Dynasty. Die Insidergeschichte der New England Patriots - Jeff Benedict - E-Book

Dynasty. Die Insidergeschichte der New England Patriots E-Book

Jeff Benedict

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Beschreibung

Seit 20 Jahren gehören die New England Patriots zu den erfolgreichsten Teams der American-Football-Liga NFL und zu den wertvollsten Sport-Franchises der Welt. Zehn Mal standen sie im Super Bowl, sechs Mal gewannen sie ihn. Dank Superstars wie Quarterback Tom Brady oder dem Deutschen Sebastian Vollmer sind sie auch hierzulande äußerst populär und eines der Teams, die im Herbst 2023 ein NFL-Spiel in Deutschland austragen werden.  Bestsellerautor Jeff Benedict hat mit über zweihundert Insidern gesprochen, darunter Teammanager, Trainer, Spieler, ihre Frauen, Ärzte und Anwälte. Er führte Interviews mit den Schlüsselfiguren Tom Brady, Erfolgscoach Bill Belichick und Clubbesitzer Robert Kraft. Durch seine gründliche Recherche bietet Benedict eine Fülle neuer und überraschender Einblicke in eine Organisation, die für ihre Geheimhaltung berüchtigt ist. Das Ergebnis ist ein fesselndes und aufschlussreiches Porträt, gespickt mit menschlichen Dramen und Enthüllungen.

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Seitenzahl: 1062

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               INHALT

Vorwort von Sebastian Vollmer

Prolog

1Endspiel

2Bobby

3Väter und Söhne

4Das lange Spiel

5Leverage

6Verkauft!

7Treffen mit dem neuen Chef

8Dieser Typ ist anders

9Nicht so schnell

10She

11Das Problem mit den Verträgen

12New England vs. New York

13Du kennst mich

14Lieber John

15Belichick bekommen

16Tommy

17Aufbau des Kernes

18Innerhalb eines Augenblickes

19Plätze tauschen

20Der perfekte Sturm

21Wir sind alle Patriots

22Wachsende Schmerzen

23Alles in der Familie

24Eine eigene Liga

25Ein Tag im Leben

26Verluste

27Reload

28Transzendenz

29Unlösbar

30Erlauben Sie mir, mich erneut vorzustellen

31Es ist nirgends besser als daheim

32Die Passage

33Breaking Bad

34Weitergehen

35Weiter nach Cincinnati

36Der Neid der Liga

37New England gegen alle

38Niemand weiß, wo der Gipfel ist

39Der Herr der Ringe

40Schwer ist die Krone

41Spannung

42Einfädeln der Nadel

43Pendeldiplomatie

44Wir sind noch da

Epilog

Dank

VORWORT VON SEBASTIAN VOLLMER

„Hard work pays off.“

Dieses Credo müsste eigentlich auf den Trikots der New England Patriots stehen. Denn dieser Leitspruch ist bei diesem Team im äußersten Nordosten der USA Gesetz. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. 52 Wochen im Jahr. Egal, ob gerade Saison ist oder nicht.

Harte Arbeit zahlt sich aus. Den Willen, Berge versetzen zu können, spürt man hier – 30 Autominuten von der Großstadt Boston entfernt – überall. „No days off“, das ist ein Zitat von Head Coach Bill Belichick, dem erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der NFL. Er ist ein Perfektionist. Seine Spezialität ist es, Spieler zu verpflichten, die bei anderen Teams den Durchbruch nicht geschafft haben, um sie dann zu Leistungsträgern in seiner Mannschaft zu entwickeln. Wer unter ihm Stammspieler sein möchte, muss in allem 100 Prozent Leistungsbereitschaft zeigen. Immer. Wer nachlässt, ist raus! Das muss schnell rein in die DNA der Profis. Wer diese Einstellung nicht verinnerlicht, hat hier keine Chance.

Ich hatte die große Ehre, acht Jahre lang für die New England Patriots zu spielen und hier zum All-Pro zu werden. Das war eine unvergessliche Zeit. 2009 wurde ich als erster in Deutschland ausgebildeter Spieler überhaupt im NFL-Draft ausgewählt. Eine irre Geschichte. Ich bin in der Nähe von Düsseldorf groß geworden und habe erst mit 17 Jahren begonnen, American Football zu spielen. Ich war gut auf meiner Position als Offensive Tackle, habe mit 20 ein College-Stipendium an der University of Houston bekommen und fortan für die Houston Cougars gespielt. Dann kam mit 24 der Anruf aus der NFL. Von Bill Belichick. Es war ein kurzes Gespräch – das aber mein gesamtes Leben veränderte.

Ich habe mit den New England Patriots zweimal den Super Bowl gewonnen. Es ist schwierig, diesen Triumph in Worte zu fassen. Das ist eine unglaubliche Freude, aber auch Genugtuung. Egal, in welchem Sport – ob Tennis, Fußball oder Football – wenn man das größte Event gewinnt, ist es ein extremes Glücksgefühl ohne Ende. Letztlich hat man Jahre – eigentlich Jahrzehnte – auf diesen Moment hingearbeitet. Es ist ein sehr kleiner, sehr elitärer Kreis an Personen, der das nachvollziehen kann.

Mein Job war es, Tom Brady auf dem Football-Feld zu beschützen. Ich habe ihn in all den Jahren öfter gesehen als meine Familie. Wir vertrauen uns. Wir sind gute Freunde. Auch heute noch. Und Tom ist nicht der Einzige. Ich pflege weiterhin noch zu vielen früheren Patriots-Kollegen von damals Kontakt. Auch wenn ich mittlerweile in Florida lebe.

Die Patriots sind mein Team! Ich habe nie für eine andere NFL-Franchise gespielt. New England war meine Heimat. Bis heute haben alle ehemaligen Weggefährt*innen und die Fans einen festen Platz in meinem Herzen. Das Stadion in Foxborough ist ein magischer Ort, der Support von den Zuschauerrängen immer herausragend. Ich kenne Fans, die seit 30 Jahren jedes Spiel der Patriots gesehen haben. Sie steigen dann in ihre bemalten Autos und Wohnmobile, reisen durch das Land, verkleiden sich, hängen stundenlang vor dem Stadion rum, grillen, trinken Bier. Das ist ihr Wochenende, ihr Sonntag. Und wer nicht ins Stadion geht, lädt Freunde zu sich nach Hause ein. Dabei geht es nicht nur um das Spiel, Football ist immer auch Familienangelegenheit, ein freundschaftliches Event. Man feiert zusammen und lässt die Woche ausklingen.

Das ist mittlerweile ja auch unter vielen deutschen Fans so. Die Patriots haben eine große Community bei uns. Das freut mich natürlich sehr! Ich habe Gänsehaut, wenn ich an das erste reguläre Saisonheimspiel der Patriots in Deutschland, in Frankfurt im Herbst 2023, denke.

Mich hat die Einstellung, jeden Tag besser werden zu wollen, bis zu meinem höchsten Ziel gebracht. Ich bin über mich hinausgewachsen. Die Patriots waren meine Schule des Lebens. Football ist der ultimative Teamsport. Es geht nur ums Gewinnen, um nichts anderes. Wer das bei Belichick nicht versteht, der ist nicht lange da. In den drei Stunden Spiel am Sonntag stecken viel Arbeit und Blut als Vorbereitung. Schmerzen gehören dazu.

Das bringt der Sport American Football mit sich. Hier muss jeder über seine Grenzen gehen. Und, nicht zu vergessen: Wir, die in den 2000er-Jahren spielen, sind dank neuer Ausrüstungen und Regeln viel geschützter als die Stars der Patriots im letzten Jahrhundert. Legendäre Ex-Spieler wie John Hannah, Sam Cunningham, Stanley Morgan oder Andre Tippett, die ihren Platz in den Geschichtsbüchern New Englands ebenfalls sicher haben, konnten davon nur träumen.

Über 60 Jahre sind die New England Patriots, die 1959 von dem Journalisten Billy Sullivan gegründet wurden, nun schon alt. Es ist eine einzigartige, faszinierende Erfolgsgeschichte des für mich besten Teams der Welt. Ich wünsche euch jetzt ganz viel Spaß beim Lesen.

Go Pats!

Euer Sebastian Vollmer

PROLOG

Mit einer chirurgischen Maske, einem Kittel und Latexhandschuhen bekleidet, beugte Dr. David Berger sich über Drew Bledsoe und machte einen vorsichtigen Einschnitt in seine Brust. Es war der Abend des 23. September 2001, ein Sonntag, und das strahlendhelle Deckenlicht in der Traumaabteilung des Massachusetts General Hospital beleuchtete die ruhigen Hände des 37-jährigen Chirurgen. Bledsoe, der erste Quarterback der New England Patriots, hatte eine Sauerstoffkanüle in der Nase, und intravenös strömten Flüssigkeiten in seine Venen, um ihn zu reanimieren. Der 29-Jährige hatte über ein Drittel seines Blutes durch eine teilweise durchtrennte Arterie verloren, die in seinem Brustkorb pulsierte und verhinderte, dass sich sein linker Lungenflügel ausdehnen konnte. Berger musste die inneren Blutungen unter Kontrolle bringen, sonst würde Bostons berühmtester Sportler sterben. Doch vorher musste er das Blut aus Bledsoes Thorax entfernen.

