Du sollst frei sein - Cornelia Schmid - E-Book

Du sollst frei sein E-Book

Cornelia Schmid

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Beschreibung

Zur Freiheit berufen! Viele Jahre dachte Cornelia Schmid, sie kenne Gott. Doch eine persönliche Krise stürzt sie in nie dagewesene Zweifel: War das wirklich Gott, der sie in all diese Zwangsjacken gesteckt hatte? Oder waren es die Maßstäbe der Menschen um sie herum? Die Autorin nimmt Sie mit auf ihre alles verändernde persönliche Reise. Unterwegs entdeckt sie anhand von biblischen Prinzipien und ihren eigenen Erfahrungen: Gottes sehnlichster Wunsch ist, dass wir ihn in Freiheit lieben können. Ein Buch für alle, die Altes loslassen und neu bei Gott ankommen wollen.

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CORNELIA SCHMID

Du sollst frei sein

LEBENDIG GLAUBEN OHNE ZWANG

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-22996-7 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26975-8 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck,

© 2021 SCM Verlagsgruppe GmbH · Bodenborn 43 · 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.

Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel

Weiter wurden verwendet:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe, © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart

Umschlaggestaltung: Sybille Koschera, Stuttgart

Titelbild: creativ market: © P&G »Happy girl jumping outdoor«

Autorenfoto: © Janine Guldener

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Freiheit ohne Liebe ist Einsamkeit.Für Stefan, Sara und Lea. Ohne euch kann ich mir mein Leben nicht denken!

Inhalt

Über die Autorin

Vorwort von Doron Schneider

Einleitung

1. Freiheit – von Anfang an

2. Freiheit in Gefahr

3. Freiheit – ohne Gott?

4. Gott folgen in Freiheit und Gehorsam

5. Gefangenschaft

6. Befreiung aus der Gefangenschaft

7. Schritte in die Freiheit

8. Freiheit will gelernt sein

9. Freiheit – ohne Menschenfurcht

10. Freiheit, zu ruhen

11. Freiheit – mitten in Erschütterung

12. Freiheit und Vergebung

Nachwort

Danke

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über die Autorin

CORNELIA SCHMID (Jg. 1974) ist gelernte Krankenschwester und studierte Theologin und Diakonin. Als Veränderungscoach und Karriereberaterin leitet sie mit ihrem Ehemann Stefan heute das Unternehmen »Schmid Coaching« (www.schmid-coaching.de). Gemeinsam haben sie zwei erwachsene Töchter.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort von Doron Schneider

Cornelia Schmid ist mit einer einzigartigen Gabe ausgestattet: Sie nimmt die Leser mit hinein in ihre Lebenserkenntnisse und verknüpft sie mit fundierten biblischen Gedankengängen. Die Liebe zum Wort Gottes und wie es im Alltag ganz praktisch anwendbar ist, wird dadurch neu geweckt und vertieft.

Cornelias fundiertes Wissen im hebräischen und griechischen Urtext ist faszinierend. Auch für mich als Israeli, der mit der hebräischen Bibel aufgewachsen ist, waren viele Augenöffner und neue Schätze auf den Seiten dieses Buches zu finden.

Der Weg hin zu wahrer Freiheit im Glauben zieht sich wie ein roter Faden durch die Kapitel. Erstaunlich war für mich auch, wie viel Freiheit im Alten Testament gepredigt wird, obwohl wir das oft nicht so wahrnehmen und es mehr als »gesetzlichen Teil der Bibel« verstehen.

Ich glaube, früher oder später kommen viele Christen an einen Punkt, an dem sie bestimmte Dinge hinterfragen: »Wem diene ich eigentlich? Jesus? Oder der Gemeinde mit ihren Erwartungen an mich?« Viele unterdrücken diese Gedanken schnell wieder, um Gewohnheiten und vielleicht auch »sichere Frömmigkeitsgefühle« nicht verändern zu müssen. Die wenigsten aber haben den Mut und fangen an, sich von den Fesseln fremder Erwartungen zu lösen.

Auf meinen Vortrags- und Geschäftsreisen treffe ich immer wieder auf viele Menschen. Die, die sich aufgemacht haben ein Leben in echter Freiheit zu führen, unterscheiden sich irgendwie von den anderen. Man spürt ihnen diese Freiheit förmlich ab.

Was Cornelia außerdem von anderen Autoren unterscheidet, ist folgendes: Viele sind nur Berichterstatter eines Fußballspiels, standen aber selbst noch nie auf dem Rasen. Cornelia stand selbst auf dem Fußballfeld. Sie weiß, wovon sie schreibt, sie hat es erlebt und damit auch den Sprung gewagt und angefangen, echte Freiheit erfolgreich zu erleben. Ich kenne sie schon viele Jahre und habe diese Entwicklung bei ihr miterleben dürfen.

Die Lebenserfahrungen von Cornelia ähneln denen von Mose, Josef und Noah. Wer sich aufgemacht hat, in Freiheit zu leben, kann auch andere in diese Freiheit führen. Dieses Buch ist perfekt, um Freiheit für sich ganz persönlich zu finden und aus beengenden Strukturen auszubrechen.

Doron Schneider, September 2020

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Einleitung

Freiheit.

Ich liebe meine Freiheit.

Schon immer. Am Meer stehen, den Duft nach Salz und Meerwasser in der Nase spüren. Zusehen, wie sich die mächtigen Wellen am Ufer brechen. Den Horizont suchen. Vor mir nur tosende Gischt und endlose Weite.

