und einem Scanner.
Eine unbändige Neugier auf eine Vielzahl von Themen, die in keinerlei Zusammenhang miteinander stehen, ist eins der grundlegenden Merkmale eines Scanners. Scanner sind unendlich wissbegierig. Häufig beschreiben sie sich selbst als »hoffnungslos neugierig« auf alles und jedes (auch wenn das so nicht ganz stimmt, wie wir später noch sehen werden). Dennoch wollen sich Scanner auf keins der Gebiete, in das sie sich verliebt haben, spezialisieren, weil das bedeuten würde, alle anderen aufgeben zu müssen. Manche glauben sogar, dass ein Experte zu sein einschränkt und langweilt.
Die meisten Zeitgenossen runzeln angesichts einer so offenkundigen Maßlosigkeit die Stirn. Natürlich handelt es sich in Wahrheit keineswegs um Maßlosigkeit. Scanner sind nun einmal so gestrickt, und sie können und sollten auch nichts dagegen tun. Ein Scanner ist neugierig, weil er genetisch darauf programmiert ist, alles zu erkunden, worauf sein Interesse gerade fällt. Wenn Sie ein Scanner sind, dann ist das Ihre Natur. Wenn Sie dies allerdings ignorieren, sind Sie permanent schlecht gelaunt und unzufrieden.
Die Freiheit zu haben, all seinen Interessen nachzugehen, ist wunderbar, aber wie um alles in der Welt lässt sich das bewerkstelligen? Die Erkenntnis, ein Scanner zu sein, bringt Sie nicht automatisch und mit Spitzengeschwindigkeit bei all ihren Lieblingsbeschäftigungen vorwärts. Sie müssen wissen, wie Sie Ihre vielen unterschiedlichen Begabungen in Ihr Leben integrieren.
Im Gegensatz zu früher, als es üblicher war, sich für viele unterschiedliche Dinge zu interessieren, herrscht mittlerweile ein Mangel an Vorbildern. Es gibt heute niemanden mehr, der einem Scanner zeigt, wie er seine vielfältigen Interessen unter einen Hut bringt. Einem Scanner mag es ergehen wie dem Erben einer fabelhaften, glänzenden Maschine voller Knöpfe, Hebel und Schalter – aber ohne Bedienungshandbuch!
Wie wollen Sie reisen und Fotografin werden, wenn Sie überdies Chinesisch lernen, Geschichte studieren, einen traumhaft schönen Garten haben, Romane schreiben und einmal an einem Autorennen teilnehmen wollen? Das ist keineswegs unmöglich, aber wenn Sie es noch nie gemacht haben, erscheint es Ihnen zweifellos unmöglich.
Und wie sieht es eigentlich mit Berufen für Scanner aus? Kaum jemand – am wenigsten der Scanner selbst – glaubt, dass es einen Beruf gibt, bei dem man sich nicht für ein Ziel entscheiden und alle anderen aufgeben muss. Doch das ist ein Tunnelblick, denn Jobs für Scanner lassen sich mittlerweile überall finden. Innovative Wege zur Sicherung des Lebensunterhalts, die der Persönlichkeit von Scannern entgegenkommen, gibt es zuhauf. Die Arbeitswelt verändert sich, und nie waren die Zeiten besser, um Multitalenten wie Scannern Eingang in die Welt der Berufstätigen zu verschaffen.
