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E-Book 112-123 E-Book

Diverse

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). E-Book 1: Langes Sterben E-Book 2: Blutige Skalps E-Book 3: Wölfe im Sweetwater-County E-Book 4: Der Gringo E-Book 5: Der Goldtransport E-Book 6: Wolfszeit E-Book 7: Ohne Chance E-Book 8: Kampf um die Range Mavericks E-Book 9: Töte ihn zweimal E-Book 10: Weg der Verlorenen

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Inhalt

Langes Sterben

Blutige Skalps

Wölfe im Sweetwater-County

Der Gringo

Der Goldtransport

Wolfszeit

Ohne Chance

Kampf um die Range Mavericks

Töte ihn zweimal

Weg der Verlorenen

Die großen Western – Staffel 7 –

E-Book 112-123

10 Romane

Diverse -

Langes Sterben

Roman von Duff, Howard

Das ist Wyoming!

Himmel und Hölle für viele Menschen zu dieser Zeit. Himmel für harte Dollar und Hölle für den, der keinen Cent besitzt. Viele Städte und viele Männer. Gute und böse, wie das Buch des Lebens es schreibt. Einmal mit roter Tinte und einmal mit dem schwarzen Federstrich, der hinter manchen Namen ein schlichtes Kreuz setzt.

Gestorben und vergessen. Verschwunden in den Hügeln und den turmhohen Bergen dieses Landes. Spuren, die sich verlieren und eines Tages durch einen jämmerlichen Zufall wieder auftauchen.

Hier ist seine Spur. Und drei Spuren laufen nebenher. Eine mächtig starke und tief eingepräge Spur und drei etwas schwächere.

Seine Spur!

Die Spur des Mannes Warren Bridger. Eine Spur voller Tränen und Blut. Eine Spur voller Abgründe und schroffen Klippen. Wie sie mancher Mann in seinem Leben steuert. Um Felsen, die die Marksteine seiner Jahre sind.

Sie leben in Utah, ehe die Grenze gezogen wird zwischen Utah und Idaho. Dort leben sie, diese Bridgers. Samuel Warren Bridger, der Vater. Luke Amos Bridger, der jüngste Bruder dieses Mannes Warren Lester Bridge. Und die drei anderen. Das Mädchen Hazilet. Ein verrückter Name, der doch gar nicht in dieses Land passen will. Und der die Leute zum Kopfschütteln bringt. Der Name erinnert an den Orient. Hazilet …! Was ist das? Ein Name, oder ein tatsächliches Wesen. Ein Wesen, nach dem sich die Männer den Kopf verdrehen und Cowboys seufzend auf die melancholische Art, wenn sie Hazilet Bridger sehen. Sie hat blauschwarzes und sehr langes Haar, blaue Augen und einen kirschroten Mund.

Da ist ferner der Zweitälteste. Tude Bridger. Und sein Bruder Simson. Das ist die ganze Skala der Namen. Vorn steht der Alte. Samuel Warren Bridger, dann Warren Bridger und nach ihm Tude Bridger. Dann kommt Simson, der wie ein Turm geht und es auch ist. Schließlich ist da noch Amos. Ein Junge, der raucht und schweigt, wenn er nicht gerade schläft. So jung ist er auch gar nicht. Den Reigen voll macht Hazilet.

Vier Brüder also und ein Girl. Und dann noch der Vater. Man wird fragen, wo die Mutter ist. Nun, da gibt es eine schlichte Mauer und dahinter einige Hügel. Unter einem dieser Hügel liegt sie. Seit zehn Jahren schon.

Sie haben eine kleine Ranch nahe von Malad City am Malad River. Keine große Ranch und nicht viel Arbeit. Wenigstens nicht so viel, dass sie Cowboys brauchen. Und erst recht nicht so viel, um alle Mäuler zu stopfen, die eine kleine Ranch ernähren soll.

Er sieht es sich eine Weile mit an, als der harte Winter vorbei ist und von tausend Kühen nur noch zweihundert leben. – Dann sattelt er sein Pferd.

*

Hazilet Bridger fährt mit dem kleinen Wagen über den Weg. Sie hat einen roten Rock aus Cordsamt an und eine gelbe Bluse. Es sieht richtig prächtig zu ihrem schwarzen Haar und den blauen Augen aus. An ihren Beinen hat sie Stiefel aus braunem Leder und in der Tasche einen Zettel. Auf dem Zettel steht, was sie alles holen soll.

Seitdem der alte Samuel im Bett liegt und sich kaum bewegen kann, rechnen drei Brüder und ein Mädchen aus, was sie brauchen zum Leben. Und das kauft sie dann auch. Heute ist ein besonders herrlicher Tag. Die Luft ist voller Spätsommerfäden der Spinnen. Und die Sonne meint es gut. Sie strahlt und macht es Hazilet Bridger warm.

Hazilet Bridger schiebt sich den Rock höher. Sie ist hier allein und kann es ruhig tun. Jedenfalls denkt sie das. Aber so allein ist kein Mensch auf dieser Welt. Immerhin gibt es auch noch andere Leute in diesem Land. Da ist Thor Wengrave. Ein Mann, der sehr schwer ist. Seiner Figur und seinem Geld nach. Er hat die größte Ranch in diesem Land. Die Ranch liegt unterhalb des Chache Montain und hat sechzigtausend Rinder auf den Weiden.

Thor Wengrave ist ein mächtiger Mann. Er ist so mächtig, dass er nur mit dem Finger zu winken braucht. Dann hat er alles, was er sich wünscht.

Dieser Thor Wengrave also ist nahe der Straße geritten. Er sieht den Wagen und das Mädel auf dem Bock. Er sieht sie kommen und reitet in der Deckung der Büsche auf den Weg zu. Dort bleibt er stehen und schiebt mit seinen dicken Händen die Zweige etwas auseinander. Sicher will er die staubige Straße etwas bewundern. Es kann natürlich auch sein, dass er nur den Wagen sehen will. Aber wer kann das schon genau sagen. Wenigstens hört er den Wagen näherrollen. Er grinst wie ein Kapaun und leckt sich über die Lippen.

Da ist der Store von Adam Jeffers. Ein alter Store mit wurmzerfressenen Regalen. Er könnte bald einmal neue brauchen. Doch es ist so, wie es bei alten Leuten der Fall ist. Adam denkt gar nicht daran. Er betrachtet liebevoll seine uralte und sehr blanke Petroleumlampe, die an einem Haken an der Decke hängt. Dann bedient er zwei Ladies und einen Cowboy. Erst, als der Cowboy hastig atmet und Stielaugen bekommt, sieht Adam hoch. Er lächelt so freundlich, wie er nur immer lächeln kann. Aber er denkt bei sich, dass die Bridgers eigentlich doch einmal wenigstens bezahlen könnten. Jetzt haben sie schon dreihundert Dollar Schulden. Doch dem Mädel …, no, dem Mädel kann er das nicht antun. Dazu liebt er sie, wie seine eigene Tochter.

Adam Jeffers liebt das Mädel auf die Art eines alten Mannes, der eine Rose sieht. Weiter nichts. Und dieser Adam wäre eben kein Adam, wenn er nicht Schönheit zu würdigen wüsste.

»Oh, hallo, Hazilet!«, sagt er sanft und sehr freundlich. »Mädel, heute scheint die Sonne. Aber sie wird blass, wenn du kommst!«

»Das …, das wollte ich …!«, stottert der Cowboy neben ihm. »Das wollte ich auch gerade sagen, Adam.«

Hazilet Bridger lächelt. Sie lächelt so fröhlich und unbeschwert, dass es dem alten Adam richtig warm um das Herz wird.

»Hallo, Adam!«, sagt sie lächelnd. »Und hallo, Weston! Wie geht es denn immer? Vergleiche mich nur mit der Sonne nicht. Ich könnte mir darauf etwas einbilden! Adam, ich brauche einige Dinge!«

Als sie das sagt, lächelt sie nicht mehr. Denn nun muss sie auch an die dreihundert Dollar denken. Und das ist etwas, was ihr nicht sehr gefällt. Aber was kann ein Mädel von einundzwanzig Jahren schon groß tun. Schließlich kann sie wohl schlecht tote Kühe wieder lebendig machen.

Das denkt der alte Adam. Und er sagt, ohne seine Augen zu verdecken mit den schweren und runzeligen Lidern: »Für dich gibt es hier alles, was du haben willst, Hazilet. Nur keine Sorge, Mädel, es wird schon wieder! Was also soll es denn heute sein?«

Hazilet Bridger muss gerade an Simson und Tude denken. Die beiden haben einige harte Dollar in den Taschen. Es sind nicht viel. Sie werden sich davon nicht einmal zur Hälfte betrinken können. Und es würde diesen Kohl aus dreihundert Dollar Schulden nicht retten können. Also gönnt sie es ihren Brüdern.

