E-Book: 16-20 - Günter Dönges - E-Book

E-Book: 16-20 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Keine Leseprobe vorhanden. E-Book 1: Big Boss E-Book 2: Die weiße Göttin  E-Book 3: Die Macht aus Metall E-Book 4: Auf der Spur E-Book 5: Gegen den Strom 

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Inhalt

Big Boss

Die weiße Göttin 

Die Macht aus Metall

Auf der Spur

Gegen den Strom 

Butler Parker – Box 4 –

E-Book: 16-20

Günter Dönges

Big Boss

Roman von Dönges, Günter

»Pünktlich auf die Minute«, sagte der schlanke Mann am Steuer des Buick und deutete lässig auf die zweimotorige Reisemaschine, die gerade zur Landung ansetzte.

»Klar«, erwiderte sein kompakter Beifahrer und warf die gerade angerauchte Zigarette durch das geöffnete Wagenfenster, »die werden sich hüten, ’nen Umweg zu machen …!«

Sie beobachteten die Turbo-Beechcraft-Baron, die auf der Betonpiste ausrollte. Auf dem Rumpf der Maschine war in großen Lettern zu lesen, daß dieses Privatflugzeug einer gewissen »Resthouse-Company« gehörte.

»Dann wollen wir mal wieder«, meinte der schlanke Mann am Steuer des Buick und trat die Kupplung, um den ersten Gang einzulegen. Doch genau in diesem Augenblick erschien vor dem Kühler des Buick ein wahres Monstrum von einem Wagen. Es handelte sich um ein Vehikel, das eigentlich in ein Museum gehört hätte. Über soliden Lastwagenreifen und eckigen Kotflügeln erhob sich ein Aufbau, der jeden Strömungstechniker zum lauten Weinen veranlaßt hätte. Sah man genauer hin, konnte man dieses Monstrum als ehemaliges Londoner Taxi identifizieren.

»Sieh dir das an …!« sagte der Fahrer des Buick grinsend, »der Karren stammt noch aus der Steinzeit …!«

»Der Fahrer ganz sicher sogar …!« pflichtete der Beifahrer ihm bei und grinste ebenfalls, »so was könnte aus dem letzten Hitchcock-Film stammen!«

Die beiden Männer im Buick hatten keineswegs übertrieben. Sie musterten den Mann, der gerade aus dem hochbeinigen Monstrum stieg. Dieser Mann bewegte sich mit der selbstverständlichen Würde eines Aristokraten. Er trug einen rabenschwarzen Zweireiher, eine schwarze Melone und legte sich gerade den Bambusgriff eines altväterlich gebundenen Regenschirms über den linken Unterarm. Dieser Mann mit dem undurchschaubaren Gesicht des berufsmäßigen Pokerspielers war altersmäßig nur sehr schwer einzustufen. Er konnte fünfundvierzig Jahre, aber auch gut und gern zehn Jahre älter sein. Er hielt sich steif, als habe er einen Ladestock verschluckt. Mit den gravitätischen Schritten eines Storches hielt er auf den Buick zu und lüftete seine Melone, als er in der Höhe des Fahrers stand.

»Bin ich recht in der Annahme, meine Herren, daß Sie von der Firma Snyder sind?« fragte er dann mit baritonal gefärbter Stimme.

»Nee …«, antwortete der Fahrer, »da sind Sie auf dem Holzweg …!«

»Dann bitte ich, mein Versehen entschuldigen zu wollen«, antwortete der würdevoll aussehende Mann und lüftete erneut seine schwarze Melone, »würden Sie mir dennoch eine kleine Freundlichkeit erweisen?«

»Wenn’s schnell geht …!« sagte der Fahrer, deutete gleichzeitig auf die zweimotorige Maschine, die am Ende der Rollbahn gerade wendete. »Wir sind nämlich im Dienst …!«

»Ich benötige nur ein wenig Feuer für meine Zigarre«, sagte der Würdevolle, »seien Sie schon im voraus meines tiefsten Danks versichert.«

Der Mann aus dem Hitchcock-Film griff in seine Brusttasche, holte ein abgewetzt aussehendes Zigarren-Etui hervor und ließ es aufspringen. Er wählte mit Sorgfalt eine Zigarre aus, präparierte sie und beugte sich dann steif an das geöffnete Wagenfenster heran.

Der Fahrer des Buick reichte dem Mann amüsiert Feuer. Weder er noch sein Begleiter merkten in diesem Moment, daß der Würdevolle sehr geschickt eine zweite Zigarre bereithielt, die er jetzt in den Fond des Wagens gleiten ließ.

»Meinen allerherzlichsten Dank«, sagte der Würdevolle dann, richtete sich auf, deutete eine knappe Verbeugung an und ging zurück zu dem hochbeinigen Monstrum.

»Komische Type, was?« meinte der Begleiter zum Fahrer des Buick, »ich hab’ immer gedacht, daß es so was nur im Film gibt!«

»Verdammt komische Type«, murmelte der Fahrer und gähnte. »Wer mag das gewesen sein?«

»Keine Ahnung«, entgegnete der Beifahrer und gähnte ebenfalls, »is’ ja auch gleichgültig, oder?«

»Klar«, sagte der Fahrer, räkelte sich auf dem Sitz zurecht und schloß zufrieden die Augen.

»Klar«, murmelte nun auch der Beifahrer und schloß ebenfalls die Augen.

Er räkelte sich derart bequem zurecht, daß er von seinem Sitz wegrutschte und auf dem Boden landete. Hier rollte er sich zusammen und schnarchte drauflos.

»Los, Junge, wir müssen«, murmelte der Fahrer, der kurz hochgeschreckt war. Mehr brachte er allerdings nicht mehr hervor. Denn er schlief ebenfalls tief und fest ein, was wohl mit der Zigarre zusammenhing, die im Fond des Wagens lag und einen gewissen Wirkstoff versprühte, den man weder sehen noch riechen konnte.

Der würdevoll aussehende Mann, der nach wie vor wie ein Aristokrat aussah, saß inzwischen wieder in seinem hochbeinigen Monstrum und näherte sich der Reisemaschine, die die Rollbahn verlassen hatte und nun auf den Tower zuhielt.

*

»Was ist denn das für ’n komischer Schlitten?« fragte der Chefpilot, sich an seinen Co-Piloten wendend. Er deutete auf ein hochbeiniges Monstrum, an dessen Wagendach eine Sanitätsflagge flatterte. Dieser so ungewöhnlich aussehende Wagen rollte auf die Maschine zu, die inzwischen abgebremst hatte und nun hielt.

»Noch nie hier gesehen«, stellte der Co-Pilot kopfschüttelnd fest, »der Karren scheint noch aus der Nullserie von Ford zu stammen. Hat aber komischerweise ’ne Quarantäneflagge anmontiert!«

Die beiden Piloten verließen ihre Sitze im Cockpit der Maschine und begaben sich in den Rumpf der Maschine. Hier sah ihnen bereits ein untersetzter, stämmiger Zivilist entgegen, der sich offensichtlich in einen mittelgroßen Lederkoffer verliebt zu haben schien. Er schien sich nie wieder von ihm trennen zu wollen. Darauf deutete immerhin eine Stahlkette hin, die vom Koffergriff bis hin zu seinem Handgelenk reichte. Diese solide, feingliedrige Stahlkette endete in einer Handschelle, die sich um das Gelenk dieses Mannes schloß.

»Ist was?« fragte der Kofferträger.

»Mal sehen«, gab der Pilot zurück, »Quarantäne oder so was …! Werden wir gleich ganz genau wissen!«

Er öffnete die Tür der Maschine und ließ die kleine Schiebetreppe zum Boden hinunter. Fast synchron dazu rollte das hochbeinige Monstrum heran. Die Wagentür öffnete sich, ein ungemein würdevoll aussehender Mann stieg aus und lüftete höflich seine schwarze Melone.

»Was ist denn hier bei euch los?« rief der Pilot, während er arglos nach unten stieg. Hinter ihm auf der kleinen Treppe erschienen der Co-Pilot und der Kofferträger.

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte sich der würdevolle Autofahrer vor, »ich habe die Ehre, das Amt für nationale Gesundung zu vertreten.«

»Na und …?« sagte der Pilot und grinste amüsiert.

»Ich fürchte«, redete der Vertreter des Amtes für nationale Gesundung weiter, »ich fürchte, Sie werden sich einer kleinen, völlig harmlosen Prozedur unterziehen müssen.«

Der Kofferträger, schon rein äußerlich ein mißtrauischer Mensch, griff sicherheitshalber nach seiner 38er, die in einem Schulterhalfter stak. Er entsicherte sie und wartete erst einmal ab.

»Prozedur?« fragte der Pilot zurück, »was ist denn los? Nun rücken Sie schon mit der Sprache ’raus, Mann …!«

»Ein Pockenfall«, erklärte der Mann, der sich als Josuah Parker vorgestellt hatte, »das Amt für nationale Gesundung verteilt deshalb Tabletten, die aus Gründen der allgemeinen Sicherheit möglichst umgehend und noch vor dem Betreten des Bodens eingenommen werden sollten.«

»Pocken?« Der Co-Pilot sah sich nach dem Kofferträger um, der den Griff seines 38ers losließ.

»Oder eine artverwandte Krankheit, die jedoch epidemisch wirken könnte«, erläuterte der Amtsvertreter, »wenn Sie sich also bitte bedienen wollen!«

Er präsentierte eine Pillendose, in der einige Tabletten zu erkennen waren.

»Bekomme ich die auch ohne Wasser ’runter?« erkundigte sich der Pilot.

»Wahrscheinlich«, erwiderte der Gesundheitsapostel, »sie zerfällt mit Sicherheit sofort im Mund!«

»Also los dann!« Der Pilot steckte sich eine der Tabletten in den Mund und stellte bei dieser Gelegenheit fest, daß sie noch nicht einmal schlecht schmeckte.