Immerhin gibt es jetzt ein Handbuch für Scanner. Sie halten es in Ihren Händen. Darin steht, wie Sie es schaffen, alles zu tun, wozu Sie Lust haben, und gleichzeitig ein Dach über dem Kopf zu behalten. Dazu müssen Sie erst einmal den Knoten im Kopf lösen und erkennen, dass Sie ein Scanner sind. Anschließend werden Sie verstehen lernen, warum Sie sich zu so vielen verschiedenen Dingen hingezogen fühlen und warum diese Anziehung dann auch wieder schwindet. (Hinweis: Es liegt nicht daran, dass Sie sich nicht auf etwas konzentrieren können, sondern daran, dass Sie es können!) Sie werden zudem Ihre persönlichen Scanner-Merkmale kennenlernen. Darüber hinaus werden wir den Mythos entschleiern, der in Ihnen die Angst vor dem Sich-festlegen-Müssen erzeugt hat, sodass es Ihnen am Ende sogar richtig Spaß machen wird, sich auf etwas einzulassen. Falls Sie viel zu beschäftigt oder aber auf Ihrem Gleis eingefroren sind, falls Sie nie zu einem Anfang kommen oder nie zu einem Ende, dann ist jetzt Hilfe unterwegs.
Bevor Sie loslegen, möchte ich, dass Sie das wichtigste Instrument in Ihrer Ausrüstung bedienen lernen, ein Werkzeug, das Sie in allen folgenden Kapiteln zum Einsatz bringen.
Ich nenne es das SCANNER-PROJEKTBUCH.
Sich auf ein neues, faszinierendes Thema einzulassen, sobald es in ihr Blickfeld gerät, vermeiden Scanner nicht selten. Sie sagen sich dann: »Wie kann ich denn guten Gewissens schon wieder in eine andere Richtung abwandern?« Doch das ist wirklich sehr bedauerlich, denn sie brechen weder ein Gesetz noch schaden sie jemandem mit ihrer Neugier oder ihrem Enthusiasmus. Jedes Mal, wenn sie eine prickelnde neue Betätigung verwerfen, verstärken sie den Glauben, tatsächlich etwas falsch zu machen.
Wenn Sie ein Scanner sind, besteht natürlich das Risiko, dass Sie abgelenkt werden und Zeit vergeuden, die Sie eigentlich für Ihr ursprüngliches Projekt bräuchten. Aber mit dem Projektbuch können Sie dieses Problem in den Griff bekommen – Sie werden es sehen.
Hierbei handelt es sich schlicht und einfach um ein Buch mit leeren Seiten, in dem Sie festhalten, was Sie jeden Tag so machen – als Scanner selbstverständlich. Keine To-do-Listen oder Tagebucheinträge, sondern alles, was mit Ihrem Scanner-Dasein zu tun hat. Hier ist Platz für Ihre besten Ideen sowie für alles, was Sie davon abbringt. Darüber hinaus werde ich Sie manchmal bitten, eine Übung zu machen, bei der Sie etwas schreiben müssen. Außerdem haben Sie vielleicht den Wunsch, besonders hilfreiche Entdeckungen zu notieren, die Sie in diesem Buch (oder anderswo) machen.
Das Projektbuch ist Ihre persönliche Version der Notizbücher Leonardo da Vincis. Wenn Sie diese noch nie gesehen haben, sollten Sie sich einen Bildband mit Reproduktionen in Ihrer Bibliothek besorgen oder einen Blick ins Internet werfen. Sie sind wahrlich eine Inspiration.
Außerdem sind sie ein hervorragendes Beispiel für ein Scanner-Projektbuch. Die Einträge sind so herrlich ungeordnet, so voller Impulsivität und Ungehemmtheit. (Leonardo schrieb sogar seine Kommentare seitenverkehrt! Womöglich tat er das, um seine Ideen vor neugierigen Blicken zu schützen, oder vielleicht, weil er spiegelverkehrt sehen konnte oder gerne sein Gehirn trainierte. Einem Scanner ist das durchaus zuzutrauen.) Lassen Sie sich aber nie von seiner Berühmtheit – oder der eines anderen Menschen – einschüchtern. Für Sie ist er nur jemand, der gerne mit einem Stift in der Hand gedacht hat. Genauso werden Sie es machen.
Die Seiten Ihres Projektbuches sind dafür bestimmt, Ideen einzufangen, die sonst verloren gehen könnten, oder kleine Gedankenausflüge und Was-wäre-wenn-Überlegungen aufzulisten, die einen kreativen Kopf ständig in Bewegung halten. Mit der Zeit werden Sie diese Gedanken immer freudiger begrüßen, da nichts anderes von Ihnen erwartet wird, als sie aufzuschreiben. »Fortsetzung folgt« nicht notwendig, es sei denn, Sie haben Lust dazu.
