E-Book: 26-30 - Günter Dönges - E-Book

E-Book: 26-30 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 29: Parker … Hongkong … Gelbe Drachen E-Book 30: Parker wetzt die Scharte aus E-Book 31: Parker, Gangster und Uran E-Book 32: Parker tanzt nur ungern Twist E-Book 33: Parker, Chips und fremde Kassen E-Book 34: Butler Parkers Pferdekur E-Book 1: Der Freitag-Killer  E-Book 2: Auf der Jagd E-Book 3: Die Falle  E-Book 4: Die Gelben Drachen  E-Book 5: Vergeltung

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Inhalt

Der Freitag-Killer 

Auf der Jagd

Die Falle 

Die Gelben Drachen 

Vergeltung

Butler Parker – Box 6 –

E-Book: 26-30

Günter Dönges

Der Freitag-Killer 

Roman von Dönges, Günter

Nur die Augen waren zu sehen.

In ihnen spiegelte sich das zuckende Licht der bunten Neonreklamen. Sie glühten rot auf, färbten sich gefährlich grün und wurden gelb wie die Augen einer mordgierigen Katze.

Diese Augen beobachteten den Seiteneingang zu einem Schnellimbiß in der Aberdeen Street. Durch die halbgeöffnete Tür konnte der Beobachter in das Innere der Küche sehen. Vor einem rechteckigen Herd hantierten zwei Frauen. Sie waren in Kochschwaden und Dampf gehüllt. Sie brieten Steaks und Spiegeleier, füllten Teller mit Pommes frites und Bohnen.

Der aufdringliche Geruch verbrannten Fetts und ausgelassener Zwiebeln wehte nach draußen. Der starke Nebel lud sich mit diesen Gerüchen auf und hielt sie am Boden fest. Nach einem herrlichen Sonnentag über Chikago war der Nebel vom Michigan-See hereingebrochen. Wie dicke Watte stand er in den engen Straßen des Loop. Der Verkehr in den Straßenschluchten dieses berühmt-berüchtigten Zentrums von Chikago bewegte sich nur noch zögernd. Von Minute zu Minute hatten die Lichtreklamen es immer schwerer, sich gegen diese unheimlichen Schwaden durchzusetzen. Es war kühl geworden. Ein staubfeiner Regen näßte die Asphaltstraßen.

Den Mann unter der Feuerleiter störte das alles nicht. Unbeweglich stand er hart an der Brandmauer. Er trug einen weiten, dunklen Stoffmantel, hatte sich den Hut tief in die Stirn gezogen und die Hände in die Manteltaschen gesteckt.

Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis die Ablösung durch die Küchentür kam. Drei Frauen würden es sein, die jetzt Dienstschluß hatten. Er kannte sie alle, wußte, wie sie aussahen und wo sie wohnten. Seit Tagen hatte er sich mit ihren Gewohnheiten vertraut gemacht. Sein Interesse galt jetzt nur noch einer dieser drei Frauen. Sie stand auf seiner ganz privaten Liste. Es war eine Liste des Todes. Sie enthielt mehrere Namen. Zwei davon hatte er bereits abgehakt. In dieser Nacht sollte auch der dritte Name erledigt werden.

Wenige Minuten nach Mitternacht tauchten die drei Frauen hinter der Küchentür auf. Sie riefen den beiden Köchinnen Scherzworte zu, blieben in der Tür stehen und schimpften leise auf das Wetter. Eine von ihnen schlug den Mantelkragen hoch, verabschiedete sich flüchtig und lief durch den dunklen Gang hinüber zur helleren Straße.

Der Beobachter verließ sofort seinen Beobachtungsposten. Er folgte der Frau zur Straße und brauchte nicht zu befürchten, entdeckt zu werden. Dazu war es zu dunkel, dazu bewegte er sich zu leise und zu schnell.

Er lief vorbei an den viereckigen Müllkästen, passierte einen kleinen Lieferwagen, der hart an der Straßenausfahrt stand, und heftete sich an die Fersen der ahnungslosen Frau.

Seine an sich schon leisen Schritte wurden vom Nebel verschluckt. Er hielt so viel Abstand zu der Frau, daß er sie nicht plötzlich aus den Augen verlor.

Sie ahnte nichts.

Mit schnellen, trippelnden Schritten eilte sie die Straße hinunter. Sie war nicht mehr jung, vielleicht 38 Jahre alt oder auch ein paar Jahre älter. Auf kurzen, stämmigen Beinen saß ein gedrungener Körper. Das Gesicht war breit und flächig. Das schlechte Make-up konnte die tiefen Falten im Gesicht nicht verdecken.

Die Frau überquerte die Straße und hielt auf eine schmale Seitenstraße zu.

Nun schien sie zum erstenmal so etwas wie Bedenken oder Angst zu verspüren. Sie blieb plötzlich stehen und zögerte, die dunkle, enge Straße zu betreten. Ja, sie drehte sich sogar um und versuchte, im Nebel etwas zu erkennen.

Der Verfolger mit den seltsamen Augen reagierte augenblicklich. Auch er blieb sofort stehen, drückte sich gegen die Wand eines Mietshauses und schien mit ihr zu verschmelzen. Seine Augen ruhten auf der Frau. Sie waren jetzt farb- und glanzlos.

Die Frau entschloß sich nach wenigen Sekunden, nun doch die schmale Straße zu benutzen. Sie ging aber schneller, als fühlte sie, daß sie verfolgt wurde.

Der Beobachter löste sich von der Hauswand, nahm die Verfolgung auf. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Er wußte im voraus, daß auch dieses Unternehmen gelang.

In der engen Straße holte er auf. Er schob sich von Sekunde zu Sekunde immer näher an die Frau heran. Seine Schritte waren unhörbar. Wie ein Raubtier bewegte er sich, schnell, geschmeidig und kraftvoll. Nur noch zwanzig Schritte trennten ihn von seinem Opfer.

Zu beiden Seiten der Straße erhoben sich die rauchgeschwärzten Mauern von Lagerhäusern und Fabriken. Vom Chikago River kam das dumpfe Heulen einer Schiffssirene. Unheilvoll kämpfte sich dieses Geräusch durch den dichten Nebel.

Die Frau wurde noch schneller.

Den Verfolger hatte sie noch nicht bemerkt, doch ihr Instinkt trieb sie an. Sie fühlte die drohende Gefahr, hätte am liebsten laut geschrien und sich bemerkbar gemacht. Doch in dieser schmalen Straße hätte sie vielleicht kein Mensch gehört …

Der Verfolger ging in einen schnellen Lauf über. Bevor er die Frau erreichte, schrie sie plötzlich gellend auf. Sie hatte sich umgedreht und sah den Schatten, der schnell auf sie zukam. Bevor sie Einzelheiten unterscheiden konnte, legten sich stahlharte Finger um ihren Hals.

Sie wehrte sich verzweifelt. Sie versuchte, das Gesicht des Angreifers zu zerkratzen. Doch schnell erlahmten ihre Bewegungen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Die Beine gaben nach, sie fiel gegen eine Mauer und stürzte dann zu Boden.

Der Mörder blieb breitbeinig vor ihr stehen und griff in seine linke Manteltasche. Mit schnellen Bewegungen legte er der Toten einen Strick um den Hals.

Bevor er die Schlinge aber zuziehen konnte, hörte er das Geräusch eines Wagens. Kurz danach bohrten sich Scheinwerfer durch die dicke Nebelsuppe.

Der Mörder ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

Er lief ein paar Meter zurück, überquerte hinter dem Wagen die Straße und verschwand in der Dunkelheit. Langsam ging er zurück in die Aberdeen Street, holte seinen Wagen vom Parkplatz, setzte sich ans Steuer und fuhr los.

Am Grant Park angekommen, steuerte er den Wagen in die Tiefgarage eines modernen, wolkenkratzerhohen Apartment-Hauses. Gelassen stieg er aus, fuhr mit dem Lift hinauf in das Haus und betrat die große Wohnflucht.

Sie war luxuriös eingerichtet und zeigte deutlich, daß der Mann zumindest wohlhabend sein mußte. Teure Teppiche bedeckten den Boden. Die Couches und Sessel mußten kleine Vermögen gekostet haben. Chinesisches Porzellan und Speckstein-Figuren aus Asien in Vitrinen und Wandnischen zeigten an, daß dieser Mann kostspieligen Sammlerneigungen frönte.

Der Mörder streifte sich in der Diele den Mantel ab, ging durch den großen Salon und schaltete das Fernsehgerät ein. Nach wenigen Sekunden zuckte das bläuliche Licht auf und verdichtete sich dann zu einem klaren Bild.

Eine tiefgekühlte Blondine kündigte den »Thriller nach Mitternacht« an. Nervenaufpeitschende, unheimlich klingende Musik begleitete den kurzen Vorspann des Films. Der Mörder ging an die Hausbar und goß sich einen Drink ein. Dann ließ er sich in den Liegesessel fallen und widmete sich der Bildscheibe.

Die Serie »Der Henker von Chikago« begann mit einem neuen Kriminalfall. Im Mittelpunkt dieser Serie stand ein geheimnisvoller Mörder, der seinen Opfern einen Henkerstrick umlegte …!

*

»Nur ein Mann wie Parker kann uns aus der Patsche helfen«, sagte Leutnant Trunks von der Mordkommission. Der etwa 45jährige, untersetzte, breitschultrige Mann setzte behutsam sein Glas ab und sah Anwalt Mike Rander erwartungsvoll an. Trunks, der an einen behäbigen und bedächtigen Farmer vom Land erinnerte, war alles andere als schwerfällig. Er gehörte zu den Assen der Detektivabteilung und hatte in der Vergangenheit schon verzwickte und schwierige Fälle geschickt gelöst. Mike Rander wußte die Zeichen zu deuten, daß Trunks um Hilfe bat.