Es gibt kaum etwas Schöneres als Freiheit.

Deshalb weigere ich mich, wenn Menschen mich in Zwangsjacken stecken wollen. Ich stelle mich taub, wenn andere mir ihre Meinung überstülpen wollen. Und wenn man mir sagt, was möglich sei und was nicht – tue ich öfter das, was scheinbar nicht geht.

Das war nicht immer so. Viele Jahre habe ich getan, was man tut: Ich habe die Kleidung getragen, die man als Christ offenbar anziehen muss, habe Traditionen gelebt, denen ich mich verpflichtet fühlte. Ich habe Lieder gesungen, Gebete gesprochen und Haltung gezeigt – weil man das eben so macht. Ich habe nicht widersprochen, wenn Menschen Regeln aufgestellt haben, deren Sinn mir eigentlich gar nicht klar gewesen ist.

Ich habe mich buchstäblich verbogen, damit Menschen mich mögen, habe den Mund gehalten, während meine Seele ein einziger Schrei war. Ich habe gelächelt, wenn ich tief drinnen nur noch weinte.

Bis ich begriffen habe, dass ich so nicht weiterleben kann.

Eine berufliche Situation, an der ich scheiterte, hat mich wachgerüttelt. Durch mein Versagen und die Reaktionen meiner Umwelt – »Das hast du falsch gemacht; dort hättest du anders handeln müssen; du hast zu wenig auf Gott gehört …« – wurde der glimmende Docht in mir plötzlich zur Flamme: »Ich will leben. Ich will frei sein!«

Ich will mich nicht länger von Menschen gängeln lassen, die neidisch auf mich sind, die mir meine Freiheit nicht gönnen, die mir sagen, was ich tun und lassen soll. Ich will kein Evangelium mit Dos and Don’ts. Keine Religion, in der ich Listen abarbeiten muss und doch nie ans Ziel komme.

Und was ist mit Gott?Was sagt er zu meiner Sehnsucht nach Freiheit?

Gott war für mich immer eine angsteinflößende Autorität. Der Aufpasser, der jeden Regelverstoß ahndet und hart bestraft. Der Chef, der mit Abmahnung droht, wenn nicht alle Vorschriften eingehalten werden.

Nach meinem Scheitern musste ich mein Leben neu ordnen, und dazu gehörte vor allem mein Gottesbild – die tiefsten Gedanken, die ich über Gott hegte.

Ich liebe Gott, kein Zweifel, und ich will ihm schon seit meiner Teenagerzeit mit ganzem Herzen und aller Kraft dienen. Aber immer blieb da ein Restzweifel: Meint Gott es wirklich gut mit mir? Wird er im Ernstfall tatsächlich zu mir stehen? Oder wird er im letzten Moment zur Seite gehen und mich im freien Fall auf dem harten Boden aufschlagen lassen? Wie kann ich ganz sicher sein, dass auf Gott Verlass ist?

Mein Scheitern brachte mich dazu, noch einmal ganz genau hinzusehen: Wer ist Gott wirklich? Ist das, was ich bisher von ihm wusste, die Wahrheit? Oder habe ich mir ein falsches Bild von ihm gemacht, indem ich Traditionen mit meinen eigenen Vorstellungen vermischt habe?

Gott ist gut – das habe ich von Kindheit an gelernt. Doch das Evangelium, die gute Nachricht, war für mich eine »Ja, aber …«-Botschaft: Ewiges Leben bei Gott bekomme ich, weil Jesus am Kreuz für mich gestorben ist. Aber gleichzeitig muss ich treu sein, Gottes Gebote halten, den untersten Weg gehen, ein Überwinder sein, immer sofort allen Menschen vergeben, dies tun und jenes lassen. Die Liste war lang und mein Scheitern schon vorprogrammiert.

Oft hatte ich den Eindruck, ich müsste eine Leiter hinaufklettern, ohne jemals oben anzukommen: zwei Sprossen hinauf und drei wieder zurück. Ich machte einfach keine Fortschritte.

Und schließlich wurde die Frage immer drängender: Hängt die Erlösung nun von Jesus oder von meiner eigenen Leistung ab? Oder ist es fifty-fifty? Fünfzig Prozent ich – fünfzig Prozent Gott?

Was an der guten Botschaft ist eigentlich gut? Kann eine Botschaft gut sein, wenn ich mich anstrenge und am Ende doch nur auf mein Versagen schaue?

Viele Jahre habe ich mich förmlich im Kreis gedreht: Ich wusste, dass Jesus für meine Schuld gestorben ist, aber ich verzweifelte daran, dass ich trotzdem kein besserer Mensch wurde. Wo lag der Fehler? Was hatte ich übersehen?

In der Bibel lesen wir immer wieder, wie Gott eingreift, um Menschen zu retten. Und die Geschichte des Volkes Israel, das nach vierhundertjähriger Sklaverei in die Freiheit geführt wird, fasziniert mich schon lange: Gott hat die Israeliten aus Unterdrückung und Erniedrigung befreit.

Einfach so. Weil er es wollte. Weil er es geplant hatte. Weil er sich dieses Volk erwählt hatte.

Er hat das nicht getan, weil sie besonders toll gewesen wären. Sondern weil er sie lieb hatte! Weil er nicht wollte, dass sie weiterhin einem Pharao Denkmäler bauen.

Um aus der Sklaverei in die Freiheit zu gelangen, brauchte das Volk Israel lediglich Folgendes zu tun: ein Lamm schlachten, das Blut an die Türbalken streichen und warten, bis Gott in dieser Nacht den Marschbefehl gab.