Der Co-Pilot folgte seinem Beispiel und bediente sich ebenfalls. Doch der mißtrauische Kofferträger zögerte noch ein wenig. Er sah zu dem Buick hinüber, der aus verständlichen Gründen noch immer an seinem alten Platz stand.

»Die beiden Herren im Wagen haben sich ebenfalls schon bedient«, erklärte der Gesundheitsvertreter, »wie gesagt, nur eine reine Sicherheitsmaßnahme!«

Der Kofferträger faßte mit der linken Hand zu und versorgte sich nun auch mit einer Tablette. Dann beeilte er sich, den beiden Piloten zu folgen, die die Treppe bereits hinter sich gebracht hatten.

Plötzlich erfaßte ihn ein kleiner Schwindelanfall. Er taumelte, hatte plötzlich kein Gefühl mehr in den Beinen und rutschte dann über die beiden letzten Stufen hinunter auf den angestaubten Rasen. Dort landete er genau neben den beiden Piloten, die schon vor ihm gestolpert waren und sich gerade anschickten, eine Reise in das Land der tiefen Träume zu unternehmen.

Josuah Parker, wie der Gesundheitsvertreter sich nannte, schaute wohlgefällig auf die drei Männer hinunter, die es sich zu seinen Füßen bequem gemacht hatten. Dann griff er in die linke Tasche seines schwarzen Zweireihers und holte eine kleine Drahtschere hervor, mit deren Hilfe er die solide Stahlkette durchzwickte. Er trug den Koffer hinüber zu dem parkenden, hochbeinigen Monstrum, setzte sich ans Steuer und fuhr los, ohne sich weiter um die gesamte Szenerie zu kümmern. Schon nach knapp einer Minute war der seltsam anmutende Wagen hinter dem Tower verschwunden und kurvte auf die breite Zufahrtsstraße ein.

*

»Wie war der Vormittag?« erkundigte sich Anwalt Mike Rander, nachdem er den komfortabel eingerichteten Strandbungalow hart am Wasser betreten hatte. Mike Rander, mittelgroß, schlank, einem gut durchtrainierten Mittelgewicht ähnlich, allerdings mit einem untadeligen Gesicht, ließ sich in einen Sessel fallen und nickte seinem Butler zu, der wie durch Zauberei erschien und auf einem Silbertablett die obligaten Drinks servierte.

Mike Rander trug im Gegensatz zu seinem völlig korrekt gekleideten Butler kurze Badeshorts und ein ärmelloses Frotteehemd. Er sah aus wie ein großer, übermütiger Junge.

»Ich bedanke mich für die freundliche Nachfrage, Sir«, gab der Butler zurück, »ich war so frei, mir den kleinen Privatflugplatz westlich von Vero Beach anzusehen.«

»Hat’s sich gelohnt?« fragte Mike Rander weiter und griff nach dem Glas, um daraus einen herzhaften Schluck zu nehmen, »ausgezeichnet, Parker, ausgezeichnet. Im Mixen sind Sie ein As!«

»Ich bin fast sicher, Sir, da dieser kleine Abstecher sich gelohnt hat«, erklärte der Butler, »ich hatte das Glück, einen an sich fast herrenlosen Koffer zu finden.«

»Sie haben einen Koffer gefunden?« wunderte Mike Rander sich, richtete sich in seinem Sessel auf.

»In der Tat«, redete der Butler gemessen und umständlich weiter, »er befand sich in der Nähe einiger Männer, die offensichtlich schliefen. Ich hielt es in Anbetracht der Situation für durchaus richtig, diesen Koffer erst einmal zu bergen!«

»Nun reden Sie nicht herum, Parker«, gab Mike Rander streng zurück, »sagen Sie schon, wem dieser Koffer gehört und wieso die bewußten Männer schliefen. Da stimmt doch was nicht!«

»Der Koffer stammt wohl offensichtlich aus einer zweimotorigen Reisemaschine vom Typ Turbo-Beechcraft-Baron, die der Resthouse-Company gehört, Sir!«

»Resthouse-Company?« Mike Rander sprang auf und stellte sein Glas weg, »komischer Zufall, wie? Ich will die ganze Geschichte hören, Parker, die ganze Geschichte! Und fassen Sie sich kurz!«

»Nach meinen privaten Informationen, Sir, unterhält die Resthouse-Company auf den benachbarten Bahamas ein Spielkasino, in dem immense Geldbeträge den Besitzer wechseln.«

»Na klar, deswegen sind wir ja hier in Florida«, sagte Mike Rander ungeduldig, »Und was weiter?«

»Die privaten Informationen besagten weiter, daß einmal pro Woche die Gewinne dieser Spielbank in die Staaten transferiert werden. Die Gelder werden in einem Safe-Koffer hierher nach Vero Beach gebracht und zwei Kurieren ausgehändigt, die die Barmittel in der Bank einzahlen.«

»Auch das ist uns ja längst bekannt, Parker! Moment mal … soll das heißen, daß Sie solch einen Geldkoffer abgefangen haben?«

Während Mike Rander redete, wurde seine Stimme schließlich fast schrill. Dazu sah er seinen Butler irgendwie entsetzt an.

»Abgefangen, Sir? Nun, vielleicht sollte man es tatsächlich so umschreiben …«

»Sind Sie denn wahnsinnig, Parker?« Mike Rander schnappte förmlich nach Luft und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Das ist doch mit einem Fußtritt gegen das Schienbein des Syndikats zu vergleichen. Das lassen die Gangsterbosse sich bestimmt nicht gefallen. Der Griff in ein Wespennest ist direkt harmlos dagegen!«

»Falls ich mich in der Wähl meiner Mittel vergriffen haben sollte, Sir, bitte ich das entschuldigen zu wollen. Ich möchte aber jetzt und hier versichern, daß den bewußtlosen Männern draußen am Flugplatz keinerlei Harm zugestoßen ist. Sie werden nach einem kurzen Tiefschlaf relativ erquickt erwachen!«

»Und selbstverständlich Alarm schlagen. Man hat Sie doch genau erkannt. Man weiß doch von Chikago her, wer Sie sind. Denken Sie an die Affäre mit dem ›Skorpion‹. Das Syndikat ist mehr als sauer auf Sie!«

»Ich könnte es mir in der Tat vorstellen«, erwiderte der Butler, »dennoch bin ich recht froh, den bewußten Koffer in meine Obhut genommen zu haben!«

»Wieviel Geld ist in dem Koffer?« fragte Mike Rander weiter.

»Nach grober Schätzung, Sir, in etwa fast eine Million Dollar!«

»Wie bitte …?« Mike Rander schoß erneut von seinem Sitz hoch und sah seinen Butler völlig entgeistert an, »wiederholen Sie das noch mal!«

»Ohne mich genau festlegen zu wollen, Sir, würde ich von einer Million Dollar reden!«

»Ich werde wahnsinnig!« Rander sackte zurück in den Sessel und war einer leichten Ohnmacht nahe, »Parker, das bringt uns um! Das Syndikat wird an sämtliche Decken gehen. Man wird eine höllische Treibjagd auf uns veranstalten.«

»Möglicherweise, Sir …« Parker nickte wohlwollend.

»Und man wird die Polizei auf uns hetzen, Parker! Was Sie getan haben, war, gelinde, ausgedrückt, schwerer Diebstahl! Das ist ein Fall für die Staatsanwälte!«

»Dem erlaube ich mir zu widersprechen, Sir.«

»Ach nee, Sie erwarten wohl noch eine öffentliche Belobigung, wie? Parker, begreifen Sie doch. Das Gangstersyndikat arbeitet auf den Bahamas völlig legal. Die Spielhölle da drüben ist behördlich konzessioniert. Die Gewinne sind ebenfalls legal! Jeder Staatsanwalt muß für das Syndikat arbeiten, läßt sich juristisch nicht anders machen. Muß also für das Syndikat arbeiten, obwohl bekannt ist, daß man es dabei mit ausgekochten Gangstern zu tun hat! Das Recht ist für alle da!«

»In diesem speziellen Fall, Sir, ergeben sich wahrscheinlich einige kleine Unterschiede in der Rechtsauffassung.«

»Und die wären?«

»Die Gewinne in dem bewußten, von mir sichergestellten Koffer, sollten illegal in die Staaten eingeführt werden.«

»Soll das nur eine faule Ausrede sein?«

»Keineswegs, Sir, so etwas würde ich mir niemals erlauben. Der Millionenkoffer, wenn ich mich in der Folge so ausdrücken darf, sollte unter Umgehung des Zolls in die Staaten verbracht werden, ein Delikt, für das sich zumindest die Finanzbehörde ungemein interessieren würde.«

»Woher wissen Sie das so genau?«

»Die Beechcraft-Baron, in der das Geld transportiert wurde, landete auf einem stillgelegten Militärflugplatz. Die Landung war der Luftkontrollbehörde nicht angemeldet. Daraus schließe ich …«

»Sie stützen sich also nur auf reine Spekulation, wie?«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir, werden Sie und meine bescheidene Wenigkeit sehr bald wissen, ob meine Vermutungen zutreffen. Mit anderen Worten, die Vertreter des Syndikats werden sich zu Worte melden!«

»Wenn wir Glück haben!« stellte Mike Rander seufzend fest, »ich rechne, daß sie sich mit schallgedämpften Kanonen melden werden!«

*

Nach dieser Unterhaltung entwickelte der Butler eine große Betriebsamkeit.

Er sorgte erst einmal dafür, daß die Millionenbeute in Sicherheit gebracht wurde. Dazu verschickte er den Koffer an das FBI-Headquarters in Washington. Natürlich ohne Angabe eines Absenders. Sicherheitshalber verfaßte er allerdings ein Begleitschreiben per Hand. In diesem Schreiben teilte er den wahrscheinlich mehr als erstaunten Empfängern höflich mit, er habe diesen Koffer gefunden, sichergestellt und ihn zur weiteren Aufbewahrung an das FBI geschickt.

Parker verschickte nicht das ganze Geld.