Wenn Sie das als ein klein wenig anstößig empfinden, so sind Sie damit nicht alleine. Eine Scannerin schrieb zum Beispiel:
»Für mich ist das Projektbuch das Buch des ›skandalösen Vergnügens‹. Letzte Woche habe ich darin über einen besonderen Urlaubsort geschrieben, wie er mir vorschwebt, über ein Kochbuch, das ich Lust hätte zu schreiben (sogar darüber, ein Video von mir selbst zu drehen und meine eigene Kochshow zu produzieren). Außerdem habe ich mir ein paar Berufe notiert, die mich interessieren könnten. Ich weiß gar nicht, warum ich das nicht schon immer gemacht habe. Es macht Spaß und hilft mir beim Denken!«
Wählen Sie Ihr Projektbuch sorgfältig aus, denn es handelt sich schließlich nicht um ein gewöhnliches Notizbuch. Für unterwegs können Sie ein Ringbuch verwenden, aber für zu Hause muss es schon ein besonderes Buch sein. Dorthinein übertragen Sie alle Ihre Notizen. Besorgen Sie sich etwas Edles, ein Buch, das Ihnen eine gewisse Ehrfurcht einflößt, wenn Sie es in die Hand nehmen. (Aber keine Angst, wir werden Sie rasch dazu bringen, etwas hineinzuschreiben.)
Verwenden Sie vorzugsweise ein Buch mit unlinierten Seiten und viel Platz zum Schreiben. Je größer die Seiten und je dicker das Buch, desto besser. Die größte Auswahl gibt es in Geschäften für Künstlerbedarf. Streichen Sie mit der Hand über das Papier, um zu prüfen, ob Sie gerne darauf schreiben, und besorgen Sie sich schöne Stifte. Und wenn Sie das Ganze richtig kultivieren wollen, dann können Sie Ihr Projektbuch auf ein eigenes Schreibpult stellen. Falls Sie am Computer arbeiten oder das dicke Buch gerade nicht zur Hand haben, können Sie Ihre Notizen auch nachträglich hineinkleben. Das ist eine höchst kreative Angelegenheit, und es macht Spaß, um die eingeklebten Zettel und Bilder herum zu schreiben. So erwacht Ihr Projektbuch förmlich zum Leben.
Das Projektbuch zu führen ist wichtiger, als Sie vielleicht meinen. Wenn die Tage vergehen und sich Eintrag an Eintrag reiht, werden Sie Seiten bei sich, die Sie bisher vielleicht vernachlässigt und unterschätzt haben, mit mehr Achtsamkeit behandeln. Allein die Tatsache, dass Sie es für wert erachten, Ihre Gedanken festzuhalten, verändert Ihre gesamte Sicht auf sich selbst. Und an die Stelle der für Scanner typischen Selbstvorwürfe, sprunghaft und dilettantisch zu sein, tritt ein wachsender Respekt für die Art, wie Ihr Kopf funktioniert.
Und es wird Ihnen guttun. Seiner Kreativität ein lustvolles Betätigungsfeld zu verschaffen ist so, als versorge man eine Pflanze mit Sonnenschein und Wasser.
Wenn Sie sich früher unter der Knute gefühlt haben, sobald Sie etwas anfingen, werden Sie jetzt zu Ihrem Vergnügen entdecken, dass ein paar Notizen oder eine Skizze zu irgendeiner alten Idee zu geringfügig sind, um den Leistungsdruck zu erzeugen, den Sie sonst immer verspürt haben. Gleichzeitig wird das Niederschreiben witziger Einfälle in ein gewichtiges Buch Ihnen Wertschätzung für sie vermitteln. Jedes Mal, wenn Sie Ihre Ideen zu Papier bringen, zusammen mit Zeichnungen, Entwürfen und Fantasien, werden die früheren Selbstzweifel blasser, und es wird immer selbstverständlicher für Sie sein, dass es o. k. – mehr als o. k. – ist, von etwas Neuem fasziniert zu sein.