Berger führte einen dünnen Schlauch durch den Einschnitt und schob ihn behutsam unter Bledsoes Haut, über eine Rippe und an die Stelle zwischen Lunge und Thoraxwand, an der sich das Blut sammelte. Innerhalb weniger Augenblicke begann das Blut aus Bledsoes Brust durch den Schlauch in eine Maschine zu fließen, deren Filter Gerinnsel und andere störende Elemente entfernten. Danach transfundierte die Maschine das saubere Blut über einen zweiten Schlauch, der in eine seiner Venen führte, zurück in Bledsoes Körper.

Als Bledsoes Lunge wieder arbeitete, widmete Berger seine Aufmerksamkeit sogleich der verletzten Arterie, aus der immer noch Blut sickerte. Wenn ein Patient eineinhalb Liter Blut verliert, ist nach dem medizinischen Standardprotokoll eine Operation erforderlich, um die Blutung zu stoppen. Aber Bledsoe war kein Standardpatient – er hatte gerade einen Zehnjahresvertrag über 100 Millionen Dollar unterzeichnet, der ihn zum bestbezahlten Spieler der National Football League machte.

Berger zögerte, zu operieren, und sprach mit Bledsoe und seiner Frau Maura. Die Verletzung, so erklärte er, betraf Drews linke Brustseite. Wenn ein rechtshändiger Werfer wie Drew den Ball nach hinten legt, den Arm beugt und ihn dann vorstreckt, wendet er die linke Brustseite nach vorn und setzt alle Muskeln an dieser Stelle ein, um das ideale Drehmoment für den Wurf zu erzeugen. „Ich werde zumindest einige dieser Muskeln abtrennen müssen“, sagte Berger zu Drew. Dann wandte er sich an Maura. „Der Eingriff wird möglicherweise seine Football-Karriere beenden.“

Bledsoe war fest entschlossen, sich nicht operieren zu lassen.

Berger erklärte, dass eine Arterie manchmal von selbst aufhöre zu bluten, sodass eine Operation nicht notwendig sei. Er empfahl, unter den gegebenen Umständen die Thoraxdrainage liegen zu lassen und Bledsoe genau zu überwachen. Wenn die Blutung nicht innerhalb von ein paar Stunden aufhöre, werde ihm keine andere Wahl bleiben, als zu operieren.

Zwei Stunden zuvor hatte Berger zu Hause ein ruhiges Abendessen mit seiner Familie genossen, als er einen Anruf von Dr. David Gill erhielt, einem Mannschaftsarzt der New England Patriots. Berger und Gill waren befreundet. Auf Gills Drängen hin hatten die Patriots ein paar Jahre zuvor begonnen, Berger als chirurgischen Berater einzusetzen. Berger stand in dem Ruf, der „meistbeschäftigte Chirurg“ am Mass General zu sein, wo er etwa achthundert Operationen pro Jahr durchführte, viele davon an Traumapatienten, die mit lebensbedrohlichen Verletzungen in die Notaufnahme kamen. In dem Moment, als er Gills Stimme hörte, wusste Berger, dass es sich nicht um einen privaten Anruf handelte.

„Kannst du dir Drew in der Notaufnahme des MGH ansehen?“, fragte Gill. Es klang dringend.

Berger fragte, was los sei. Gill antwortete, er sei sich nicht sicher. Gegen Ende des letzten Viertels sei Bledsoe mit dem Ball auf die Seitenlinie der Patriots zugelaufen, als er vom Linebacker der New York Jets, Mo Lewis, angerempelt wurde. Der Zusammenprall war so heftig, dass die Spieler an der Seitenlinie der Patriots das Geräusch mit dem eines Autounfalls verglichen. Bledsoe flog durch die Luft, und sein Gesichtsgitter verbog sich. Nachdem er etwa eine Minute lang auf dem Rasen gelegen hatte, stand er schließlich auf und machte sich auf den Weg zur Bank. Beim nächsten Ballbesitz der Patriots kehrte er auf das Spielfeld zurück. Doch Trainer Bill Belichick wechselte ihn kurz darauf aus, als klar wurde, dass Bledsoe sich nicht mehr an die Spielzüge erinnern konnte. Nach dem Spiel wurde er in die Umkleidekabine gebracht, wo er untersucht werden sollte. Die Röntgenbilder waren nicht aussagekräftig, aber seine Vitalzeichen waren beunruhigend. Hohe Herzfrequenz. Niedriger Puls. Flache Atmung. Und er klagte über Schmerzen.

„Ich glaube, es ist etwas Schlimmes passiert“, sagte Gill zu Berger und gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass Bledsoe einen Milzriss erlitten haben könnte.

Berger wusste, dass Bledsoe der wichtigste Mann der Patriots war, das Gesicht der Franchise.

„Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus?“, fragte Berger.

„Wir verfrachten ihn jetzt in einen Krankenwagen“, erwiderte Gill.

„Ich bin auf dem Weg.“

Der Ersatz-Quarterback der Patriots, Tom Brady, benutzte den Spind neben dem von Bledsoe in der Mannschaftsumkleide. Während er sich nach dem Spiel umzog, beobachtete Brady, wie das medizinische Personal Bledsoe aus dem Trainingsraum brachte. Brady war 24 und hatte gerade seine zweite Saison in der NFL begonnen. Auf dem College hatte er schon einige schwere Zusammenstöße miterlebt, aber noch keinen wie den, den Bledsoe erlitten hatte. Und zu sehen, wie sein Freund und Mentor auf eine Trage gelegt und in einen Krankenwagen gebracht wurde, bereitete ihm große Sorgen. Brady und Bledsoe standen sich nahe. Er war oft bei Bledsoe zu Besuch, und Maura kochte ihm häufig Abendessen. Er hatte das Gefühl, zur Familie zu gehören.

Rasch zog Brady sich an und fuhr direkt vom Stadion ins Krankenhaus. Es war sein erster Besuch im Mass General. Da man ihn in Boston nicht kannte, hatte er Schwierigkeiten, an den Sicherheitsleuten auf der Krankenstation vor der Trauma-Abteilung vorbeizukommen. Er musste das Krankenhauspersonal davon überzeugen, dass er Drew Bledsoes Ersatzmann war. Schließlich gelang es ihm, und er folgte den Schildern bis in den Warteraum, wo er Maura vorfand, allein und weinend.

Brady schloss sie in die Arme. „Was ist hier los?“, fragte er.

Maura wischte sich die Augen und brachte ihn auf den neuesten Stand. „Sie überlegen, ob ein Eingriff gemacht werden sollte, um die Arterie zu reparieren“, sagte sie. „Wenn die Blutung nicht von allein aufhört, könnte es das Ende seiner Karriere bedeuten.“

Brady konnte nicht glauben, was er da hörte.

Am Ende des Ganges stand Robert Kraft mit einem der Teamärzte zusammen, der die Situation genau beobachtete. Kraft wollte wissen, wie die Prognose aussah. Der Arzt war direkt. Der Treffer von Mo Lewis habe zu einer Verletzung geführt, wie er sie noch nie bei einem Profi-Sportler gesehen habe, erklärte er. Als Lewis gegen Bledsoe prallte, brach er ihm mehrere Rippen, obwohl Bledsoe eine Schutzweste trug. Die unregelmäßigen Kanten der gebrochenen Rippen rissen eine Arterie in Bledsoes Brust auf, was zu inneren Blutungen führte. Die offizielle medizinische Diagnose lautete, dass Bledsoe einen Hämothorax erlitten hatte – eine Blutansammlung im Raum zwischen der Brustwand und der Lunge. Ungefähr 50 Prozent des Blutes, das in Bledsoes Körper zirkulierte, sickerte schließlich in seinen Brustkorb und musste drainiert werden. Außerdem hatte er einen Pneumothorax – eine kollabierte Lunge. Offenbar hatte eine seiner gebrochenen Rippen ein Loch hineingestoßen.

Der Arzt sagte Kraft, dass Bledsoe hätte sterben können.

Kraft war fassungslos und hatte Mühe, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Bledsoe war wie ein Sohn für ihn. Kraft bezweifelte, dass er jemals wieder Football spielen würde. Er fasste sich und informierte Belichick, der ebenfalls direkt aus dem Stadion in die Klinik gekommen war. Belichick hatte schon viele schwere Verletzungen gesehen. Aber Bledsoes war die schlimmste. In diesem Augenblick dachte er nicht an Football. Er hoffte nur, dass Bledsoe durchkommen würde.

Entschlossen, so lange zu bleiben, bis Bledsoe stabil genug war, um Besucher zu empfangen, begaben sich Kraft und Belichick in einen Wartebereich. Es würde eine lange Nacht werden.

Gegen Mitternacht teilten die Krankenschwestern Kraft, Belichick und Brady mit, dass sie Bledsoe sehen könnten. Er schlief, als sie leise in sein Zimmer kamen und an sein Bett traten. Das Blut floss noch immer aus dem Schlauch in seiner Brust durch die Maschine und zurück in eine seiner Venen. Im Arm hatte er einen intravenösen Zugang. Maura saß neben ihm und streichelte sanft seine rechte Hand. Kraft, Belichick und Brady standen nahe beieinander links von Bledsoe.

Nach ein paar Minuten öffnete Bledsoe die Augen. Benommen und desorientiert fiel sein Blick zuerst auf Maura. Sie lächelte und drückte seine Hand. Dann drehte er den Kopf nach links und bemerkte Mr. Kraft, Coach Belichick und Tommy, die auf ihn hinabblickten. Verwirrt und noch immer unter der Wirkung starker Schmerzmittel, war er sich nicht sicher, warum sie dort waren. Für ihn sahen sie aus wie eine Vision aus einer anderen Zeit und einem anderen Ort.