Er behielt etwa 50.000 Dollar zurück. Er brauchte diese Scheine, um einen zweiten Koffer zu präparieren, den er anschließend kaufte und der dem ersten Koffer bis ins kleine Detail glich.

Parker kaufte aber noch mehr.

So zum Beispiel eine dünne Sperrholzplatte, einige kleine Spiralfedern und zusätzlich noch einige Pfund blütenweißes Weizenmehl. Mit diesen Dingen richtete er den zweiten Koffer geschickt her. Seine Vorliebe für nette, harmlose, unblutige Tricks kam ihm dabei zu Hilfe. Er brauchte gut eine Stunde, bis diese Arbeit getan war. Dann fuhr er zurück zum Strandbungalow, den er für seinen jungen Herrn und für sich gemietet hatte.

Mike Rander war unten am Strand und lag in der Sonne. Er entspannte und dachte wahrscheinlich über passende Ausreden nach, falls ein regulärer Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien, um sich nach dem Verbleib des Koffers zu erkundigen.

Rander und Parker waren von Chikago aus nach Florida gekommen, um den Kampf mit dem Syndikat aufzunehmen. Sie hatten dieser Gangsterorganisation einigen Ärger bereitet und mußten damit rechnen, daß die Vertreter des Syndikats ihnen auf den Pelz rückten. Da aber Angriff immer noch eine gültige Form der Verteidigung darstellt, waren Rander und sein Butler zum Vorstoß angetreten.

Bisher hatte es sich um das Testament des Gangsters Luigi Manchetti gehandelt. Um dieses Testament und um eine erzwungene Verkaufserklärung dieses Gangsters, der von seinen eigenen Freunden in Chikago umgebracht worden war.

Nun aber war die Millionenbeute dazugekommen. Nun hatte der Butler sich sehen lassen. Nun wußte das Syndikat, wer nach Florida gekommen war. Und schließlich konnten die Vertreter dieses Gangster-Syndikats sich leicht ausrechnen, daß weder Mike Rander noch Josuah Parker daran dachten, sich irgendwo zu verkriechen. Die letzte Auseinandersetzung war damit unvermeidlich geworden.

Als Mike Rander gerade zurück zum Bungalow schlenderte, tauchte auf der Zufahrtsstraße ein Streifenwagen der Polizei auf, dem ein Zivilwagen folgte. Diese Wagen hielten vor dem Bungalow.

Parker wartete erst gar nicht ab, bis geläutet wurde.

Untadelig gekleidet, trotz der Hitze in schwarzer Hose, gestreifter Dienerweste und ein Hemd mit Eckkragen tragend, öffnete er die Tür und deutete eine seiner knappen Verbeugungen an.

»Distriktsanwalt Falder«, stellte sich ein drahtiger Zivilist vor und sah den Butler grimmig an, »bin ich hier richtig bei Mister Mike Rander?«

»In der Tat, Sir«, erwiderte der Butler und musterte die beiden uniformierten Beamten, die sich hinter dem Distriktsanwalt aufgebaut hatten.

»Sie sind demnach Josuah Parker, oder?« fragte Falder weiter.

»Ganz recht, Sir«, lautete Parkers Antwort, »darf ich Sie höflichst einladen, näherzutreten?«

Distriktsanwalt Falder und seine beiden uniformierten Begleiter ließen sich von Parker in den großen Wohnraum des Bungalows führen, in dem Mike Rander sich gerade an der Hausbar einen Drink mixte.

»Distriktsanwalt Falder, Sir«, meldete der Butler.

»Oh …!« sagte der junge Anwalt und drehte sich zu seinen Gästen um. »Was kann ich für Sie tun?«

»Gegen Sie liegt eine Anzeige der Resthouse-Company vor«, erklärte der drahtige Mister Falder und blieb steif stehen, »Sie, das heißt, Ihr Butler soll einen Koffer mit Geld geraubt haben. Und das unter Verwendung von hypnotisch wirkenden Mitteln …!«

»Stimmt das, Parker?« erkundigt Mike Rander sich bei seinem Butler.

»Ich bin mir keiner Schuld bewußt, Sir«, gab der Butler zurück.

»Ob schuldig oder nicht … nun ja, das wird sich ja bald herausstellen«, fuhr Distriktsanwalt Falder fort, »ich muß Sie bitten, mit mir in mein Büro zu kommen. Die Angestellten der Resthouse-Company sind bereits dort und warten auf eine Gegenüberstellung. Sie legen gewiß keinen Wert darauf, daß ich Gewalt anwenden lasse, oder?«

»Kaum«, gab Mike Rander zurück, »wieviel Dollar soll mein Butler denn geraubt haben?«

»Es soll sich fast um eine Million handeln!«

»Moment mal, Mister Falder, die kann man doch nicht so einfach abzweigen!«

»Ihr Butler, das wurde eindeutig geklärt, muß sich raffinierter Tricks bedient haben.«

»Schön, klären wir das!« sagte der junge Anwalt, »Sie gestatten, daß ich mich schnell umkleide, ja?«

»Unternehmen Sie auf keinen Fall einen Fluchtversuch«, warnte Mister Falder sehr ernst und nachdrücklich, »vor dem Haus warten noch zwei weitere Mitarbeiter von mir!«

Mike Rander nickte und verschwand in seinem Schlafraum, während Josuah Parker, steif wie ein indignierter Aristokrat, im Wohnzimmer wartete und die drei Männer völlig übersah.

»Nach dem Koffer brauchen wir hier wohl erst gar nicht zu suchen, wie?« fragte Mister Falder ironisch.

»Kaum, Sir!« gab der Butler würdevoll zurück.

»Na ja, später wird sich – alles klären«, redete Mister Falder weiter und zündete sich eine Zigarette an, »vielleicht stellt sich die Sache als Mißverständnis heraus.«

»Das Leben, Sir, liebt seine Überraschungen«, meinte der Butler, »darf ich fragen, ob Ihnen die Resthouse-Company bekannt ist?«

»Natürlich«, erwiderte Mister Falder. »Sie baut Feriensiedlungen hier in Florida. Hat Tankstellen und Motels. Und dann kommen noch einige Supermärkte hinzu!«

»Ein respektables Unternehmen«, sagte der Butler und nickte anerkennend, »und wer sind die Inhaber dieser Company?«

»Keine Ahnung, schließlich handelt es sich um eine Gesellschaft. Fragen Sie doch bei der Handelskammer nach. Ah, ich glaube, wir sind soweit!«

Mike Rander kam aus seinem Schlafraum. Er trug einen hellgrauen Anzug und sah harmlos, nett und freundlich wie ein großer Junge aus. Er nickte Distriktsanwalt Falder zu.

»Moment noch«, sagte Rander, »ich möchte vorher noch mit meinem Anwalt reden, Mister Falder!«

»Das wird nicht nötig sein«, gab Falder zurück, grinste ein wenig abschätzig und nickte seinen beiden uniformierten Begleitern unmerklich zu.

Worauf die, beiden uniformierten Beamten blitzschnell ihre schweren Dienstwaffen zogen und plötzlich gar nicht mehr wie Vertreter des Gesetzes aussahen!

*

Der erste Teil der Fahrt dauerte nicht lange.

Nachdem Mike Rander und Josuah Parker in den Streifenwagen der angeblichen Polizisten eingestiegen waren, ging es erst einmal in schneller Fahrt hinüber auf das Grundstück eines Supermarkts. Genauer gesagt, die beiden äußerlich so ungleichen Männer mußten in der Tiefgarage solch eines Unternehmens in einen völlig geschlossenen Kastenlieferwagen umsteigen. Zu ihrer Unterhaltung gab man ihnen die beiden Männer mit, die eben noch Polizeiuniform getragen hatten, jetzt aber tatsächlich wie echte Gangster aussahen.

Sie hielten während dieser ganzen Prozedur ihre Waffen schußbereit in beiden Händen. Bei dieser Überwachung wurden sie unterstützt von Mister Falder, der selbstverständlich auch kein echter Distriktsanwalt war.

Steve und Hank, wie die beiden Gangster hießen, die zusammen mit Mike Rander und Josuah Parker im Kastenaufbau des Lieferwagens Platz genommen hatten, warnten ihre beiden Gäste wiederholt vor Dummheiten. Sie erklärten laut und deutlich, sie würden beim geringsten Verdacht gnadenlos schießen, eine Behauptung, die Mike Rander und sein Butler keineswegs auf die leichte Schulter nahmen.

»Wohin soll’s denn gehen?« erkundigte sich Mike Rander während der Fahrt, die nun schon fast eine gute halbe Stunde dauerte.

»Abwarten!« meinte Steve, der Wortführer der beiden Gauner. »Laßt euch überraschen. Ich sage euch aber schon jetzt, rückt den Geldkoffer möglichst schnell ’raus, sonst werdet ihr euer blaues Wunder erleben!«

»Wer ist dieser Mister Falder?« stellte der junge Anwalt seine nächste Frage, »scheint bei euch ein verdammt hohes Tier zu sein, oder?«

»Und ob!« gab Hank zurück und nickte wichtigtuerisch, »Glenn Falder hat ’ne direkte Leitung zum Syndikat!«

»Halt’ bloß den Rand, du Trottel!« fauchte Steve seinen Partner wütend an, »wenn die scharf drauf sind, bekommen die’s sogar noch schriftlich von dir, wie?«

»Ich … ich hab’ ja nur gemeint!« stotterte Hank betreten.

»Paß lieber auf die beiden Schnüffler auf!« bruddelte Steve weiter, »oder soll ich Falder mal sagen, wie gern du quasselst?«

»Is’ ja schon gut!« erwiderte Hank kleinlaut.

»Obwohl Sie äußerst unmutig zu sein scheinen«, schickte der Butler voraus, sich an Steve wendend, »ist Ihnen der Name Hale Patson vielleicht irgendwie bekannt?«

»Hale?« Steve grinste und nickte, »meinen Sie den, den Sie in Chikago aufs Kreuz gelegt haben? Habe ich von gehört! Müssen Sie mächtig raffiniert hingekriegt haben.«

»Ich freue mich aufrichtig, daß Sie die Dinge so freundlich aufnehmen und betrachten«, gab der Butler würdevoll zurück.