Ihr Projektbuch ist auch ein Buch zum Selbststudium: Was für ein Scanner kommt wohl dabei heraus, wenn Sie ohne Einschränkungen loslegen dürfen, wenn Sie entwerfen und sich vorstellen und lernen dürfen, was immer Sie wollen? In welche Richtung drängt es Ihren Geist? Ihr Projektbuch bietet Ihnen einen Freifahrschein, um überall da kreativ zu werden, wohin es Sie zieht. Je mehr und je länger Sie Ihrer Fantasie auf den Seiten Ihres Projektbuches freien Lauf lassen, desto klarer ist die Antwort.
In der Vergangenheit haben Sie sich vielleicht für unfähig gehalten, an einer Sache dranzubleiben oder etwas zu Ende zu bringen. Aber das ist hier nicht relevant. Die eigenen Ideen auf Papier zu bannen hat nichts mit Anfangen und Beendenmüssen zu tun. Es ist vielmehr, als würde man sich einen guten Film anschauen – sogar noch besser, denn Sie sehen den Film nicht nur, sondern lassen ihn selbst entstehen. Sie haben die Freiheit, so kreativ zu sein, wie Sie nur möchten. Nehmen wir an, Sie sind ganz hingerissen von der Idee, Ihre Nachbarn zu interviewen und ihre Lebensgeschichten zu dokumentieren. Dann schlagen Sie also Ihr Projektbuch auf, skizzieren Ihren Einfall und lassen ihn ungehindert sprießen.
Ihr Projektbuch ermöglicht Ihnen, Ideen zu planen, ohne sie in die Tat umsetzen zu müssen. Wenn Sie sich etwa dazu entschließen, aus den Geschichten Ihrer Nachbarn einen Film zu machen, werden Sie feststellen, dass Sie diese Idee im besten Moment erwischt haben, nämlich auf dem Höhepunkt Ihrer Euphorie und Kreativität. Und selbst wenn Sie sie nie realisieren, hatten Sie trotzdem Ihren Spaß und kein Risiko.
Ganz allmählich wird der Vorgang, Ideen in Ihrem Projektbuch zu fixieren, Ihre Einstellung dazu verändern, dass Sie nicht jeden einzelnen Ihrer guten Einfälle in die Tat umsetzen. Sie werden erkennen, dass Sie keine Verpflichtung eingehen, wenn Sie planen, entwickeln und aufschreiben – denn so vergnügen sich erfinderische Menschen.
Heute machen wir einmal einen Teststart: Picken Sie eine Ihrer jüngeren Ideen heraus, vorzugsweise eine kleine, über die Sie noch nicht viel nachgedacht haben, und beginnen Sie nun mit Ihrem ersten Eintag in Ihr Projektbuch.
Schlagen Sie das Buch auf und fangen Sie auf der linken Seite an, damit Sie viel Platz zum Schreiben haben. Tragen Sie nun das heutige Datum und die aktuelle Uhrzeit in die linke obere Ecke der ersten Seite ein. Denken Sie sich einen Titel für die Idee aus, mit der Sie gerne in Gedanken spielen wollen, und schreiben Sie ihn oben auf die Seite. Er könnte zum Beispiel »Die Lebensgeschichten meiner Nachbarn« oder »Die Autobiografie meines Katers George, zur möglichen Verwendung in einem Film« lauten. Wählen Sie ein Projekt aus, das reizvoll ist und ein gewisses Entwicklungspotenzial hat, das Sie aber möglicherweise nie über diese erste Beschreibung hinaus weiterverfolgen. Lassen Sie auf beiden Seiten einen breiten Rand für eventuelle spätere Ergänzungen.
Und nun öffnen Sie die Schleusen.