Zu diesem Zeitpunkt besaß Kraft eine Mannschaft, die noch nie eine Meisterschaft gewonnen hatte. Belichicks Gesamtbilanz mit den Patriots war 5 : 13. Brady war noch nie zu Beginn eines NFL-Spieles dabei gewesen. Es war unvorstellbar, dass Bledsoe gerade die Keimzelle der größten Sportdynastie der Neuzeit anstarrte.

  1  

ENDSPIEL

Das Gillette Stadium war menschenleer. Die Torpfosten waren entfernt worden, die Anzeigetafeln ausgeschaltet. Bei Sonnenschein und blauem Himmel wirkte die Heimat der größten Sportdynastie des 21. Jahrhunderts so heiter wie der Walden Pond. Tom Brady saß in Jeans, einem weißen T-Shirt und Sneakers in seiner Luxusloge. Der berühmteste Quarterback in der Geschichte der NFL stand allein an dem Ort, an dem seine Familie an Spieltagen saß, um ihm zuzusehen, und blickte auf das Spielfeld und die 65.000 leeren Sitze, die es umgaben. Es war kurz vor zwölf Uhr am Sonntag, dem 1. September 2019, eine Woche, bevor die New England Patriots ihr sechstes Superbowl-Banner vor dem Saisonauftakt gegen die Pittsburgh Steelers enthüllen würden. In einem seltenen Moment der Einsamkeit dachte Brady darüber nach, dass dies wahrscheinlich seine letzte Saison in New England sein würde.

Einen Monat zuvor war er 42 Jahre alt geworden und damit der älteste Football-Spieler in der modernen Geschichte, der eine Meistermannschaft anführte. Am Tag nach seinem Geburtstag hatte er einen neuen Dreijahresvertrag mit den Patriots unterzeichnet. Lange Zeit hatte er gesagt, dass er bis zu seinem 45. Lebensjahr spielen wolle. Sein neuer Vertrag enthielt jedoch eine ungewöhnliche Klausel, die besagte, dass der Vertrag nach der kommenden Saison 2019 automatisch enden würde. Dann wäre Brady ein Free Agent mit der Option, erneut bei den Patriots zu unterschreiben, sich zur Ruhe zu setzen oder sich einem anderen Team anzuschließen. Die Ungewissheit, was Bradys Pläne nach der kommenden Saison betraf, lastete schwer auf dem Verband. Unter Sportjournalisten, Football-Fans und Teamoffiziellen in der gesamten NFL herrschte Einigkeit darüber, dass Brady New England niemals für ein anderes Team verlassen würde. Doch Brady und der Besitzer der Patriots, Robert Kraft, hatten eine Ausstiegsklausel ausgehandelt, die ihm genau das ermöglichte.

Brady sah in Kraft einen Mentor, einen Vertrauten und eine Vaterfigur. Seine Beziehung zu Kraft war der Grund, warum er so lange bei den Patriots geblieben war. Kraft seinerseits hatte Brady lange wie einen Sohn behandelt. Die emotionale Bindung zu seinem Quarterback war so eng, dass Kraft, als Brady die dreißig erreichte, das nächste Jahrzehnt damit verbrachte, alles zu tun, um Cheftrainer Bill Belichick davon abzuhalten, sich von ihm zu trennen. Obwohl Belichick und Brady das beste Trainer-Quarterback-Duo der Geschichte waren, hatten sie sich voneinander entfernt. Sie waren die NFL-Version von Lennon und McCartney. Belichick war das introvertierte Genie, das wenig Worte machte und Menschen mit seinem Blick einschüchterte. Brady war der Perfektionist, der mehr arbeitete als alle anderen und Anerkennung brauchte. Außerhalb des Spielfeldes sprachen sie kaum miteinander. Aber wenn Belichick ein Headset und Brady einen Helm aufsetzte, waren sie auf derselben Wellenlänge, die es ihnen ermöglichte, Gipfel zu erreichen, die alle anderen nur bestaunen konnten. In den 17 Spielsaisons, in denen Brady auf dem Feld und Belichick an der Seitenlinie stand, gewannen sie 16 AFC-Titel, nahmen an neun Superbowls teil und gewannen sechs Meisterschaften. Sie mussten nicht befreundet sein, um die Patriots als die am meisten beneidete Mannschaft der Liga zu etablieren und den Maßstab zu setzen, an dem jedes zukünftige Sportteam gemessen werden würde.

Das Letzte, was Kraft wollte, war, dass Brady und Belichick sich trennten und Brady seine Karriere in einem anderen Trikot beendete. Aber es war Krafts Entscheidung, Brady die Möglichkeit zu geben, die Patriots am Ende der Saison 2019 zu verlassen. Er wusste, dass nach einem solch epochalen Lauf die beiden größten Stars des Spieles es leid waren, auf derselben Bühne zu agieren. Kraft spürte: nur, wenn er Brady die Möglichkeit gab, über seine Zukunft selbst zu bestimmen, bestand die Hoffnung, die Band über 2019 hinaus zusammenzuhalten. Wenn er die Freiheit hatte, zu gehen, würde er sich vielleicht dagegen entscheiden.

Doch Brady hatte bereits einen Teil der Vorbereitungen für seinen Weggang getroffen. Zu Beginn des Sommers hatten er und seine Frau einen Makler gefunden, einen Vertrag unterzeichnet, eine Marktanalyse für ihr Haus erstellen lassen, die Immobilie fotografieren lassen und das Inserat vorbereitet. Weniger als 24 Stunden, nachdem Brady seine einjährige Vertragsverlängerung mit den Patriots unterschrieben hatte, kam sein Haus in Boston auf den Markt.

Als er in seiner Box stand, spürte Brady eine überströmende Dankbarkeit. Als er ein kleiner Junge war, war Joe Montana sein Held gewesen. In New England hatte er Dinge erreicht, von denen Montana nur geträumt hatte. Brady hatte geheiratet, drei Kinder großgezogen, ein Haus gebaut, sein eigenes Unternehmen gegründet und mehr Meisterschaften gewonnen als jeder andere in der Geschichte der NFL. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er noch einmal einen Blick auf das leere Stadion warf, in dem er sich von einem frischgebackenen College-Absolventen zu einem Mann mittleren Alters entwickelt hatte. „Wie ist das alles passiert?“, fragte er sich.

Er sah auf seine Uhr. Es war Zeit, sich auf das Training vorzubereiten. Er kehrte dem Spielfeld den Rücken und konzentrierte sich auf die Steelers, verließ seine Loge und ging in die Umkleidekabine. Er war begierig darauf, seine zwanzigste Saison in New England zu beginnen.

So kurz vor der Saison 2019 hatte Bill Belichick nur eines im Sinn: den Gewinn der nächsten Meisterschaft. Er war von den Chancen seiner Mannschaft überzeugt. Der Kader war reich an geistig und körperlich robusten Jungs, die wussten, was nötig war, um zu gewinnen. Aber Belichick, der inzwischen 69 war, hörte nie auf, nach Spielern zu suchen, die die Patriots besser machen könnten. Und am Samstag, den 6. September 2019, sah er einen, der sofort sein Interesse weckte. An diesem Morgen forderte der Wide Receiver der Oakland Raiders, Antonio Brown, auf Instagram das Team auf, ihn aus seinem Vertrag zu entlassen. Innerhalb weniger Stunden kamen die Raiders seinem Wunsch nach. Und um elf Uhr vormittags bestätigte die Liga, dass Brown um vier Uhr nachmittags bei einem anderen Team unterschreiben könnte. Belichick begann sofort zu telefonieren, um Informationen zu sammeln.

Brown galt als der talentierteste Wide Receiver der Liga. In sechs aufeinanderfolgenden Saisons fing er in Pittsburgh mehr als 100 Pässe und erzielte mehr als 1.200 Receiving Yards, was ihn zum erfolgreichsten Receiver in der Geschichte der Steelers machte. Doch am Ende der Saison 2018 lag Brown in offenem Streit mit Quarterback Ben Roethlisberger und wurde zu einem derartigen Störfaktor in der Umkleidekabine, dass das Team ihn 2019 nach Oakland verkaufte. Nachdem die Raiders Brown einen Dreijahresvertrag über 54 Millionen Dollar angeboten hatten, kündigte er an, dass er in Oakland eine „gute Kraft“ sein würde. Dann tauchte er am ersten Tag des Trainingslagers in einem Heißluftballon auf. Von da an ging es bergab. Er begann, beim Training zu fehlen. Er geriet in eine Auseinandersetzung mit der Liga, weil er einen Helm tragen wollte, der aus Sicherheitsgründen verboten worden war. Das Team bestrafte ihn mehrfach wegen Abwesenheit. Schließlich kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Brown und dem General Manager des Teams, woraufhin die Raiders ihn für den Saisonauftakt suspendierten. Das war der Zeitpunkt, an dem sich Brown in den sozialen Medien zu Wort meldete und erklärte, er wolle aus seinem 54-Millionen-Dollar-Vertrag aussteigen.

Belichick erkannte, dass Brown launenhaft war. Innerhalb eines Sommers hatte er es geschafft, bei zwei Mannschaften nicht mehr willkommen zu sein. Die größte Schwachstelle der Patriots auf dem Weg ins Jahr 2019 waren jedoch ihr Receiver. Der Spieler, den Brady am liebsten anspielte, Tight End Rob Gronkowski, hatte in der Offseason aufgehört. Und obwohl sie immer noch Julian Edelman hatten, gab es unter ihm eine Menge Fragezeichen in der Depth Chart. Brown als Ergänzung würde die Sache grundlegend ändern und die Offensive der Patriots nahezu unaufhaltsam machen.