»Ich schon!« entgegnete Steve, »aber reden Sie mal mit Pete Rollings! Der freut sich überhaupt nicht darüber. Vielleicht hat er keinen Humor!«

»Pete Rollings … Pete Rollings!?« dachte der Butler laut nach, »richtig, jetzt erinnere ich mich. Er und besagter Hale Patson waren, beziehungsweise sind doch die beiden Vollstrecker des Syndikats, wenn ich nicht irre!«

»Pete Rollings hat ’ne Stinkwut auf euch, aber das kann er euch ja bald selbst sagen«, redete Steve weiter, »der läßt sich bestimmt was einfallen, um euch richtig durch die Mangel zu drehen!«

»Er wird doch nicht das sein, was man nachtragend nennt?« fragte der Butler seinen Gesprächspartner.

»Ne, der is’ eiskalt … ’n Eisberg is’ eigentlich sogar noch’n Glühofen gegen ihn … Macht euch mal auf was gefaßt, Leute!«

Parker kam leider nicht mehr dazu, weitere Informationen einzuholen, denn die Fahrt endete plötzlich. Das Geräusch des Motors hörte sich hohl an, man schien wieder einmal in einer Tiefgarage gelandet zu sein. Dann hielt der Wagen und Rander und Parker durften aussteigen. Aufmerksam bewacht von den beiden Gangstern Steve und Hank.

Falder erschien.

Auch er hatte sich mit einer Handfeuerwaffe ausgerüstet und trieb seine beiden unfreiwilligen Gäste durch knappe Handbewegungen über eine Treppe hinauf in ein großes Möbellager.

Parker sah sich interessiert um.

Der langgestreckte, rechteckige Bau schien so etwas wie ein Ausstellungslager zu sein. Möbel und Sitzgarnituren aller Art und Preisklassen waren hier versammelt. In diesem großen Bau hätte man mit Leichtigkeit auf zwei Plätzen Tennis spielen können.

»Danke, wir kaufen nichts!« bemerkte Rander trocken, der sich natürlich ebenfalls umgeschaut hatte.

»Ihnen werden die Witze bald vergehen«, verhieß Mister Falder, »bald hören Sie nur noch Ihr eigenes Geschrei.«

*

In der Abteilung für Schlafmöbel aller Art war Endstation der langen Wanderei.

»Das ist Pete Rollings«, stellte er dann ironisch vor, als ein schlanker, fast schmaler, körperlich unterentwickelter Mann von knapp dreißig Jahren vor ihnen erschien.

Pete Rollings’ Gesicht glich dem eines großen Babys. Von Bartwuchs war kaum etwas zu sehen. Er hatte dafür eine etwas bleich wirkende Gesichtsfarbe und einen schmalen, dünnen Mund, um dessen Winkel es unaufhörlich bebte und zitterte. Besonders nervenstark schien dieser Mann nicht zu sein, der für das Syndikat als Berufsvollstrecker arbeitete. Mit anderen Worten, er war der Berufskiller der Gangsterorganisation. Er wurde auf Personen angesetzt, die das Syndikat von der allgemeinen Bildfläche verschwinden lassen wollte.

Pete Rollings hatte ein Stück Kabel in der rechten Hand. Er wog es unaufhörlich und schaute fast ausschließlich den Butler an.

»Du bist Parker, wie?« fragte er endlich, ohne sich weiter um Falder oder um die beiden anderen Gangster zu kümmern.

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich würdevoll und formgerecht vor.

»Genauso hab’ ich mir dich vorgestellt!« Rollings grinste dünn und leckte sich die Lippen. »Du hast einen Koffer verschwinden lassen, wie?«

»Das muß ein Gerücht sein«, widersprach der Butler.

»Wetten, daß du mir gleich sagen wirst, wo der Koffer ist?« Pete Rollings änderte die Blickrichtung und schaute intensiv auf das Kabelende.

»Ich wette höchst selten und dann auch nur sehr ungern«, antwortete der Butler, »haben Sie möglicherweise die feste Absicht, das Kabelende gegen meine Wenigkeit zu verwenden?«

»Wie war das? Was hat er gesagt?« Pete Rollings war leicht verdutzt und wendete sich hilfesuchend an Falder.

»Er fragt, ob du ihn damit bearbeiten willst«, dolmetschte Falder und deutete auf das Stück Kabel.

»Und wie! Ich hab’ mit ihm noch eine Rechnung zu begleichen. Ich muß immer an meinen Freund Hale Patson denken! Der kann jetzt nicht hier sein!«

»Wenn Sie erlauben, überreiche ich Ihnen ein kleines Andenken von ihm«, sagte der Butler und nahm wie selbstverständlich seine Hände herunter. »Es handelt sich um eine Ansichtskarte, die ich in Mister Patsons Brieftasche fand!«

Parker übersah konsequent die drohenden Mündungen der diversen Handfeuerwaffen, er mißachtete das Kabelende. Er holte seine Brieftasche hervor, öffnete sie und überreichte zu Mike Randers ehrlicher Überraschung tatsächlich eine Ansichtskarte.

Pete Rollings griff automatisch nach dieser Karte und … erlebte eine herbe Enttäuschung.

»Wenn Sie bitte hier auf die Vorderseite achten wollen«, meinte Parker in seiner unnachahmlich überzeugenden Art und stand auf. Er tippte auf die Karte und stand gleichzeitig neben Rollings, der solch eine Frechheit noch nie vorher erlebt hatte.

»Hier bitte!« redete der Butler weiter und zwang Rollings so, unbewußt den Kopf zu senken. Was er wohl besser nicht getan hätte, denn der Butler ließ sich diesen engen, absichtlich geförderten Kontakt nicht entgehen, um dem Vollstrecker eine böse Niederlage zu bereiten.

Er trat ihm, da man ihm die Waffe weggenommen hatte, schlicht und einfach auf die linke große Zehe. Sehr nachdrücklich, was keineswegs verschwiegen werden soll.

Rollings stieß einen leichten, unterdrückten Schrei aus, verfärbte sich und bemühte sich, seine Gesichtsfarbe der einer frisch gekalkten Wand anzugleichen.

»Wie ungeschickt von mir«, entschuldigte sich der Butler und rammte seinen Ellbogen in die Magengrube des Gangsters, der daraufhin offensichtlich unter Luftschwierigkeiten litt und sich sicherheitshalber erst einmal auf den Boden setzte. Er war derart durcheinander, daß er überhaupt nicht bemerkte, wie Parker ihm die Schußwaffe abnahm.

Mike Rander war selbstverständlich nicht untätig geblieben. Schließlich bildeten er und sein Butler ein erstklassiges Team. Als Rollings leicht aufgeschrien hatte, trat er gegen das Schienbein Mister Falders und brachte ihn so dazu, gegen den schußbereiten Steve zu fallen, der daraufhin an einem gezielten Schuß gehindert wurde.

Er schoß … gewiß …! Doch er traf nicht den jungen Anwalt, sondern schrammte seinen Partner Hank an, der das Gefühl hatte, von einem glühenden Stück Eisen an der Schulter versengt zu werden.

Kurz, es gab ein echtes Durcheinander und Mißverständnisse am laufenden Band. Die Gangster behinderten sich gegenseitig und merkten viel zu spät, daß ihre beiden Opfer sich inzwischen abgesetzt hatten.

Mike Rander und Josuah Parker hatten die Schlafmöbelabteilung bereits hinter sich gelassen und strebten den Küchenmöbeln zu. Sie kamen dabei an einer Reihe kleiner fahrbarer Tischchen vorbei, die als eine Art stummer Diener angeboten wurden. Da diese Tischchen auf gut geölten Rollen standen, ließen sie sich auch leicht bewegen.

Was der Anwalt sofort ausprobierte.

Er kickte gegen den ersten Serviertisch, der sich daraufhin prompt in Bewegung setzte und unter Beweis stellte, wie erstklassig die Kugellager waren. Dieser Serviertisch zischte auf Steve zu, der als erster die Verfolgung aufgenommen hatte.

Steve war nicht mehr in der Lage, diesem Geschoß auf Rädern auszuweichen. Er verspürte einen harten Schlag gegen seine Kniescheibe, brüllte laut auf und fiel mit dem Oberkörper über den niedrigen Tisch, der noch immer soviel Fahrt hatte, in Richtung Schlafzimmerabteilung weiterzurollen.

Steve ruderte mit Armen und Beinen in der Luft herum und wollte abspringen. Doch zu spät …! Hank war inzwischen erreicht. Der wollte sich im letzten Augenblick zur Seite werfen, doch es reichte nicht mehr.

Hank fiel seinerseits über Steve. Worauf das recht leicht gebaute Serviertischchen in sich zusammenbrach und sich in seine Einzelbestandteile auflöste.

Mike Rander und Josuah Parker aber setzten ihre Flucht weiter fort. Sie näherten sich der Abteilung für Polstermöbel aller Art!

Pete Rollings, Glenn Falder und die beiden Schläger Steve und Hank hatten sich neu formiert. Sie stürmten auf die Polstermöbelabteilung zu und schossen dabei aus allen verfügbaren Rohren. Sie wollten die beiden Flüchtenden um jeden Preis stoppen. Sie wollten sie zwingen, in Deckung zu bleiben.

Nun, sie blieben auch in Deckung, doch sie wehrten sich. Parker und Rander warfen die losen Sitz- und Rückenkissen der Polstergarnituren vor die Füße der Gangster.

Verwirrt wischten sie auseinander, zumal einige Treffer gelandet wurden.

»Los, greift sie von der Seite an!« brüllt Glenn Falder, der unmittelbare und direkte Vertreter des Syndikats. Er wollte noch zusätzliche Anweisungen geben, als er von einem Sitzkissen hart getroffen wurde.