Vergraben Sie sich in Ihre Idee und fangen Sie an zu schreiben. Fertigen Sie einfache Zeichnungen oder Diagramme von allem an, was Ihnen für Ihr Thema relevant erscheint. Wenn ein Gedanke des Wegs kommt, der Sie von Ihrer ursprünglichen Idee abschweifen lässt, folgen Sie ihm, aber nicht dort, wo Sie gerade etwas notieren. Ziehen Sie stattdessen eine Linie zur oberen rechten Ecke auf der rechten Buchseite (sodass darunter Platz für weitere Gedanken bleibt, die vielleicht noch kommen), und führen Sie den Pfeil noch ein paar Zentimeter weiter in die nächste leere Seite hinein. Sehen Sie dann auf die Uhr oder stellen Sie sich einen Wecker, und geben Sie sich zwanzig Minuten Zeit, um sich Notizen zu Ihrem neuen Gedanken zu machen. So wird er gesichert und steht Ihnen bei Bedarf jederzeit zur Verfügung.
Kehren Sie nun zu Ihrer ursprünglichen Idee zurück.
Holen Sie sich Informationen aus dem Internet und drucken Sie alles aus, was Sie aufheben möchten. Schneiden Sie die interessantesten Passagen aus und kleben Sie sie an die passende Stelle ins Buch. (Schreiben Sie jeweils dazu, woher die Informationen stammen – für den Fall, dass Sie diese einmal wiederfinden möchten.) Ziehen Sie mit einem dicken Stift einen Kasten um bestimmte Abschnitte oder versehen Sie sie mit Ausrufezeichen am Rand – beispielsweise ein treffendes Zitat. Wenn Sie etwas in einem Buch entdecken, fassen Sie Ihre Gedanken dazu kurz zusammen oder schreiben Sie die wichtigen Passagen ab. Kleben Sie Fotos oder Zeitungsausschnitte in Ihr Buch. Tun Sie einfach alles, was Ihnen in Zusammenhang mit Ihrem Thema Vergnügen bereitet.
Beschreiben Sie Ihre Idee so umfassend wie möglich – für den Fall, dass Sie plötzlich vom Erdboden verschwinden und ein Fremder Ihr Projekt zu Ende bringen muss. Warum? Weil Sie, sobald die Leidenschaft nachlässt, vergessen, warum Sie anfangs so Feuer und Flamme waren. Lassen Sie Ihre Gedanken direkt in Ihre Finger fließen – Listen oder Gliederungen wirken im Nachhinein nur unverständlich und nichtssagend. Sie wollen eine Idee rückblickend doch nicht als langweilig oder unsinnig ansehen. Das haben Sie in der Vergangenheit wahrscheinlich oft genug getan.
Das Scanner-Projektbuch soll Ihnen helfen, Ihre Ideen zu respektieren. Und zwar alle.
Hier ein Beispiel für einen Eintrag.
Botanik einmal ganz anders
Wie wäre es mit einer Krimireihe über eine Botaniklehrerin im Ruhestand, die ganz Südamerika bereist? Sie könnte auf der Suche nach neuen Pflanzenarten sein, sie beschreiben und zeichnen – zum Beispiel so: (hier könnten Sie eine botanische Zeichnung aus einer Zeitschrift einkleben). Aber sie trifft immer wieder auf diesen Bösewicht. Er könnte ebenfalls Botaniker sein, einer, der bewusstseinsverändernde Pflanzen kultiviert, um eines Tages die Welt zu beherrschen.
So könnte jeder Roman in einem anderen Land spielen und die Beschreibungen der Botanikerin – die sich mittlerweile auch als Detektivin betätigt – sowie Zeichnungen von Pflanzen und Geschichten von Einheimischen über deren Verwendungsweisen enthalten. (Nach »giftigen Pflanzen für Kriminalromane« suchen. Bestimmt gibt es irgendwo ein Buch darüber.)