Normalerweise hatte Belichick volle Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl der Spieler. Aber er wusste, in bestimmten Fällen brauchte er den Segen des Besitzers. Die Verpflichtung des umstrittensten Spielers in der NFL fiel sicherlich in diese Kategorie.

Belichick griff nach seinem Telefon.

Obwohl Samstag war und das Front Office der Patriots geschlossen, saß der 78-jährige Robert Kraft an seinem Schreibtisch. Gut 24 Stunden vor der Heimpremiere erledigte er seine Korrespondenz und führte Telefonate. Die Fernsehbildschirme an seiner Wand waren auf eine Vielzahl von Nachrichten-, Wirtschafts- und Sportkanäle eingestellt. Antonio Browns Bild erschien auf ESPN und dem NFL Network, während die Kommentatoren beider Sender darüber spekulierten, wo der Receiver landen könnte. Kraft schaltete den Ton ab. In dem Moment, in dem die Raiders Brown entließen, erwartete Kraft einen Anruf von Belichick. Nachdem er so lange mit ihm zusammengearbeitet hatte, wusste er, wie Belichick tickte.

Belichicks erstes Spiel als Cheftrainer der Patriots war gegen die Tampa Bay Buccaneers gewesen, im Foxboro Stadium am 3. September 2000. An diesem Morgen überreichte Belichick Kraft ein Geschenk – ein gerahmtes Foto von Ted Williams und Babe Ruth. Dabei war eine handschriftliche Nachricht.

Robert,

danke, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, Ihr Team zu trainieren. Hoffen wir, dass wir genauso erfolgreich sein werden wie diese beiden Jungs.

Bill

Die Patriots verloren an jenem Tag. In der folgenden Woche verloren sie erneut. Und in der Woche danach. Und in der Woche danach. Es wurde Oktober, bis Belichick in New England seinen ersten Sieg als Trainer errang. Seine Debütsaison verlief nicht gerade wie geplant. Die Patriots belegten mit 5-11 Punkten den letzten Platz in der Liga. Sowohl Belichick als auch Kraft gerieten unter Beschuss. „Ich würde Belichick nicht engagieren, um einen Burger King zu leiten“, sagte damals ein beliebter Bostoner Talkshow-Moderator. Ein bekannter Sportkolumnist schrieb: „Wenn der Besitzer der Pats nicht erkennen kann, warum Belichick der falsche Mann für seine Mannschaft ist, ist das Team dem Untergang geweiht.“

Kraft hielt zu Belichick. In den folgenden 18 Jahren erzielte Belichick die höchste Gewinnquote (.685), die ein Profi-Football-Trainer jemals erreicht hat, und wurde der einzige Head Coach, der sechs Superbowls gewann. Während dieser 18 Jahre haben die anderen drei Teams in der Division der Patriots – die Jets, Bills und Dolphins – insgesamt 24 Cheftrainer erlebt. Dank der Kontinuität und Effizienz, die aus der Partnerschaft zwischen Kraft und Belichick resultierten, waren die Patriots der Konkurrenz immer einen Schritt voraus.

Das Foto von Williams und Ruth hing noch immer in Krafts Büro an der Wand, obwohl die Tinte auf dem Zettel verblasst war. Kraft starrte auf das Bild, als sein Handy um zwei Uhr nachmittags klingelte.

Belichick hatte die Dinge in die Hand genommen. Seiner Meinung nach könnte er Brown einen Einjahresvertrag geben. Er würde 15 Millionen Dollar kosten – 10 Millionen Dollar als Antrittsprämie und 5 Millionen Dollar als Grundgehalt. Aber wenn er das tun wollte, musste er schnell handeln. Andere Teams waren ebenfalls auf der Jagd.

„Er würde uns zweifellos sehr helfen“, sagte Belichick zu Kraft.

Der sprach Browns unberechenbares Verhalten an.

„Ich glaube nicht, dass der Umgang mit ihm wirklich so schwierig ist“, sagte Belichick. „Schau, in der Vorsaison hat er nicht viel trainiert. Aber er würde uns helfen. Glaub mir.“

„Kennst du ihn?“, fragte Kraft.

„Ich habe keine direkte Beziehung zu ihm“, sagte Belichick.

„Das ist also das Risiko“, sagte Kraft.

„Darüber mache ich mir eigentlich keine Sorgen“, sagte Belichick.

„Ich glaube, in der Vergangenheit gab es eine Anschuldigung wegen häuslicher Gewalt“, sagte Kraft. „Was ist dabei herausgekommen?“

„Er ist ein ziemlich guter Junge“, sagte Belichick. „Er trinkt nicht. Raucht nicht. Mir ist nichts von häuslicher Gewalt bekannt.“

Belichick bekam noch einen weiteren Anruf. Er stammte vom General Manager der Raiders, Mike Mayock. „Lass mich das annehmen“, sagte er zu Kraft. „Ich rufe dich wieder an.“

Kraft saß an seinem Schreibtisch und überlegte, welches Für und Wider es gab, wenn er Brown auf seine Gehaltsliste setzte. Seiner Meinung nach passten Browns Verhaltensmuster nicht zur Marke der Patriots. Aber es gab noch andere Faktoren zu berücksichtigen. Kraft war sich nicht sicher, ob Brady in ein oder zwei Jahren gehen würde, aber er wusste, dass es unmöglich sein würde, das zu wiederholen, was in Foxborough in den letzten 19 Jahren geschehen war. Sein wichtigstes Ziel war es, den Zauber noch ein wenig zu verlängern.

Er rief Brady an.

Brady war zu Hause und sah sich das Football-Spiel der Michigan Army an. Als er Krafts Namen auf dem Display sah, stellte er den Ton leiser. Er hörte aufmerksam zu, als Kraft ihm erzählte, dass er und Belichick erwogen, Antonio Brown zu verpflichten.

„Was meinst du?“, fragte Kraft.

Brady wusste es zu schätzen, dass er gefragt wurde. Dass wichtige Personalentscheidungen, die die Offensive betrafen, gefällt wurden, ohne seine Meinung dazu zu hören, hatte ihn in den letzten Jahren oft ungemein frustriert. Eine Woche zuvor hatte Belichick Backup Quarterback Brian Hoyer und den altgedienten Receiver Demaryius Thomas entlassen. Brady verstand sich gut mit Hoyer, der älter war und Frau und Kinder hatte. Brady hielt ihn für einen wichtigen Bestandteil der Offensive. Und da es den Patriots bei den Wide Receivern an Auswahl mangelte, hätte Brady es vorgezogen, einen erfahrenen Receiver wie Thomas ebenfalls im Kader zu behalten. Es ärgerte ihn, dass er nach zwei Jahrzehnten als Quarterback des Teams immer noch nicht miteinbezogen wurde, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden sollten. Daher schätzte er es, dass Kraft ihn um Rat fragte, ob er Antonio Brown verpflichten sollte.

„Ich bin voll dafür“, sagte er zu Kraft. „Hundertprozentig.“

„Du würdest es also hundertprozentig unterstützen?“, fragte Kraft.

„Tausend Prozent!“, sagte Brady.

Das letzte Mal, dass er einen Wide Receiver mit Browns Talent hatte, war, als Belichick 2007 Randy Moss eintauschte. In jenem Jahr stellte Brady einen NFL-Rekord für Touchdown-Pässe und Moss einen NFL-Rekord für Touchdown Receptions auf. Für Brady war die Aussicht, zu Brown zu werfen, ein Grund, sich zu freuen.

„Nun, das hast du verdient“, sagte Kraft.

Brady war so begeistert, dass er es kaum erwarten konnte, mit Brown auf das Trainingsfeld zu gehen.

„In Ordnung“, sagte Kraft. „Dann machen wir das so. Bis später.“

Kraft rief sofort seinen 55-jährigen Sohn Jonathan an. Jonathan Kraft, klug und loyal, war Präsident des Teams, seit sein Vater die Mannschaft 1995 gekauft hatte. Er war für seinen Vater, was Bobby Kennedy für JFK war – sein engster Vertrauter. Die Krafts hatten schon früher darüber gesprochen, dass Belichick es vermutlich auf Brown abgesehen hatte. Jetzt hörte Jonathan zu, als sein Vater ihm erklärte, dass alles ins Rollen gekommen sei und er Brady bereits eingeweiht habe.

„Es ist riskant“, sagte Robert. „Bill kennt Brown nicht. Wenn Tom nicht ganz sicher gewesen wäre, würde ich es nicht tun.“

Jonathan stimmte mit ihm überein, dass es wichtig sei, Brady an Bord zu haben. Er teilte auch die Bedenken seines Vaters in Bezug auf Browns Unberechenbarkeit. Aber Belichick war der ausgleichende Faktor. Er hatte eine lange Erfolgsbilanz, wenn es darum ging, umstrittene Spieler nach New England zu holen und sie dazu zu bringen, sich anzupassen.

Wenige Minuten später rief Belichick Kraft zurück. Er hatte mit den Raiders gesprochen. Er versicherte Kraft, dass es den Patriots freistehe, den Vertrag mit Brown abzuschließen.

„Bist du dazu bereit?“, fragte Kraft.

„Ja“, sagte Belichick.

Kraft zögerte. Er war immer noch unsicher, ob er Brown unter Vertrag nehmen sollte. Aber er wollte Brady unbedingt über 2019 hinaus in New England halten. Und die Uhr tickte.

„Mach den Deal“, sagte er zu Belichick.