Der Aufprall schleuderte ihn zurück, er rutschte über einen Läufer aus und landete mit der Kehrseite in einem Teeservice, das zu Ausstellungszwecken auf einem Teetisch stand.

Unter Geklirr brach das an sich recht teure Porzellan auseinander. Die einzelnen Bruchstücke zerschnitten den Hosenstoff und ritzten die Hautschwarte des Gangsters empfindlich. Worauf Falder laut brüllte, mit beiden Händen nach der Kehrseite griff und zurück in sichere Deckung trabte.

Steve und Hank waren verständlicherweise verwirrt. Solch eine unkonventionelle Auseinandersetzung hatten sie bisher noch nie erlebt. Etwas ratlos blieben sie stehen und zögerten, den Angriff fortzusetzen. Sie hatten das dumpfe Gefühl, daß hier für sie nicht mehr viel zu holen war.

Pete Rollings hingegen wollte es jetzt wissen. Er war es seinem Ruf als harter Vollstrecker schuldig, sich hier zu beweisen. Er lag längst auf dem gut gebohnerten Boden und robbte an seine beiden Gegner heran. Er vermutete sie hinter einer schweren Sitzbank. Tief hängende Schabracken hinderten ihn allerdings daran, seine Gegner genau ausmachen zu können.

Er glich einer gefährlichen, todbringenden Viper, als er sich an die Sitzbank heranarbeitete. In seinen Mundwinkeln breiteten sich kleine Speichelblasen aus, wie es bei Gangstern ja immer zu sein pflegt. Wenn man einschlägigen Kriminalromanen trauen darf!

Dicht vor dem Ziel angelangt, schoß er Schuß auf Schuß ab und zerfetzte damit die Schabracke.

Dann hob er lauschend den Kopf an. Er wollte das Todesröcheln seiner beiden verhaßten Gegner hören. Er wollte es mit allen Fasern seiner gut ausgebildeten, allerdings einseitigen Sinne auskosten.

Pete Rollings wurde erneut enttäuscht.

Er kickste erschreckt auf, als ein großer Lampenschirm, der durch die Luft gesegelt kam, sich über seinen Kopf senkte und ihm so die Sicht nahm. Wütend schlug Rollings um sich. Er sprang auf, verlor die Übersicht und konnte sich endlich den verhaßten Lampenschirm vom Kopf reißen.

Um dann sofort wieder voll in Deckung zu gehen.

Fliegende Untertassen segelten durch die Etage. Es handelte sich um billiges Massensteingut, das allerdings äußerst solide war. Von einer dieser Untertassen am Kopf getroffen, sackte er in die Knie. Als er sich aufraffte, erwischte ihn eine Kaffeetasse am rechten Ohr. Als Rollings daraufhin Deckung hinter einem Klubsessel nehmen wollte, knallte ein Dessertteller gegen seinen Adamsapfel.

Damit war der Kampf entschieden!

Pete Rollings rutschte in sich zusammen und verlor das Bewußtsein.

Steve und Hank entdeckten aus sicherer Deckung heraus zwei schemenhafte Gestalten, die auf dem Treppengeländer hinunter in das Kellergeschoß rutschten. Wie ein niederzuckender Blitz waren sie verschwunden, bevor man sie hätte anvisieren können.

»Mein lieber Mann!« schnaufte Hank beeindruckt, »so was hab’ ich noch nie erlebt!«

»Das gibt Ärger mit dem Syndikat«, prophezeite Steve, »ich möchte jetzt nicht in Falders Haut stecken!«

*

»Ein ausgesprochen hektisches Benehmen«, urteilte der Butler, als der Kastenlieferwagen aus der Tiefgarage des Möbellagers hervorschoß, um dann in rasendem Tempo in Richtung Highway zu verschwinden.

Mike Rander nickte zustimmend, obwohl er nichts sah. Er hatte es sich in einem schweren Klubsessel bequem gemacht und entspannte sich. Sein Butler stand an einem der vergitterten Fenster und gab seinem jungen Herrn einen ersten Lagebericht.

»Die Herren Gangster machten sich noch nicht einmal die Mühe, das Möbellager hier zu durchsuchen«, mißbilligte der Butler weiter, »offen gesagt, Sir, zu meiner Zeit waren die Gangster noch aus einem anderen Holz geschnitzt.«

»Unterschätzen Sie bloß die jetzige Generation nicht«, warnte der Anwalt und grinste, »was halten Sie davon, wenn wir uns hier mal Umsehen. Scheint ein Lager irgendeiner Syndikatsfirma zu sein! Vielleicht finden wir brauchbare Spuren!«

Er stand auf und schlenderte durch das große Möbellager. Josuah Parker folgte ihm und zeichnete sich dabei wieder durch Würde und Gemessenheit aus. Er hatte sich wieder ausstaffiert, wie es einfach zu ihm gehörte. Er trug wieder seine schwarze Melone und auch seinen schon sagenhaften Universal-Regenschirm, den man ihm nur kurzfristig hatte wegnehmen können.

»Sir, darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen Wagen lenken, der gerade vor dem Bürotrakt hält?« sagte der Butler plötzlich und deutete durch eines der Fenster hinaus auf den Vorplatz.

»Donnerwetter!« murmelte Mike Rander andächtig, als die junge Dame aus dem betreffenden Wagen stieg. Sie mochte knapp fünfundzwanzig Jahre alt sein, trug hautenge Latexhosen, eine weite Bluse und darüber ein kleines Jäckchen. Sie war aschblond und sah wirklich anziehend aus.

»Sie benimmt sich mit einer Ahnungslosigkeit, Sir, die schon wieder auffällig ist«, kommentierte der Butler, »sollte die bewußte Dame tatsächlich nicht gewußt haben, daß Gangster sich hier im Möbellager auf gehalten haben?«

»Warten wir doch erst mal ab«, gab der Anwalt zurück, »was halten Sie davon, Parker, wenn ich mal meinen Charme spielen lasse?«

»Ich werde mir dann erlauben, Sir, in Ihrer Nähe zu bleiben, unsichtbar zwar, doch immer verfügbar!«

»Ich weiß nicht recht«, zögerte der Anwalt, so was macht mich nervös und hemmt mich. Sie brauchen mich ja nicht die ganze Zeit über unter Augenkontrolle zu halten.«

»Sir, meine Diskretion ist erwiesen«, verteidigte sich der Butler, »die junge Dame betritt inzwischen den Bürotrakt! Man sollte vielleicht erst einmal mithören, was sie möglicherweise zu sagen hat!«

Mike Rander und sein Butler pirschten sich zum nahen Bürotrakt hinüber. Die Tür zum Korridor stand weit auf. Man hörte das Klappern der Absätze, dann wurde eine Tür schnell und heftig aufgestoßen. Wenig später surrte bereits die Wählerscheibe eines Telefons.

Auf leisen Sohlen arbeiteten sich Josuah Parker und Mike Rander an das Büro heran, in dem sich die junge Dame befand. Mike Rander beobachtete sie vorsichtig. Sie stand neben einem Schreibtisch und hatte gerade die Nummer durchgewählt.

»Hier Betsy Calderhan«, meldete sie sich, als auf der Gegenseite abgehoben wurde, »verbinden Sie mich mit Mister Miller! Etwas schnell, bitte, es eilt!«

»Betsy Calderhan und Mister Miller!« flüsterte Josuah Parker seinem jungen Herrn zu, »ich möchte sagen, daß diese Namen keineswegs unbekannt sind!«

»Still!« gab Rander noch leiser zurück!

»Hier Betsy!« stellte die junge Dame sich erneut vor, »Mister Miller? Fein … nein, es hat nicht geklappt …! Nein, eine Pleite auf der ganzen Linie … Rollings und Falder haben total versagt. Die beiden Schnüffler sind gerissener, als wir alle gedacht haben. Sie sind entwischt … Wie bitte? Wie das passieren konnte? Einzelheiten kenne ich noch nicht! Gut, ich werde anschließend mit Falder reden! Haben Sie noch besondere Anweisungen …? In Ordnung, ich werde Kontakt auf nehmen. Nein, Sie können sich darauf verlassen, daß das klappen wird! Ich möchte nur nicht, daß dann meine Kreise gestört werden. Falder und Rollings dürfen sich erst sehen lassen, wenn ich das Zeichen gebe … Gut, Ende!«

Versonnen lächelnd legte sie auf. Sie zündete sich eine Zigarette an und hatte nach wie vor keine Ahnung, daß sie die ganze Zeit über intensiv beobachtet und belauscht worden war.

Sie trat vor einen Wandschrank und öffnete ihn. Auf der Innenseite der Schranktür befand sich ein großer Spiegel. Sie strich sich die Bluse glatt, warf den Kopf zurück und prüfte ihre Erscheinung. Sie durfte vollkommen mit sich zufrieden sein. Sie sah attraktiv aus und verfügte über Waffen, die ihr von Natur aus mitgegeben worden waren. Es waren Waffen, die man als hochbrisant bezeichnen konnte!

»Sagen Ihnen die Namen Betsy Calderhan und Miller etwas?« erkundigte sich Mike Rander eine knappe halbe Stunde später bei seinem Butler. Sie hatten das Möbellager verlassen und waren zu Fuß hinüber zur großen Durchgangsstraße gegangen. Hier warteten sie in einem Schnellimbiß auf ein telefonisch alarmiertes Taxi, das sie zurück nach Vero Beach bringen sollte.

»Ich kann mich noch äußerst intensiv und vollkommen erinnern«, antwortete der Butler, »Miss Betsy Calderhan ist die Dame, die das Vermögen des ermordeten Luigi Manchetti erben sollte. Und Mister Miller ist die Deckadresse des Syndikats.«

»Eine erfreulich heiße Spur«, redete der junge Anwalt weiter, »man müßte nur wissen, wo dieser Miller zu erreichen ist? Weit kann er nicht sein!«

»Vielleicht, Sir, hilft das Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit ein wenig weiter«, gab der Butler zurück, griff in seine Westentasche und holte eine etwas groß ausgefallene Streichholzdose hervor. Er zog den Schieber hervor und lud seinen jungen Herrn durch eine Handbewegung zum Betrachten ein.