»Hier hast du die Liste, Adam!«, sagt sie leise. »Packe es mir zusammen und hilf mir dann, es in den Wagen zu tragen. Ich warte solange!«

»Mädel, da kommt wer. Nach dem Schatten ist es dein Bruder Simson!«

Er grinst die Tür an, denn Simson Bridger erzählt ihm sicher eine Menge neuer Witze. Aber er grinst gleich nicht mehr. Dafür beginnt Adam Jeffers zu denken. Und was er denkt, ist nicht sehr beruhigend.

Was will Thor Wengrave hier?, denkt Adam. Dieser Berg und Protz kauft sonst nur bei Lester Dayton. Was will der Bursche, zum Teufel?

Langsam tritt er an den Tresen und schnauft etwas. Das macht seine Größe und die in den letzten Jahren so gestiegene Schwere seines Körpers. Scheinbar beachtet er Hazilet nicht.

»Hallo, Adam!«, sagt er grinsend. »Ich hätte einige Aufträge für dich. Aber du kannst erst die Lady bedienen. Ich warte gern eine Weile! Madam, es ist mir ein Vergnügen!«

Er zieht seinen Hut mit einer galanten Bewegung und verbeugt sich tief. Er sieht in dieser Sekunde wirklich wie ein vollendeter Gentleman aus. Nur nicht für Adam. Der hört in seinem ­Store manche Geschichte, die niemals nach außen gelangt.

»Sicher, Thor!«, sagt er darum ruhig und vielleicht etwas kühl. »Du kannst hier haben, was du willst.«

Er hakt sofort ein, dieser mächtige Mann.

»Nun!«, sagt er lächelnd, und wieder blitzen die Zähne, die sein ganzer Stolz sind. »Ich glaube nicht, dass ich alles kaufen kann in deinem Store. Hier ist etwas, das nicht käuflich ist! Stimmt es, Lady? Pardon, mein Name ist Thor Wengrave! Darf ich fragen, mit wem ich das Vergnügen habe?«

Er tut so, als kommt er vom Mond. Und das erzielt auch in etwa eine Wirkung.

»Ich habe von Ihnen gehört!«, sagt Hazilet Bridger sanft. »Ich komme von der HX-Ranch, Thor Wengrave. Mein Name ist Hazilet Bridger!«

»Nein!?«, sagt Thor erstaunt und lässt anscheinend vor Überraschung den Hut fallen. Er bückt sich und

hebt ihn wieder auf, um sein Grinsen nicht zu zeigen. »Nein, das ist eine Überraschung! Eine Prärierose auf meiner Nachbarranch! Kaum glaublich! Madam, das ist doch nicht

wahr?«

Du Höllenhund!, denkt der alte Adam. »Man soll dich in ein Fass mit Teer stecken und dir die Zähne einschlagen! Du umgurrst das Mädel nicht schlecht, du Lump!«

»Natürlich ist das wahr!«, murmelt Hazilet unter seinem Blick errötend. »Aber eine Prärierose bin ich nun wirklich nicht! Hallo, Adam, ich glaube, die Riemen fehlen noch! Hole sie doch schnell von hinten, ich habe nicht mehr viel Zeit!«

»Sofort!«, sagt Adam Jeffers seufzend. »Wie du willst, Mädel.«

Die Riemen von dreißig Schritt Länge liegen hinten im Lager. Und gerade das wollte Adam nicht machen. Er wollte das Mädel und diesen Romeo nicht allein lassen. Er kennt seinen Mann und dessen Gedanken.

Aber nun muss er wohl oder übel gehen. Die beiden bleiben allein. Und jetzt versucht es Thor Wengrave auf die andere Art.

Hazilet Bridger trägt an der Brust ein Medaillon. Es hängt an einer dünnen Kette und schaukelt leicht, als sie sich über den Ladentisch beugt. Thor sieht den zarten Nacken und den schwarzen Haarflaum.

»Ich bin sehr an altem Schmuck interessiert, Madam!«, sagt er hastig. »Würden Sie wohl die Güte …?«

Er greift schon mit der Hand zu und legt seine dicken Finger an das Medaillon. Sie richtet sich auf. Und weil sie nichts dabei findet, wenn er sich das Medaillon ansieht, lässt sie es ihn betrachten. Seine Augen liegen einen Augenblick auf dem matten Gold. Dann wandern sie hoch und werden plötzlich groß und weit. Er starrt sie an, und sein Blick hat etwas Hypnotisches. Langsam nähert sich sein Gesicht dem ihren.

Hazilet Bridger hat so einen Mann noch niemals erlebt. Sie weiß nichts davon, was dieser Blick bedeuten soll. Dann fühlt sie sich jäh von zwei säulenstarken Armen umschlungen, und ein Mund presst sich auf ihre Lippen.

Er hält sie in seinen Armen wie in einem Schraubstock fest und lässt sie nicht los. Dann beißt sie zu und faucht im selben Augenblick wie eine Raubkatze. Sie kann ihre Arme nicht bewegen, denn sie hängen herunter und sind abgeklammert.

»Du kleines Biest!«, sagt Thor Wengrave wütend.

Vielleicht hätte er ihr den Mund zuhalten sollen. Oder er hätte es besser erst gar nicht versucht. Jetzt macht sie den Mund auf und spuckt ihm mitten ins Gesicht. Es ist ein Teil Blut von seiner zerbissenen Lippe dabei. Sie trifft ihn im linken Auge. Und Thor wird richtig wütend.

»Du spuckst mich an …?«, fragt er drohend. »Mich …, Thor Wengrave, spuckst du armes Biest an? Na warte, Baby!«

»Hilfe!«, schreit sie gellend, als sie seine Hand hochkommen sieht. »Hilfe, Adam! Hilfe, er …«

Und dann schlägt er zu. Es sitzt die Wucht und die Wut von zweihundertdreißig Pfund dahinter. Und sie wiegt knapp hundert.

Hazilet Bridger fliegt am Tresen lang und fällt in die Ecke mit den Rollen Draht. Ihr Kopf ist ein einziges Mühlrad, das sich immer schneller zu drehen beginnt. Dann seufzt sie einmal und liegt still.

Thor Wengrave sieht den alten Adam kommen. Und des Alten Augen lodern zornig und wirklich empört.

»Raus!«, sagt Adam schneidend. »Raus mit dir, du Lustmolch! Bist du noch nicht weg, du Schwein?«

Das kann er auch. Er kann sogar ganz prächtig fluchen. Bei einem Mann wie Thor Wengrave hilft das nicht viel. Thor stützt beide Arme auf den Tresen und starrt den Alten aus rollenden Augen an.

»Was soll ich?«, fragt er heiser. »Und wie hast du mich genannt, du Zuckerpanscher? Ich werde dich lehren!«

Aber Adam Jeffers ist nicht umsonst dreißig Jahre seines Lebens in diesem Land gewesen. Er macht zwei Schritte zurück und reißt die Schrotflinte unter dem Tresen heraus. Doch er ist ein alter Mann und viel zu langsam für einen Thor Wengrave.

Wengrave bewegt sich wie ein Felsen auf einer stürzenden Bahn. Er schnellt sich ab und schlägt mit seiner rechten Faust von oben nach unten. Es ist ein glatter Hammerschlag, den er gut beherrscht. Und dieser Hammerschlag trifft den alten Adam, ehe er die Flinte ganz heraus hat.

Adam Jeffers bricht mit einem Laut, der sich wie das Zuschlagen einer Tür anhört, zusammen. Er sieht eine Million Funken und Sterne. Dann fällt er in einen tiefen und großen Kessel, der sich mit ihm dreht. Seine Schrotflinte poltert auf den Boden, und Adam liegt daneben. Es sieht aus, als wenn er schläft. Auf seinem Kopf wächst in Sekundenschnelle eine mächtige Beule hoch.

»Du Affe!«, sagt Wengrave grunzend wie ein Mastschwein. »Mich mit einer Flinte zu bedrohen, he? Ich hätte dir den Kopf abschlagen sollen! Und nun zu dir, mein schönes Kind. Du bist bestimmt nicht das erste Weib, das ich mit Gewalt …«

*

Hazilet Bridger liegt am Boden. Ihr Rock ist etwas hochgerutscht und unten an der Naht eingerissen beim Fall. Jetzt macht sie die Augen auf. Und dann macht sie sie wieder zu. Genau vor ihren Augen ist ein Gesicht, dessen Backenknochen mahlen und dessen Augen einen furchtbaren Ausdruck angenommen haben. Hazilet Bridger kennt diesen Ausdruck nicht. Aber sie hat Angst, höllische Angst.

»Sie Scheusal!«, sagt sie bebend. »Sie verächtliches und dreckiges Scheusal! Gehen Sie weg, oder ich schreie um Hilfe! Ja, Sie Hundesohn, schlagen Sie nur, ich kratze dir die Augen aus, du Bestie!«

Ihr Ton wird scharf und schneidend. Aber Thor Wengrave gurgelt nur. Er starrt auf den hochgerutschten Rock, und seine Hände bewegen sich.