In den letzten Jahren habe ich mir oft die Frage gestellt: Bin ich eine Sklavin? Und wenn ja, wer ist mein Pharao? Wem baue ich Pyramiden, und wozu tue ich das?

Ich fragte Gott, wie er sich ein Leben in Gemeinschaft mit mir vorstellt. Parallel dazu absolvierte ich eine Coaching-Ausbildung, lernte meine Persönlichkeit und mein Innerstes kennen. Dabei erschrak ich vor so manchen Gedanken, die aus meinem Unbewussten an die Oberfläche stiegen. Ich entdeckte Lebensmuster, die ich mir gestrickt hatte und die mich einengten.

Allmählich begann ich, mich äußerlich zu befreien: Ich entfernte mich von Menschen, die ihren christlichen Glauben gesetzlich-religiös, aber kraftlos lebten. Denn ich wollte mehr – ich war nicht bereit, noch länger in diesem Zustand zu verharren. Ich hörte auf, meine Arbeitskraft in christlichen Organisationen zu verbrauchen, in denen chronische Erschöpfung und Überstunden ein Zeichen besonderen Gesalbtseins darstellten.

Langsam, aber stetig löste ich mich von Bindungen, Ketten und Fesseln. Während ich Abendmahl feierte, strich ich in Gedanken das Blut von Jesus an die Türbalken meines Herzens. Ich bat ihn, die Türe zu entriegeln und meine Augen für seine Freiheit zu öffnen.

Und er hat mich erhört, denn ich bin tatsächlich meinem himmlischen Vater begegnet. Dem, der mir zugesagt hat: Wenn du mich von ganzem Herzen suchst, dann findest du mich (siehe Jeremia 29,13-14).

Eines Tages habe ich mich mit einer wunderbaren, weisen Frau unterhalten. Nachdem sie meine Fragen über Gott und meine Sehnsucht nach echter Freiheit angehört hatte, nahm sie mich in den Arm und betete Gottes Shalom1 in mich hinein. Göttliche Vollkommenheit, Liebe, Frieden, Stärke und Mut.

Und während mein Kopf an ihrer Schulter ruht und die Tränen ungehindert fließen, komme ich endlich nach Hause. Nach Hause zu meinem Vater, meinem Schöpfer, dem Gott, der mein Leben erdacht hat, der jedes Haar auf meinem Kopf kennt, jede Regung, jeden Gedanken, jede Träne, jedes Lachen. Dem Gott, der mich mit zärtlicher Liebe liebt und der sich so sehr wünscht, dass ich ihn in Freiheit liebe. Dem Gott, der in Jesus bereits die Türe geöffnet hat, mich in die Freiheit entlassen hat. Dem Gott, der mir zu Beginn der Schöpfung und beim Tod von Jesus am Kreuz zugerufen hat: »Es ist alles vollendet – vollbracht – fertig. Du brauchst nichts mehr zu tun.« Dem Gott, der mir durch Jesus Vollkommenheit geschenkt hat.

Ich bin sein Kind. Er ist mein Vater. Bei ihm muss ich keine Leistung nachweisen, keine Gebetsrekorde aufstellen, nicht besonders lieb und nett sein. Sondern bei ihm darf ich mich endlich fallen lassen – sein, leben, lieben. Ich darf mich von seiner behutsamen Hand verändern lassen. Vertrauen. Glauben. Hoffen.

Hier darf ich meinen Sehnsüchten und Träumen auf die Spur kommen, sie ohne Angst vor Neid ausleben. Ich darf ein bisschen verrückt sein, Ideen spinnen, neue Wege ausprobieren. Dieses Zuhause ist ein Ort, an dem Sorgen keinen Platz haben, Neid nicht gehört wird und Angst Hausverbot bekommt. Es ist ein Ort vollkommener Schönheit, Liebe und Ermutigung.

Der Weg nach Hause war mein Weg in eine Freiheit, die mein ganzes Leben verändert hat.

Meine neu gewonnene Freiheit macht mich stark, Stürme im Leben auszuhalten. Sie macht mich mutig, meinen Weg zu gehen, auch wenn Menschen irritiert fragen, warum ich nicht tue, was alle tun.

Diese Freiheit lässt mein Herz übersprudeln vor Liebe zu meinem Schöpfer und Erlöser. Ich muss nichts tun – er hat alles getan.

Warum dieses Buch?

Weil ich seit einigen Jahren in Vorträgen und Seminaren meine Geschichte erzähle. Ich berichte von den Narben, die mir die frommen Traditionen zugefügt haben, und entdecke, dass Menschen mir daraufhin ihre eigenen Wunden zeigen. So viele Christen sind gefangen in einer christlichen Religion und wissen doch nichts von der Liebe Gottes, ihres Vaters, und von der Freiheit eines Lebens in Christus.

Oft kommen nach meinen Vorträgen Menschen auf mich zu und sagen: »Dass Sie sich trauen, so zu leben!« – »Ich hätte auch gerne den Mut, Menschen, die mir nicht guttun, zu verlassen!« – »Ich sehne mich so nach Freiheit!«

Es waren solche Aussagen und Gespräche mit vielen Menschen, die mich dazu ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben.