Am nächsten Tag kam Antonio Brown in New England an, ein sechstes Superbowl-Banner wurde im Gillette Stadium gehisst, und zum Saisonbeginn schlugen die Patriots die Steelers. Aber dann ging die Sache mit Brown schief, wie wir sehen werden. Die Saison – die zwanzigste, die Kraft, Belichick und Brady gemeinsam verbrachten – verlief frustrierend. Sechs Wochen nach ihrem Ende verließ der Quarterback der größten Sportdynastie des 21. Jahrhunderts die Patriots und schloss sich den Tampa Bay Buccaneers an. Mit dem Abgang des meistverehrten Sportlers in der Geschichte Bostons ging eine goldene Ära zu Ende, wie sie die Football-Welt noch nie erlebt hatte. Die Art und Weise, wie sie endete, verlieh Bradys Frage aus der Luxusloge noch mehr Bedeutung: Wie ist das alles passiert? Wie wurde die Dynastie aufgebaut? Wie konnte sie zwei Jahrzehnte lang überleben? Als sich Belichick und Brady trennten, stellte sich die Sportwelt ebenfalls die Frage: Warum endete es auf diese Weise?

Die Antworten erwiesen sich als komplex. Und wenn man die Ursprünge einer unglaublichen Reise finden will, beginnt man am besten ganz am Anfang.

  2  

BOBBY

The Peppermint Twist“ von Joey Dee & The Starliters lief im Radio, und der Astronaut John Glenn war auf der Titelseite des Life-Magazins zu sehen, als der zwanzigjährige Robert Kraft am 2. Februar 1962 kurz vor Mitternacht in Ken’s Coffee Shop im Bostoner Stadtteil Back Bay einkehrte. Er war übers Wochenende von der Columbia University nach Hause gekommen und mit drei Studienkameraden unterwegs, die sich mit Spitznamen anredeten – Moose, Pig und Snake. Kraft war einfach „Bobby“. Er war der Anführer. Trotz der späten Stunde war der Coffeeshop gut besucht. Während die anderen Jungs auf die Speisekarte schauten, konnte Kraft seine Augen nicht von dem Mädchen lassen, das vor ihnen in der Schlange stand. Ihr dunkles Haar wurde von einem Band gehalten, und sie trug einen Pullover mit Zopfmuster, einen wadenlangen Rock, dazu Kniestrümpfe und ein Paar Weejuns Penny Loafers. Sie war mit einem jungen Mann und einem anderen Paar unterwegs. Als ihr Begleiter aus der Reihe trat, um auf die Toilette zu gehen, versuchte Kraft, ein Gespräch zu beginnen.

„Gehst du auf die Barnard?“, fragte er.

Sie sah ihn an. „Nein, ich gehe auf die Brandeis.“

Das Mädchen in der Preppy-Kleidung schien an seinem Small Talk nicht interessiert zu sein.

Kraft beobachtete, wie sie und ihre Freunde sich in eine Sitzecke drängten, und er führte seine Freunde in die daneben. Nachdem er ein paarmal Blickkontakt mit dem Brandeis-Mädchen aufgenommen hatte, flüsterte Kraft in Mooses Ohr: „Finde heraus, wie sie heißt.“

Moose war nicht nur ein kräftiger Football-Spieler, sondern auch sehr kontaktfreudig. Er beugte sich über die Zwischenwand und fragte einfach. Dann kritzelte er MYRA HYATT auf eine Papierserviette und schob sie über den Tisch. Kraft steckte sie in seine Tasche.

Als Myra aufstand, um zu gehen, zwinkerte Kraft ihr zu, und sie zwinkerte zurück.

Am nächsten Morgen rief Kraft die Telefonzentrale von Brandeis an und bat darum, mit dem Zimmer von Myra Hyatt verbunden zu werden. Er buchstabierte ihren Nachnamen für die Telefonistin.

„Es tut mir leid“, sagte die Telefonistin. „Hier gibt es niemanden mit diesem Nachnamen.“

Kraft dachte, dass Moose ihren Namen falsch geschrieben haben musste.

„Nun, ihr Vorname ist Myra“, sagte er der Telefonistin. „Vielleicht fangen Sie oben bei den H’s an und schauen nach, ob es eine Myra gibt.“

„Es gibt eine Myra Hiatt, geschrieben H-I-A-T-T“, sagte die Telefonistin.

„Das ist sie“, sagte Kraft.

Sie stellte die Verbindung her. Wenige Augenblicke später antwortete Hiatts Mitbewohnerin. Sie sagte Kraft, dass Myra in der Bibliothek sei und lerne. Er dankte ihr und legte auf.

Keines der Mädchen, mit denen er ausgegangen war, hätte man in der Bibliothek angetroffen, wenn sie an einem Freitagabend lange unterwegs gewesen war. Obwohl er der Sprecher seiner Klasse an der Columbia University und ein ausgezeichneter Student war, konnte er nicht umhin, sich zu fragen, ob Myra Hiatt zu ernsthaft für ihn war.

Doch er ließ sich nicht abschrecken, überredete seinen Onkel, ihm für ein paar Stunden sein Auto zu leihen, fuhr nach Brandeis, fand die Bibliothek und durchsuchte alle Arbeitsbereiche. Keine Myra. Entmutigt machte sich Kraft auf den Weg zur Tür. Auf dem Weg nach draußen traf er einen Freund, der an der Brandeis University studierte. Er fragte ihn, ob er zufällig ein Mädchen namens Myra kenne. Der Freund nickte und winkte Kraft, ihm zu dem einzigen Bereich zu folgen, den er noch nicht überprüft hatte – zu den Regalen, neben denen Hiatt ihre Nase in ein Buch gesteckt hatte.

Kraft bedankte sich bei seinem Freund und näherte sich Hiatt.

„Hallo“, sagte er.

Sie sah auf und erkannte ihn sofort.

Er stellte sich als Junior vor, Student im dritten Jahr an der Columbia. Sie sagte ihm, sie sei Studentin im zweiten Jahr.

„Ich würde gern heute Abende mit dir ausgehen“, sagte er leise.

„Ich kann nicht“, flüsterte sie.

„Warum nicht?“

„Mein Freund kommt heute von einem Skiausflug nach Hause und wir gehen am Abend aus.“

Kraft schwieg. Plötzlich wurde ihm alles klar. Ihr Freund konnte es sich leisten, an den Wochenenden in Vermont Ski zu fahren. Myra Hiatt war eine Nummer zu groß für ihn und bereits vergeben. Das waren zwei wichtige Punkte, die gegen ihn sprachen. Am klügsten wäre es jetzt, sich würdevoll zu verabschieden und weiterzuziehen.

Doch was dann in der Brandeis-Bibliothek geschah, war ein Vorgeschmack dessen, wie und warum Robert Kraft eines Tages eine Reihe von unvorstellbaren Taten vollbringen würde – die Übernahme der New England Patriots am Ende einer zehnjährigen juristischen und finanziellen Odyssee, die Wahl Bill Belichicks als Cheftrainer trotz wiederholter Warnungen, dass dies ein schwerer Fehler wäre, und Tom Brady davon zu überzeugen, zwanzig Jahre in Folge als Quarterback in New England zu bleiben. Ausdauer, Instinkt und Überzeugungskraft – die drei Qualitäten, die es Kraft ermöglichten, die am längsten bestehende Dynastie in der Geschichte des amerikanischen Mannschaftssports aufzubauen und zu erhalten – waren Teil seiner DNA, lange bevor jeder seinen Namen kannte.

Kraft zog einen Stuhl heran, setzte sich und sah Hiatt an. „Hör mal“, sagte er zu ihr, „ich habe viel Mühe und Anstrengungen auf mich genommen, um hierherzukommen und dich zu finden. Ich würde heute Abend wirklich gern ausgehen.“

Für Hiatt war es nicht so sehr das, was er sagte, sondern wie er es sagte, das sie überzeugte. Er drängte sie nicht. Seine Stimme klang sanft. Während er sprach, sah er ihr die ganze Zeit in die Augen. Und trotz seiner unverblümten Direktheit wirkte er erfrischend ernsthaft, ja, geradezu verletzlich.

Während er sprach, überschlugen sich Hiatts Gedanken. Sie war seit vier Jahren mit demselben Jungen zusammen. Sie waren seit der Mitte der Highschool ein Paar. Aber sie spürte, dass der junge Mann, der ihr am Abend zuvor im Café zugezwinkert hatte und ihr nun in die Augen sah, anders war. Seine Beharrlichkeit hatte etwas Charmantes an sich. Ich meine, er hat mich in der Bibliothek aufgespürt! Wer tut so etwas?

Neugierig geworden, ging Hiatt zurück in ihr Wohnheim und rief ihre Mutter an, die sich bereit erklärte, den Freund anzurufen und sich eine Geschichte auszudenken, warum Myra an diesem Abend nicht ausgehen konnte.

Kraft kehrte später am Abend zurück und ging mit Hiatt in eine Pizzeria in Cambridge, wo sie sich zwei Stunden lang unterhielten. Kraft löcherte sie mit Fragen. Wo bist du aufgewachsen? Was studierst du? Hast du Pläne für die Zeit nach dem Studium? Was ist mit deiner Familie?