Warum eigentlich keine Internetseite daraus machen? O ja! Ein Weblog-Tagebuch, in das ich jede Woche eine neue Episode stelle, mit Fotos! Vielleicht finde ich einen Botaniker, der mir dabei hilft. Wir könnten jeweils verschiedene Szenarien ausarbeiten und diese mit entsprechenden botanischen Seiten im Internet verlinken. Grandios!
Jetzt können Sie noch eine Landkarte auf die gegenüberliegende Seite zeichnen, um sich einen Überblick zu verschaffen, wo die einzelnen Episoden spielen sollen. Außerdem können Sie sich ein paar lustige Titel ausdenken, zum Beispiel »Miss Bennet und das Geheimnis des Basilikums«.
Denken Sie immer daran: Es macht nichts, wenn Sie nie umsetzen, was Sie auf diesen Seiten beschreiben, denn es geht hier nicht darum, ein Projekt zu Ende zu bringen. Es geht allein um die Bilder Ihrer Fantasie und das freie Spiel mit Ideen aus Spaß an der Freude.
Sollten Sie die Möglichkeit haben, ohne Unterbrechung oder zeitliche Begrenzung an Ihrer Idee weiterzuarbeiten, wäre das sehr hilfreich. Denn dadurch finden Sie heraus, wie sich Ihr Kopf mit einem neuen Interesse auseinandersetzt. Gibt es nämlich keine äußeren Störfaktoren, kann nur etwas in Ihnen selbst Sie davon abhalten weiterzumachen. Und es ist sehr wichtig, sich einmal damit zu befassen, was das sein könnte.
Wenn Sie beschließen aufzuhören, halten Sie den Gedanken fest, der zu diesem Entschluss geführt hat, zum Beispiel: »Ich verliere langsam das Interesse daran« oder »Ich wünschte, ich könnte weitermachen, aber ich muss die Kinder abholen« oder was auch immer. Setzen Sie diesen Gedanken an das Ende Ihres Eintrags und notieren Sie auch die genaue Uhrzeit.
Und das ist alles für heute.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Eintrag in Ihr Scanner-Projektbuch! Sie wissen nun, wie Sie eine Idee festhalten, solange Sie sich dafür interessieren, und wie Sie einen Traum einfangen, egal, wie flüchtig er ist, und egal, wie viele Träume Sie sonst noch haben.
Und warum sollten Sie Ihre Träume einfangen und festhalten?
Dafür gibt es viele Gründe. Es ist schön, von seinen Träumen zu lesen. Außerdem verhindern Sie dadurch, dass Sie ein gutes Projekt vergessen, das Sie eines Tages vielleicht wieder in Angriff nehmen wollen. Ihre Aufzeichnungen geben Ihnen Aufschluss darüber, was Sie interessiert und wie lange. Aber vor allem ermöglichen sie Ihnen, jede Idee und jedes Fantasiebild wenigstens ein Stück weit zu verfolgen, anstatt sie von vornherein als unmöglich oder unrealisierbar zu verwerfen.
Scanner sollten ihre Einfälle nicht wie Müll entsorgen, egal, wie viele sie haben und wie unausgereift sie sind. Respekt gegenüber Ideen ist vergleichbar dem Respekt gegenüber ihrem Produzenten: Ihnen selbst. (Außerdem lernen Sie dadurch auch die Ideen anderer Menschen zu respektieren.)
Verabschieden wir uns von der Vorstellung, dass Ideen wertlos sind, solange sie nicht Geld einbringen oder irgendeinen anderen praktischen Nutzen haben. Schreiben Sie deshalb alle Ihre Ideen in ein wunderschönes Buch, so wie Leonardo es getan hat. Möglicherweise geben Sie Ihr Projektbuch ja eines Tages weiter, vielleicht an jemanden, der eine Idee braucht. Und denken Sie nur, welche Freude es Ihren Ururenkeln machen wird zu erfahren, was für einen faszinierenden und wunderbar beweglichen Geist Sie hatten. Wer weiß, vielleicht freut sich auch Ihr Biograf einmal sehr über ein Projektbuch in Ihrem Nachlass.