Ich erinnere mich an ein Frauenevent. Wir wollten gerade starten, da ging die Türe auf und eine große Anzahl geistig und körperlich behinderter Menschen kam in den Saal. Manche wurden in Rollstühlen geschoben, andere konnten selbst laufen. Es herrschte eine große Unruhe und ich fragte mich: Werde ich diesen Menschen etwas zu sagen haben?

Ich sprach über den Neuen Bund, Gottes Liebe zu uns, und redete darüber, dass wir in Gottes Augen wertvoll sind – ohne eigene Leistung, ohne etwas tun, einfach weil wir sind.

Am Ende der Veranstaltung rollte eine junge, geistig behinderte Frau auf mich zu. Ich musste mich sehr anstrengen, um sie zu verstehen. Sie fragte mich, ob sie meine Notizen haben könnte: Sie würde so gerne nochmals nachlesen, was ich gesagt habe.

Und dann drückte sie meine beiden Hände und bedankte sich überschwänglich und mit Tränen in den Augen. Ein ums andere Mal wiederholte sie: »Das habe ich heute gebraucht. Ich bin wertvoll, auch wenn ich nichts tun kann!«

Diese Begegnung hat mich tief beeindruckt. Und ich möchte erzählen, wie ich selbst zu dieser Erkenntnis gelangt bin.

Im Grunde handelt sich dabei gar nicht um meine Geschichte. Sondern um die Geschichte Gottes mit uns Menschen. Gott wünscht sich Intimität, Gemeinschaft und Freiheit für uns und mit uns. Er hält so viel mehr für uns bereit: vollkommenes Leben. Ewiges Leben, das bereits auf dieser Erde beginnt.

Viele Jahre hat mein Verstand das gewusst, aber mein Herz hat es trotzdem nicht gespürt. Seitdem ich jedoch begriffen habe, dass Gott in Christus wirklich alles für mich getan hat, wächst die Erkenntnis, dass mein Leben zutiefst von Gottes Liebe lebt.

Ich bin frei – weil Jesus alles für mich getan hat. Weil er mich frei gemacht hat von mir selbst, von Sünde, von Angst und Sorgen, von Neid und allem, was mich davon abhalten will, Gott mein Vertrauen zu schenken.

Und ich bleibe frei – denn nichts und niemand kann mich von Gottes Liebe trennen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1. Freiheit – von Anfang an

Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

2. Korinther 3,17

Ich sitze am Steuer meines Autos. Meine Augen tränen, meine Nase läuft, ich bekomme schwer Luft. Draußen explodiert die Natur in frühlingshaften Farben, der Duft von Blüten liegt in der Luft, jemand hat den Rasen gemäht – ich liebe diesen Geruch.

Aber ich ertrage ihn nicht. Von Jugend an leide ich an Heuschnupfen. Jedes Jahr dieselbe Tortur: Kaum erwacht die Natur nach einem langen Winter, schlucke ich Tabletten, gehe selten aus dem Haus, und wenn, dann nur mit etlichen Päckchen Taschentüchern bewaffnet.

Ich habe mich daran gewöhnt – das ist eben so. In meiner Verwandtschaft scheint das normal zu sein, ich habe es wohl geerbt. Und immer öfter bekomme ich zu hören: »Eines Tages wird aus diesem Heuschnupfen Asthma. Das wird bei dir nicht anders sein. Das ist der normale Weg.«

Doch heute ist etwas anders. Ich rieche den Frühling, meine tränenden Augen können sich nicht sattsehen an den unglaublichen Farben von Sträuchern und Bäumen. In mir erwacht eine Sehnsucht nach dem Paradies.

Gottes Schöpfung – ein Fest für alle Sinne – war doch nicht dazu gedacht, dass ich mich mit verweinten Augen und triefender Nase ins sichere Haus zurückziehe. Je mehr ich über Gott nachdenke, über seine Größe und Kreativität, umso wütender werde ich. Wer ist verantwortlich dafür, dass ich Gottes Schöpfung nicht genießen kann? Wem kann ich die Schuld dafür geben?

Na klar, dem Teufel natürlich. Ich lebe in einer gefallenen Welt, in einer Welt voller Schuld und Leid. In einer Welt, die dem Tod preisgegeben ist, die eines Tages zu Ende sein wird. Also ist er schuld an meinem Elend.

Noch während ich diese Gedanken weiterverfolge, schiebt sich eine neue Erkenntnis in meinen Geist und mein Gehirn: Die Bibel sagt, ich bin frei – frei von Schuld, frei von Krankheit, befreit zum Leben. Durch die Wunden von Jesus bin ich geheilt (siehe 1. Petrus 2,24)! Mir gehört ein Leben in Fülle – nicht ein Leben im sicheren Versteck vor Blüten und Pollen.

Wenn das stimmt, dann hat das Auswirkungen auf meine triefende Nase und meine brennenden Augen.

Ich sitze immer noch am Steuer meines Autos. Doch meine Sehnsucht bricht sich Bahn. Ich will leben, und ich habe es satt, dass einer versucht, mich an diesem Leben zu hindern!

Deshalb rufe ich laut: »Lass mich in Ruhe, Teufel, du hast keine Macht über mich. Gott hat mir ein Leben im Überfluss versprochen. Und ich habe es so satt, dass du mich daran hinderst, meinen Schöpfer und seine Schöpfung zu genießen. Schluss jetzt! Verschwinde und komm nie wieder! Ab jetzt werde ich die Natur genießen, ich werde durchatmen, riechen, schmecken und sehen, wie toll mein Gott ist.«

Inzwischen laufen mir Tränen über die Wangen. Ich fühle mich erschöpft, leer und gleichzeitig befreit und voller Hoffnung. Dass andere Autofahrer irritiert zu mir herschauen, nehme ich nur am Rande wahr.