»Was ist denn das schon wieder?« staunte Mike Rander und beugte sich vor.

»Ein Miniaturtonband, Sir!« sagte Parker, »die Tonwidergabe ist zwar nicht als erstklassig zu bezeichnen, doch für normale Ansprüche müßte es reichen!«

»Sieht ja sagenhaft aus«, wunderte sich Mike Rander laut, »und das Ding funktioniert?«

»Ausgezeichnet sogar, Sir, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf … Auf dieser Drahtspule lassen sich Gespräche bis zu einer Höchstdauer von vierzig Minuten aufzeichnen.«

»Und warum zeigen Sie mir das?«

»Ich schaltete das kleine Gerät ein, als Miss Betsy Calderhan die Nummer des Mister Miller wählte!«

»Sehr gut!« lobte Mike Rander und schmunzelte, »damit können wir jetzt die Schnarrgeräusche der Wählerscheibe identifizieren.«

»Sehr wohl, Sir. Damit müßte sich feststellen lassen, welche Telefonnummer Miss Betsy Calderhan gewählt hat!«

»Das verschafft uns einen riesigen Vorsprung«, dachte Mike Rander laut nach, »mit etwas Glück müßten wir so an diesen sagenhaften Miller herankommen. Sobald wir im Bungalow sind, werden wir uns sofort damit befassen.«

»Sollte man tatsächlich in den Strandbungalow zurückkehren, Sir?«

»Haben Sie Bedenken, Parker?«

»Männer wie Pete Rollings könnten unter Umständen dort warten.«

»Stimmt … Wissen Sie was, schicken wir erst mal die Polizei vor. Mit einem fingierten Anruf müßte dieses Problem sich wohl lösen lassen!«

»Mit einem kleinen Päckchen vielleicht noch besser, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf.«

»Mit einem Päckchen?« Rander sah seinen Butler fragend und belustigt zugleich an. Er wußte aus Erfahrung, daß sein Butler wieder einmal in seine Trickkiste greifen wollte, ein Griff, der sich bisher noch immer gelohnt hatte.

In Vero Beach angekommen, befaßte der Butler sich sofort mit seiner Geschenksendung. Er kaufte einen kleinen Karton, erstand Einschlagpapier und Bindfaden und hielt sich schließlich etwa zehn Minuten in einem Drugstore auf, in dem unter anderem auch Scherzartikel aller Art feilgeboten wurden.

»Wie, schon fertig?« erkundigte sich Mike Rander, als Parker zurück ins Taxi kam.

»Ich habe mir erlaubt, die Dinge nicht unnötig zu komplizieren«, erwiderte der Butler gemessen, um sich dann an den Taxifahrer zu wenden, »spendieren Sie dieses kleine Päckchen bitte an die Adresse, die ich Ihnen sicherheitshalber aufschreiben werde. Für ein zusätzliches und reichliches Trinkgeld wird gesorgt werden. Sie werden nicht länger als eine knappe Viertelstunde, für diese Fahrt benötigen. Halten Sie sich unterwegs auf keinen Fall auf! Der Empfänger wartet sehnlichst auf die Zustellung!«

Während Mike Rander dem Fahrer die Fahrt bezahlte und das versprochene Trinkgeld abzweigte, schrieb der Butler die Adresse des Strandbungalows auf.

»Das wäre es!« meinte er dann abschließend und verließ zusammen mit seinem jungen Herrn das Taxi, »und noch einmal, wenn ich mich wiederholen darf … bleiben Sie möglichst in der angegebenen Zeitspanne! Gerade dies ist für den Empfänger äußerst wichtig!«

*

Josuah Parker hatte die allgemeine Lage richtig eingeschätzt.

Im Strandbungalow befanden sich Gäste. Sie hießen Glenn Falder und Pete Rollings. Sie warteten auf die Rückkehr ihrer beiden Opfer. Und sie waren fest entschlossen, diesmal ohne Pannen zu arbeiten. Nach einem Telefonat mit dem sagenhaften Mister Miller vom Syndikat war ihnen aufgetragen worden, endgültig reinen Tisch zu machen. Mit anderen Worten, sie sollten dafür sorgen, daß Josuah Parker und sein junger Herr kampfunfähig gemacht wurden, damit man sie irgendwo in aller Stille erneut befragen konnte.

Glenn Falders Laune befand sich aus verständlichen Gründen weit unter dem Nullpunkt. Dieses seelische Tief hing mit den diversen Schnittwunden zusammen, die ihm das zerbrochene Teeservice zugefügt hatte. Er hatte sich die Kehrseite verpflastern lassen. Sie brannte wie die Hölle, wie der Volksmund es möglicherweise ausgedrückt hätte.

Aber auch Pete Rollings war nicht bester Laune. Er dachte immer wieder über die grenzenlose Blamage nach, die man ihm zugefügt hatte. Er, der eiskalte und routinierte Vollstrecker des Syndikats, er, Pete Rollings, der jedes Problem bisher prompt erledigt hatte, er also war durch harmlose Lampenschirme, Geschirrteile und Polstermöbel außer Gefecht gesetzt worden. So etwas fraß natürlich am Selbstvertrauen. So etwas war geeignet, am eigenen Können Zweifel aufkommen zu lassen.

»Da kommen sie!« meldete Glenn Falder, der durch das Fenster des Wohnraums auf die Zufahrtstraße schaute, »ein Taxi …!«

»Aber nur mit dem Fahrer«, berichtigte Pete Rollings gereizt, »ich wette, die feigen Hunde lassen sich hier nicht mehr blicken!«

»Abwarten!« Falder schritt vorsichtig und seltsam steif zur Haustür, um dem Taxifahrer zu öffnen, der ausgestiegen war und durch den kleinen Vorgarten auf das Haus zueilte.

»Was ist?« erkundigte sich Falder, nachdem er geöffnet hatte.

»Päckchen für Mister Rander!« sagte der Taxifahrer.

»Von wem kommt das?« erkundigte Falder sich weiter.

»Von einer Frau, die mich auf der Straße angequatscht hat«, erklärte der Taxifahrer, der sich genau an das hielt, was der Butler ihm zusätzlich aufgetragen hatte. »Sie sind doch Mister Rander, oder?«

»Natürlich«, behauptete Glenn Falder, riß das Päckchen förmlich an sich und schlug die Haustür zu. Während der Taxifahrer zurück zu seinem Wagen ging, legte Falder das bewußte Päckchen auf den Rauchtisch und starrte es mißtrauisch an.

»Was mag da wohl drin sein?« fragte er dann, sich an Pete Rollings wendend. Der Berufskiller des Syndikats verzog sein Gesicht und hob ratlos die Schultern.

»Ist an Rander adressiert«, redete Falder weiter, der die Aufschrift studierte, »ob ich das Ding mal aufmache?«

»Warum nicht?« meinte Rollings, »vielleicht bringt und das weiter. Nach ’ner Höllenmaschine sieht das bestimmt nicht aus.«

»Nee, wer sollte diesem Rander auch schon ’ne Höllenmaschine ins Haus schicken?« gab Falder arglos zurück, um sofort an dem Bindfaden herumzunesteln. Er witterte irgendein Geheimnis. Er sah eine Möglichkeit, Mike Rander und Josuah Parker zu schaden.

Er hatte den Bindfaden fast ganz gelöst, als ein Umstand eintraf, den Rollings und Falder als wenig angenehm empfanden. Das Päckchen platzte nämlich plötzlich auseinander. Es explodierte keineswegs, konnte also kaum einen körperlichen Schaden anrichten.

Dafür versprühte dieses Päckchen aber eine fette schwarze Rauchwolke, die sich auf den Gesichtern von Rollings und Falder ablagerte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen sahen sie aus wie Bewohner von Zentralafrika.

Aber davon merkten sie noch nichts, denn sie rannten im Eiltempo zur Terrasse, gewannen an Boden und sprinteten auf ihren Wagen zu, den sie auf einem Parkplatz in Strandnähe zurückgelassen hatten. Mit einem wahren Raketenstart schossen sie davon, was vollkommen verständlich war, denn wer liebt es schon, sich mit echten oder vorgetäuschten Höllenmaschinen abzugeben?

*

»Ich schätze, wir können jetzt«, sagte Mike Rander lachend, als die beiden Gangster den Bungalow geräumt hatten. Sie verschwanden gerade mit ihrem Wagen und stellten im Moment keine Gefahr mehr dar.

Mike Rander und sein Butler stiegen aus dem zweiten Taxi, das sie sich gemietet hatten und schlenderten auf ihren Strandbungalow zu. Parker kümmerte sich erst einmal um sein hochbeiniges Monstrum, das friedlich auf der Garagenauffahrt stand. Er überzeugte sich davon, daß man seinem heißgeliebten Wagen keinerlei Harm angetan hatte. Dann bemühte auch er sich in den Bungalow.

»Darf ich Ihnen einen Drink servieren, Sir?« erkundigt er sich.

»Nichts gegen einzuwenden«, gab der junge Anwalt zurück, »aber vielleicht sollten Sie noch einen zusätzlichen Drink vorbereiten. Die Einsatzreserve des Syndikats ist im Anmarsch!«

Während er noch redete, deutete er durch die Terrassentür hinaus auf den Strand. Dort war eine junge, sehr reizvoll gebaute Dame zu sehen, die gerade in einen kurzen Strandkittel schlüpfte, der nur bis zu den Oberschenkeln reichte.

»Wenn ich mich nicht ungemein täusche, Sir, handelt es sich um Miss Betsy Calderhan«, stellte der Butler nach einer kurzen Prüfung fest.