»Natürlich bin ich einverstanden, daß Parker sich einschaltet«, antwortete der junge, sympathisch aussehende Strafverteidiger. »Die letzte Zustimmung hängt natürlich von ihm selbst ab, Trunks. Sie wissen doch, wie eigensinnig Parker ist. Er befaßt sich nur mit Fällen, die ihn besonders interessieren.«

»Dieser Fall muß ihn reizen.« Leutnant Trunks griff nach dem Glas und nahm einen kräftigen Schluck. »Drei Opfer hat es bisher gegeben. Die Morde verliefen alle nach einem Schema. Die drei Frauen wurden zuerst erwürgt, dann bekamen sie einen Henkerstrick um den Hals gelegt. Sie werden’s ja im Radio gehört haben, daß in der vergangenen Nacht die dritte Frau ermordet wurde.«

»Und ob ich es gehört habe! Diese Serienmorde wachsen sich zu einer üblen Sensation aus.«

»Und wir von der Polizei bekommen es von allen Seiten knüppeldick. Man erwartet Wunder von uns. Und dabei haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt. Diese drei Morde sind ohne jeden inneren Zusammenhang.«

»Ist das sicher?« Mike Rander stand auf und blieb neben dem Kamin der Dachgartenwohnung stehen. »Haben Sie sich bereits mit dem Vorleben dieser drei Opfer befaßt?«

»Selbstverständlich, Rander. Alle drei Frauen sind nachträglich durchleuchtet worden. Es dürfte kaum Geheimnisse geben.«

»Gibt es einen gemeinsamen Nenner, Trunks?«

»Davon haben wir nichts gemerkt. Falls ja, sind wir noch nicht über ihn gestolpert.«

»Soweit ich orientiert bin, haben alle drei Frauen entweder als Dienstmädchen, Köchin oder Sekretärin gearbeitet, nicht wahr?«

»Das ist richtig. Und zwar in ganz verschiedenen Städten der Staaten. Sie dürften sich untereinander nie gesehen oder gesprochen haben. Doch das ist natürlich vorerst nur eine reine Vermutung.«

»Sind Spuren entdeckt worden?«

»Nein, alle drei Opfer müssen ganz überraschend angefallen und erwürgt worden sein. Die Henkerstricke wurden eigentlich als eine Art Erkennungszeichen zurückgelassen. Sie haben mit dem eigentlichen Mord nichts zu tun.«

»Verrückte Geschichte, Trunks. In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken.«

»Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Rander. Und deswegen bin ich ja hier. Ich möchte Ihren Butler interessieren. Er denkt kraus, verstehen Sie? Vielleicht gehen wir Polizeidetektive zu logisch und zu routinemäßig an solch einen Fall heran.«

»Ich denke, wir werden uns mal mit Parker unterhalten«, schlug Mike Rander vor.

»Oh, er ist im Haus?«

»In seiner Bastler-Werkstatt, Trunks. Wie ich ihn kenne, tüftelt er neue Überraschungen und Spielereien aus. Sein Steckenpferd.«

»Tatsächlich, für Überraschungen ist er immer gut.« Trunks lächelte müde und goß sich einen neuen Drink ein. »Diese geheimnisvolle Mordserie müßte ihm liegen. Wissen Sie, Rander, ich persönlich möchte wetten, daß wir es mit einem geisteskranken Täter zu tun haben. Dieser Mörder hat sich doch bisher an diese verdammte TV-Kriminalserie ›Der Henker von Chikago‹ gehalten. Darin bekommen die Opfer auch einen Strick umgelegt.«

»Sie sollten diese Serie absetzen lassen, Trunks.«

»Ist bereits geschehen. Ich habe mit der TV-Direktion gesprochen. Sie hatten volles Verständnis für unsere Bitte.«

»Wie lange wollen sie die Sendungen einstellen?«

»Na ja, man gab uns zwei Wochen Frist. Dann soll sie wieder anlaufen. Gesetzlich haben wir keine Möglichkeit, sie zu verbieten. Die Leutchen in der TV-Station wissen natürlich, daß wir ungewollt Reklame für sie machen. Wir sitzen in ’ner Zwangsjacke, Rander.«

»Schön, hören wir, was Parker zu sagen hat.«

Mike Rander drückte auf eine Klingel und sah zur Tür. Als habe Parker im Korridor gewartet, so schnell wurde die Tür geöffnet. Herein trat Josuah Parker, der Amateurdetektiv aus Leidenschaft, der sagenhafte Gangsterschreck und skurrile Einzelgänger!

*

Butler Parker verbeugte sich gemessen und blieb abwartend stehen. Er war etwa 1,75 m groß, schlank und trug einen einfachen, schwarzen Anzug. Beherrschend in dem fast faltenlosen, glatten Pokergesicht waren die grauen, prüfenden Augen. Die rosigen Wangen standen in einem seltsamen Kontrast zu der kräftigen Nase und dem schmalen Mund. Er hatte sich einen hohen, weißen Eckkragen umgelegt und trug dazu eine dunkelgraue Krawatte. Die Hände staken in weißen Handschuhen.

Er war der hochherrschaftliche Butler, wie man ihn eigentlich nur noch aus englischen Gesellschaftsfilmen und von der Bühne her kennt. Korrektheit, Verschwiegenheit, Höflichkeit und Würde zeichneten ihn aus.

»Sie haben geläutet, Sir?« fragte er mit höflicher Stimme.

»Leutnant Trunks möchte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, Parker.«

»Gewiß wegen der drei Frauenmorde, Sir.«

Mike Rander grinste und nickte.

Leutnant Trunks stutzte und kniff die Augen prüfend zusammen.

»Falls meine Vermutungen zutreffen, Sir, möchte ich bereits im voraus erklären, daß ich durchaus geneigt bin, der Polizei zur Hand zu gehen.«

Parker konnte sich einfach nicht kurz und knapp ausdrücken. Das widersprach seinem Sinn für Anstand und für Höflichkeit. Er liebte die mehr als barocken Redewendungen. Selbst in Momenten der höchsten Gefahr ging er von seiner Ausdrucksweise niemals ab. Mike Rander, der zusammen mit Parker schon viele gefährliche Kriminalfälle gelöst hatte, kannte das aus Erfahrung und hatte deswegen schon oft Blut und Wasser geschwitzt.

»Sagen Sie, Parker, woher, zum Teufel, wissen Sie eigentlich, was ich von Ihnen will?« Leutnant Trunks erhob sich nun auch und schüttelte leicht den Kopf.

»Nun, Sir, ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß diese Mordserie aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Dieser Fall braucht besondere Methoden, deswegen interessierte ich mich bereits und traf einige Vorbereitungen.«

»Soll das heißen, daß Sie sich bereits mit dem Mörder beschäftigen?«

»Das trifft zu, Sir. Meiner bescheidenen Meinung nach haben wir es entweder mit einem Psychopathen zu tun, der die TV-Morde nachahmt, oder aber wir müssen uns mit einem raffinierten Täter auseinandersetzen, der den Psychopathen nur spielt, um die Polizei in die Irre zu führen.«

»Schön, soweit haben wir auch gedacht, Parker.« Trunks grinste.

»Um dem Mörder beizukommen, Sir, müßte ich in Erfahrung bringen, wer diese drei Frauen sind, was sie getan haben und wie sie lebten.«

»Die bisherigen Ermittlungsunterlagen habe ich gleich mitgebracht, Parker. Sie würden uns also helfen?«

»Sir, es ist mir eine wirkliche Ehre«, behauptete Josuah Parker. »Ich werde mich bemühen, Ihre Hoffnungen nicht zu enttäuschen.«

»Gott sei Dank.« Trunks atmete erleichtert auf. »Sie werden von uns natürlich jede Unterstützung bekommen. Sie brauchen nur zu verfügen, Parker.«

»Ich werde, wenn notwendig, auf dieses Anerbieten zurückkommen«, erwiderte der Butler gemessen und verbeugte sich andeutungsweise. »Ich möchte Ihnen aber im vorhinein mitteilen, daß meiner bescheidenen Meinung nach noch weitere Morde nach dem bekannten Schema passieren werden.«

»Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand«, rief Leutnant Trunks entsetzt aus.

»Parkers Prophezeiungen dürften sich erfüllen«, pflichtete der Anwalt seinem Butler bei. »Falls wir es tatsächlich mit einem Psychopathen zu tun haben, wüßte ich nicht, warum solch ein Geisteskranker plötzlich aufhören sollte. Er würde doch wahrscheinlich so lange und so oft morden, bis er gefaßt worden ist. Haben wir es mit einem Mörder zu tun, der sich als Psychopath tarnt, dürften diese drei Morde zu einem raffinierten Plan gehören, den wir noch nicht durchschauen können. Vergessen wir doch nicht, daß die bisherigen drei Morde kein Schema erkennen lassen.«

»Sir, ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, schaltete Josuah Parker sich würdevoll ein. »Sie kleiden das in Worte, was ich denke. Ob Psychopath oder nicht, der Mörder benutzt die TV-Serie, um Verwirrung und Unruhe zu stiften.«

»Mir schwebt eine andere Lösung vor«, sagte Leutnant Trunks.

»Sie haben sich bereits eine Theorie gebildet?« wollte Mike Rander wissen.

»Es könnte durchaus sein, daß wir es mit drei verschiedenen Tätern zu tun haben, Rander. Und jeder dieser Einzeltäter versteckt sich hinter der TV-Serie.«

»Was meinen Sie dazu?« Mike Rander wandte sich an seinen Butler, der aufmerksam zugehört hatte.