Als ich zu Hause aus dem Auto steige, habe ich den Eindruck, in ein neues Leben zu treten. Tastend und vorsichtig stehe ich von nun an jeden Morgen auf. Ich höre auf, mich auf meine Tabletten und Augentropfen zu verlassen. Stattdessen bete ich meinen Schöpfer an. Ich lebe, als ob ich frei wäre. Und langsam, aber stetig begreife ich: Ich bin frei.

Sieben Jahre ist das nun her. Heute lebe ich ohne Tabletten und ohne Heuschnupfen. Ich begrüße den Frühling nach jedem Winter stürmisch. Wie ein kleines Kind rieche ich am Flieder, an Kirschblüten, an allen möglichen Sträuchern und Blumen. Als ich letztes Jahr am Comer See war, habe ich eine Nacht mitten im berauschenden Duft des Jasmins verbracht. Ich hole nach, was mir all die Jahre geraubt wurde. Und ich liebe meinen Schöpfer und himmlischen Vater noch viel mehr – seit ich seine Freiheit buchstäblich übergestreift habe.

Gott ist Freiheit

Gott ist frei in seinem Denken, Fühlen und Handeln. Er ist der Schöpfer des Universums, der seine Schöpfung genießen kann, sich freut an dem, was er tut. Gott ist frei – zu schaffen und zu ruhen. Die ersten Verse in der Bibel zeichnen das Bild eines gewaltigen und freien Gottes.

Doch mitten in seinem Schaffensprozess schlägt der Blitz ein. Gott erschafft Himmel und Erde. Aber das Ergebnis ist Wüste, Einöde, Leere und Finsternis. Jemand scheint dazwischengefunkt zu haben. Jemand hat etwas gegen Schönheit, Reichtum, Glanz, Fülle und Pracht. Jemand sucht den Schönheitsfehler. Jemand hält nichts von Kreativität in Freiheit.

Der Feind unserer Freiheit

Lese ich die ganze Bibel, finde ich denjenigen, der offenbar zwischen 1. Mose 1,1 und 1. Mose 1,2 tätig gewesen ist: Der Engel Luzifer, einer der mächtigen Engel im vordersten Hofstaat Gottes, beansprucht dieselbe Macht, denselben Glanz, dieselbe Ehrerbietung, wie sie nur dem Schöpfer gebührt. Mit einer Armee von Engeln will er Gott den Thron streitig machen und stürzt schließlich vom Himmel (siehe Jesaja 14,12).

Er kann nur verlieren. Aber die Konsequenzen seiner Tat sind erschütternd: Die Erde wird wüst und leer, in den Tiefen des Universums herrscht Finsternis. Tiefe Dunkelheit. Einöde und Inhaltslosigkeit. Da ist nichts zum Freuen, nichts zum Genießen.

Der Teufel, auf Griechisch diabolos – Durcheinanderbringer – und Hebräisch satan – Gegner, Widersacher –, ist das genaue Gegenteil Gottes. Gott will Schönheit, der Teufel will Zerstörung und Chaos. Gott will Frieden, der Teufel Krieg. Gott will das Gute, der Teufel das Böse. Laut Offenbarung 12,9 hat sich der Teufel zum Ziel gesetzt, die gesamte Menschheit zu verführen: weg von Gott, hin zu ihm und seinem Reich. Er ist die chaotische Gegenmacht zu Gottes Plan.2

Es wäre allerdings zu offensichtlich, wenn der Teufel der Menschheit sagen würde: »Ich will Böses und Schlechtes.« Und darum hat er sich eine perfide Taktik ausgedacht: Er ahmt Gott nach. Er verkauft Böses für Gutes, Krieg für Frieden, Chaos für Schönheit.

Warum gibt es ihn eigentlich? Wenn Gott doch allmächtig ist, warum gibt es dann einen Teufel? Hätte Gott das nicht verhindern können? Eine Welt schaffen können ohne Teufel, ohne Böses, ohne Grausamkeit und Kriege, ohne Viren und Krankheiten?

Selbstverständlich hätte die Allmacht Gottes das zuwege gebracht. Seine Liebe aber möchte Gegenliebe als Antwort. Wir führen keine Zwangsehe mit einem Gott, der uns keine andere Wahl lässt. Die Bibel redet davon, dass es am Ende der Zeiten eine Hochzeit geben wird: Jesus, der Sohn Gottes, feiert Hochzeit mit seiner Braut, der Gemeinde – jedem Einzelnen von uns, dessen Leben Jesus gehört.

Eine Eheschließung ist ein freiwilliger Akt. Auch auf dem Standesamt wird man gefragt, ob man aus freien Stücken hier ist.

Gott möchte, dass wir seine Liebe nicht aus Zwang, sondern freiwillig erwidern.

Wie reagiert Gott?

Wusste der allmächtige Gott, dass der Satan ihm in seine Schöpfung hineinpfuschen würde? Wusste er schon im Voraus, dass sich ein Engel aus seinem engsten Hofstaat gegen ihn auflehnen würde?

Ich gehe davon aus. Gott rechnet durchaus mit dem Bösen. Es überrascht ihn nicht. Gott hat auch schon vorher gewusst, dass es im Jahr 2020 eine Pandemie geben wird, die über die ganze Erde wüten wird.