»Adam!«, schreit Hazilet Bridger gellend. »Adam!«

Und dann berühren die Hände sie. Es ist der Augenblick, in dem sich Simson Bridger durch die Tür hereinschiebt. Ein Augenblick, den Hazilet Bridger niemals in ihrem Leben vergessen soll. Ihre Augen weiten sich ängstlich. Sie sieht genau in Simsons Augen.

Und in diesen Augen liest sie schreckliche Dinge. Sie hat nie einen richtigen Kampf gesehen und niemals tödlich wütende Männer. Das ist der erste Anblick dieser Art für Hazilet. Und es ist für sie betäubend, dass ausgerechnet ihr Bruder so aussieht. Doch da ist auch Tude Bridger. Ein schlanker Mann, der seinen Colt in der Hand hat.

Sie stehen beide da wie Raubtiere. Ihre Augen sind starr auf Thor Wen-grave gerichtet.

»Du kleines, dreckiges Luder!«, sagt Thor Wengrave wild. »Eine Backpfeife hast du weg. Die zweite bekommst du gleich, und dann schließ ich hier ab. Du wirst schon deinen Spaß bekommen. Und du wirst mir immer nachlaufen, weil du Thor Wengrave nicht vergessen kannst!«

»Sie wird dich nicht vergessen, du Lumpenhund!«, sagt hinter ihm ein fauchendes Etwas.

Und Thor Wengrave wird steif. Seine Hand schießt im nächsten Augenblick auf den Colt herunter, den er unter seiner graugrünen Jacke trägt. Aber da kommt eine Faust. Diese Faust fasst ihn an den Fingern an, die den Coltkolben berühren. Und diese Faust presst sich zusammen. Dann greift ihn eine andere Hand im Nacken. Sie greift nicht nach dem Stoff der Jacke oder des Hemdes. Nein, diese Hand krallt sich in sein Fleisch. Mitten hinein mit den Nägeln in die Haut über dem Fett. Dann zieht er ihn herum.

Da ist Simson. Ein Mann, der den biblischen Namen bekam, weil er schon bei der Geburt so kräftig war und schrie. Jetzt schreit er nicht. Er faucht nur wie ein großes und gefährliches Raubtier.

»Ich zerquetsche dich, du Hund!«, sagt Simson und reißt die Hand Thor Wengraves hoch mit dem Colt. Weit fliegt das Eisen durch die Luft und kracht hinter dem Tresen zu Boden. »Meine kleine Schwester mit deinen dreckigen Pfoten anzufassen, du Hundesohn! Und sie zu schlagen! Warte, Hund, ich werde es dir zeigen!«

Simson Bridger ist so wütend, wie er noch niemals im Leben war. Er lässt das Genick von Wengrave los und packt sich die Revolverhand. Es geht alles sehr schnell und in einer Sekunde. Dann schlägt er diese Hand mit einem knurrenden Laut auf eine Forke, deren Zinken nach oben über den Tresen ragen.

Thor Wengrave sieht die Spitzen der Forkeneisen durch seine Hand schießen. Er starrt auf das Eisen und brüllt voller Schmerz.

Und in dieser Sekunde lässt Simson ihn los. Ein Ruck, und er hat beide Hände an den Hüften Wengraves. Dann schiebt er seinen Kopf zurück und kracht mit dem Schädel mitten in Thor Wengraves Bauch hinein. Das macht er einmal, und er macht es auch das zweite Mal. Erst dann stößt er Thor gegen den Tresen zurück. Und seine Fäuste schlagen wild und ausholend auf die Leber und in die Magengrube Wengraves hinein. Es ist ein fürchterlicher Taifun, der sich in diesem Store austobt.

»Bring sie nach hinten, Bruder!«, sagt Simson gurgelnd. »Bring sie weg, denn ich schlage diesen Hund tot!«

Thor Wengrave keucht und sackt etwas ein. Er rutscht halb über den Tresen und reißt seine Hand aus der Forke. Das Blut lässt bittergalliges Wasser in seinem Mund zusammenlaufen. Dann stößt er sich ab. Brüllend prallt er auf Simson zu.

Der sieht ihn kommen und spreizt die Beine. Dann holt er aus. Seine rechte Faust rammt gegen den Kopf Thor Wengraves. Sie schleudert den Mann halb herum. Doch das ist Simson noch immer nicht genug. Er schießt jetzt auch die andere Faust ab. Und diesmal reißt er sie von unten hoch. Unterhalb Wengraves Kopf zieht sie nach oben.

»Nicht weiter hier, Simson!«, sagt plötzlich Adam Jeffers stöhnend und richtet sich auf. »Zerschlage mir nicht meinen Store. Ich bitte dich, Simson, tue es nicht. Mache ihn draußen fertig, diesen Hund!«

»Er hat verdammt recht!«, keucht Tude Bridger. »Bruder, raus mit dem Misthaufen. Er stinkt hier nur. Die ganze Stadt soll es sehen, wie wir ihn fertig machen. Warte, er darf nicht mehr auf einem Pferd sitzen können. Und zwei Tage muss er schlafen. Schlagen wir ihn so entzwei, dass er ein Leben lang an uns denkt!«

»Da liegt dieser Hund, der meiner Schwester Gewalt antun wollte!«, sagt Simson eisig. »Das nächste Mal schieße ich ihn gleich tot! Bruder, lass uns an seinem Anzug unsere Hände abwischen!«

Sie gehen beide hin und wischen sich an Thors prächtiger Jacke die Hände ab. Das machen sie sehr gründlich. Dann richten sie sich beide auf und starren auf die drei Cowboys, die mit aufgerissenen Augen im Kreis der Menge stehen.

»Hört zu, ihr Kannibalen!«, sagt Tude kalt. »Ich würde mich verdammt schämen, für einen solchen Hundesohn zu reiten. Aber das ist eure Sache und nicht unsere. Ladet ihn auf, oder tragt ihn zum Doc. Bringt ihn hier weg, denn wenn er sich bewegt und es tatsächlich schaffen sollte, aufzustehen, beginnt der Reigen von vorn.

Wir wollen keinen Ärger! Er wird euch loslassen, aber fangt besser nicht erst an. Ich habe keine Angst vor euch und keine Furcht vor dem Tod. Ein Mann lebt nur einmal. Und ich habe genug gelebt in diesem Jammertal auf Erden. Fangt nur nicht an, Freunde, sonst bekommt ihr die Hölle an den Hals!«

»Er ist unser Boss, und er bezahlt uns!«, antwortet der Cowboy bitter. »Thor bezahlt gut und ist kein schlechter Boss. Rechnet euch das andere selber aus. Wir können nichts tun, als einem Befehl nachkommen. Wie wir darüber denken, ist nebensächlich.«

Dann gehen sie weiter. Und die Hände von Thor Wengrave hängen seltsam schlaff herunter. Das Gesicht dieses mächtigen Mannes hat keinen heilen Fleck mehr. Seine Augenbrauen sind aufgeschlagen, und sein Mund ist ein großer und klaffender Spalt, bestehend aus zwei Hügeln. Er hat überall Beulen und aufgeplatzte und blutende Stellen. Simson sieht es mit grimmiger Genugtuung.

»Gehen wir zu Hazilet!«, stößt Tude heraus. »Bruder, das Mädel braucht uns jetzt.«

Sie sehen die Menge sich zerstreuen und gehen hinter Adam Jeffers in den Store. Auch der Sheriff verschwindet mit hochgezogenen Schultern. Adam Jeffers lehnt sich an den Tresen und zeigt auf Hazilet. Und nun wissen sie, warum er nicht gleich hinter Simson und Tude aus dem Laden kam.

Adam hat Hazilet ein Tuch gegeben und etwas Whisky.

»Sie soll seine Finger nicht eine Sekunde im Gesicht tragen!«, sagt Jeffers bitter. »Kühle es nur richtig, Mädel.«

»Vielen Dank, Adam«, sagt sie, noch immer mit den Schultern zuckend. »Du warst so besorgt um mich. Und vielen Dank dir, Simson, und dir auch, Tude. Ich weiß nicht, was ich getan hätte. Sicher würde ich ihm die Augen ausgekratzt haben. Er sieht schlimm aus, dieser Schuft, Simson, du hast gekämpft. Aber es war nicht sehr klug.«

»Warum?«, fragt Simson, der Bär, grollend. »Warum habe ich nicht gut gekämpft?«

Da kommt seine Antwort. Aber nicht seine Schwester spricht sie aus. Es ist Amos Bridger, der es sagt.