Hiatt wurde 1942 geboren und wuchs in Worcester auf. Ihr Vater, Jacob Hiatt, sprach fünf Sprachen fließend und war Bezirksrichter in Litauen gewesen. Zwei Jahre nach der Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler wanderte Jacob in die Vereinigten Staaten aus, wo bereits zwei seiner Brüder lebten. Jakobs Eltern, seine Schwestern und ein weiterer Bruder blieben in Litauen und wurden später durch den Holocaust getötet. Nachdem er sich in Massachusetts niedergelassen hatte, nahm Jacob einen Job im Geschäft seines Bruders an, wo er Schuhkartons herstellte. Später lieh er sich Geld, um eine kleine Kartonagenfirma zu kaufen, die die Kartons für das Schuhgeschäft seines Bruders lieferte. Aus Jacobs Unternehmen wurde schließlich die Rand-Whitney Corporation.

Aufgrund des Erfolgs ihres Vaters war Myra mit den Vorzügen eines privilegierten Lebens aufgewachsen. Sie besuchte Privatschulen, war sehr belesen und liebte das Theater. Sie war sehr modebewusst und liebte gutes Essen. Gleichzeitig lasteten die hohen Erwartungen ihrer Eltern auf ihr, vor allem in Bezug auf die Ausbildung. Ihr Vater war Kurator an der Brandeis University. Myra würde wahrscheinlich Jura studieren.

Während Kraft ihr zuhörte, musste er daran denken, wie sehr sich seine Erziehung von der ihren unterschied. Kraft war im Juni 1941 geboren als mittleres Kind einer eng verbundenen, konservativ-orthodoxen jüdischen Familie. Sie wohnten in der zweiten Etage eines dreistöckigen Hauses in einem Arbeiterviertel in Brookline, Massachusetts. In der ersten Etage wohnte seine Tante Zelda mit ihrer Familie. Die Hamburgers, jüdische Einwanderer aus Deutschland, wohnten im dritten Stock. Roberts Vater, Harry Kraft, verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Damenbekleidung in Übergrößen in einem Geschäft in der Nähe von Chinatown in Boston. Neben der Arbeit widmete Harry seine gesamte Zeit und Energie seiner Rolle als Präsident der bekanntesten Synagoge der Stadt. Er studierte jeden Morgen die Thora und jeden Abend die Bibel. Er sah niemals fern. Er besaß nie ein Auto. Und zeitlebens bestand er auf dem Zehnten, das heißt, er gab 10 Prozent seines Einkommens für wohltätige Zwecke an seine Synagoge. „Ein guter Name ist wichtiger als Öl oder Gold“, ermahnte er seine Kinder häufig.

Obwohl Harry Kraft gläubiger Jude war, heiratete er Sarah Webber, eine zierliche, blauäugige, blonde Frau aus Nova Scotia, die zwar als Jüdin geboren wurde, aber in einer nicht gläubigen Familie aufwuchs. Webber besuchte eine von Nonnen geleitete Schule und wuchs mit „God Save the King“ auf. Als unersättliche Leserin, die täglich zwei Schachteln rauchte und am jüdischen Sabbat gern allein zu Hause saß und Opern hörte, verwaltete Sarah Kraft die Familienfinanzen und prägte ihren Kindern ein, Wert auf Sparsamkeit, Manieren und Bildung zu legen. Sie hatte ein Schild in der Küche, auf dem stand: „Harte Arbeit, Ersparnisse und Beharrlichkeit sind die wichtigsten Dinge im Leben.“ Als Kind schaute der kleine Bobby Kraft jeden Morgen beim Frühstück auf dieses Schild.

Erst als Teenager begann Kraft zu begreifen, was es bedeutete, dass sein Vater, der so religiös war, eine Frau heiratete, die nicht gläubig war. Durch das Beispiel seines Vaters lernte Kraft, wie wichtig es ist, bedingungslos zu lieben, und dass Menschen, die sich als religiös bezeichnen, manchmal die meisten Vorurteile haben. „Mein Vater ist derjenige, der mir Spiritualität beigebracht hat“, wird Kraft später sagen. „Meine Mutter war härter. Meine geschäftlichen Erfolge beruhen auf dem, was sie mir beigebracht hat. Ich hatte Glück, Eltern wie sie zu haben.“

Nach der Pizza fuhr Kraft Hiatt zurück nach Brandeis und parkte das Auto vor ihrem Wohnheim. „Und was ist mit dir?“, fragte sie. „Was ist deine Geschichte?“

Anstatt zu erwähnen, dass seine Eltern weder ein Haus noch ein Auto besaßen, sprach Kraft über seine Ambitionen. Er war Sprecher seiner Klasse an der Brookline High School gewesen und wurde von seinen Kameraden an der Columbia in das gleiche Amt gewählt. Präsident John F. Kennedy war eines seiner Vorbilder. Er hatte sogar freiwillig an Kennedys Präsidentschaftskampagne teilgenommen. Politik gefiel Kraft, aber sein Vater wollte, dass er Rabbiner wird. Das belastete ihn sehr. Er erklärte, dass sein Vater in der jüdischen Gemeinde sehr beliebt war und jede Woche Hunderte von Kindern in der Religionsschule des Tempels Kehilleth Israel unterrichtete. Die Eltern der Kinder verglichen ihn mit Julie Andrews und der Trapp-Familie.

Auf keinen Fall wollte Kraft seinen Vater enttäuschen. „Er ist der großartigste Mann, den ich kenne“, sagte er zu Hiatt. Aber die Vorstellung, sein Leben als jüdischer Religionsführer zu verbringen, lockte Kraft nicht. Seine beiden größten Leidenschaften waren Sport und Wirtschaft. Er erzählte Myra, dass er nach seinem Abschluss die Harvard Business School besuchen wolle.

Sie redeten fast drei Stunden. Manchmal ließ er den Motor an, um das Auto zu heizen. Er schaltete auch das Radio ein. Als Hiatt die ersten Akkorde von „Moon River“ hörte, sagte sie: „Ich liebe diesen Song“ und griff nach dem Lautstärkeregler.

Frühstück bei Tiffany lief gerade in den Kinos, und Audrey Hepburns Figur Holly Golightly sang in dem Film eine akustische Version der romantischen Ballade. Der Hit erreichte die Spitze der Charts und wurde mit einem Academy Award und einem Grammy für den Song des Jahres ausgezeichnet. Als die Musik aus dem Autoradio ertönte, kannte Hiatt den ganzen Text und hatte keine Angst, mitzusingen.

Oh, dream maker, you heart breaker

Wherever you’re going, I’m going your way

Kraft war hingerissen und sah eine kleine Holly Golightly in Hiatt. Schön. Klug. Weltgewandt. Als er dasaß und zusah, wie Hiatts Lippen sich bewegten, fühlte er sich wie in einem Film. Ein Gefühl, von dem er nicht wollte, dass es endete.

Myra lehnte sich an die Beifahrertür und erwiderte seinen Blick. Sie konnte nicht ahnen, dass Bobby Kraft unendlich viel erfolgreicher werden würde als ihr Vater. Es war auch nicht vorstellbar, dass der Junge, der sich für eine Verabredung das Auto seines Onkels ausleihen musste, später mit Präsidenten und Premierministern Umgang pflegen und einige der größten Entertainer der Welt aus den Bereichen Sport, Musik und Film zu seinen Freunden zählen würde. Stattdessen ging sie von dem aus, was sie in jenem Moment empfand – dass der junge Mann am Steuer ein gewisses Flair hatte, wie jemand, der wusste, was er im Leben erreichen wollte. Sie sah ihn an und sagte: „Heirate mich.“

Kraft war sprachlos. Vorhin hatte er noch versucht herauszufinden, wie er sie zu einem Date überreden könnte, und jetzt machte sie ihm plötzlich einen Heiratsantrag. Und sie hatte keine Frage gestellt, sondern das einfach so gesagt. Zu jener Zeit ging Kraft mit verschiedenen Mädchen aus, und mit einer von ihnen schon eine ganze Weile regelmäßig. Aber keines dieser Mädchen hatte ihn jemals so verunsichert wie Myra. Bin ich gut genug für sie? Kann ich mit ihr mithalten? Er war sich nicht sicher. Aber er wusste, dass er sich noch nie so sehr zu einem Mädchen hingezogen gefühlt hatte.

Dennoch erschien ihm der Gedanke, sich bei einem ersten Date auf ein Eheversprechen einzulassen, völlig irrational. Alles an diesem Vorschlag – bis hin zu der Tatsache, dass er von ihr und nicht von ihm kam – war unkonventionell. Doch eine Stimme in seinem Inneren sagte ihm: Tu es. Er beschloss, nicht zu zögern.

In dieser Nacht versprachen sie einander, ihren Eltern nicht zu sagen, dass sie heiraten würden. Zumindest noch nicht. In der Zwischenzeit überreichte Kraft Hiatt das Abzeichen seiner Studentenverbindung als Zeichen ihrer informellen Verlobung. Sie heftete es an ihren BH, wo es sechs Monate lang blieb, bis Kraft die Sparbriefe einlöste, die er als 13-Jähriger zu seiner Bar Mitzwa erhalten hatte. Er verwendete das Geld, um einen Verlobungsring zu kaufen. Im Juni 1963, etwas mehr als ein Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten, heirateten sie, gleich als Kraft sein College-Studium abgeschlossen hatte. Für den Hochzeitstanz wählten sie den Song, den sie bei ihrem ersten Date im Radio gehört hatten.

Familie und Freunde sahen zu, wie Robert und Myra Kraft tanzten, während sie ihm etwas ins Ohr flüsterte:

Two drifters, off to see the world

There’s such a lot of world to see.