»Durchaus möglich, Sir«, räumte der Butler ein. »Wenn Sie erlauben, möchte ich den Fall nun studieren. Ich bin der zuversichtlichen Hoffnung, Ihnen bald die ersten Ergebnisse meiner Nachforschungen mitteilen zu können.«

Josuah Parker nahm die Unterlagen an sich, die Leutnant Trunks mitgebracht hatte. Er verbeugte sich steif vor den beiden Männern, drehte sich um und verließ gemessenen Schrittes den großen Wohnraum.

»Mir fällt ein Stein vom Herzen«, sagte Leutnant Trunks und atmete scharf durch. »Parker wird die Sache schon schaukeln. Und sollte er wieder mal mit ungewöhnlichen Methoden arbeiten, werde ich ihn decken.«

»Ich kann Sie schon jetzt auf Überraschungen vorbereiten«, antwortete Anwalt Mike Rander und lächelte verschmitzt. »Sie wissen doch, wenn Parker ermittelt und einen Kriminalfall löst, dann bleibt meist kein Auge trocken.«

»Ich hoffe, Sie werden mitmachen, Rander.«

»Selbstverständlich, Trunks, falls Parker mich natürlich einweiht. Sie wissen doch, daß er ziemlich selbstherrlich ist. Er stellt mich meist vor vollendete Tatsachen. Doch bisher hat’s sich eigentlich immer gelohnt. Parker weiß, wie man Gangster fängt!«

*

Der gesuchte Mörder, um den sich alles drehte, saß am anderen Tag in seinem Privatbüro in der Innenstadt von Chikago. Die Post war ihm auf den Tisch gelegt worden. Am liebsten hätte er sie sofort nach einem ganz bestimmten Briefumschlag durchsucht. Er wußte, wie dieses bewußte Schreiben aussah.

Doch er zwang sich zur Ruhe. Er schluckte seine Erregung und gab sich gleichgültig. Brief für Brief ging er gespielt langsam durch. Es handelte sich um Geschäftsschreiben, um Prospekte und um interne Hausmitteilungen.

Gegen seinen Willen atmete er scharf durch, als er die Post sortiert hatte. Er lehnte sich weit im Schreibtischsessel zurück und zündete sich eine Zigarette an. Der Mann – übrigens sehr gut gekleidet und selbstsicher wirkend – beobachtete das feine Zittern seiner Finger. Nein, trotz aller Selbstbeherrschung hatte er Angst. Er machte sich keine Illusionen …

Es hatte also nach dem dritten Schlag bereits geklappt, sagte er sich. Ich habe Glück gehabt. Gut, daß ich mich nicht ins Bockshorn jagen ließ. Wer von den drei Opfern die Briefe geschrieben hat, ist völlig gleichgültig, Hauptsache, ich kann wieder aufatmen und brauche nicht in dieser ständigen Sorge und Angst zu leben.

Ja, die Zigarette schmeckte.

Der Mörder stand auf, ging um den Schreibtisch herum und sah sich die große detaillierte Stadtkarte von Chikago an. Nun brauchte er keine Angst mehr zu haben.

Wegen der drei Morde machte der Mann sich keine Gewissensbisse. Er war intelligent, reagierte schnell und fühlte sich den Methoden, der Polizei überlegen.

Er lächelte.

Wie gut, daß es doch diesen »Thriller nach Mitternacht« gab, dachte er. Soll die Polizei doch unter den Millionen Menschen von Chikago nach dem Mann suchen, der stets am Freitag vor der TV-Sendung einen Mord beging.

Der Mörder glaubte an ein vollkommenes Verbrechen. An ihn würden sie niemals herankommen.

Der Mörder plante keine weiteren Verbrechen.

Die heutige Post hatte ihm bewiesen, daß der Ärger vorüber war. Jetzt konnte er sich wieder in aller Ruhe seiner Arbeit widmen und brauchte nicht mehr zu befürchten, daß er um sein Geld und seine Stellung gebracht wurde.

Der Summer über der Tür quäkte, ein rotes Licht flackerte in rhythmischen Abständen auf. Der Mann ging zur Tür und zog sie zu einem Spalt auf.

»Ein Eilbrief, Sir«, meldete seine Vorzimmerdame. »Er wurde eben abgegeben.«

»Gut, geben Sie her!«

Er riß sich zusammen, ließ sich nichts anmerken. Und doch glaubte er, von einem Blitzstrahl getroffen worden zu sein. Eben noch hatte er triumphiert, sich sicher gefühlt, jetzt aber stürzte er wieder in den dunklen Schacht seiner Verzweiflung.

In seiner rechten Hand hielt er den Brief, vor dem er sich fürchtete. In diesem Umschlag lag wieder solch ein formloser Zettel, auf dem nur wenige Zeilen standen. Doch diese Zeilen hatten es in sich. Sie waren geeignet, ihm den Hals zuzuschnüren.

Langsam riß er den Umschlag auf. Von außen sah das Schreiben völlig unverdächtig aus. Der Mörder nahm den Zettel heraus, entfaltete ihn und überflog dann die Zeilen.

Diesmal warnten sie ihn nicht nur, sondern sie spielten auf die drei Morde an. Der Verfasser dieser Zeilen, die mit Schreibmaschine getippt worden waren, machte sich über ihn lustig. Der Verfasser fragte ironisch an, wie viele Menschen denn noch umgebracht werden sollten.

Sie sind auf der falschen Fährte, endete dieser kurze Brief, der in seiner ganzen Diktion gefährlicher war als ein paar Stangen Dynamit.

Dieser Brief enthielt noch einen knappen Nachsatz.

Per Telefon, so stand auf dem Papier, werde ich Sie in den nächsten Tagen über meine Wünsche informieren. Sammeln Sie schon jetzt Bargeld!

Eine Unterschrift trug der Brief nicht. Der Mörder achtete kaum darauf. Alle bisher erhaltenen Briefe waren ohne Absender geblieben. Und in allen Briefen standen handfeste Drohungen. Was der Verfasser aber endgültig wollte, hatte er bisher noch nicht gesagt. Er ließ den Mörder im ungewissen und legte es darauf an, ihn Brief für Brief immer gespannter zu machen.

Der Mörder steckte den Zettel zurück in den Umschlag, barg ihn in seiner Brusttasche und trat dann vor die Wandkarte. Er hatte die übrigen Adressen auf seiner Liste genau im Kopf. Sein nächstes Opfer wohnte in Joliet, südwestlich von Chikago.

Und sollte ich sie der Reihe nach umbringen, schwor er sich, mich wird man nicht ausbooten, darauf gehe ich jede Wette ein!

*

Bart Snyder war Taxifahrer und hatte Nachtdienst.

Er stand mit seinem Wagen in der Nähe des Bahnhofs, blätterte gelangweilt in einem Magazin herum und wartete auf seine Ablösung. Bis dahin fehlte allerdings noch fast eine ganze Stunde.

Es war eine trübe, regnerische Nacht. Bisher war nicht viel los gewesen. Nur ein paar Fuhren in die Innenstadt. Er wartete auf den nächsten Zug, der in zehn Minuten fällig war.

Bart Snyder lebte seit gut sechs Jahren in Joliet. Nach unruhigen Jahren war er schließlich hier gelandet. Hier in dieser Stadt wollte er auch bleiben. Draußen in einer Randsiedlung besaß er ein nettes Holzhaus, das allerdings noch abgezahlt werden mußte. Snyder hatte keine Sorgen. Er verdiente recht gut. Mehr brauchte er nicht für sich und seine Frau.

Er warf die aufgerauchte Zigarette durch das geöffnete Wagenfenster auf die Straße und sah hoch, als sein Kollege Chanders neben dem Fenster auftauchte.

»Ist was?« fragte Snyder.

»Mann, haste die Zeitungen gelesen?« fragte Chanders. »Drüben in Chi is’ ja ’ne Menge los, Bart. Irgendso ein verrückter Mörder macht die Stadt unsicher.«

»Na und? In Chi laufen immer Mörder ’rum.«

»Der Kerl erdrosselt seine Opfer mit ’nem Henkerstrick. Er hat diese Masche vom Fernsehen. Da läuft ’ne Serie in der so was am laufenden Band passiert. Der Verrückte imitiert diese Morde.«

»Blödsinn, solche Stücke überhaupt zu senden«, brummte Bart Snyder.

»Drei Frauen hat der Mörder bisher erwischt. Die Polizei ist ratlos.«

»Wann is’ sie das nicht?« erwiderte Bart und lachte ironisch. »Diese Leute können doch nur Verkehrssünder erwischen. Mehr steckt nicht drin.«

»Na, ich weiß nicht! Übrigens ist da so ein Bursche, der in alle Welt hinausposaunt, er würde den Mörder erwischen.«

»Sicher auch so ein Verrückter.«

»Josuah Parker nennt der Knabe sich, ein komischer Bursche. Er hat’n Interview gegeben. Sieht aus, als wäre er aus ’nem Witzblatt entsprungen. Du mußt dir mal sein Bild ansehen. Schwarze Melone, Regenschirm und ’ne Kleidung, die er sich von ’nem Leichenbestatter ausgeliehen haben könnte.«

»Ich hab’ doch schon gesagt, daß dieser Knabe wahrscheinlich auch verrückt ist.«

»Die Zeitung schreibt, dieser Parker sei ein erfolgreicher Gangsterjäger.«

»Was mich das schon überzeugt, Chi ist weit, hier in Joliet haben wir unsere Ruhe.«

»’n komischen Geschmack muß dieser TV-Mörder haben«, redete Less Chanders weiter. »Hier sind die Bilder der drei ermordeten Frauen. Alles ältere Mädchen.«

»Laß mich mit dem Kram zufrieden«, wehrte Bart Snyder ab. Als Chanders ihm aber das Zeitungsblatt zuschob, griff er wider Willen doch danach. Er warf einen flüchtigen, uninteressierten Blick auf die Fotos der drei ermordeten Frauen.