Aber der Teufel kann Gottes Absichten und Pläne nicht aufhalten. Der Plan, den Gott vor Grundlegung dieser Welt gefasst hat, steht. Sein Vorhaben, diese Welt zu ihrem großartigen Ziel zu führen, begann vor Ewigkeiten und geht auf in Ewigkeit.

Deshalb spricht Gott erneut. Gott lässt sich seine Freiheit und Souveränität nicht nehmen. Er lässt sich vom Satan nicht in die Knie zwingen.

In einem gewaltigen Schöpfungsakt wird Gottes unermessliche Kreativität deutlich: Gott erschafft das Licht, Tag und Nacht, Wasser und trockenes Land, Bäume, Sträucher, Blumen, Kräuter, Gras, Sonne, Mond und Sterne, Fische, Vögel sowie alle übrigen Tiere.

Und am Ende das i-Tüpfelchen: der Mensch, geschaffen nach dem Bild Gottes. Ein Wesen, das nach der Art des Schöpfers kommt. Ganz der Papa. Der gesegnete Mensch, der in Freiheit vor Gott leben darf.

Die Freiheit der ersten Menschen

Die ersten beiden Menschen, Adam, der Erdling, und Eva, die Lebenspendende, führen ein Leben in völliger Freiheit. Sie werden nicht krank, kennen kein Unkraut, kein schlechtes Wetter, keinen Stress, keinen Streit.

Als Gott den beiden mit auf den Weg gibt, sie dürften die Früchte eines gewissen Baumes nicht essen, sonst würden sie sterben, da schauen sich die beiden vermutlich an und fragen: »Was ist Sterben?«

Für Adam und Eva existiert nur das Gute im Leben: Überfluss, Genuss, Zeit, Gelassenheit, Frieden und Liebe. Sie leben in vollkommener Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer, verbringen mit ihm ihren Feierabend. Im Sandkasten ihres Paradieses schlagen sie sich nicht gegenseitig die Köpfe ein, weil der eine etwas hat, was der andere gerne hätte. Sie kennen keinen Neid, kein Vergleichen.

Sie tun genau das, was Gott ihnen aufgetragen hat: Sie bebauen das Paradies, arbeiten mit ihren Händen, herrschen über die Tiere, geben ihnen Namen – was bedeutet, sie zähmen sie, leben friedlich mit ihnen zusammen. Löwen und Bären jagen ihnen keine Angst ein, deshalb bauen sie keine Elektrozäune und legen kein Rattengift aus.

Adam und Eva kennen keine Scham – weder vor Gott noch voreinander. Sie lieben Gott, sich selbst und ihren Partner. Sie schämen sich nicht für ihre Gefühle und Gedanken. Sie sagen, was sie denken, und sie meinen, was sie sagen. Ihr Leben besteht aus Wahrheit und Klarheit. Adam muss nicht erraten, was im Kopf seiner Eva vor sich geht. Und die wiederum leidet nicht darunter, dass er sie anscheinend nicht versteht. Ihre Beziehung funktioniert. Weshalb?

Weil sie die DNA ihres Schöpfers in sich tragen: Freiheit im Denken, Fühlen und Handeln.

Die Freiheit, innezuhalten

In grenzenloser Freiheit hat Gott Unglaubliches erschaffen: Tiere und Pflanzen in unendlicher Farbenpracht und Vielfalt. Und dann den Menschen mit einer bis ins Kleinste ausgeklügelten Anatomie und Physiologie: Gelenke und Bänder, Muskeln und Sehnen, Nerven und Blutgefäße.

Ich erinnere mich an meine erste Operation, bei der ich als Krankenpflegeschülerin zuschauen durfte. Ich war fasziniert von der Präzision und Ordnung, die in einem menschlichen Körper herrscht. Kein Arzt der Welt käme auf die Idee, die Leber von rechts nach links zu verlegen oder die Nase am Kinn zu befestigen. Denn der Mensch ist ein Wunder der Schönheit und der Anatomie.

Plötzlich hört Gott auf mit Schaffen. Jeder Coach würde ihm heute raten: »Du bist doch gerade mitten im Flow. Mach weiter, da kommt bestimmt noch mehr Gutes dabei raus.«

Aber Gott hört auf. Am siebten Tag ruht er von seinen Werken. Das Verb, das Luther hier mit ruhen übersetzt, heißt shabbat – aufhören, ruhen, beenden.

Gott weiß, wann es Zeit ist, zu handeln, und wann es Zeit ist, aufzuhören.

Dasselbe Verb finden wir ein paar Kapitel weiter nach der Sintflut wieder: »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören (shabbat) Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht« (1. Mose 8,22; LUT). Die Natur wird nicht innehalten, sie bekommt keinen Sabbat. Die Jahreszeiten und das richtige Klima für Saat und Ernte bleiben bestehen.

Gott hat die Freiheit, etwas zu beginnen, und die Freiheit, aufzuhören, zu ruhen, etwas zu lassen. Und genau diese Möglichkeit hat er uns Menschen ebenfalls geschenkt.

Der siebte Tag wird in besonderer Weise von Gott gesegnet und geheiligt. Es ist nicht der sechste Tag, der besonders hervorgehoben wird – nicht die Erschaffung des Menschen, sondern der Tag des Nichts-Tuns.

Und genau daran scheiden sich bis heute die Geister. Nach der Sintflut hat Gott über die Natur einen Nicht-Sabbat verhängt: Der Kreislauf der Jahreszeiten und von Saat und Ernte wird bis auf Weiteres nicht gestoppt.