  3  

VÄTER UND SÖHNE

Myra Kraft stand an der Küchenspüle und sah aus dem Fenster, als ihr Mann in die Einfahrt ihres Hauses in Brookline einbog. Es war später Nachmittag an einem Frühlingstag im Jahr 1971.

„Papa ist zu Hause“, rief sie ihren Söhnen zu.

Der siebenjährige Jonathan, ältestes von vier Kindern, rannte zur Haustür, warf seine Arme um den Hals seines Vaters und küsste ihn auf die Wange.

„Komm her“, sagte Kraft leise, nahm seinen Sohn an die Hand und führte ihn ins Wohnzimmer. „Ich möchte dir etwas zeigen.“

Kraft hatte breite Koteletten und trug einen grauen Anzug von Brooks Brothers. Er stellte seine Aktentasche auf einen kleinen Beistelltisch und betätigte die vergoldeten, dreistelligen Zahlenschlösser zu beiden Seiten des Griffes. Jonathans Augen weiteten sich, als der Koffer aufsprang. Als er hineinschaute, entdeckte er perforierte Streifen aus glänzendem weißem Papier. Auf jedem war ein Miniatur-Footballhelm der Patriots eingeprägt.

„Das sind Dauerkarten für die Patriots in ihrer neuen Heimat“, sagte Kraft.

Jonathan stand der Mund offen, als er mit den Fingern über die glänzenden Eintrittskarten strich und die Helme der gegnerischen Mannschaften berührte: Oakland Raiders, Detroit Lions, Baltimore Colts, New York Jets.

Nur ein Jahr zuvor waren die Boston Patriots der National Football League beigetreten. Obwohl das Team mit 2 : 12 die schlechteste Bilanz der Liga aufwies, war Kraft optimistisch, was die kommende Saison ’71 betraf. Die Patriots hatten im Draft als Erste wählen dürfen und sich für den Stanford-Quarterback Jim Plunkett entschieden. Außerdem hatte das Team seinen Namen in New England Patriots geändert und zog in das neu errichtete Schaefer Stadium in Foxborough um.

„Wir haben Dauerkarten für die Patriots?“, fragte Jonathan.

Kraft nickte.

Für Jonathan war das Beste daran, dass er und seine Brüder die Sonntagnachmittage an Dads Seite verbringen konnten, um Dads Lieblingsmannschaft bei Dads Lieblingssport zu sehen.

In dieser Nacht konnten Jonathan und sein sechsjähriger Bruder Danny nicht schlafen. Auf ihrer Kommode lag eine aktuelle Ausgabe der Sports Illustrated mit Jim Plunkett auf dem Cover. Als das Licht schon aus war, sprachen sie in ihren Betten darüber, wie es sein würde, Plunkett aus der Nähe spielen zu sehen.

Plötzlich wurde ihr Geflüster durch Schreie unterbrochen.

„Du hast Tickets für Football-Spiele gekauft?“, rief Myra. „Was hast du dir dabei gedacht?“

Robert versuchte, es zu erklären.

„Das können wir uns nicht leisten“, sagte sie.

„Wir schaffen das schon“, erklärte er nachdrücklich.

„Und die Spiele sind sonntags“, fuhr sie fort. „Die Jungen müssen in die jüdische Sonntagsschule gehen.“

„Myra, ich gehe mit ihnen zu den Spielen, wenn die Sonntagsschule vorbei ist.“

Myra sah sich die Tickets an. Die Spielzeiten kollidierten mit dem Stundenplan der Schule. „Komm schon, Robert“, sagte sie.

Wenn Myra ihn Robert nannte, wusste er, dass er in Schwierigkeiten steckte.

Jonathan war zu jung, um etwas über die Familienfinanzen zu wissen oder darüber, wie sich die Sonntagsschule auswirken könnte. Er wusste nur, dass die Situation ziemlich ernst klang. Er hatte noch nie gehört, dass seine Mutter seinen Vater anschrie. Danny auch nicht.

„Ich glaube, Dad hat wirklich Mist gebaut“, flüsterte Danny.

Das erste Footballspiel wurde am 15. August 1971 im Schaefer Stadium ausgetragen. Es war ein Testspiel gegen die New York Giants. Das Spiel führte zu dem schlimmsten Verkehrsstau in der Geschichte von Massachusetts. Die einzige zweispurige Straße zum neuen Stadion war so verstopft, dass Tausende von Fans es nicht rechtzeitig zum Stadion schafften. Dennoch wurde der 20 : 14-Sieg der Patriots von Zehntausenden von Zuschauern verfolgt. Kraft und seine beiden ältesten Söhne saßen auf den Aluminiumbänken in Reihe 23 des Abschnitts 217 und jubelten so laut, dass sie fast ihre Stimmen verloren.

An diesem Tag hörten die achthundert Toiletten des Stadions auf zu spülen. Die Abflüsse liefen über, und auf den Tribünen herrschte ein übler Geruch. Die Trinkbrunnen fielen aus. Und es dauerte vier Stunden, um die dreißig Meilen nach Hause zu fahren. Kraft machte das nichts aus. Als 30-jähriger Vater konzentrierte er sich auf die unbezahlbaren Erinnerungen. Der Ausdruck auf den Gesichtern seiner Söhne, als sie zum ersten Mal ein NFL-Stadion betraten. Die Art, wie sie das Programmheft hielten, als wäre es ein Schatz. Und ihre kleinen Arme um seine Taille zu fühlen, wenn die Patriots einen Touchdown erzielten. Kraft arbeitete siebzig Stunden pro Woche, reiste immer wieder nach Kanada und versuchte, ein Unternehmen aufzubauen. Er wusste von Anfang an, dass die Patriots-Spiele mit seinen Jungs eine großartige Abwechslung zu all den anderen Dingen in seinem Leben sein würden.

Unmittelbar nach seinem Abschluss an der Business School hatte Kraft für seinen Schwiegervater in Worcester bei der Rand-Whitney Corporation gearbeitet, die Wellpappkartons und ausgefallenere Verpackungen wie Kosmetikschachteln herstellte. Drei Jahre später machte sich Kraft selbstständig und gründete eine kleine Kartonfabrik in Chelmsford, MA. Er fand bald heraus, dass das wahre Geld in der Papier- und Verpackungsindustrie im Material selbst lag, nicht in der Verarbeitung. Eines Tages las er im Wall Street Journal von einer staatlich geförderten, hochmodernen Papierfabrik, die in Neufundland und Labrador, der östlichsten Provinz Kanadas, errichtet wurde. Das Werk Labrador Linerboard versprach, „die neuesten Erkenntnisse in der Mechanisierung, der Verfahrenstechnik und dem Umweltschutz“ zu bieten. Nach ihrer Fertigstellung würde sie schwarzes Fichtenholz in braunes Papier, das sogenannte „Linerboard“, umwandeln, das gleiche Produkt, das Rand-Whitney in seinem Werk in Worcester für die Herstellung von Wellpappkartons benötigte. Kraft beschloss, gegen eine Reihe großer Unternehmen wie International Paper anzutreten, die sich um die Vermarktung der Produkte der neuen Fabrik bewarben.

Er war sich bewusst, dass die Fabrik Labrador Linerboard in der Lage war, 1.000 Tonnen braunes Papier pro Tag zu produzieren, und verpflichtete sich, entweder 200.000 Tonnen pro Jahr zu verkaufen oder die kanadische Regierung für das zu bezahlen, was er nicht verkaufen konnte. Sein kühnes „take or pay“-Angebot, bei dem keine der großen Papierfirmen mithalten konnte, überzeugte den Premierminister Neufundlands, Kraft als exklusiven Verkaufsvertreter für die Papierfabrik zu wählen. Nachdem Kraft den Auftrag in Kanada erhalten hatte, gründete er das Unternehmen International Forest Products (IFP), um die aus dem Werk kommenden Rohstoffe zu kaufen und zu verkaufen.

Innerhalb von sechs Monaten, nachdem Kraft sein Rohstoffhandelsunternehmen gegründet hatte, verhängte Präsident Richard Nixon Preisstopps für in den USA gemahlenes Papier. Zu dieser Zeit waren die Vereinigten Staaten der weltweit größte Hersteller von Linerboard. Da ausländische Importeure plötzlich händeringend nach alternativen Bezugsquellen für Linerboard suchten, erhielt Kraft Anrufe aus der ganzen Welt. Schon bald exportierte er Papier aus Neufundland nach London, Korea und in den Iran. Schließlich kamen Kunden in Spanien und Portugal hinzu. Er erweiterte sein Geschäft um den Transport von Rohstoffen und die Vergabe von Krediten an Hersteller in Entwicklungsländern. Ende der Siebzigerjahre wurde er der erste unabhängige Exporteur von braunem Papier nach China.

Kraft hatte so viel Erfolg bei IFP, dass er seinen Schwiegervater aufkaufte und die Rand Whitney Packaging Corporation übernahm. Im Alter von 31 Jahren besaß er zwei Unternehmen, die in der globalen Wirtschaft tätig waren.

Da ihr Mann so oft geschäftlich unterwegs war, freundete Myra Kraft sich schließlich mit der Idee an, dass ihre Söhne im Herbst die Sonntagnachmittage mit ihrem Vater im Schaefer Stadium verbrachten. „Mein Vater hat sie mit seiner einzigartigen Verkaufstechnik davon überzeugt, dass es in Ordnung ist“, sagte Dan Kraft. „Aufgrund seiner Erziehung war die Religion eine tragende Säule in seinem Leben. Er wusste, wie wichtig sie war. Aber er wusste auch, wie hart wir für unsere Bar Mitzwa arbeiteten, und er erkannte, dass wir auch Zeit brauchten, um Spaß zu haben.“

Am Samstagabend vor jedem Heimspiel schrieb Kraft Nachrichten an die Sonntagsschullehrerin seiner Söhne und legte sie vor dem Schlafengehen unter die Kopfkissen der Jungen.