Für heute müssen Sie nichts weiter tun, aber wenn Sie viel Energie verspüren und Lust auf mehr haben, schlage ich vor, dass Sie die folgende Übung machen, die Ihnen die Augen öffnen wird. Und wenn nicht heute, dann machen Sie sie nächste Woche. Die Übung hilft Ihnen, Selbstkritik durch ehrliches Interesse an der eigenen Person zu ersetzen. Während meiner langjährigen Arbeit mit Menschen habe ich die faszinierende Erkenntnis gewonnen: Das Interesse am anderen ist die ehrlichste Form von Respekt. Es ist die authentischste Art und Weise, einem anderen Menschen gegenüber zum Ausdruck zu bringen: »Du verdienst meine Aufmerksamkeit.«
Schlagen Sie also eine leere Doppelseite in Ihrem Scanner-Projektbuch auf. Denken Sie immer daran, auf der linken Seite zu beginnen, damit Sie viel Platz zum Schreiben haben. Reservieren Sie oben ein Fleckchen für den Titel Ihres Eintrags. Als ich diese Übung entworfen habe, habe ich oben auf meine Seite geschrieben: »Das Zuhause eines Scanners ist seine Werkstatt.« Mir war nämlich aufgefallen, dass es in jedem einzelnen Raum meines Hauses (sogar im Flur) mindestens eine Fläche zum Schreiben mit Papier und Stiften in erreichbarer Nähe gibt. Warten Sie mit Ihrem Titel aber noch, bis Sie die Übung beendet haben.
Fertigen Sie nun mit Bleistift einen groben Plan Ihrer Wohnung an. Gehen Sie dann mit Projektbuch und Bleistift in der Hand aufmerksam durch jeden Raum, und halten Sie nach Projekten Ausschau – gleichgültig, ob Sie diese je zu Ende gebracht oder überhaupt damit begonnen haben. Also: Aus welchen Dingen in Ihrem Zuhause soll(t)en einmal Projekte werden? Wenn Sie eins ausfindig gemacht haben, zeichnen Sie an der entsprechenden Stelle in ihrem Plan einen kleinen Kreis und geben dem Projekt einen Namen, zum Beispiel: »kleiner Videorecorder, um alte Videofilme anzuschauen«, »Ablagefach mit interessanten Zeitungsausschnitten«, »Anschluss für die Konferenzschaltung für Telefongespräche und Anleitungen für mein Telefontraining«.
»Es ist mir peinlich, das zu machen«, schrieb mir eine Scannerin. »Ich finde es furchtbar, auch noch zu dokumentieren, wie viele Projekte ich angefangen und nicht zu Ende gebracht habe. Außerdem machen sie aus meiner Wohnung einen Saustall.«
Aber hier spricht nicht die wahre Scannerin, vielmehr hat hier jemand Angst vor seinen Kritikern. Scanner mit ihrer Begeisterung für neue Dinge und ihrem Gespür für das Potenzial, das in ihnen schlummert, wohnen fast immer in einem »Saustall«, was anderen Menschen absolut unverständlich ist. Ich habe Sie gebeten, diese Übung gleich am Anfang zu machen, damit Sie stolz werden auf Ihren neugierigen Geist und wozu er sich überall hingezogen fühlt. Ihr Zuhause ist nicht nur eine Sammelstelle für unbeendete Projekte, es ist der Arbeitsplatz eines kreativen Kopfes.
Wenn Sie sich Fotos von Ateliers berühmter Künstler wie Picasso ansehen, werden Sie verstehen, was ich meine. Eine ordentliche Hausfrau wäre angesichts dieses Chaos entsetzt. Ein anderer Künstler – selbst ein ordnungsliebender – würde begreifen, dass er kein Chaos vor sich hat, sondern eine funktionstüchtige Werkstatt.
Lassen Sie mich mit dem Beispiel eines Scanners schließen, das Sie auf die richtige Spur bringen soll.