»Du musstest ihn töten, Bruder!«, sagt Amos mit der nüchternen Feststellung eines Mannes, der die Wahrheit ahnt. »Er wird das niemals schlucken. Selbst, wenn du ihm das Rückgrat gebrochen hättest und du den Schädel eingeschlagen haben würdest. Selbst dann ist es noch zu billig, Bruder! Ich glaube, ich kenne Thor. Und ich mache mich mit seinen hündischen Gedanken vertraut. Er könnte sein Leben über in einem Rollstuhl nach dieser Behandlung sitzen müssen. Aber er wird das nie vergessen. Er wird niemals schlucken, dass du ihn vor der ganzen Stadt in Bausch und Bogen so verprügelt hast. Das verträgt sein verfluchter und eingebildeter Stolz nicht. Eines Tages wird er sie loslassen auf uns. Ich weiß noch nicht wie. Doch er hat ein krankes Gehirn. Und dieses Gehirn wird irgendetwas ausbrüten. Etwas, das uns den Hals bricht. Er hasst uns jetzt alle. Dich, Simson, und dich, Tude. Mich wird er verfluchen, weil ich plötzlich da war. Und am meisten hasst er dich, Schwester. Das machen verschmähte Männer öfter. Denkt nicht, ich verstehe davon nichts! Ich verstehe eine ganze Menge davon. Wir werden kämpfen müssen. Und, Brüder …!«

Er senkt seine Stimme zu einem heiseren Flüstern, das höllisch bitter klingt.

»Wir werden es nicht schaffen. Wir werden alle drei mit rauchenden Eisen in die Grube fahren. Schwester, vorher bringen wir wenigstens dich noch in Sicherheit! Es ist besser, ein wenig Vorsorge zu treffen, als nachher über sein Missgeschick zu heulen und zu jammern. Well, Simson, es war dein Fehler. Ich hätte ihn erschossen wie einen räudigen Hund, wenn ich dazugekommen wäre! Nun, es ist geschehen und ist nicht mehr zu ändern. Aber wir werden bezahlen müssen. Ein Wengrave vergisst nie eine Niederlage! Und das hier war nicht nur eine Niederlage, das war eine Blamage. Er wird an ihr ersticken!«

Sie starren ihn alle drei an. Das ist die längste Rede, die er jemals gehalten. Sonst schweigt er, und auf einmal redet er wie ein Buch ohne Siegel.

»Er redet!«, sagt Simson beinahe erstaunt.

»Und wie lange?«, stottert Tude entsetzt. »An wen erinnert mich sein Benehmen nur?«

»An Warren, Bruder«, klärt ihn Simson auf. »Wenn der jetzt käme …?! Brüder, dann hätte ich nicht vor hundert Wengraves eine Spur von Furcht! Paah, Furcht! Furcht kenne ich nicht, aber es bedrückt mich mächtig, dass so ein Bastard frei herumlaufen kann. Und dass er uns womöglich noch die Pest an den Hals schickt, Brüder! Warren würde erst gar nicht fragen. Der nähme seine Eisen und würde ihm mitten in den Kopf schießen. Yeah, der Kleine spricht wie unser ältester Bruder!«

»Es stimmt!«, murmelt Tude Bridger heiser. »Wenn ich es mir genau betrachte, dann ist er wie Warren, Junge, das ist nicht sehr gut für dich. Warren war ein Feuerkopf und jetzt ist es schon sechs Jahre her, dass er ging. Er wird auch niemals wiederkommen. Dazu ist Warren zu stolz!«

*

Er kommt aus einer Regenwolke, die in den großen Salzsee prasselt. Die Tropfen springen hoch und machen kleine Fontänen. Der Mann trägt einen Umhang und einen schwarzen und breitrandigen Hut. Sein Gesicht ist bartlos. Es ist nicht sehr sonnengebräunt, und eine gezackte Narbe läuft von der linken Schläfe abwärts über den Backenknochen nach unten. Die Narbe endet erst unter dem Kieferknochen. Eine Narbe, die man unschwer als von Draht gerissen erkennen kann. Sie verändert es so, wie sich ein Mann in sechs langen Jahren verändern kann. Ein Mann, den kaum jemand erkennen wird. Keiner, der ihn nicht ganz genau kannte.

Es ist eine Haut aus Seerobbenfell, die um seine Schultern liegt, und weiter über seine Knie fällt bis an die Flanken des Pferdes. Niemand sieht, was unter dieser Haut ist. Man sieht nur den breitrandigen Hut. Und dieser Hut ist schwarz wie das Haar des Mannes. Es ist kein gewöhnlicher Stetson. Nein, es ist ein flachkroniger Londonderry-Hut mit einem schmalen Band außen herum. Das Band ist aus Haar. Und es soll einige Leute geben, die sagen, dass dieses Haar vom Haupt eines skalpierten Indianers stammt. Nur der Mann selber weiß, was wahr und was Sage ist.

Da ist ein Blick aus wasserhellen und etwas grünen Augen, der über jeden Busch und jeden Hügel fliegt. Der an Felsen und Sträuchern herumsucht.

Warren Lester Bridger kann nicht anders. Er ist immer auf der Hut, wie es sein Leben vorschreibt. Nichts entgeht ihm, und nichts übersieht er. Dieser Mann ist ein wandelndes Pulverfass über dem ständig eine brennende Fackel schwebt. Sie braucht nur zu fallen, dann explodiert das Fass. Doch das ist erst einige Male vorgekommen.

Dieser Mann ist der Tod. Er sieht nicht nur so aus. Die Sage geht in den Südstaaten von ihm, dass, wo er auch immer auftaucht, die Raben des Todes ihre Schwingen recken und zu fliegen beginnen. Es ist ein hartes Gesicht, das nur durch die Augen lebt. Und es sind schlanke Hände, die in Handschuhen aus feinstem Leder stecken. Es sind schließlich zwei Eisen, deren Läufe blauschwarz schimmern. Die beiden Eisen hängen schief an seinen Schenkeln. Ihre Kolben ragen weit nach außen. Es sind dunkle und mit zwei Silberschilden eingelegte Kolben. Auf diesen Eisenverzierungen steht der Name Buntline-Special.

Es sind die Eisen eines gewissen Nat Buntline, der durch Bücher und Hefte, durch Erzählungen in Zeitungen und durch viele Reisen, den Westen kennenlernte und den Süden. Dieser Nat Buntline ließ sich bei einem Mann namens Fischer in Chicago zehn Colts machen. Besondere Colts, deren Läufe wahnsinnig lang sind und in deren Kammern gewöhnliche Spencerpatronen für das Spencer-Mehrladegewehr passen. Diese Eisen besitzen fünf Männer in den Staaten. Zwei hat Wyatt Earp, er schießt nicht mit ihnen, weil sie zu schwer sind. Zwei hat Hank Smith, ein junger, aber tüchtiger Sheriff. Wieder zwei hat Wild Bill Hickok und noch zwei hat Buntline selber. Die anderen beiden trägt der Mann Warren Bridger.

Und dieser Mann Warren Bridger ist der einzige Gentleman von allen, der auch mit ihnen schießt. Diese Eisen kann man heute im Nationalmuseum von Wyoming bewundern.

»Jetzt komme ich nach Hause!«, sagt Warren in den noch vom Regen mit Feuchtigkeit geschwängerten Wind hinein. »Und vielleicht ist es so, dass ich mein Versprechen wahr machen kann, das ich Dad damals gab. Ein reicher Mann wollte ich sein, wenn ich nach Hause kam. Ich bin es vielleicht. Aber wer zählt die Tränen und wer zählt die Flüche, die mich dieser Reichtum gekostet hat. Wer will die Löcher zählen, und wer die Narben, die ich am ganzen Körper habe? Man sagt, ich sei hart, denn ich habe ja Ohren, es zu hören. Aber wie ich denke, selber denke, danach hat noch niemand gefragt. Wer sollte es auch schon tun. Diese Narbe im Gesicht hat mich einiges gekostet und mein gebrochenes Bein auch, als der Gaul zusammenkrachte, und ich in den Stacheldrahtzaun flog. Nun ja, ich lag drei Monate auf der Nase. Und ich habe jetzt einen Monat Zeit gehabt, wieder der alte Warren zu werden. Der Teufel soll den Posten eines Staatenmarshals holen!«

Das sagt er in den Wind. Und darin liegt eigentlich die ganze Erklärung. Es ist eine Erklärung, wie sie nur ein Bridger geben kann. Denn kein Bridger hat bis auf den heutigen Tag jemals sein Versprechen gebrochen. Das ist die schlimmste Sünde, die ein Mann in ihren Augen begehen kann.

»Wenn du etwas versprichst, dann musst du es unter allen Umständen auch halten!«

Das sind die Worte, die jeder Bridger in die Wiege bekam, und mit denen er aufwuchs. Sie halten sich alle daran. Auch der Mann Warren Bridger. Er ist zweimal mit dem Orden im Kreis, also dem Marshalstern geritten, dieser Warren. Und er hat ihn zurückgegeben, weil er genug hat. Er hat genug vom Schießen und Töten. Er will nicht mehr.

Auch für einen Revolvermann gibt es einen Alltag. Nämlich den, wenn es einmal keinen Kampf zu bestehen gilt. Das alles weiß Warren Bridger. Und … er ist glücklich. Sein Gesicht ist hart, und die Augen sind es auch. Dieser ganze Mann ist aus Granit. Und nur er selber kennt die weichen Punkte seines Körpers, wie er manchmal bitter sagt.