Liebe Frau Cohen, bitte entschuldigen Sie Daniel ab 11:30 Uhr. Er hat eine familiäre Verpflichtung. Mit freundlichen Grüßen, Mr. Kraft

Für die Sonntage hatten sie eine perfekte Routine entwickelt. Um Punkt 11.15 Uhr ging Kraft in Provisers Delikatessengeschäft, das von der Schule aus um die Ecke lag, und bestellte „das Übliche“ – vier Sandwiches auf dicken Brötchen; zwei mit Corned Beef und zwei mit Roastbeef und Senf. Wenige Minuten später verließ er das Geschäft mit einer braunen Papiertüte und fuhr mit seinem dunkelgrünen Porsche 911S vor der Schule vor. Um 11.30 Uhr rannten Jonathan, Daniel und Josh aus dem Gebäude und sprangen in Dads Sportwagen, als wären sie auf der Flucht. Während Kraft nach Foxborough raste, stürzten sich die Jungs auf die braune Tüte. Wenn sie das Stadion erreichten, waren die einzigen verfügbaren Parkplätze eine Meile entfernt. Aber der Wachmann auf dem Parkplatz in der Nähe des Stadioneingangs reservierte immer einen Platz für Kraft. Der Mann war begeistert von Krafts Porsche, weil es sich um das gleiche Modell handelte, das Steve McQueen 1971 in seinem Film Le Mans fuhr. Kurz vor dem Anpfiff näherte sich Kraft dem Schild „Parkplatz besetzt“, steckte dem Wachmann einen Zwanzig-Dollar-Schein zu und fuhr auf den für ihn reservierten Platz. Wenige Augenblicke später schob er seine Jungs durch das Ticket-Drehkreuz, und dann jubelten sie drei Stunden lang mit den anderen Fans aus New England. Es war, als würden sie zu einer riesigen Familie gehören.

Als Krafts jüngster Sohn, David, alt genug war, ging auch er zu den Spielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kraft seine geschäftlichen Unternehmungen durch den Bau einer Produktionsstätte im Alborz-Gebirge im Iran und die Investition in ein Verpackungsunternehmen in Israel ausgeweitet, und es wurde ihm noch wichtiger, nach Hause zu kommen, um bei jedem Heimspiel der Patriots in Foxborough mit seinen Söhnen dabei zu sein. Diese Daten waren wie jüdische Feiertage fest im Kalender der Familie Kraft verankert.

Kraft flog 1980 sogar einmal mit seinen Söhnen nach Houston, um das Spiel der Patriots gegen die Oilers im Astrodome bei Monday Night Football zu sehen. Danny Kraft, der damals 15 Jahre alt war, hatte das seinem Vater vorgeschlagen, und Kraft machte daraus ein Wochenendabenteuer. Am Tag des Spieles besuchten Kraft und seine vier Jungs die Houston Galleria Mall, wo sie in einem Herrenbekleidungsgeschäft auf den Star der Patriots trafen, Tight End Russ Francis. Für die Jungen war die Begegnung genauso aufregend wie das Spiel.

„Wenn ich die Höhepunkte meiner Jugend benennen sollte, dann ist die Reise nach Houston eine meiner schönsten Erinnerungen“, sagte Jonathan. „Die Oilers hatten Earl Campbell, der eine mythische Figur war. Für ein Kind und Sportfan war der Astrodome das Coolste, was es je gab. Und wir trafen Russ Francis, der damals so groß wie Gronk war, und er war wirklich nett zu uns. Wegen dieser Reise verpassten wir ein paar Tage die Schule, worüber meine Mutter ganz außer sich war, aber so war mein Vater mit seinen Jungs, er tat das, was ihm am meisten Spaß machte.“

Für einen Mann, der in einer sehr religiösen Familie aufgewachsen war, mit einem Vater, der gehofft hatte, sein Sohn würde Rabbiner werden, schien Robert Kraft an einem weit entfernten Ort gelandet zu sein. In beruflicher Hinsicht war das sicherlich der Fall. Aber Krafts Verbindung zu seinen Söhnen über Football war eine Folge der engen Beziehung zu seinem eigenen Vater. Viel später in seinem Leben, nachdem ihm die Patriots 25 Jahre lang gehört hatten, wurde Kraft gefragt: „Was haben Sie als kleiner Junge am liebsten mit Ihrem Vater gemacht?“ Nach einigem Nachdenken antwortete er: „Das Alte Testament studiert. Wir gingen am Sabbat in den Gottesdienst, aßen zu Mittag, und danach lernten wir.“ Kurz dachte er über diese Erinnerung nach und fügte dann hinzu: „Zu jener Zeit hat es mir nicht wirklich gefallen, aber es war sehr gut. Damals war es mir nicht klar, aber die Lektionen, die ich lernte, sollten mir später in allen möglichen Situationen helfen, sowohl persönlich als auch beruflich.“ Rückblickend bewunderte Kraft seinen Vater für die Art und Weise, wie er sein Leben lebte und ihm eine Reihe von ethischen und spirituellen Überzeugungen vermittelt hatte.

Wie die meisten Jungen fand Kraft das Bibelstudium jedoch nicht sonderlich spannend. Seine Leidenschaft war der Sport, das Ausüben und Zuschauen, aber Sport wurde in seinem Elternhaus nicht gefördert. Obwohl er in Laufnähe zum Braves Field aufgewachsen war und als Kind viele Spiele der Braves besucht hatte, war er nie mit seinem Vater dort hingegangen. Erst als er selbst Söhne hatte, konnte er seine beiden Lieblingsbeschäftigungen miteinander verbinden – Sport und Zeit mit der Familie. In dieser Hinsicht repräsentierten die Patriots im Hause Kraft mehr als nur Football.

„Für uns war die Familie sehr wichtig“, sagte Jonathan Kraft. „Aber in unserer Familie stand nicht die Religion im Mittelpunkt. Nicht, dass wir nicht religiös gewesen wären. Das waren wir. Aber sie war nicht das Zentrum unseres Lebens. Ich glaube, mein Vater hat sich für Sport entschieden. Tatsächlich waren die Patriots das „religiöse“ Herzstück unserer Familie. Es begann damit, dass er uns früher aus der Sonntagsschule holte, um zu den Spielen der Patriots zu gehen.“

Wenn wir nur die Chance hätten, das Team zu besitzen. Das sagte sich Kraft unzählige Male, wenn er zusah, wie die Patriots sich durch verlustreiche Saisons quälten. Im Laufe der Jahre wurde immer deutlicher, dass die Mannschaft, die er und seine Jungs liebten, schlecht geführt wurde. „Während ich auf der Tribüne saß“, sagte Kraft, „träumte ich davon, was unsere Familie mit dem Team machen könnte.“

Das Problem war, dass sich das Team in den Händen einer anderen Bostoner Familie befand, die es über Generationen hinweg kontrollieren wollte. William „Billy“ Sullivan war seit der Gründung der American Football League im Jahr 1959 der Besitzer der Patriots. In jenem Jahr hatte Sullivan 25.000 Dollar aufgebracht und damit das Recht erworben, die Boston Patriots in die neu gegründete Liga zu bringen. Seitdem hielt er das Ruder in der Hand. Schließlich beförderte er seinen Sohn Chuck zum Executive Vice President der Patriots und seinen anderen Sohn, Patrick, zum General Manager.

Kraft lernte Billy Sullivan kennen und sagte ihm immer wieder dasselbe: „Sollten Sie sich jemals entscheiden, das Team zu verkaufen, hoffe ich, dass Sie mich anrufen und mir eine Chance geben.“

Sullivan rief nie an. Es gab für ihn einfach keinen Grund, zu verkaufen. Außerdem standen seine Söhne in den Startlöchern, um seine Nachfolge anzutreten.

Kraft kam zu dem Schluss, dass er nie eine Chance haben würde. Dann bekam er unerwartet Hilfe von höchst unerwarteter Seite. Ende 1982 veröffentlichte Michael Jackson das Album Thriller. Das Album verkaufte sich über 100 Millionen Mal und verhalf ihm zu weltweitem Superstarstatus, der ihn zum „King of Pop“ machte. Bald darauf gab Jackson bekannt, dass er mit seinen Brüdern auf Tournee gehen würde. Die Victory Tour, wie sie genannt wurde, sollte die umsatzstärkste Konzerttournee der Geschichte werden.

Als Billy Sullivans Sohn Chuck, der das Sullivan Stadium betrieb, von der Tournee erfuhr, sah er eine Gelegenheit, seinem Vater zu helfen. Zu dieser Zeit steckten die Patriots in großen finanziellen Schwierigkeiten und galten als das schwächste Glied in der Mannschaftskette der NFL. Die Familie Sullivan zahlte jährlich mehrere Millionen Dollar an Zinsen, nur um die Kredite zu bedienen, die nötig waren, um die Gehaltskosten des Teams zu decken und die Lichter im Stadion nicht ausgehen zu lassen. In der Hoffnung, die Jacksons zu drei Auftritten in Foxborough überreden zu können, flog Sullivan nach Los Angeles, um sich mit deren Vertretern zu treffen. Es war eine schicksalhafte Reise, die die Geschicke der Sullivans, der Krafts und der National Football League verändern sollte.