»Sie täuschen sich keineswegs, Parker, das ist Betsy Calderhan. Seit ihrem Telefongespräch im Möbellager hat sie sich aber mächtig angestrengt. So schnell hätte ich sie hier nicht erwartet.«

»Sie wird versuchen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir! Ich möchte, falls es gestattet ist, sehr davor warnen.«

»Und warum?«

»Die Freundschaft mit einer Giftviper dürfte weniger gefährlich sein«, umschrieb der Butler seine Bedenken.

»Warten wir’s erst mal ab«, frotzelte der Anwalt, »zur Not können Sie ja immer noch eingreifen, Parker.«

Rander beobachtete Betsy Calderhan, die keine Ahnung hatte, daß ihre Tarnung längst durchschaut war. Sie schlenderte am Strand entlang und … vertrat sich plötzlich den Fuß. Sie ließ sich mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck in den feinkörnigen weißen Sand niedersinken.

»Sehr gekonnt«, kommentierte der Anwalt, »gleich wird sie angehumpelt kommen!«

»Sie humpelt bereits, Sir!«

»Sehr begabt«, sagte Rander und schmunzelte, »das Herz könnte einem brechen.«

»Ich werde mich bereits prophylaktisch um Schmerzlinderungstabletten bemühen«, verhieß der Butler und räumte das Wohnzimmer. Mike Rander trat wie zufällig auf die Terrasse hinaus, sah rein zufällig die junge Dame, die sich mit ihrem vertretenen, rechten Knöchel abmühte, und intensivierte sofort seine Hilfsbereitschaft.

»Du lieber Himmel!« rief er zu ihr hinüber und verließ die Terrasse, »haben Sie sich verletzt?«

»Mein Fuß!« stöhnte sie und sah ihn kläglich an, »ich fürchte, ich habe mir den Knöchel verstaucht!«

Sie versuchte tapfer einen weiteren Schritt, doch sie stöhnte verhalten auf und rutschte in sich zusammen. Der Wehlaut, den sie ausstieß, erinnerte an den Klageruf eines kleinen verwundeten Vogels.

»Darf ich mal sehen?« bat Rander und beugte sich zu dem angeknacksten Knöchel hinunter. Einen kurzen Moment lang hatte er das Gefühl, sie würde ihn mit einem Karateschlag in das Land der Träume schicken. Der Strand war hier kaum belebt. Neugierige Zuschauer gab es so gut wie überhaupt nicht.

»Hier!« sagte sie und lehnte sich zurück. Dabei deutete sie auf den Fußknöchel, »oh, tut das weh! Er ist doch nicht gebrochen, oder?«

»Das werden wir gleich haben«, sagte Rander und untersuchte nun fachmännisch den wohlgeformten Knöchel. Er nahm belustigt zur Kenntnis, daß sie ihm mehr zeigte als nur den Knöchel. Ihr ging es offensichtlich darum, ihn mit ihren Reizen zu betören. Der einteilige, aber tief ausgeschnittene Badeanzug unter dem kurzen Badekittel war diesen Absichten nur förderlich.

»Darf ich Sie ’rüber in meinen Bungalow tragen?« schlug Rander vor, »mein Butler kann uns dann behilflich sein!«

»Ich weiß nicht recht«, zögerte sie gekonnt, »ich möchte Ihnen auf keinen Fall Unannehmlichkeiten bereiten. Vielleicht haben Sie Gäste?«

»Nur keine Sorge!« Mike Rander hob sie hoch und trug sie auf seinen Armen hinüber in den Bungalow. Während dieses schweißtreibenden Fußmarsches legte sie ihre Arme um seinen Hals und kuschelte sich an ihn.

»Ich lasse Ihnen erst mal einen Drink mixen!« sagte er dann. »Parker …! Parker …? Wo stecken Sie denn …?«

»Die Drinks, Sir!«

Wie durch Zauberei erschien der Butler im Wohnraum und reichte die Drinks, die auf einem Silbertablett standen.

»Sie haben einen Butler?« fragte Betsy Calderhan leise und angeblich überrascht.

»Wer sollte sonst schon für einen eingefleischten Junggesellen sorgen?« antwortete Rander.

»Nun, vielleicht eine Frau«, sagte sie und lehnte sich zurück. Sie streckte das angeblich schmerzende Bein aus und griff nach dem Glas, das Parker ihr fürsorglich reichte.

Erst nach dem zweiten und dritten Schluck schien es ihr bewußt zu werden, daß ihre langen, schlanken Beine nackt bis hinauf zu den Hüften waren.

»Oh!« sagte sie und sah sich verlegen um.

»Eine leichte Decke, Sir!« meldete der Butler und hatte bereits solch ein Textil zur Hand. Er breitet die Decke sorgfältig über die Beine aus.

»Darf ich noch einmal nach dem Knöchel sehen?« bat Mike Rander.

»Kann ich mich inzwischen um Ihr persönliches Gepäck kümmern?« warf der Butler ein.

»Es liegt drüben neben dem Sonnenschirm«, sagte Betsy Calderhan, »darf ich mich übrigens vorstellen? Betsy Chester! Ich arbeite drüben in Vero Beach als Fotografin!«

»Mike Rander«, stellte der Anwalt sich vor, »und das ist mein Butler Josuah Parker. – Parker, kümmern Sie sich um Miss Chesters Sachen!«

»Darf ich der Dame vielleicht vorher ein Schmerzlinderungsmittel reichen?« sagte Parker und zauberte hinter seinem Rücken ein kleineres Silbertablett hervor, auf dem eine Tablettenröhre lag. Ohne die Antwort von Miss Chester abzuwarten, reichte er ihr das Röhrchen und ließ zwei kleine weiße Tabletten in ihre instinktiv gehobene Hand hineingleiten.

»Mit etwas Wasser nachspülen, wenn ich raten darf«, sagte er dann, verbeugte sich und schritt hinaus auf die Terrasse. Von dort aus, vom Wohnzimmer aus nicht zu bemerken, beobachtete er die junge Dame, die auf das Wasser wartete, das Mike Rander ihr bringen wollte. Dazu war er in der angrenzenden Pantry des Bungalows verschwunden.

Sie dachte nicht daran, die Tabletten zu schlucken. Sie ließ sie im Ausschnitt ihres Badeanzuges verschwinden und lächelte tapfer und harmlos zugleich, als Mike Rander ihr das Glas Wasser brachte.

»Schon im Mund?« fragte Rander.

»Hmmm!« nuschelte sie und kaute auf den nicht vorhandenen Tabletten herum. Dann spülte sie mit Wasser nach und ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken.

»Der Schmerz wird gleich vergehen«, sagte Mike Rander, »sobald Sie sich etwas wohler fühlen, werden wir Sie zurück in Ihre Wohnung bringen, einverstanden?«

»Sie sind so liebenswürdig«, bedankte sie sich scheu und schlug die Augen nieder, »ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll!«

»Das wird sich schon ergeben«, sagte Rander und lächelte, »vielleicht darf ich Sie mal zum Abendessen einladen. Sie brauchen nach diesem kleinen Unfall ja noch etwas Betreuung, oder?«

»Dankend akzeptiert«, sagte sie, »Sie müssen mir glauben, daß ich mich normalerweise nicht einladen lasse …!«

Sie wollte noch mehr sagen, doch eine plötzlich aufkommende Müdigkeit überwältigte sie. Diese Müdigkeit glich einem Knockout. Ohne jeden Übergang schloß sie die Augen, holte noch einmal tief Luft und schlief dann fest ein.

»Hier wäre die persönliche Habe der jungen Dame«, meldete der Butler von der Terrassentür her. Er trug einen großen Strandbeutel aus bunt bedrucktem Leinen, einen Sonnenhut und flache Sandalen in den Wohnraum.

»Donnerwetter, Parker, Ihre Tabletten wirken aber!« lobte der Anwalt seinen Butler.

»Das waren keineswegs die Tabletten, Sir«, meldete der Butler, »Miss Calderhan, oder Chester, wie sie sich jetzt zu nennen beliebt, verzichtete auf die Einnahme des Schmerzlinderungsmittels!«

»Ach nee. Aber …?«

»Ich war so frei, den Drink, den ich Miss Calderhan reichte, mit einem schnell wirkenden Schlafmittel zu versehen. Offen gestanden, Sir, ich rechnete mit dem gesunden Mißtrauen der jungen Dame. Sie ist keineswegs der Typ, der unbekannten Tabletten traut!«

»Glaube ich jetzt auch«, antwortete Rander lachend, »wie lange wird sie tief und fest schlafen?«

»Wenigstens eine gute Stunde, Sir. Möglicherweise aber noch länger, denn beim Hineinzählen der Tropfen in das Trinkglas könnte ich mich durchaus vertan haben. Ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann wie meine bescheidene Wenigkeit …«

»Geschenkt!« sagte Rander und unterbrach seinen Butler, »mir brauchen Sie mit dieser Show nicht zu kommen. Ich kenne alle Akte! Kümmern wir uns also um diesen Miller! Anhand der Telefonnummer müßte man doch seine Adresse herausbekommen, oder?«

*

Durch die Schnarrgeräusche, die das Miniaturtonbandgerät festgehalten hatte, konnte die Telefonnummer schnell festgestellt werden. Anschließend unterhielt Mike Rander sich per Telefon mit der Auskunft der örtlichen Telefongesellschaft. Er entwickelte seinen üblichen Charme und wickelte die junge Dame am anderen Ende der Leitung überzeugend ein. Es dauerte insgesamt vier Minuten, bis er die gewünschte Adresse erfuhr.

Mister Ray Miller, wie sich der direkte Mann des Syndikats nannte, wohnte demnach hier in Florida in einem Bürohochhaus ganz in der Nähe der Uferpromenade.

Mike Rander und sein Butler bestiegen das hochbeinige Monstrum und fuhren in den frühen Nachmittag hinein. Die Sonne verausgabte sich in gewohnter Weise und hatte Tausende von Badegästen an den Strand gelockt. Im leichten Seewind bewegten sich die Palmen in den großzügig angelegten Parks und entlang der Promenade. Ein heiteres und friedlicheres Ferienbild hätte man sich gar nicht erträumen können. Vero Beach atmete Entspannung, Gelassenheit und schläfriges Nichtstun.