Plötzlich richtete er sich steil auf. Er glättete das Zeitungsblatt und atmete schneller. Chanders, dem das nicht entgangen war, beugte sich vor.

»Was ist?« fragte er neugierig.

»Nichts … rein nichts …!« gab Bart Snyder abwehrend zurück. »Was soll schon sein? Herrgott starr mich doch nicht so an …! Steck dir die Zeitung an den Hut und laß mich allein.«

»Schon gut, Bart, schon gut …!« Less Chanders grinste unglücklich, nahm die Zeitung wieder entgegen und ging zurück zu seinem Wagen. Als er sich darin niederließ, sah er Bart Snyder, der sein Taxi verlassen hatte und auf das große Bahnhofsgebäude zuschritt. Er verschwand in der großen Vorhalle.

Bart Snyder hatte sich eine Zigarette angezündet und lief ziellos durch die Halle. Die Lautsprecher verkündeten bereits die Einfahrt des Zuges. Er hörte kaum hin. Ganz andere Gedanken beschäftigten ihn. Er kannte eine der drei Frauen, die in der Zeitung abgebildet worden waren. Er kannte sie sogar recht gut, obwohl zwischen damals und heute viele Jahre verstrichen waren.

Als Chanders ihm das Blatt gereicht hatte, war ihm der Name in die Augen gesprungen. Liz Farlers hieß sie, und sie hatte damals als Sekretärin gearbeitet. Er war recht gut befreundet mit ihr gewesen. Ja, sie waren sogar einige Male zusammen ausgegangen und hatten sich recht nett amüsiert.

Liz Farlers also war ermordet worden. Er war betroffen. Doch seine Neugier war geweckt worden. Er wollte mehr über diesen Mord erfahren. Am Zeitungsstand ließ er sich die betreffende Zeitung geben. Er schlug sie auf, blieb neben dem Verkaufsstand stehen und suchte nach dem groß aufgemachten Mordartikel.

Chanders hatte nicht übertrieben. Liz Farlers war erdrosselt und ihr Mörder bisher nicht gefaßt worden.

Sie sah immer noch recht gut aus, urteilte er. Verdammt, warum mag man Liz umgebracht haben? Sollte sie wirklich das Opfer eines irrsinnigen Mörders geworden sein?

Sein Blick glitt über die Fotos der beiden anderen weiblichen Opfer. Komisch, dachte er, auch diese Gesichter kommen mir irgendwie bekannt vor. Wo mag ich diese beiden anderen Frauen schon mal gesehen haben? Oder täusche ich mich nur?

»Zum Teufel«, fluchte er leise, »ich lasse mich doch nicht verrückt machen. Die Geschichte mit Liz ist doch schon seit Jahren vorbei. Sie hat eben Pech gehabt. Hätte jeder anderen Frau auch passieren können.

Bart Snyder stopfte die Zeitung in die Innentasche seiner Lederjacke, ging zurück zu seinem Wagen und blieb neben dem Kühler stehen. Der Zug aus Chikago Central war eingelaufen. Die Reisenden tropften langsam aus der Halle, sahen sich nach Taxen um und kämpften sich mit ihrem Gepäck ab.

»Sind Sie frei …?«

Snyder drehte sich um. Neben ihm stand ein mittelgroßer, schlanker Mann, der seinen Hut tief in die Stirn gezogen hatte. Er trug einen leichten Stoffmantel und eine Brille, deren Gläser blau eingefärbt waren. Die Stimme des Mannes klang rauh und gepreßt.

»Wir können sofort losfahren«, sagte Bart Snyder. »Ich hab Sie gar nicht kommen sehen. Haben Sie Gepäck bei sich?«

»Im Schließfach … Ich bleibe nur für eine knappe Stunde. Fahren Sie mich in die Anderson Street.«

»Gemacht, Sir …«

Bart Snyder öffnete die Wagentür und ließ seinen Fahrgast einsteigen. Dann nahm er vor dem Steuer Platz und fuhr los. Er dachte schon nicht mehr an Liz Farlers. Der Verkehr beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.

Er roch, daß der Mann auf dem Rücksitz sich eine Zigarette angezündet hatte. Snyder, der die Stadt wie seine Westentasche kannte, benutzte ein paar Abkürzungen. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück zum Bahnhof, um vor der Ablösung vielleicht noch eine Fuhre abstauben zu können, wie es im seinem Jargon hieß.

»Oh … würden Sie anhalten …?«

Der Fahrgast sprach schnell und unsicher.

Bart Snyder bremste langsam ab. Er drehte sich zu seinem Gast um.

»Mir ist schlecht geworden«, stammelte der Gast auf dem Rücksitz. »Es geht gleich vorbei …!«

Betrunken war er nicht, sagte sich Bart Snyder, der in seinem Beruf als Taxifahrer die unglaublichsten Überraschungen erlebte. Vielleicht bin ich zu schnell gefahren?

Er steuerte das Taxi an den Straßenrand und merkte erst jetzt, daß er sich in einer ruhigen, dunklen Seitengasse befand. Hier in der Gegend gab es viele Fabriken und Kleinbetriebe. Nachts war hier nichts los.

»Ich nehme schnell eine Tablette«, sagte der Mann. Er griff durch den aufgeknöpften Mantel in die Innentasche seines Jacketts und … hielt einen mattblinkenden Revolver in der Hand.

Überfall, dachte Bart und warf sich sofort zur Seite. In diesem Augenblick peitschten bereits die ersten Schüsse auf. Bart spürte einen heftigen, schmerzhaften Schlag an der linken Brustseite. Er stöhnte unwillkürlich auf, griff nach der Wagentür und stieß sie auf. Geschickt ließ er sich auf die Straße fallen, kroch in panischem Entsetzen am Wagen entlang, richtete sich auf und lief dann humpelnd auf das geöffnete Tor einer Fabrik zu.

Schüsse verfolgten ihn.

Einige Geschosse prallten von der Straßendecke ab und zischten durch die Luft. Dicht neben Bart landete ein Geschoß im Torpfeiler. Kaum in Deckung, brach Bart in sich zusammen. Sein linkes Bein wollte nicht mehr mitmachen. Erst jetzt spürte er den heftigen Schmerz in der Wade. Als er danach griff, fühlten seine Finger sich klebrig an.

Der Hund hat mich angeschossen, dachte er, der hat mich ausrauben wollen. Ich muß weg, sonst kommt er nach.

Der Taxifahrer schleppte sich mit letzter Kraft hinter einen kleinen Ziegelbau, der als Waage-Häuschen diente und blieb dort liegen.

Auf der Straße dröhnte der Wagenmotor laut auf. Das Getriebe kreischte, als der verhinderte Mörder im Taxi seine Flucht fortsetzte.

Dieser verdammte Hund, dachte Bart noch mal, bevor er ohnmächtig wurde. Warum ausgerechnet ich …?

*

Angestellte der 4. Etage des Bürohauses Mildam in der Loop, dem Zentrum Chikagos, wurden zuerst auf die seltsamen Gerüche aufmerksam, die aus dem Büro des Privatdetektivs Benny Morgan drangen.

Sie witzelten darüber, aber sie machten sich zuerst kaum Gedanken dabei. Aus Erfahrung wußten sie, daß Benny Morgan ein seltsamer Bursche war. Er war der Prototyp jener Privatdetektive, wie man sie in Kriminalromanen antreffen kann: Benny Morgan war ein kaltschnäuziger Bursche, massig, hart und aggressiv. Er trank gern etwas viel, ließ sich von blondgefärbten Dämchen besuchen und hielt sich, was seine Arbeit anbetraf, nicht sonders eng an die Grenzen, die ihm als Privatdetektiv gesteckt waren.

Falls die Honorare hoch genug ausfielen, war Benny Morgan durchaus bereit, zweifelhafte Jobs anzunehmen. Dennoch stand er sich mit den Polizeibehörden recht gut. Er verstand es stets, im letzten Augenblick einzuschwenken und nicht straffällig zu werden.

Als die Angestellten in ihren Büros waren, machte der Hausmeister die Runde. Auch er stutzte, als er in der 4. Etage war. Der Geruch im engen, lichtlosen Korridorgang war penetrant und legte sich auf die Lungen.

Der Hausmeister folgte dem Geruch und landete vor der Tür zu Benny Morgans Büro. Hier verstärkte sich der süßliche Geruch. Der Hausmeister läutete, wartete und pochte dann mit der Faust gegen die leichte Tür.

Benny Morgan meldete sich nicht.

Der Hausmeister schöpfte noch immer keinen Verdacht.

Mag der Teufel wissen, was er da im Büro abgelagert hat, dachte er verärgert. Ich werde ihm mal auf die Zehen treten müssen. So geht’s ja schließlich nicht.

Nach einem zweiten, mißglückten Klopfversuch fischte der Hausmeister seinen Generalschlüssel aus der Tasche. Mit diesem Schlüssel konnte er alle Räume im Bürohaus öffnen. Er machte aber nur sehr selten Gebrauch davon.

Er sperrte die Tür auf. Sie ließ sich leicht öffnen. Von innen steckte kein Schlüssel.

Er ist also weggegangen, sagte sich der Hausmeister. Weiß der Himmel, wann er diesmal wieder aufkreuzen wird.

Vorsichtig betrat er den ersten Büroraum, in dem einige Schränke, ein Tisch und ein paar abgewetzte Sessel standen. Der Geruch war plötzlich derart stark, daß der Hausmeister unwillkürlich nach Luft schnappte und zum Fenster ging. Er riß die beiden Flügel auf und nickte zufrieden. So, das roch schon ganz anders …!