Aber der Mensch, allen voran das Volk Israel, bekommt die Anweisung, alle sieben Jahre ein Sabbatjahr einzulegen: »Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinberg beschneiden und die Früchte einsammeln, aber im siebenten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten; da sollst du dein Feld nicht besäen noch deinen Weinberg beschneiden« (3. Mose 25,3-4; LUT).

Die Menschen sollen dem Boden, den sie bearbeiten, eine Ruhepause gönnen. Und natürlich auch sich selbst. Dabei sollen sie erleben, dass Gott sie versorgt, obwohl sie nicht arbeiten.

Wenn Gott das Sabbatjahr einfordert, höre ich dahinter seine große Frage: »Du, Mensch, bist du so frei, dass du mir vertraust? Vertraust du mir, dass ich dich auf übernatürliche Weise versorge, auch wenn du nichts tust?«

Der Sabbat ist der Inbegriff von Freiheit: Ich tue nichts, weil ich weiß, dass ich nichts tun kann. Ich verlasse mich nicht auf meine menschliche Stärke, meine Intelligenz und meine Kraft. Sondern ich vertraue einzig und allein auf meinen Gott. Ich habe die Freiheit, aufzuhören, wenn es am schönsten ist. (Später werden wir noch näher auf dieses Thema eingehen.)

Freiheit in Grenzen – verbunden mit Verantwortung

Die ersten Menschen leben in völliger Freiheit – und doch ist diese Freiheit begrenzt. Rings um ihr Paradies3 gibt es einen Zaun. Und es gibt ein großes ABER: Sie dürfen alles, mit Ausnahme einer einzigen Sache: Ein Baum mitten in ihrem Paradies ist tabu.

Der freie Gott schenkt den ersten beiden Menschen, die mit seiner DNA auf die Welt gekommen sind, Freiheit: Sie sind frei, zu gehorchen, und frei, schuldig zu werden.

Außerdem bekommen sie den Auftrag, über Land und Tiere zu herrschen: Macht euch das Land, die Erde untertan. Der Garten soll bearbeitet und geschützt werden. Die beiden Menschen sind verantwortlich dafür, was in ihrem Paradies geschieht.

Der Mensch ist ausgestattet mit göttlicher Autorität.

Das hebräische Wort kabasch (1. Mose 1,28), das Luther mit untertan machen übersetzt, meint im wörtlichen Sinne: »(Kultur-)Land in Besitz nehmen, unterwerfen, bändigen, versklaven, mit der Machete einen Weg schlagen«.

An den wenigen Parallelstellen im Alten Testament findet sich kabasch immer dann, wenn das Volk Israel andere Völker unterjocht oder selbst von Feinden unterworfen wird. In Micha 7,19 ist es Gott selbst, der unsere Sünden niedertritt (siehe ELB).

Im Hebräischen hat jeder einzelne Buchstabe eines Wortes eine eigene Bedeutung. So kommt man bei der Wortbedeutung von kabasch auf Folgendes:

Kaf steht für Schutz, die Hand reichen, halten, aber auch für Unterordnung unter eine größere Macht und Demut.

Bet steht für Haus, Familie und Wohnen. Das Judentum lehrt: Am Anfang, als Gott die Welt erschuf, wünschte er sich ein Heim, ein Zuhause, in dem er mit seinen Menschen zusammen sein konnte in inniger Intimität.

Schin steht für Zähne, das heißt für Stärke, aber auch für einen Menschen, der seine Taten sorgfältig »wiederkäut« – also erst einmal abwägt und nicht einfach drauflosstürmt.

So könnte man das hebräische Wort kabasch übersetzen mit: »in Demut und Stärke, in Unterordnung und göttlicher Autorität ein Zuhause bauen, in dem sich Gott, Menschen und Tiere zu Hause wissen und sicher und in Freiheit leben können«.

Der Mensch soll ein Zuhause schaffen für Gott, sich selbst und die Natur. Einen Ort der Gemeinschaft.

Als Christen sind wir – jeder Einzelne – ein Zuhause für Christus. Jesus selbst wohnt in uns. Christus nimmt Wohnung in uns, und wir lieben ihn in Freiheit.

Neben dem oben beschriebenen Wort kabasch findet sich in der Schöpfungsgeschichte auch noch das Wort rada, das Luther mit herrschen übersetzt. Wörtlich bedeutet rada jedoch, seine Füße auf etwas stellen.

In Psalm 8,7 heißt es beispielsweise: »Du hast ihn [den Menschen] als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße …« (EÜ).

Und in 1. Könige 5,17 sagt Salomo: »Du weißt, dass mein Vater David nicht ein Haus bauen konnte dem Namen des Herrn, seines Gottes, um des Krieges willen, der um ihn her war, bis der Herr seine Feinde unter seine Füße gab« (LUT).

Wie wir Menschen über die Erde herrschen sollen, wird im Neuen Testament deutlich: »Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene« (Matthäus 20,25-28; LUT).

Herrschen beinhaltet also gleichzeitig einen Hirtenauftrag: Hirte sein in göttlicher Autorität. Diese Verbindung finden wir in der Bibel immer wieder. Israels Könige sollten in Demut über das Volk wachen. Und Jesus selbst ist der gute Hirte, der seine Schafe führt und schützt und sie zugleich als König regiert. Herrschen geht – nach Gottes Vorstellung – nur in Kombination mit Hirte sein.

In Christus sind wir Hirten und Herrscher. Weil er in uns lebt, wir ihm ein Zuhause geben, haben wir göttliche Autorität.