Die weichste Stelle …? Das ist seine kleine Schwester Hazilet. Er weiß nicht, warum das so ist. Aber dieser harte Mann hat eigentlich ein Ziel gehabt. Und das ist, seine Schwester soll einmal alles haben, wovon ein Mädchen träumen kann. Er hat es in seinen Wachträumen gesehen, wie sie mit einem Kleid aus Seide einherschreitet. Und er hat gespart. Das, was er für sich brauchte, war wenig, bitter wenig. Jetzt kommt er und will sie beschenken. Nun, er hat immer gewusst, wie es auf der HX-Ranch aussah. Er kennt alles. Und nun kommt er.

Einmal, weil er keine Lust mehr hat zu kämpfen. Und zum anderen, weil sie ihn brauchen.

No, er hat nichts und niemand vergessen. Und er freut sich auf seine Brüder!

*

Da ist der sanfte Abhang, und da ist die Schlucht, die zum ebenen Plateau führt. Warren hat es nicht sehr eilig. Er macht immer alles voller Ruhe und Überlegung. Er kommt durch die gestrüppreiche Schlucht auf den Weg zu, der sich zum Plateau hochschlängelt. Ein alter Weg und alte Erinnerungen. Da ist der Talkessel, in dem er mit seinem Revolver übte. Warren wundert sich nicht schlecht, als er das Brett sieht und die Einschüsse, die alle im Zentrum des Ringes auf dem Brett liegen.

»Wer von meinen Brüdern soll das gewesen sein?«, fragt er heiser. »Tude – Simson? No, die beiden nicht. Also kann es nur Amos sein. Vielleicht ist er es dort auf der Weide?«

Jetzt reitet er schneller. Hier ist die Kante des Plateaus, über die er gerade reiten will. Dann bellt rechts von ihm ein Gewehrschuss auf. Weit weg wiehert ein Pferd. Dann ist es still.

Warren Bridger fährt zusammen. Er reißt den Wallach sofort scharf zurück und treibt ihn dann nach links, bis er über die Kante sehen kann.

»Was war das?«, knurrt der schwarz gekleidete Mann düster. »Jemand hat geschossen, aber es kam nicht daher, wo ich meinen Bruder sah. Es muss keine hundert Schritt weiter rechts sein. Dort hat jemand geschossen, aber wer …?«

Er richtet sich auf und sieht über die Kante. Und was er sieht, macht sein Gesicht plötzlich hart und die Mundwinkel schartig.

Aus den Büschen vor ihm jagen zwei Reiter. Sie jagen vielleicht dreißig Schritt, dann werden sie langsamer. Schließlich reiten sie im Schritt. Beide haben einen Revolver in der Faust und richten ihn irgendwo vor sich auf den Boden. An einen Fleck, an dem ein Mann liegt und sich nicht bewegt.

»Sie haben …«, sagte Warren kehlig. Und den Rest schluckt er hinunter. »Es ist Tude! Mein Gott, er ist tot, und sie haben ihn in den Rücken geschossen!«

Seine Backenknochen treten plötzlich hart hervor. Seine Zähne beginnen zu mahlen, dass es knirscht. Und dann gleitet er aus dem Sattel des Wallachs.

Er bindet ihn mit einer losen Schlinge an. Und dann fallen seine Chaps hinunter, Warren Bridger beginnt zu laufen. Er weiß, dass er schnell sein muss. Und er weiß auch, dass einen laufenden Mann niemand hört, wenn der Mann sich einem Pferd von hinten nähert.

Warren Bidger ist losgelassen. Und er soll nicht mehr aufhören, dieser Mann.

Warren Bridger läuft. Er läuft mit langen Sätzen unterhalb der Kante weiter. Dann sieht er die Trittsiegel der Pferde und biegt auf ihre Spur ein. Sein Blick geht kurz nach rechts. Doch dort ist niemand. In den Büschen steckt kein dritter Mann.

»Das ist also meine Heimkehr!«, sagt Warren bitter und voller Zorn. »Vor meinen Augen erschießt man meinen Bruder aus dem Hinterhalt! Nun, bezahlen, Freunde, bezahlen!«

Er kommt über die Kante und sieht sie sechzig Schritt vor sich. Sie sind beide abgestiegen und starren auf den Mann am Boden hinunter.

Warren Bridger geht jetzt. Es ist ein langer und raumgreifender Schritt, denn die beiden sprechen miteinander, und die Pferde schnaufen unruhig.

Vielleicht, weil sie sein Blut wittern, was?, denkt Warren voller Wut. Es gibt gleich noch mehr von diesem Saft, Freunde. Doch es wird eurer sein!

Er geht ruhig und langbeinig durch das Gras. Die kleine Herde ist ein Stück weitergewandert bei dem Knall. Einige Rinder brüllen. Und so sind es genug Geräusche, die sein Nahen unbemerkt bleiben lassen.

»Er verblutet, wenn wir ihm nicht helfen!«, sagt der eine der Männer raualsig. »John, wir müssen ihn verbinden, hörst du?«

Der andere schüttelt schweigend den Kopf. Erst danach sagt er kalt: »Ich hatte den Auftrag, ihn abzuschießen, und den habe ich ausgeführt, wie der Boss es wollte! Warum haben diese Narren ihn verprügelt, he? Sie mussten wissen, dass es Thor Wengrave nie schluckt, so verdroschen zu sein. Ich werde bezahlt, und du solltest auch schießen. Verdammt, warum hast du es nicht getan? Bist du zu feige, oder was ist sonst?«

»Du kannst es feige nennen, wenn du absolut willst!«, knurrt sein Partner. »Thor hat mich bestimmt, und ich kann nicht einen Befehl missachten. Aber ich habe nicht abdrücken können. Ich schieße keinen Mann in den Rücken. Wenn es von vorn gewesen wäre …, nun, dann ja, aber so …, niemals!«

»Ich werde es ihm sagen!«, herrscht der andere heiser. »Da liegt der erste dieser Bridger-Sippe. Und die anderen kommen auch noch an die Reihe. Heute Abend reitet Jim mit zwanzig Mann in die Stadt. Er wird sie schon in eine Falle locken. Los, komm, wir holen die Mavericks mit dem übergesengten Brand. Dann soll einer sagen, es ist nicht ganz legal gewesen. Wir haben unsere Mavericks mit dem HX-Brand übersengt gefunden, und Tude Bridger nach einem Wortwechsel erschossen. Einen Viehdieb und Maverickbrenner hängt man sonst auf!«

Sie starren beide auf Tude Bridger, dessen Brust sich hebt und senkt. Dann sagt der angeblich Feige: »John, es ist alles erstunken und erlogen. Aber gut, Mavericks sind keine Kugeln in den Rücken. Das mache ich mit. Die Bridgers werden als Viehdiebe dastehen. Gehen wir!«

Dort steht jetzt Warren Bridger. Ein Mann, dessen Hemd nur leuchtet, und der die Arme über der Brust verschränkt hat. Er ist an ihren Pferden vorbeigegangen und hat die Beine etwas gespreizt. Er steht da, und sein Hut sitzt etwas weit in der Stirn.

Die beiden Männer drehen sich um. Etwas zögernd der eine und schneller der andere. Dann sehen sie Warren Bridger. Und sie begreifen es einfach nicht. Dort steht ein Mann und hat die Arme über der Brust verschränkt. Er hat ein etwas blasses und regloses Gesicht. Da ist die Narbe, die jetzt seltsam rot leuchtet. Und da sind die Augen. Kalte und stechende Augen in der Farbe des Meeres beim Sturm. Seine Kleidung ist schwarz und nichts bewegt sich an ihm. Auch die Augen nicht. Sie sehen durch die beiden Männer. Es sieht aus, als wenn der Tod selber von den Tiefen seines Reiches aus dem Boden gekommen ist. Alles ist reglos an ihm.

Die beiden Heckenschützen sind so überrascht, dass sie an keinen Zug denken. An den Zug der Revolver. Sie starren ihn an und tasten ihn mit ihren Blicken ab. Es ist nichts an ihm, das sie warnt oder vor Furcht zittern lässt. Es ist nur unbegreiflich, wie er hierherkommt.

»Wer …?«, stottert John Fresno überrascht. »Wo kommst du her, Mann?«

»Und wer bist du?«, fragt Tucker Gabriel erschrocken.

»Ich bin nichts und mein Name ist niemand!«, sagt der seltsame Mann vor ihnen. Er sagt es sanft und leise. »Mein Name ist Tod, und mein Reich ist die Hölle. Ich will euch beide holen. Warum habt ihr ihn erschossen?«

»Well«, sagt John Fresno automatisch, dann erst fallen ihm die Worte dieses Mannes voll ein. »Dein Name ist Tod, und du willst uns ho…? Mann, bist du verrückt?«

»Ich habe noch einen anderen Namen!«, sagt Warren kalt und plötzlich schneidend. »Ich bin Warren Bridger, den sie die wandelnde Kanone nennen. Das ist hier meine Heimat, und das ist mein Bruder! Zieht, ihr Halunken!«

Sie sind starr vor Entsetzen. Sie sehen ihn zu seinem Eisen greifen und sehen die Mündungen hochkommen. Die Hämmer heben sich langsam. Und dann brüllen die beiden Waffen auf. Sie donnern über die Weide und jagen die Pferde weg. Sie scheuchen den Haufen Longhorns durcheinander. Und sie wecken einen Mann auf, dessen Blut in die Grashalme seiner Heimaterde läuft.