Langsam näherte er sich der Verbindungstür, die in Benny Morgans Privatbüro führte. Er stieß sie mit dem Fuß auf. In diesem Moment spürte er bereits, daß irgend etwas hier nicht stimmte. Der Hausmeister bekam Angst. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und wäre wieder weggegangen.

Leicht öffnete sich die Tür. Die Angeln waren gut geölt. Sie verursachten nicht das leiseste Geräusch. Der Hausmeister blieb in der geöffneten Tür stehen und … sah Benny Morgan.

Der Privatdetektiv lag vor seinem alten Schreibtisch. Sein Gesicht war dem Boden zugekehrt. Einige Fliegen stoben hoch und summten hinüber zu den geschlossenen Fenstern.

Nein, nein, stöhnte der Hausmeister in sich hinein, das kann doch nicht wahr sein …

Aus weit aufgerissenen Augen starrte er den toten Benny Morgan an. Er war von mehreren Schüssen niedergestreckt und ermordet worden. Auf der hellgrauen Wollweste, die Benny stets anhatte, waren eingedickte Blutflecke zu erkennen.

Der Hausmeister warf sich zurück. Er konnte diesen Anblick nicht länger ertragen. Er stolperte in das Vorzimmer und mußte sich plötzlich übergeben. Er kam nicht dagegen an. Der starke Brechreiz schüttelte ihn.

Er tastete sich an der Wand entlang, erreichte den Korridorgang und schrie. Er schrie, aber er hörte es nicht. Er rutschte an der Wand herunter und starrte die ersten Angestellten an, die aus den Büros gelaufen kamen und sich um ihn kümmerten.

»Benny Morgan«, stöhnte der Hausmeister. »Schnell, die Polizei, Morgan ist ermordet worden!«

*

Der Mörder wußte, daß er einen schweren Fehler begangen hatte. Der Taxifahrer Bart Snyder war seinem Mordanschlag entgangen. Der Mann wußte sehr gut, daß Snyder noch lebte, doch er hatte es nicht riskiert, dem verletzten und angeschossenen Mann nachzusetzen. Im Taxi war er geflüchtet, hatte den Wagen unterwegs irgendwo stehen lassen und war in die Nähe des Bahnhofs zurückgekehrt. Er saß jetzt in einer Bar und überlegte, wie dieser Fehler auszubügeln war.

Kann Bart Snyder herausbekommen, warum er überfallen worden ist? Das war für ihn die entscheidende Frage. Erkannte der Taxifahrer Snyder die Zusammenhänge, oder glaubte er, es mit einem Strauchdieb zu tun zu haben, der nur auf die Tageseinnahme scharf gewesen war?

Der Mörder trank seinen Whisky mit Soda. Er hatte auf einmal sehr viel Zeit. Er wollte Joliet nicht verlassen, bis er genau wußte, was nun gespielt wurde.

Snyder muß verschwinden, sagte er sich. Er ist viel zu wichtig. Er weiß doch schließlich genau, was sich damals in New York abgespielt hat. Erkennt er erst mal die Zusammenhänge, dann wird er sich an die Polizei wenden und ihr seinen Verdacht mitteilen. Dazu darf es aber auf keinen Fall kommen …

Ich werde niemals aufgeben, redete der Mörder sich ein. Ich werde um meine gesellschaftliche Stellung kämpfen. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich noch die beiden letzten Namen auf der Liste streichen muß oder nicht.

Der Mörder glich einem seriösen Gast, so wie er in der Bar saß und seinen Drink nahm. Er war sehr teuer gekleidet. Der Anzug stammte nicht von der Stange. Das Hemd zeigte allein schon vom Schnitt her, daß es von einem erstklassigen Hemdenschneider angefertigt worden war. Dieser so scheinbar seriöse Mann atmete Geld und Selbstsicherheit. Keiner der übrigen Bargäste wäre je auf den Gedanken gekommen, dieser Mann könnte ein Mörder sein!

Ob seine Frau weiß, was sich damals in New York abgespielt hat? Der Mann ging nüchtern und methodisch vor. Er erlaubte sich keine glitzernden Illusionen, die nur die Gedanken trübten. Ein zweiter Fehler durfte nicht passieren!

Es hilft alles nichts, sagte er sich, ich werde Bart Snyders Frau besuchen müssen. Von ihr werde ich erfahren, wohin man ihren Mann gebracht hat. Vielleicht erfahre ich auch ganz zufällig, wieviel sie überhaupt von der damaligen Affäre weiß.

Der Mörder bestellte sich beim Barkellner einen zweiten Drink. Äußerlich war ihm von seinen Zweifeln und Ängsten nichts anzusehen, er war nichts anderes als ein Gast, der keine Sorgen zu haben schien …

Ich werde gleich zu Mrs. Snyder fahren, befahl er sich. Ich werde Barts Frau einen Besuch, abstatten und ihr die Würmer aus der Nase ziehen. Gerade Snyder wird die Zusammenhänge erkennen, wenn er erst mal richtig denkt.

Der erregte Mann zog eine Zwischenbilanz.

Die Sekretärin Liz Farlers lebte nicht mehr, er hatte das damalige Dienstmädchen Ann Dolan ermordet und Elsa Wilbur mundtot gemacht.

Und der Privatdetektiv Benny Morgan? Nun, der stellte keine Gefahr mehr dar. Benny Morgan war tot. Er konnte nicht mehr sagen, daß er im Auftrag eines seriösen Geschäftsmannes aus Chikago Adressen gesammelt hatte.

Ob sie Benny Morgan bereits gefunden haben, fragte sich der Mann.

Gut, daß ich mich an diese TV-Serie gehängt habe, überlegte der Mörder. Die Polizei wird diese Nuß niemals knacken können. Mit mir, so dachte er, können sie es nicht aufnehmen. Dazu hätten sie früher auf stehen müssen …!

*

Auf dem Highway von Chikago nach Joliet bewegte sich ein seltsames Fahrzeug. Der Schnelligkeit nach zu urteilen schien es eine Art fliegende Untertasse zu sein, dem Bau nach zu urteilen ein hochbeiniges Taxi aus London.

Josuah Parker saß am Steuer seines Monstrums auf Rädern, wie Eingeweihte seinen Wagen nannten. Parker bändigte die PS-Kräfte unter der Motorhaube mit jener Souveränität, die man von ihm erwartete. Da es auf diesem Highway keine Beschränkung der Geschwindigkeit gab, spielte der Butler mit dem Gaspedal, ohne dem modernen Rennmotor unter der altmodischen Motorhaube alles abzuverlangen.

Dieses Monstrum auf Rädern hatte es in sich. Es barg eine Fülle der verrücktesten Einfälle und Überraschungen. Parker, der sich dieses Taxi in London besorgt und in den Staaten hatte umbauen lassen, hing an diesem rollenden Tiefstapler, denn von außen war diesem Wagen kaum etwas Besonderes anzusehen. Wenn es darauf ankam, entpuppte sich Parkers Wagen aber als eine Trickkiste in des Wortes wahrster Bedeutung.

Es war ein früher, grauer Morgen. Auf dem breiten Straßenband waren die ersten Vertreter zu sehen, die ersten Lastwagen und besonders tüchtige Männer, die weit vor der Zeit in ihren Büros und an ihren Werkstellen sein wollten.

Sie alle wurden sehr schnell wach, als ein Blechgebilde q la Salvadore Dali an ihnen vorbeizischte und das Band förmlich auffraß. Wie ein summender Schatten glitt Parkers Tiefstapler an den anderen Autos vorbei und war nach wenigen Sekunden nur noch als Punkt am Horizont zu erkennen.

Josuah Parker genoß die Freuden dieser schnellen Fahrt. Er fuhr gern, und er fuhr gern noch schneller. Sein Ziel war Joliet, wo sich in der vergangenen Nacht ein Taxiüberfall ereignet hatte. An sich fiel solch ein Vergehen nicht in Parkers Kompetenz. In diesem Fall aber sah der Vorfall doch erheblich anders aus.

In der Brusttasche des überfallenen Taxifahrers hatte die Polizei eine Chikagoer Zeitung gefunden. Diese Zeitung war derart zurechtgeknifft worden, daß der Artikel über den »Freitag-Killer« aus Chikago förmlich ins Auge sprang.

Ein Leutnant der Kriminalpolizei von Joliet hatte den zu sich gekommenen Taxifahrer zwar nur kurz vernehmen können, doch diese Zeit hatte ausgereicht, eine wichtige Spur zu entdecken. Auf Befragen hatte der Taxifahrer Bart Snyder ausgesagt, die ermordete Sekretärin Liz Farlers gekannt zu haben.

Der Draht zwischen Joliet und Chikago hatte gespielt. Parker war von Leutnant Trunks informiert worden und hatte darum gebeten, Bart Snyder verhören zu dürfen. Jeder offizielle Anstrich sollte laut Josuah Parker vermieden werden. Falls die Spur nämlich echt und heiß war, sollte der »Freitag-Killer« auf keinen Fall verscheucht werden. Leutnant Trunks hatte sich damit einverstanden erklärt, zumal er selbst nicht abkommen konnte. Insgeheim glaubte er übrigens, daß sich eine Fahrt nach Joliet nicht lohnen würde. Er war skeptisch. Zu viele falsche Fährten hatte er in den vergangenen Tagen schon unter die Lupe genommen.

Parker hingegen scheute das Risiko nicht. Es störte ihn auch nicht, daß der Taxifahrer angeschossen worden war. Sein Mörder hatte also auf den Trick des »Freitag-Killer« verzichtet und keinen Henkerstrick verwendet.