Freiheit in der Beziehung von Mann und Frau

Im Paradies gibt es Freiheit, göttliche Freiheit, die keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern kennt. Mann und Frau bekommen denselben Auftrag und können ihn nur gemeinsam ausführen.

Ich erinnere mich an den Beginn meiner Ehe. Mein Mann und ich waren beide ausgebildete Pastoren, wir predigten beide – und wir sahen uns gegenseitig als Konkurrenten: Wer predigte besser? Wer bekam mehr Anerkennung, mehr Gelegenheiten? Wer hatte die ausgefeiltere Exegese vorzuweisen, wer das bessere Konzept?

Das führte unweigerlich zu Spannungen. Konflikte waren vorprogrammiert.

Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich mich fragte: Ist das, was wir hier leben, das biblische Konzept einer Ehe?

Die Antwort war mir schnell klar: Nein, das kann Gott sich nicht so gedacht haben. Ehe ist doch nicht Krieg, Gegeneinander, Konkurrenz!

Ich brachte meine Sicht von Ehe, meine Verletzungen und meine Verwirrung zu Gott. Und ich bat ihn, mir zu zeigen, wie er sich die Ehe vorgestellt hatte.

Da stieß ich auf einen interessanten Aspekt.

In 1. Mose 2,18 sagt Gott, dass es nicht gut sei, dass der Mensch (Adam) alleine ist. Und er nimmt sich vor, ihm eine Partnerin zur Seite zu stellen, die ihm eine Hilfe sei. In älteren Lutherbibeln findet sich an diesem Punkt das Wort Gehilfin, und genau das ist irreführend.

Später betont Paulus ja im Neuen Testament, dass die Frauen sich ihren Männern unterordnen sollen.

Da ich von einer frommen Erziehung geprägt war, riefen das Wort Gehilfin und Paulus’ Mahnung bei mir folgendes Bild hervor: Eine unterwürfige, äußerlich fromm erscheinende, viele Kinder gebärende Frau entlässt ihren Mann morgens betend zur Arbeit und empfängt ihn abends mit einem guten Essen. Sie fragt ihn nach seinem Tag, lässt ihn ausruhen, hält die Wohnung sauber – und begräbt dabei demütig ihre eigenen Träume.

Hat Eva so gelebt?

Während ich mich intensiver mit der Geschichte von der Erschaffung der Menschen beschäftige, wird mir klar: Nein, so war es nicht.

Ich wandere mit Adam und Eva durch den Garten Eden und stelle fest: Beide sind gleichwertig. Vor Gott gibt es keinen Unterschied. Gott überträgt nicht Adam den Herrschaftsauftrag, und Eva soll die Wäsche bügeln. Nein, Mann und Frau bekommen gemeinsam den Auftrag, den Garten zu bebauen und zu bewahren.

Sogar Paulus erklärt im Neuen Testament: »Hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus« (Galater 3,28; LUT 1984).

Das hebräische Wort ezer, das Luther irrigerweise mit Gehilfin übersetzt hat, bedeutet Hilfe. Und es wird an vielen anderen Stellen für die Hilfe Gottes gebraucht:

»Unsre Seele harrt auf den Herrn; er ist uns Hilfe [ezer] und Schild« (Psalm 33,20; LUT).

»Ich aber bin elend und arm; Gott, eile zu mir! Du bist mein Helfer [ezer] und Erretter; Herr, säume nicht!« (Psalm 70,6; LUT).

»Vernichtet hat dich, Israel, dass du gegen mich bist, gegen dein Heil [ezer]« (Hosea 13,9; LUT).

Offensichtlich versteht Gott also unter der weiblichen Berufung »eine Hilfe sein« etwas völlig anderes, als Tradition und (Kirchen-)Geschichte daraus gemacht haben.

Deshalb betonen mein Mann und ich heute nicht mehr die Unterschiedlichkeiten von Mann und Frau, sondern die Gemeinsamkeiten. Wir beten gemeinsam, treten gemeinsam vor den Thron Gottes, feiern gemeinsam Abendmahl, salben uns gegenseitig für den göttlichen Auftrag, unterstützen einander und ermahnen uns gegenseitig, wenn wir im Begriff sind, zum Baum der Erkenntnis vorzudringen, statt am Baum des Lebens zu bleiben.

Vor diesem Hintergrund ist die größte Wiederherstellung, auf die wir warten, die Versöhnung der Geschlechter. Wenn Mann und Frau Seite an Seite diesen göttlichen Hirten- und Herrscher-Auftrag annehmen und ausüben, wird aus dem Herrschen kein Zerstören, sondern Heilung und Versöhnung. Wenn Mann und Frau gemeinsam aufstehen und Gott anbeten, wird der Raum für Versuchung immer kleiner. Wenn Mann und Frau gemeinsam ihren Auftrag erfüllen, gibt es keinen Platz für die Schlange.

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2. Freiheit in Gefahr

Wer zu ihm aufschaut, der strahlt vor Freude, und sein Vertrauen wird nie enttäuscht.

Psalm 34,6

August 1994 in einem afrikanischen Touristencamp im Krüger-Nationalpark in Südafrika. Durch anhaltende laute Schreie wird eine kleine Studentengruppe geweckt. Mit dabei – mein Mann. Noch ahnt niemand die Ursache der Panik.

Gestern Abend war noch alles in Ordnung. Nach einem aufregenden Tag auf Safari ist die Gruppe am Abend im Camp angekommen.