Das Bürohochhaus lag in einer kleinen, schmalen Seitenstraße knapp hinter der Promenade. Die vielen Firmentafeln in der Halle zeigten an, daß hier trotz des heiteren Klimas hart gearbeitet wurde. Auch in einem Ferienort wie Vero Beach mußte dafür gesorgt werden, daß der Dollar rotierte.

Laut Firmenschild fungierte Mister Ray Miller als Repräsentant der Resthouse-Company. Seine Büros befanden sich in der dritten Etage des Hauses. Ein Lift brachte Rander und Parker im Blitztempo nach oben. Sie schritten über einen der vielen Korridore und blieben dann vor der Firmentür stehen.

»Klingt sehr unverdächtig!« meinte der Anwalt und hob lauschend den Kopf. Hinter der Tür war das Rasseln und Klappern von Schreibmaschinen zu hören. Dazwischen schrillten Telefone. Die Zentrale der Resthouse-Company schien mit Hochdruck zu arbeiten.

»Wenn Sie erlauben, sorge ich nun für den Eintritt«, sagte der Butler und legte seinen behandschuhten, rechten Zeigefinger nachdrücklich auf die Türklingel.

Sekunden später wurde geöffnet.

Eine etwas füllig geratene, sonst aber wohlgebaute Brünette erkundigte sich nach den Wünschen der beiden Herren.

»Wir möchten Mister Miller sprechen!« Rander reichte der jungen Dame seine Visitenkarte, »ich denken, wir werden sofort empfangen!«

»Darf ich Sie näher bitten?« sagte sie und ließ Rander und Parker freundlichst eintreten.

Der akustische Eindruck der Arbeit wurde nun auch noch zusätzlich durch die Optik bestätigt. Von dem kleinen, verglasten Vorraum aus, in dem sie Platz nahmen, konnten sie hinüber in den großen Schreibsaal sehen. Wenigstens ein gutes Dutzend junger, wohlfrisierter Damen bearbeiteten ihre Schreibmaschinen, registrierten, legten Akten an und telefonierten.

»Mister Miller läßt bitten!« Die Brünette erschien wieder auf der Bildfläche und führte die beiden Besucher durch einen angrenzenden Korridor in das Privatbüro des Repräsentanten der Resthouse-Company.

Ray Miller war ein massiger, großer Mann von etwa fünfzig Jahren. Sein schütteres, eisgraues Haar war kurzgeschnitten. Unter einer hohen Stirn befanden sich graue, kühle Augen. Nase und Mundpartie verrieten Energie und auch Härte. Er trug einen tadellos geschnitten Einreiher und bewegte sich darin mit der geschmeidigen Lässigkeit eines muskulösen Tieres.

»Miller!« stellte er sich vor, »ich habe das Vergnügen mit Mister Rander …?«

»Richtig«, antwortete der junge Anwalt, »und das hier ist mein Butler und Vertrauter, Josuah Parker!«

»Was kann ich für Sie tun?« forschte Miller, ohne sich bei der Nennung der Namen etwas anmerken zu lassen.

»Wir überbringen liebe Grüße von Miss Betsy Calderhan«, antwortete Mike Rander lächelnd, »sie war leider verhindert und konnte uns nicht begleiten.«

»Miss Calderhan?« Ray Miller sah den jungen Anwalt gespielt ratlos an.

»Sie nennt sich zur Zeit Chester«, erklärte Mike Rander, »aber wem sage ich das? Sie wissen doch sehr genau Bescheid!«

»Ich fürchte, Sie unterliegen einer Verwechslung«, gab Ray Miller steif zurück, »diese beiden Namen sagen mir absolut nichts, rein gar nichts!«

»Mit dem Namen Luigi Manchetti wissen Sie natürlich auch nichts anzufangen, oder?«

»Tut mir leid, Mister Rander.«

»Die Herren Pete Rollings und Glenn Falder sind Ihnen selbstverständlich ebenfalls unbekannt, wie? Von den beiden Schlägern Steve und Hank einmal ganz zu schweigen.«

»Wir reden aneinander vorbei«, entschied Ray Miller und schüttelte ratlos den Kopf.

»Schade«, meinte der Anwalt schmunzelnd, »und wir wollten mit Ihnen über einen ganz bestimmten Koffer verhandeln. Aber da Sie ja nicht orientiert sind, müssen wir uns wirklich in der Adresse geirrt haben!«

»Von welchem Koffer reden Sie?«

»Von einem Fundstück, das recht wertvoll zu sein scheint«, erläuterte Mike Rander, »darüber hinaus existieren noch Verkaufsverträge und ein Testament, Dinge, die von besagtem Mister Manchetti stammen. Mein Butler und ich dachten, daß man unter all diesen Dingen einen Schlußstrich ziehen sollte, aber wie gesagt, wir müssen tatsächlich die falsche Adresse erwischt haben. Entschuldigen Sie die Störung, Mister Miller. Soll nicht wieder Vorkommen!«

Mike Rander und Butler Parker gingen zur Tür und wollten das Büro verlassen. Bevor sie aber die Tür öffnen konnten, wurde sie jäh aufgedrückt. Zwei gute, alte Bekannte bauten sich vor ihnen auf. Es handelte sich um die Schläger Steve und Hank, die ihre obligaten schallgedämpften Revolver präsentierten.

»Die Adresse war schon ganz richtig«, sagte Miller vom Schreibtisch her und grinste andeutungsweise, »ich frage mich nur, ob es reine Dummheit von Ihnen war, hierherzukommen, oder ob sich dahinter irgendein fauler Trick verbirgt.«

»Warten Sie’s doch ab!« erwiderte Mike Rander gelassen und ignorierte die beiden Revolver, »schicken Sie vor allen Dingen diese beiden Schießbudenfiguren weg, Miller … Damit können Sie uns nicht imponieren.«

»Warten Sie’s doch ab«, sagte jetzt Ray Miller, die Worte Mike Randers genau wiederholend. »Ich glaube, diesmal sind Sie reif, Rander! Jetzt helfen keine Tricks mehr, jetzt werden Sie Farbe bekennen müssen!«

*

»Sieht ganz danach aus, als hätten wir einen Fehler gemacht«, meinte Mike Rander eine halbe Stunde später. Er und sein Butler trugen solide Handschellen, wie sie von der Polizei verwendet werden. Sie befanden sich in einem kleinen Hangar, der am Rand des stillgelegten Flugplatzes stand. Es war jener Platz, auf dem die Beechcraft, von den Bahamas kommend, gelandet war.

»Mister Miller hat seine Maske fallenlassen, Sir«, antwortete der Butler gemessen und feierlich, »er hat damit offenbart, daß er der gesuchte Verbindungsmann zum Syndikat ist. Das allein, Sir, ist aus meiner bescheidenen Sicht gesehen, Grund genug, eine scheinbare Niederlage einzustecken.«

»Diese Niederlage kann sehr permanent werden«, unkte der junge Anwalt. Während er noch redete, deutete er auf die Reisemaschine, die im Hangar stand. Es handelte sich um genau jene Maschine, die den Dollarkoffer nach Vero Beach transportiert hatte. »Miller will uns immerhin auf irgendeiner kleinen Insel absetzen und dort so lange unter Druck bringen, bis wir den Koffer herausrücken!«

»Er plant Mord, Sir, das räume ich ohne weiteres ein«, gestand der Butler, »Mister Miller wird Sie und meine Wenigkeit auf irgendeine Art töten, ob er nun den Koffer erhält oder nicht!«

»Sollte man dagegen nicht etwas tun, Parker? Ich habe keine Lust, auf meine Ermordung zu warten. Soweit reicht meine Geduld nun wieder nicht!«

Mike Rander und Butler Parker befanden sich in einer wenig beneidenswerten Lage. Die beiden Schläger Steve und Hank hatten sie hierher in den Hangar gebracht und mittels der Handschellen an eine solide, einzementierte Werkbank gekoppelt.

Gewiß, Rander und Parker konnten sich leise mit einander unterhalten, doch mehr saß für sie nicht drin. Steve und Hank befanden sich im Hangar und überwachten jede Bewegung ihrer beiden Gefangenen. Sie rauchten Zigaretten, nahmen recht intensive Schlucke aus einer Whiskyflasche und schienen auf Verstärkung zu warten. Das ging schon daraus hervor, daß Steve immer wieder an eines der Hangarfenster trat und hinaus auf den Flugplatz schaute.

»Wie werden wir diese verdammten Dinger los?« fragte Rander leise und deutet auf die Handschellen, »ich habe keine Lust, mich von Rollings behandeln zu lassen, Parker!«

»Zu meinem tiefen Bedauern sehe ich im Augenblick keine Möglichkeit, helfend und lösend einzugreifen«, gestand der Butler in seiner umständlich-barocken Art, »man wird sich noch etwas gedulden müssen!«

»Rollings und Falder werden uns in der Luft zerfetzen«, warnte Mike Rander, »haben Sie nicht irgendeinen faulen Trick auf Lager, Parker?«

»Ich muß bedauern, Sir!«

»Sie waren schon bedeutend besser, Parker!«

»Ihr Vorwurf, Sir, trifft mich tief!«

»Bringt uns aber nicht weiter, Parker … Na bitte! Da haben wir den Salat! Die beiden Schläger bekommen Verstärkung!«

Steve und Hank schienen draußen auf dem stillgelegten Flugfeld etwas ausgemacht zu haben. Sie gingen zur großen Hallentür, die auf Schienen lief und sich leicht öffnen ließ. Wenig später rollte ein harmlos und neutral aussehender Chevrolet in den Hangar ein.

Pete Rollings stieg aus.

Er sah immer noch wie ein Mischling aus. Der fette Qualm aus dem Geschenkpäckchen, das er leichtsinnig geöffnet hatte, ließ sich nicht so leicht entfernen.

Pete Rollings kam sofort zur Sache.