Parker näherte sich einer kleineren Ortschaft. Ein deutlich angebrachtes Schild machte ihn auf eine Radarkontrolle der Polizei aufmerksam. Innerhalb der Ortschaft mußte das Tempo erheblich vermindert werden.

Josuah Parker hielt sich an die geforderte Geschwindigkeit. Als vorsichtiger Mensch aber beugte er sich eine Spur nach vorn und legte den schwarz behandschuhten Zeigefinger auf einen Knopf, der am Armaturenbrett angebracht war.

Vorschriftsmäßig durchfuhr er die kleine Ortschaft. Nach der Freigabe der Geschwindigkeit aber schaltete er sein Monstrum blitzschnell hoch und brummte wieder los.

Das mißfiel einer Polizeistreife, die am Straßenrand stand und auf zu schnell fahrende Wagen achtete. Als das hochbeinige Monstrum davonzischte, sahen die beiden Beamten sich nur stumm an. Dann nickten sie sich zu und nahmen die Verfolgung auf. Sie fuhren einen Spezialwagen, dessen Pferdestärken vollkommen ausreichten, jeden von der Industrie gelieferten Wagen leicht einzuholen.

Der Streifenwagen schob sich auf die Fahrbahn und schoß nun seinerseits davon. Der Fahrer war ein erfahrener Streifenbeamter, der sein Handwerk verstand. Ihm war bisher noch kein zu schnell fahrender Wagen entwischt.

»Sah eben viel schneller aus, was?« warf er seinem Begleiter zu.

»Verdammt ja, wie man sich täuschen kann!«

»Wäre ja auch ’n Witz, wenn so ein Karren schnell fahren könnte«, meinte der Fahrer. »Den werden wir uns gleich mal vorknöpfen. Mal sehen, ob die Blechkiste überhaupt fahrbereit ist.«

»Solche Benzinesel müßten eigentlich verboten werden«, pflichtete der zweite Beamte dem Fahrer bei. »Sicher so’n Eigenbau von ’nem hochgestochenen Studenten.«

»Den werden wir gleich am Wickel haben.« Der Fahrer drückte das Gaspedal automatisch tiefer. Der Abstand zwischen ihnen und der skurrilen Blechkiste verringerte sich aber nicht. Er blieb gleich groß, obwohl der Fahrer nun noch etwas mehr Gas gab.

»Vor der nächsten Kurve werden wir ihn haben, da muß jeder mit dem Tempo ’runtergehen«, meinte der Begleiter und grinste. Er kannte die Tücken dieser Straße. Die Kurve begann flach und harmlos, wurde aber plötzlich sehr eng und scharf.

Parkers hochbeiniges Monstrum näherte sich dieser Kurve in rasanter Fahrt. Die beiden Streifenbeamten hatten inzwischen etwas aufgeholt. Der Fahrer bremste scharf ab, bog weit nach rechts aus und schnitt die unübersichtliche Kurve an.

Das Monstrum auf Rädern vor ihnen raste in die Kurve hinein. Die beiden Streifenbeamten sogen unwillkürlich scharf die Luft ein. Das konnte doch niemals gut gehen. Dieser hochbeinige Schlitten mußte doch glatt aus der Kurve getragen werden.

»Schnapp’ den Verbandkasten!« rief der Fahrer seinem Partner zu. »Gleich haben wir den Salat …!«

Torkelnd, wie betrunken, rasselte das umgebaute Taxi aus London in die Kurve hinein. Dann aber, wie durch Zauberei, schwenkte sie das Hinterteil herum, rutschte weg und … brauste weiter. Das Taxi verschwand hinter der Biegung.

»Sagenhaft«, stöhnte der Streifenfahrer. »Entweder war das der gekonnteste Powerslide, den ich je gesehen habe, oder der Bursche muß ein Dutzend Schutzengel um sich haben.«

Der Begleiter verzichtete auf eine Antwort. Er umklammerte den Haltegriff und schnaufte vor Angst und Erregung. Der Fahrer mühte sich nämlich mit dem schweren und noch recht schnellen Streifenwagen ab. Das Fahrzeug schlingerte und bockte. Der Fahrer mußte alle Zaubertricks anwenden, die er im Laufe langer Jahre auf der Straße gelernt hatte. Dennoch konnte er es nicht vermeiden, daß sein gut gefederter Wagen ausbrach und auf den sandigen Außenrand der Straße kam.

»Das war knapp!« Der Begleiter wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mann, um ein Haar wären wir im Graben gelandet.«

»Dieser verdammte Bursche!« fluchte der Fahrer. Auch ihm saß der Schreck in den Gliedern. »Dem werde ich’s jetzt zeigen!«

»Komm, fall’ ab«, beschwor der Begleiter seinen Fahrer. »Der Mann hat ja nichts angerichtet.«

»Ich will wissen, wer am Steuer sitzt«, antwortete der Fahrer stur. Er richtete den schnellen Wagen neu aus und gab Vollgas. Ohne auf den Meilenanzeiger zu achten, nahm er die weitere Verfolgung auf.

»Schneller, gleich haben wir ihn!« Der Beifahrer wurde vom Fieber dieser verrückten Verfolgungsjagd gepackt. Er beugte sich vor, um besser sehen zu können.

»Mehr sitzt nicht drin!« keuchte der Fahrer.

»Ausgeschlossen, der Karren vor uns kann nicht schneller sein!«

»Ist es aber …!«

»Wir schaffen es, ja, es haut hin!«

Tatsächlich, das Streifenfahrzeug holte auf. Das hochbeinige Monstrum war immer besser zu erkennen. Plötzlich klappte dort, wo sich der außen angebrachte Kofferraum befand, ein großes Schild herunter. Eine nicht zu übersehende Leuchtschrift verkündete lakonisch: »Wer langsam fährt, kommt auch ans Ziel!«

»Das ist doch die Höhe«, fluchte der Fahrer. »Jetzt zieht der Bursche uns auch noch auf. Na, der kann sich auf was gefaßt machen!«

*

»Meine Herren, ich stehe zu Ihren Diensten.«

Josuah Parker lüftete höflich seine schwarze, steife Melone und deutete eine leichte Verbeugung an.

»Sagen Sie mal …! Sagen Sie mal …!« Mehr brachte der Streifenfahrer vor Empörung nicht heraus.

»Was bitte, soll ich Ihnen sagen, Sir?« erkundigte sich Parker.

»Sie … Sie sind zu schnell gefahren.«

»Zu schnell? Aber auf keinen Fall, meine Herren. Für meine Begriffe hielt ich mich sogar absichtlich etwas zurück. Ich wollte auf der Straße kein Aufsehen erregen. Ich hoffe, daß es mir gelungen ist.«

»Sagen Sie mal, wollen Sie uns auf den Arm nehmen? In Nalter-Village sind Sie zu schnell gewesen.«

»Das, meine Herren, muß ich entschieden bestreiten. Ich möchte zu Ihren Gunsten annehmen, daß Sie das Opfer eines Irrtums geworden sind.«

»Zahlen Sie freiwillig, oder wollen Sie angezeigt werden?«

»Weder noch …!«

»Los, kommen Sie mit«, schnauzte der Streifenfahrer aufgebracht. »An Nalter-Village werden Sie später mit Freuden zurückdenken.«

»Ich bin dessen sicher«, betonte Josuah Parker. »Darf ich übrigens erfahren, woher Sie Ihr Wissen nehmen, daß ich zu schnell gefahren sein soll?«

»Das haben wir im Griff«, sagte der Fahrer und grinste.

»Ich ebenfalls, worauf ich Sie hinweisen möchte. Wenn Sie sich bitte überzeugen wollen …«

Parker beugte sich steif nach vorn, drückte auf einen anderen am Armaturenbrett angebrachten Knopf und ließ einen Fahrtschreiber hervorklappen. Mit geschickten Handgriffen montierte er das runde Meßblatt ab und reichte es dem Fahrer.

»Was ist denn das?« staunte der Beamte und stutzte.

»Der Beweis für meine Feststellung, daß ich mir nicht erlaubt habe, zu schnell zu fahren.«

Der Streifenbeamte schluckte seine Überraschung hinunter, sah sich das Meßblatt genauer an … und fand einen Ausweg.

»Wenn schon«, sagte er und lächelte überlegen. »Dieses Blatt beweist zwar, daß Sie irgendwo die Geschwindigkeit eingehalten haben, aber es sagt nicht wo …!«

»Ich rechnete mit solch einem Einwand, der übrigens auf eine gewisse Scharfsinnigkeit schließen läßt«, meinte Parker ruhig. »Wenn Sie gestatten und erlauben, möchte ich einen zusätzlichen Beweis ins Treffen führen.«

»Noch einen Beweis?«

»Ich bin so frei!« Josuah Parker griff hinauf zum Rückspiegel und montierte ihn mit wenigen Handgriffen ab. Dieser rechteckige und recht dicke Rückspiegel entpuppte sich über den Spiegelzweck hinausgehend als eine ausgewachsene Polaroidkamera. Parker, technisch sehr versiert und geschickt, öffnete die Rückwand der getarnten Kamera und riß das fertig entwickelte Bild heraus.

»Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß das Foto Ihre letzten berechtigten Zweifel beheben wird!«

»Da bin ich aber gespannt.« Der Streifenpolizist studierte die Aufnahme und schluckte daraufhin noch mal. Das Foto zeigte das Schild, das die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgab, es zeigte aber auch das Zifferblatt einer kleinen Uhr. Diese Uhrzeit war identisch mit der auf dem Meßblatt.

»Was soll das alles?« stotterte der Beamte verwirrt.