Die vier Kugeln sitzen alle genau im Herz. In jedem Herz zwei nebeneinander. Genau eine Kugelbreite auseinander. Die beiden Reiter der Zirkel im Kreis-Ranch Thor Wengraves fallen zusammen, ohne überhaupt die Hände an den Eisen zu haben. Er erschießt sie wie ein paar Karnickel. Kalt und ohne zu zaudern. Denn etwas anderes haben sie nicht verdient.

Warren Bridger macht sich kein Gewissen daraus. Er hat in diesem Fall auch keins. Er weiß nur, dass er töten muss. Und das macht er. Kalt und grausam ohne mit der Wimper auch nur zu zucken.

Am Boden sieht Tude Bridger hoch. Er hat die Kugel hoch in die Schulter bekommen. Sie ist durch den Muskelstrang gefahren und hat ihn für eine Weile gelähmt. Wenn ihm niemand hilft, wird er verbluten. Tude Bridger sieht den Mann in Schwarz und hört den rollenden Klang der Gürtelkanonen. Dann sieht er die beiden Halunken fallen wie vom Blitz getroffen. Und nun kommen die dunklen Hosenbeine auf ihn zu. Sie halten bei ihm an und Tude sieht …, er sieht das Gesicht seines Bruders Warren. Trotz der Narbe erkennt er es.

Warren Bridger spricht nicht. Er reißt Tude das Hemd auf und nickt kurz.

»Gut!«, sagt er. »Ein glatter Schuss, Bruder! Es hätte schlimmer sein können. Drehe dich auf die Seite, damit ich dich ordentlich verbinden kann.«

»Sie haben auf deinen Rücken geschossen und wollten dich verbluten lassen. Ich kann nur raten warum, aber ich habe es auf meine Art erledigt. Sie haben jeder zwei Kugeln im Herz. Das ist alles! Und jetzt halte gefälligst deinen Mund. Du sollst nicht reden!«

»Erschossen!«, sagt Tude stöhnend. »Bruder, jetzt wird Thor Wengrave ganz verrückt!«

»Dann soll er es!«, grollt Warren grimmig. »Er kann dieselbe Medizin bekommen, wenn er will! Etwas bekommt er ohnehin zu kosten, was ihm nicht schmecken wird! Wenn du meinst, dass du es aushältst, dann erzähle mir den Ärger! Wie kam das alles?«

Er biegt Tude den Arm zurück und verbindet ihn im Kreuzverband. Seine Hand macht zwei kleine Ballen aus Gaze. Diese Ballen presst er auf die Löcher und deckt dann das Ganze mit Binden ab. Und wirklich hört es auf zu bluten. Die beiden kleinen Ballen schließen die Löcher ab.

Tude Bridger erzählt seinem älteren Bruder die ganze Geschichte. Er verschweigt nichts. Aber er sieht mit Schrecken, wie Warren Bridgers Gesicht sich verändert. Die Augen schießen Blitze, und der Mund wird zu einem Strich.

»Totschlagen!«, sagt Warren Bridger zischend. »Totschlagen hätte Simson ihn sollen! Aah, ich hätte es nicht sein dürfen, ich nicht! Ich hätte ihn zerrissen und seine Fleischfetzen den Geiern zum Fraß hingeworfen. Es ist gut, Bruder, es ist schon gut. Lass mich nur machen, Bruder. Von dem Geschäft verstehe ich mehr, als du denkst. Weißt du, dass sie einige Mavericks gebrannt haben auf unser Zeichen, und sie hier auf die Weide stellen wollten? Weißt du das? Ein Bridger und Viehdieb! Ich stand hinter ihnen und hörte zu. Sie sollen gleich ihre Mavericks zurückbekommen. Aber frage mich nicht, wie. Tude, du kannst schlecht reiten, was? Ich bringe dich in die Höhle in der Schlucht! Kennt die jemand außer uns? Denke nach, Bruder! Das ist so wichtig, wie der Atem zum Leben. Ich denke, wir werden dreimal durch die Hölle und zurück müssen!«

Tude Bridger seufzt bitter und voller Schmerzen. Aber ein Bridger brüllt nicht. Und wenn er noch so große Schmerzen hat. Er wird auch so schnell nicht wieder ohnmächtig.

»Kein Mensch außer uns kennt die Höhle, Bruder!«, sagt Tude rasselnd. »Sie ist unser Geheimnis. Selbst Dad kennt sie nicht. Nun ja, das ist auch eine verrückte Erinnerung an unsere Jugend, als wir noch Indianer spielten. Bring mich hin. Ich weiß, dass ich es bis nach der Ranch nicht schaffe. Und erzähle Vater nichts. Nachher bekommt er noch einen Schlaganfall. Und du weißt, wie das ausgehen kann. Wir haben ihm gar nichts erzählt von unserem Ärger. Bring mich weg, Bruder!«

»Komm!«, sagt Warren hart. »Du wirst auf meinem Wallach reiten bis zur Höhle. Das letzte Stück trage ich dich. Der Wallach geht lammfromm, wenn ich es so haben will. Also keine Sorge, dass deine Wunde wieder aufbricht. Ich versorge dich schon mit dem Notwendigsten. Und dann muss ich mit den Mavericks meinen Spaß anfangen. Jetzt bin ich hier. Und wenn das Schiff der Bridgers vielleicht am Sinken war, ich bin jetzt hier! Man soll es bald merken!«

Er spricht ganz kalt und seltsam ruhig, dieser Warren Bridger. Nur seine Augen glühen in einem seltsamen und verzehrenden Feuer. Sie glühen wie feurige Kohlen. Er steckt zwei Finger in den Mund und pfeift grell und schneidend. Hinter den Büschen wird es lebendig. Man hört das Wiehern eines Pferdes. Dann kommt der schwarze Wallach mit hochgerecktem Hals angeprescht. Er stampft über den Boden und hält vor Warren an.

»Brav!«, sagt Warren sanft. »Sehr brav, Blacky! Komm her und berieche ihn, er wird jetzt auf dir reiten. Komm nur her!«

Der Wallach bläht die Nüstern. Er schiebt sich förmlich an Tude heran, der das Schauspiel mit großen Augen beobachtet. Der Wallach wittert an seinem Rock und an den Hosen. Dann schnaubt er und scharrt mit den Hu-fen.

»Ich hatte schon Angst, er würde dich nicht annehmen!«, knurrt Warren heiser. »Komm hoch, Bruder! In den Sattel und lege dich auf seine Kruppe nach hinten. Ich halte dich schon fest!«

Er stützt den Bruder unter den Armen und hilft ihm in den Sattel. Tude Bridger legt sich lang hin. Dann greift Warren nach den Zügeln, in denen noch einige Blätter hängen und führt den Wallach ganz langsam über die Weide.

Tude Bridger seufzt und klammert sich fest im Sattel. Doch er merkt, dass das Tier wirklich ruhig und kaum stuckernd geht. So dringen sie in die Schlucht ein und wandern weiter nach rechts. Hier liegen Steine, und scheinbar hat es hier einmal einen Erdrutsch gegeben. Die Büsche stehen dicht und undurchdringlich hier.

Warren Bridger biegt um, und die schmale Lücke in den Büschen nimmt ihn auf. Dann kommt jäh das Murmeln eines Quells auf. Das Wasser fällt über die Steine und die Kalkfelsen in die Tiefe. Warren geht genau auf den Wasserfall zu. Er biegt plötzlich hart nach links an der Kante der Felsen entlang. Das Wasser stürzt herunter und bildet einen grünlich schimmernden Vorhang aus Wasser und Staubspritzern. Durch diesen Vorhang marschiert der Wallach, den Warren am Zügel kurz nimmt. Das Tier und der Mann bekommen einige Spritzer ab. Dann sind sie durch. Hinter dem Wasserfall ist eine Höhle. An der Wand hängen ein paar Bogen und ein paar Pfeile stecken in den Köchern aus rohem Leder. Es gibt hier vier Hocker aus rohen Brettern und einen Tisch aus Kistendeckeln. Dazu in der Ecke eine Lagerstatt aus Sageheu und eine Büffelhautdecke darüber. In der Ecke Holz und Kienspäne.

»Der Erdrutsch hat alles noch einfacher gemacht!«, sagt Warren ruhig und hebt seinen Bruder vom Pferd. »Du bist sicher, dass niemand die Höhle kennt, Tude?«

»Völlig!«, sagt Tude Bridger keuchend und lässt sich auf die Büffelhaut sinken. »Ich bin völlig sicher, Bruder. Wie soll es weitergehen, Warren? Wie kommst du auf einmal her zu uns?«

»Hier bin ich zu Hause!«, sagt Warren Bridger sanft. »So ist es richtig, Bruder. Lege dich nur immer bequem hin. Was soll ich dir sagen, dass ich viel an euch gedacht habe, wenn ich auch niemals schrieb? Soll ich dir sagen, dass ich ein Betrüger bin und nur deshalb komme, weil ich genug Geld habe, um diese Ranch aufzubauen, wie es sich gehört?