Als ich durch mein Wohnzimmer ging, sah ich hinter dem Tisch auf dem Boden einen alten Damenschuh, und plötzlich fiel mir ein, warum ich ihn vom Flohmarkt mitgebracht hatte. In einer Zeitschrift habe ich mal eine Lampe gesehen, die aus einem ganz ähnlichen Schuh hergestellt worden war. Sie war wunderschön. Und sie war sehr teuer! Ich hatte die Idee, eine ganze Serie von Gebrauchsgegenständen aus Fundstücken anzufertigen. Ich kreiste die entsprechende Stelle auf meinem Plan ein und schrieb daneben: ›viktorianischer Schuh für eine Lampe‹. Dann fiel mein Blick auf meine Mundharmonika – klar, ich wollte Mundharmonika spielen lernen, um einen Freund zu begleiten, der manchmal Straßenmusik mit seiner Gitarre macht …
Verstehen Sie, worum es geht? O.k., dann sind Sie jetzt an der Reihe.
Wenn Ihr Plan fertig ist, können Sie ihn in Ihrem Projektbuch aufbewahren und entsprechend ergänzen, wenn Sie mit etwas Neuem beginnen. Oder Sie machen es wie diese Scannerin:
Was für ein wunderschöner Werkstattplan das geworden ist! Ich habe ihn farbig gestaltet, Fotos aus Zeitschriften aufgeklebt und ein Miniaturpiano, eigentlich ein Armbandanhänger, daran befestigt. Der Plan ist ein Kunstwerk. Ich werde ihn rahmen und an die Wand hängen. Er ist wie eine Collage meiner Seele.
Wenn Ihr Werkstattplan fertig ist, erkennen Sie bei Ihren Projekten vielleicht ein Muster. Wie auch immer: Formulieren Sie nun eine Überschrift, und schreiben Sie sie auf den freien Platz links oben auf der Seite. Legen Sie all Ihren Respekt und Ihre Bewunderung in diese Formulierung. Abwertendes ist nicht gestattet! Jetzt ist Lob angesagt, und Ihre Überschrift sollte dies zum Ausdruck bringen – auch wenn Sie sich die Haare raufen und den restlichen Tag mit der Suche nach etwas Passendem verbringen.
Nach Möglichkeit sollten Sie in den nächsten ein bis zwei Wochen jeden Tag etwas in Ihr Projektbuch schreiben. Sobald Sie erkennen, welche Wohltaten diese Schreibsitzungen bergen, werden Sie sich darauf freuen. Dann ist es auch in Ordnung, die Sache flexibler zu handhaben und ein bis zwei Tage zu überspringen.
Worüber schreiben Sie morgen? Kein Stress. Diese Übung ist keine Hausaufgabe – sie ist vielmehr wie ein Ausmalbuch, und das Kind in Ihnen hat nun die bunten Stifte dafür bekommen.
Morgen befassen Sie sich vielleicht intensiver mit Mode, indem Sie etwa Ideen verwerten, die Sie gestern aufgeschrieben haben. Sie können auch ins Internet gehen, um – sagen wir – nach »peruanischer Kleidung« zu suchen, oder entsprechende Bildbände durchsehen, die Sie inspirieren, eine Kollektion Damenmode zu entwerfen. Oder aber Sie verfolgen eine ganz andere Spur, weil ein Bericht im Fernsehen Ihr Interesse für Vulkane geweckt hat. Was auch immer es ist: Springen Sie einfach mitten hinein!
Niemand sagt, dass Sie sich entscheiden müssen oder aufhören sollen herumzuspinnen!
Bald werden auch Sie aufhören, solche Dinge zu sich selbst zu sagen, denn Ihr Scanner-Projektbuch ist eine geschützte Oase für Ihre Träume, Ideen und Interessen. Ihr wissbegieriger Geist ist nicht länger unter Beschuss und kann sich nun zu seiner wahren Größe aufrichten.