»Diese beweiskräftigen Dokumente 1 und 2 belegen eindeutig meine Unschuld, was ein zu schnelles Fahren anbetrifft. Ich hoffe, Sie werden Ihre Niederlage mit einiger Würde tragen.«

Parker schloß die rechteckige Tür seines Monstrums, grüßte höflich mit der steifen Melone und brauste davon. Er ließ zwei total verwirrte Männer zurück, die noch nach Stunden glaubten, es nur mit einer Erscheinung zu tun gehabt zu haben …

*

In Joliet angekommen, verzichtete Parker darauf, zuerst ins Spital zu fahren, um dem angeschossenen Taxifahrer einige Fragen zu stellen. Die Frau des Angeschossenen war ihm jetzt wichtiger. Vielleicht konnte sie ihm einige wertvolle Hinweise geben.

Parker stoppte seinen Wagen vor dem nett angestrichenen Holzhaus, stieg aus und schritt würdevoll wie ein Bischof auf das Haus zu. Er hatte sich seinen sagenhaften Universal-Regenschirm über den linken Unterarm gehängt.

»Ich bin sicher, es mit Mrs. Snyder zu tun zu haben«, begrüßte er die rundliche Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Wenn Sie gestatten, trete ich einige Schritte näher.«

»Ja, bitte!« sagte die Frau und gab die Tür frei.

»Ich komme wegen Ihres Gatten«, setzte Parker der unruhigen Frau auseinander. »Zu meinem Leidwesen erfuhr ich, daß er in einen Unfall verwickelt worden ist.«

»Unfall? Bart ist angeschossen worden. Von so einem Taxistrolch …! Ich komme aus dem Spital. Er hat noch Glück gehabt.«

»Er soll auch weiterhin Glück haben«, meinte Parker freundlich. »Um das aber sicherzustellen, bin ich hier.«

»Sind Sie von der Polizei? Nein, so sehen Sie nicht aus … Sie wollen Bart helfen?«

»In etwa, Mrs. Snyder. Dazu muß ich Ihnen einige Fragen stellen, die im ersten Augenblick vielleicht zusammenhanglos klingen.«

»Wer sind Sie denn eigentlich?«

»Ich kläre Kriminalfälle auf«, setzte Parker der rundlichen Frau auseinander. »Im Moment beschäftige ich mich mit Taxiräubern.«

»Sie …?« Unglaube und sogar eine Spur Belustigung schwangen in der Stimme der Frau mit.

»Kennen Sie eine gewisse Liz Farlers?« stellte Parker seine erste Frage. Er machte sich nichts daraus, daß die Leute ihn amüsant und skurril fanden.

»Liz Farlers? Soll die hier in der Nähe wohnen?«

»Haben Sie den Namen schon mal gehört?« wiederholte Parker die Frage noch mal. »Besinnen Sie sich genau, Mrs. Snyder.«

»Ich denke, ich habe diesen Namen schon mal gehört«, sagte sie zögernd.

»Wann und in welchem Zusammenhang, wenn ich diese Frage stellen darf?«

»Von Bart …! Von meinem Mann. Vor unserer Heirat muß er sie gekannt haben.«

»Wann und wo war das, Mrs. Snyder?«

»Das kann ich nicht sagen, fragen Sie Bart. Hat diese Frau etwas mit dem Überfall auf meinen Mann zu tun?«

»Nicht direkt, Mrs. Snyder. Sind Ihnen vielleicht die Namen Ann Dolan und Elsa Wilbur bekannt, Mrs. Snyder?«

»Na, hören Sie mal, mein Mann ist ja kein Blaubart …! Was soll das alles?«

»Ann Dolan und Elsa Wilbur«, wiederholte Parker nochmals. Er sprach sehr akzentuiert. Er wußte, weshalb er danach fragte. Es handelte sich dabei um die Namen der beiden anderen ermordeten Frauen, die der »Freitag-Killer« wahrscheinlich auf dem Gewissen hatte.

Mrs. Snyder wollte gerade zu einer noch empörteren Antwort ansetzen, als draußen vor dem Haus ein Schuß aufpeitschte. Die Fensterscheibe zersplitterte.

Parker warf sich gegen die rundliche Frau und brachte sie zu Fall. Er und sie verschwanden unterhalb des Fensters. Bruchteile von Sekunden später wurde ein weiterer Schuß abgefeuert. Er traf eine original Schwarzwälder Kuckucksuhr, die an der Wand hing. Der bewußte Kuckuck sprang aus seinem Gehäuse, ächzte getroffen auf, gab noch einige Töne von sich und fiel dann kraftlos von der Stange.

»Wie bedauerlich«, stellte Parker fest und half der wimmernden Mrs. Snyder wieder hoch. »Hoffentlich läßt dieser Verlust sich ersetzten …!«

»Mein Gott, Mörder … Mörder …!« Mrs. Snyder hatte ihre Stimme wiedergefunden und machte ausgiebig Gebrauch davon. Sie preßte sich gegen die Wand und wagte nicht, auch nur einen Schritt zu tun. Parker, der aus Erfahrung wußte, daß schreiende Frauen nur sehr selten zum Schweigen gebracht werden können, griff in eine der unergründlichen Taschen seines schwarzen, altmodischen Covercoats und holte zwei Wattetupfer hervor. Er steckte sie sich in die Ohren und machte sich dann daran, nach dem mordlüsternen Schützen zu suchen.

Leider war nichts mehr zu machen. Der potentielle Mörder hatte sich nach den beiden Schüssen schleunigst abgesetzt. Es war nämlich bereits hell geworden. Ein längeres Verweilen hätte eine sichere Entdeckung bedeutet.

Parker lupfte einen der Wattetupfer und nickte. Mrs. Snyder schrie bereits wesentlich leiser. Der Butler ging ans Telefon und rief die Alarmnummer der Ortspolizei an.

»Die Polizei wird gleich kommen«, sagte er zu Mrs. Snyder. »Dieser Anschlag galt selbstverständlich nur meiner bescheidenen Wenigkeit, Mrs. Snyder. Wenn Sie jetzt gestatten, möchte ich mich im Haus etwas näher umsehen. Bis zum Eintreffen der Polizei will ich mich auf jeden Fall beschäftigen …!«

»Die schöne Uhr«, jammerte Mrs. Snyder mit der Unlogik einer Frau, die einem Mordanschlag gerade entwischt ist, die aber den Verlust eines Souvenirs bedauert.

»Aus dem fernen und manchmal recht netten Deutschland, wie ich vermute, ja?«

»Bart brachte sie nach der Entlassung vom Militär mit …!«

»Er diente in Deutschland?«

»Ja, irgendwo bei Hiddelberrg …!«

»Sie meinen, wenn ich richtig vermute, Heidelberg, nicht wahr?«

»Richtig, Heidelberg. Komische Leute, diese Deutschen. Ich kann nicht verstehen, warum sie sich solche Uhren nicht in die Wohnungen hängen. Keinen Geschmack, diese Leute …«

*

Wer mag denn dieser komische Kerl nur sein, fragte sich der Mörder. Nach den beiden Schüssen auf Mrs. Snyder hatte er sich schleunigst abgesetzt. Er saß jetzt in seinem Wagen. Von dieser Seitenstraße aus konnte er das Haus recht gut beobachten.

Ein Polizist kann das nicht gewesen sein, überlegte er weiter. So wie dieser Bursche sieht kein Detektiv aus. Vielleicht ist es ein Verwandter von den Snyders? Na ja, im Grunde ist es vollkommen gleichgültig. Dieser Bursche hat auf jeden Fall verhindert, daß ich diesen Snyder traf. Dafür wird er noch zahlen müssen.

Der Mörder zuckte zusammen, als er die Sirene eines sich schnell nähernden Streifenwagens hörte. Er setzte sich vor dem Steuer zurecht und verengte die Augen, als er den schwarz gekleideten Mann entdeckte, der das Haus der Snyder gerade verließ.

Der hat’s aber auch eilig …!

Der Mörder lächelte hintergründig, ließ den Motor anspringen und steuerte den Leihwagen auf die Straße. Er wartete, bis Parker ihn überholt hatte, dann trat er auf das Gaspedal und blieb hinter dem hochbeinigen Monstrum.

Er hatte genügend Zeit, sich das Kennzeichen des Wagens einzuprägen. Er staunte nicht schlecht, als er eine Chikagoer Nummer ausmachte.

Der Mann hinter dem Steuer war übrigens nicht nur vorsichtig, er war auch sehr geschickt. Es zeigte sich, daß er die Tricks kannte, um ungesehen einen Wagen verfolgen zu können. Das ließ auf eine gewisse Erfahrung in diesem Metier schließen.

Der hochbeinige Wagen, über den der Mörder sich erstaunlicherweise nicht amüsierte, nahm Kurs auf das Spital, in dem Bart Snyder lag. Der schwarzgekleidete Mann mit der steifen Melone stieg aus, verschwand im Eingang zum Spital und besuchte wahrscheinlich den angeschossenen Taxifahrer.

Was will dieser komische Kerl? Er stammt aus Chikago, kennt Snyder und seine Frau, will mit der Polizei nichts zu tun haben und ist doch geschickt genug, sofort aus einer Schußlinie herauszuspringen. Der Bursche muß es faustdick hinter den Ohren haben.

Ob er der gesuchte Mann ist, hinter dem ich her bin? Sollte er mir die bewußten Briefe geschrieben haben? Stecken er und Snyder unter einer Decke? Dann habe ich ja die richtige Adresse erwischt. Dann brauche ich nicht mehr lange zu suchen. Dann kann ich bald einen endgültigen Schlußstrich ziehen.

Der Mörder blieb im Wagen sitzen und beobachtete die Halle des Spitals. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und beschäftigte sich mit seinem Problem. Wenn er nicht schnell handelte, war er dem Verfasser der Briefe auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Dann war es um seine gesellschaftliche Stellung geschehen, dann mußte er in Zukunft seine nicht unbeträchtlichen Einnahmen teilen.