Nun, ich bin da, und alles andere ist nicht wichtig. Wie es weitergehen soll, willst du wissen?«

Er setzt sich auf den einen Hocker. Und der Hocker kracht unter seinem Gewicht. Einen Moment blitzt ein Funke Lächeln in seinen Augen auf.

»Dieses Ding war für einen Jungen berechnet«, sagt er knapp. »Für einen Mann etwas zu leicht, was? Nun, es geht weiter! Ich werde seine Mave-ricks alle in die Little River-Schlucht treiben. Dort kann er sie wiederfinden. Und mir wird jeder glauben. Jeder, der nicht gleich tot sein will, falls er das Gegenteil behauptet! Dann hole ich die anderen aus der Stadt. Bruder, was ist mit Amos? Du hast gesagt, er kommt auf mich heraus. Ist der Junge schnell?«

Tude Bridger liegt auf dem Lager, und Warren nimmt die Regenhaut vom Sattel und die Decke. Er deckt seinen Bruder zu und legt ihm die Regenhaut als Kissen unter den Kopf.

»Danke!«, sagt Tude heiser. »So ist es viel besser, Bruder. Was mit Amos ist? Nun, der Kleine ist ein Rätsel, wie du eins warst. Er ist gar nicht mehr so klein. Amos bist du in zweiter Ausgabe. Er trägt zwei Eisen und redet die meiste Zeit nicht. Aber er ist in Ordnung. Simson ist ein Bär, der alles zerreißt, was sich ihm in den Weg stellt. Verdammt, was bin ich müde, Bruder!«

»Dann schlafe nur!«, murmelt Warren leise. »Nimm aber deinen Colt unter die Decke und schieße, wenn sich etwas regt. Hier sind wir alle sicher. Well, Dad werden sie nichts tun! Schlafe nur, Bruder!«

Er sieht auf Tude, der schon schläft. Und er nimmt sich vor, den Doc gleich mitzubringen, wenn er aus der Stadt zurück ist. Langsam steht Warren auf und geht mit seinem Pferd wieder durch den Wasservorhang nach draußen. Er lädt seine Eisen wieder auf und reitet schnell auf die Weide zurück. Dort fängt er die beiden Pferde der Wengrave-Boys ein. Und er bindet danach die Männer an den Sätteln fest. Die Beine schnürt er unter dem Bauch zusammen. Er schreibt einen Zettel mit seiner steilen und schrägen Handschrift voll. Dann steckt er jedem der Männer eine Hälfte des zerrissenen Zettels in den Kragen.

»Ich nehme sie mit und binde sie an. Ich werde sie erst laufen lassen, wenn ich fertig bin mit den Mavericks. Dann sind sie nicht eher auf der Zirkel im Kreis, als ich in der Stadt bin. Und das wird nicht vor Abend sein!«

Die Tiere sind unruhig und schnauben mit den Nüstern. Warren nimmt sie wieder an die Longe und reitet an. Er reitet quer über die Weide, und nichts entgeht ihm. Dann kommt er in das Tal und …!

Warren Bridger hält an. Er nimmt sein Glas, und sein Gesicht wird eine Fratze aus böser und kalter Wut, die schrecklich in ihm tobt.

»Fünf Reiter!«, sagt er wild und schneidend. »Fünf Reiter! Sie kommen aus dem Wald auf unsere Ranch. Von hinten, wie Diebe und Halunken es tun. Aaah, du schlägst also auf der ganzen Linie zu, was, du Hund? Na warte, diese fünf sind jetzt schon tot!«

Er sieht im Rund des Glases die fünf Reiter und knurrt kehlig. Die Männer kommen aus dem Wald und nähern sich von hinten der HX-Ranch der Bridgers.

Warren sieht ihre Gesichter und ihre Waffen. Dann reitet er zur Seite weg und taucht in den Büschen unter. Hier steigt der Boden an. Er steigt langsam und ist bis dicht vor die Ranchstelle mit Büschen und Sträuchern bestanden. Ein Gelände, in dem sich ein Reiter nähern kann, ohne gesehen zu werden. Hinter dem Haus der HX-Ranch der Wald. Dunkle und schweigende Kiefern. Knarrende Äste und raschelnde Nadeln. Wind, der durch die Zweige säuselt und hier die Büsche bewegt.

Warren Bridger reitet in die Büsche hinein und sieht vorsichtig auf die Ranch. Er sieht die Männer kom-

men und absteigen. Dann hört er den Ruf.

»Bridger, Sam Bridger, wo bist

du?«

Aber es bleibt still. Nur der Flügel der Stalltür bewegt sich im Wind und knallt manchmal zu, um dann wieder knarrend zurückzuschwingen. Das ist alles an Geräuschen auf der Ranch. wenn man von dem Schnauben der sechs Pferde im Corral absieht. Die Ranch ist verlassen, bis auf den alten Mann, der in seinem Bett liegt und den Ruf hört. Es ist ein Ruf, der den Alten nicht warnt. Aus dem recht einfachen Grund, weil er keine Ahnung hat, dieser Vater von vier Söhnen und einer Tochter. Er kann nur leise reden und kann nicht so antworten, wie er möchte.

Dann hört er die Schritte und das Knarren der Dielen. Das Schlagen der Tür und das Öffnen der nächsten.

Samuel Bridger zieht sich hoch an dem Strick am Fußende des Bettes. Er kann gehen. Aber seine eine Seite ist taub. Mit einem Stock schafft er es gerade noch. Er stützt sich auf und wendet sich langsam um. Seine Füße fallen mehr aus dem Bett auf die Erde. Dann will er sich den Stock nehmen und aufstehen. Doch nun geht die Tür auf. Vier Männer kommen in den Raum und bleiben in der Tür stehen. Sie starren ihn an. Mit einem feindlichen Ausdruck auf dem Gesicht.

»Meine Söhne sind nicht böse!«, sagt der Alte leise und stützt sich auf mit dem Stock. »Ihr seid doch von der Zirkel im Kreis, was? Nun, was möchte Thor denn?«

Er hat ein Nachthemd an und seine Beine sind dürr und nicht sehr kräftig, wie es bei einem Mann, der lange liegt, nicht anders sein kann.

»Soso!«, sagt der eine der Männer langsam. »Deine Söhne sind nicht da, was? Nun, das ist uns gerade recht, Alter. Wir haben eine kleine Sache mit dir vor! Nur eine Kleinigkeit!«

Ihr Ton ist so drohend, dass der Alte gerade bis zu seinem Rollstuhl kommt. In ihn lässt er sich fallen und deckt sich mit der Wolldecke die Beine zu. Er sitzt im Stuhl, dieser Greis und bekommt eine Ahnung. Eine furchtbare Ahnung, als er die Gesichter richtig einschätzt.

»Ich bin nur der Vater meiner Söhne!«, sagt Samuel Bridger leise und gepresst, weil er Schmerzen hat in seinem linken Bein. »Wenn ihr etwas mit ihnen habt, dann müsst ihr kommen, wenn sie hier sind. Jetzt sind sie nicht da, und ich bin hier nicht mehr der Rancher!«

Er sagt, dass keiner seiner Söhne hier ist. Doch da ist einer.

Warren Bridger, sein Ältester.

Er kommt über das saftige Gras von der Stallseite auf die Ranch zu. Und er hat noch gesehen, wie vier Mann in die Haustür einzogen, während der letzte Reiter mitten auf dem Hof

hielt. Das genügt für Warren. Seine Pferde gehen im Schritt und nähern sich in einer Schlangenlinie dem Stall. Er kann das unbesorgt tun, denn die Huftritte werden nicht zu hören sein. Dicht an der Hintertür hält er an und bindet sein Pferd an mit den beiden anderen Gäulen. Dann zieht er leise die Hintertür auf. Er weiß, dass sein Vater in dem Schlafzimmer der Eltern ist. Und dieses Schlafzimmer liegt ganz auf der anderen Seite. Nur der eine Mann auf dem Hof mit den fünf Pferden.

Warren Bridger öffnet die Tür und schiebt sich in den warmen Stall. Die Sonnenbahn verschwindet, als er die Tür schließt und langsam weitergeht. Er geht über den gestampften Lehmboden des Stalles nach vorn. Hier ist das kleine Fenster mit den halbblinden Scheiben. Warren sieht hindurch. Der Mann dreht ihm die Seite zu. Er hält die anderen Pferde am Zügel und sitzt auf seinem Gaul.

»Teufel, ich muss ins Haus!«, sagt Warren bitter und gallig. »Der Hund sieht mich, wenn ich die Tür öffne. Also muss es anders gehen!«

Seine Hand fährt unter die Jacke. Dort ist die breite Schneide des Bowiemessers. Es ist ein leicht gebogenes Messer mit einem schweren Griff. Warren Bridger zieht dieses Messer heraus. Er wiegt den kalten Stahl in einer Hand, und seine Mundwinkel ziehen sich nach unten. Dann macht er einen Schritt zur Seite. Er steht jetzt genau an der Tür. Und seine Hand drückt langsam den Riegel hoch.

»So muss es gehen!«, sagt er leise. Die Worte kommen zischend und scharf aus seinem Mund. »Wenn er nichts sieht, wird er denken, dass auch diese Tür sich im Wind bewegt. Das denke nur, Mister! Es wird der letzte Gedanke in deinem Leben sein!«

Warren tritt wieder zum Fenster und starrt auf die Tür. Sie geht langsam und knarrend auf. Dann packt der Wind sie und lässt sie zurückschwingen. Hin und her schwingt der Flügel. Und der Mann auf dem Pferd ist zusammengefahren, als die Tür sich öffnet. Seine Hand fällt auf den Colt. Aber er zieht nicht. Er starrt nur auf den Flügel und beobachtet ihn eine Weile. Die Tür geht ganz auf. Er kann in den Stall sehen. Und nun ist er beruhigt.

Dann kracht es splitternd im Haus. Der Lärm ist draußen zu hören.

Warren Bridger beobachtet nur den Mann. Er hat sein Bowie-Knife in der Hand und hebt nun langsam seinen linken Fuß an. Der Mann sieht auf das Haus, als das Gepolter ertönt. Es hört sich an, als wenn dort eine Herde Elefanten alles zertrümmert. Warren gleitet in die Tür. Er macht zwei Schritte, bis er genau in der Türöffnung steht. Dann kommt sein Arm hoch. Der Arm beginnt zu kreisen. Die Hand hält das Messer unterhalb des Knaufes. Genau ausbalanciert ist die Klinge. Und dann schießt die Hand mit einem jähen Ruck nach vorn. Schwankend auf seiner Bahn zischt der krumme Stahl los. Er neigt sich leicht.

Da ist das breite Kreuz des Mannes. Und da kommt das Bowie-Knife. Es schießt auf ihn zu. Und dann steckt es bis zum Heftansatz in des Mannes Rücken. Der Reiter hebt seine Arme an. Er dreht sich und starrt auf die Tür. Dort ist es dunkel von der Zwielichtigkeit des Stalles. Ein tiefes Dunkel, aus dem etwas geflogen kam. Mitten in seinen Rücken unterhalb des linken Schulterblattes. Der Mann hat die Augen voller Entsetzen und Schmerz. Er bewegt den Augapfel, und Warren Bridger sieht das Weiße seiner Netzhaut. Dann kracht der Mann mit einem Seufzer aus dem Sattel. Er poltert neben seinem Pferd zu Boden. Auf den Boden der HX-Ranch, auf die ihn niemand gebeten hat zu kommen.

»Das war der erste Hundesohn!«, sagt Warren knapp und bleibt stehen. Er hat beide Hände an den Kolben der Eisen. Und er wartet. Er wartet darauf, dass es vielleicht doch einer der Burschen im Haus gesehen hat und jetzt auf den kleinen Vorbau stürzt. Doch es kommt nichts. Innen geht das Gepolter und das Gekrache weiter. Splitternde Geräusche, die bis zu Warren dringen. Und Warren Bridger läuft. Er jagt mit zwei, drei langen Sätzen auf den Mann am Boden zu und die Pferde, die sich verteilen, auf den Hof. Wandernde Pferde, deren Zügel einmal von einer Hand gehalten wurden. Diese Hand ragt jetzt seltsam gekrümmt hoch. Der Mann liegt auf dem Rücken. Er hat die Augen offen und starrt zum Himmel. Aber er sieht keine Wolken und keine Sonne mehr.

Warren grunzt nur einmal, als er an ihm vorbeiläuft. Dann ist er am Vorbau. Jetzt hört er das Splittern noch deutlicher. Es kommt aus den drei Zimmern, in denen seine Brüder wohnen. Und diese Zimmer liegen rechts von dem langen Gang, der das Haus der Bridgers in zwei Hälften teilt. Jetzt klirren Teller und zerbersten Kannen. Töpfe scheppern auf die Erde. Hier zerstört ein Haufen Narren alles, was Leute sich in mühseliger Arbeit aufgebaut haben.

Warren Bridger kocht. Er kocht fast über. Und das will bei diesem kalten Mann etwas heißen. Langsam drückt Warren die angelehnte Haustür auf. Er sieht nach rechts auf den Rücken eines Mannes. Dieser Mann steht im Zimmer seines Bruders Simson. Warren erkennt es an dem alten Indianertomahawk, das über dem Bett hängt. Und der Mann reißt jetzt dieses Tomahawk von der Wand. Er holt aus und zerschlägt die Lampe mit einem schnellen Hieb. Er lacht dabei. Warren glaubt, dass er gleich ersticken wird an seinem Lachen. Doch er hetzt mit langen Schritten weiter. Dort ist das Schlafzimmer seines Vaters. Die Tür steht halb offen. Der alte Mann sitzt in seinem Rollstuhl. Er starrt mit rotgeränderten Augen auf die Tür.

Samuel Bridger macht die Augen weit auf. Er starrt den Mann an, der sich wie ein Panther ins Zimmer schiebt und dessen Augen die seinen treffen. Der Mann legt den Finger vor den Mund und macht zwei schnelle Schritte auf ihn zu. Dabei sieht Warren Bridger den Blutfaden an des alten Mannes Lippen und die rote Stelle.

»Nicht laut reden, Dad!«, sagt Warren und es würgt ihn in der Kehle, als er die Stelle genauer betrachtet, an der man seinen Vater geschlagen hat. Einen hilflosen Mann, der sich nicht wehren kann. Das also ist sein Wiedersehen mit seinem Vater.

»Sohn …!«, murmelt der Alte in das wüste Gepolter aus den Nebenräumen hinein. »Sohn, dass du nur hier bist! Du kommst zu spät, Warren. Verlasse schnell das Haus, oder verkrieche dich im Keller. Sie wollen alles entzweischlagen. Ich sollte einen Wisch unterschreiben, dass die HX-Ranch in den Besitz von Thor übergeht. Dieser Hund will dich und deine Brüder von der Heimaterde jagen. Geh weg, Sohn! Es ist genug, dass sie mich geschlagen haben, weil ich nicht wollte. Dich werden sie erschießen!«

»Dad!«, zischt der Sohn. »Wer hat dich geschlagen, wer war es? Ich werde einen Sondertanz mit ihm veranstalten. Dad, es ist niemals zu spät!«

»Geh weg, Junge!«, flüstert der alte Mann. »Ich bin froh, dich noch einmal gesehen zu haben, bevor ich von dieser Erde gehe. Lass es gut sein, Sohn, sie erwischen dich sonst. Sie kommen gleich, mein Junge, geh!«

»Das ist unser Haus!«, keucht Warren und legt dem alten Mann sanft die Hand auf die Schulter. »Hier kommt keiner heraus, wenn ich es nicht will!«

»Deine Schwester, Sohn!«, murmelt der Alte. »Sie ist nicht deine Schwester. Höre, ich muss es dir sagen, weil ich glaube, dass es zu Ende mit mir geht. Sie ist nicht deine Schwester, Warren. Die Papiere, Junge, die Papiere liegen in der Truhe unter meinem Bett. In der Eisentruhe liegen sie!«

Er spricht schnell und hastig. Mit der Angst im Blick, dass es vielleicht für die ganze Wahrheit nicht mehr reicht in diesem Leben. Die zittrige Hand Samuel Bridgers zeigt auf die Dielen unter dem Bett.

»Was?«, zischt Warren verstört. »Dad, das ist doch nicht wahr?! Sie ist doch schon immer hier gewesen, seit ich denken kann!«

»Du warst damals neun Jahre, Sohn!«, sagt der alte Mann keuchend. »Darum wisst ihr alle es nicht. Du hattest keine Ahnung, dass Amos unser letztes Kind war. Warren, sie ist eine Tochter Benjamin Wengraves, der auch die Frauen nahm wie sein Sohn. Ihre Mutter starb bei der Geburt. Hazilet kam zu uns, als Mädel von drei Tagen. Ihre Mutter war die Freundin deiner Mutter, Sohn. Sie ist die Tochter von Ben Wengrave und die Schwester von Thor, wenn sie auch verschiedene Mütter haben. In den Papieren, Junge, in den Papieren steht das alles. Der Pfarrer hat es geschrieben. Rede mit dem Pfarrer in Malad City. Er lebt noch, aber er ist nicht mehr im Amt. Die reine Wahrheit, mein Junge, die reine Wahrheit! In der Kiste, Warren …«

Der alte Mann hält erschöpft inne, als er mit seiner heraussprudelnden Rede fertig ist. Seine Wangen haben sich stark gerötet. Er ist aufgeregt, wie vielleicht niemals in seinem Leben.