Falls er noch heute nach Chikago zurückfährt, werde ich mich mit ihm befassen, schwor sich der Mörder. Von Joliet nach Chikago gibt es Strecken, wo ich ungestört sein werde. Dann werde ich ihm auf den Zahn fühlen. Ja, vielleicht beseitige ich ihn sogar sicherheitshalber, bevor ich ihm Fragen stelle.

Der Mörder lächelte. Es war kein bösartiges Grinsen, sondern ein amüsiertes Lächeln, das vollkommen unverfänglich wirkte …!

*

Josuah Parker befand sich in relativ gehobener Stimmung, als er zurück nach Chikago fuhr. Er hatte einige recht interessante Informationen sammeln können. Seine wenn auch knappe Unterhaltung mit Bart Snyder hatte ihm Hinweise geliefert, die unbedingt verfolgt werden mußten. Nun war sein junger Herr, der Anwalt Mike Rander, an der Reihe, um seine erstklassigen Verbindungen spielen zu lassen.

Parker hatte keine Ahnung, daß er von dem gesuchten Mörder erst vor knapp zehn Minuten überholt worden war. Auch ein Parker war schließlich kein Hellseher. Wie hätte er wissen sollen, daß der seriös gekleidete Mann am Steuer eines Buick der gesuchte »Freitag-Killer« war?

Wie gesagt, Parker durfte mit seinem Ausflug nach Joliet zufrieden sein. Der Überfall hatte einige Gegenaktionen ausgelöst. Mrs. Snyder stand unter diskreter, aber sehr scharfer Bewachung. Der Mörder hatte kaum eine Chance, an sie heranzukommen, zumal die rundliche Frau mit der Vorliebe für Schwarzwälder Kuckucksuhren schon nicht mehr in ihrem Holzhaus wohnte. Sicherheitshalber war sie mit ihrer Zustimmung umquartiert worden.

Auch Bart Snyders Krankenzimmer wurde scharf bewacht. Er sollte ebenfalls noch im Lauf des Tages in ein anderes Spital gebracht werden. Auf Parkers dringendes Ersuchen hin waren diese Maßnahmen durchgeführt worden. Parker legte es darauf an, weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Dem Mörder sollten die Hände gebunden werden.

Der breite Highway schlängelte sich in weiten und sanften Kurven durch ein fruchtbares Land, das nur von wenigen Hügeln abgelöst wurde.

Die Sonne stand hoch, der Verkehr auf der Straße war nur gering. Um diese Zeit kehrten fast alle Fahrer in Schnellimbissen ein, um sich für die weitere Fahrt zu stärken. Parker verzichtete jedoch auf jede Pause. Er brannte darauf, seinem jungen Herrn Bericht zu erstatten. Zudem war er in der Lage, sich während der Fahrt standesgemäß zu versorgen. Verschiedene Knopfdrücke zauberten Speisen und Getränke aus dem unergründlichen Reservoir des Armaturenbrettes.

Parker genoß also während der Fahrt einen heißen Mokka und einige Sandwichs. Ein eingebauter Plattenspieler brachte vertraute Volksweisen aus England. Kurz, Josuah Parker fühlte sich fast wie zu Hause. Nur der Nebel fehlte, der in England, vor allen Dingen aber in London, obligatorisch war.

Parker beförderte per Knopfdruck das Tablett zurück ins Armaturenbrett, als sein hochbeiniges Monstrum sich einer sanften Hügelkette näherte. Die Straße wurde unübersichtlich.

Josuah Parker achtete kaum darauf. Er präparierte eine seiner spezialangefertigten schwarzen Zigarren, um sie in Brand zu setzen. Er war allein auf weiter Flur und konnte sich diesen Genuß leisten. In Anwesenheit anderer Personen durfte Parker seine schwarzen Torpedos nicht rauchen. Mit mittelschweren Ohnmachtsanfällen bis hin zu Erstickungsanfällen mußte dann gerechnet werden. Nur Parker allein war dazu fähig, das seltsame Aroma dieser Zigarren zu genießen und zu verkraften.

Wie gesagt, es war ein schöner, sonniger, ja fast heißer Tag. Die Straße war leer und verschwand hinter einem Hügel. Parker erinnerte sich. Gleich mußte die Kurve kommen, die den beiden Streifenpolizisten einigen Kummer bereitet hatte.

Der Butler ließ sein Monstrum in die Kurve gleiten. Im Scheitelpunkt gab er vorschriftsmäßig Gas und beschleunigte. Der so seltsam aussehende Wagen schoß förmlich nach vorn und drückte sich geschmeidig aus der Kurve heraus.

Etwa zweihundert Meter weiter vorn gab es eine Art Hohlweg. Die Straße war durch einen Hügel geschnitten worden. Dichtes Unterholz, niedrige Bäumchen und ein Verhau undurchdringlicher Brombeersträucher überzogen die Bodenerhebung. Sie waren ein vorbildliches Versteck für einen Mörder, der seinem Opfer auflauert.

Parker schöpfte keinen Verdacht. Wie schon an anderer Stelle gesagt, war auch er kein Hellseher. Er paffte gerade die ersten Rauchwolken durch den Wagen, als er für Bruchteile von Sekunden von einem blitzartigen Lichtstrahl getroffen wurde. Seine Augen verengten sich. Noch wußte er nicht genau, was dieses Blitzen bedeutete, doch er war sehr vorsichtig. Es konnte sich um eine alte Flasche oder um eine leere Konservendose handeln, in der sich das Sonnenlicht spiegelte, die Sonne konnte sich aber auch auf dem Lauf einer Waffe spiegeln.

Parker lebte gefährlich. Er rechnete immer mit Überraschungen. Dementsprechend reagierte er.

Er blieb zwar stocksteif wie immer am Steuer sitzen, doch seine rechte Hand griff nach vorn und spielte auf den vielen undefinierbaren Schaltknöpfen des Armaturenbrettes.

Es war erstaunlich, wie schnell der seltsame Wagen sich verwandelte. Aus den Lüftungsschlitzen unterhalb der Windschutzscheibe kletterte eine Panzerplatte nach oben. Über die vier Räder fielen Hüllen aus Chromnickelstahl.

Das hochbeinige Monstrum verwandelte sich in einen veritablen Panzerwagen, der unangreifbar war. Wie richtig aber Parkers Reaktion war, sollte sich dann sehr schnell zeigen.

Der Lichtstrahl war tatsächlich von einem Lauf zurückgeworfen worden. Der Mörder, der die Maschinenpistole im Hüftanschlag hielt, feuerte während der Verwandlung des Wagens die ersten Schüsse ab.

Als der Attentäter merkte, was mit dem Wagen los war, konnte er seinen Irrtum schon nicht mehr korrigieren. Wütend schoß er auf den jetzt langsam fahrenden Wagen. Doch die Geschosse prallten wie harmlose Erbsen von der Stirnpanzerung ab. Parker ließ sich überhaupt nicht beeindrucken. Durch einen feinen Sehschlitz aus schußsicherem Panzerglas beobachtete er nun die Straße.

Der Mörder schob ein neues Magazin ein.

Wenn er Parker schon nicht treffen konnte, wollte er den Wagen wenigstens von der Straße herunterbringen. Dazu brauchte er nur die Reifen zu zerschießen.

Der Mann fluchte, seine ganze Erziehung ging zum Teufel. Es war aber auch wie verhext.

Die Reifen des hochbeinigen Monstrums ließen sich nicht treffen. Die Panzerhüllen lenkten jeden Schuß ab. Sie schleiften zwar über den Boden, aber sie verhinderten so, daß ein Abpraller die Reifen traf.

Der Mörder sprang aus der Deckung. Nach diesem mißglückten Mordanschlag blieb nur noch die Flucht. Er hatte sich diesen Überfall wesentlich leichter vorgestellt. Zurück aber blieb in ihm auch eine ziemlich große Verblüffung. Zum erstenmal ging diesem Mann auf, mit welch einem Gegner er es zu tun hatte.

Ich habe diesen komischen Vogel unterschätzt, sagte er sich. Noch mal wird mir das nicht passieren. Ob dieser Bursche auf meiner Liste steht oder nicht, ich werde ihn zur Strecke bringen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Er soll bald merken, wer ich bin!

Der Mörder zog sich vorsichtig zurück. Sein Wagen stand versteckt irgendwo im Gelände. Der Mann warf einen letzten prüfenden Blick auf den hochbeinigen Wagen des Butlers.

Was er sah, war geeignet, ihn nun doch noch sehr nervös zu machen. Josuah Parker entstieg nämlich gerade seinem Wagen, um die Verfolgung aufzunehmen. Parker wollte nämlich seinerseits die Chance nutzen, den gesuchten Mann gleich auf Anhieb zu erwischen …

*

»Zu meinem grenzenlosen Bedauern muß ich erklären, daß der Mörder mir entwischen konnte«, gestand Josuah Parker seinem jungen Herrn. »Der Täter ließ es nicht auf einen Zweikampf ankommen, sondern zog es vor, das Weite zu suchen, Sir.«

Mike Rander lächelte und machte eine abwehrende Handbewegung.

»Er wird Ihren Weg bald wieder kreuzen, Parker«, tröstete er seinen Butler. »Der Mann dürfte Blut geleckt haben, was Sie anbetrifft.«

»Darauf setze ich tatsächlich meine Hoffnungen, Sir.«

»Hat die Fahrt sich wenigstens gelohnt?«

»Ich denke doch, Sir. Ich fand eine Kuckucksuhr im Hause Snyder, die mein Interesse erregte.«

»Eine Kuckucksuhr?«

»Gewiß, Sir, solch ein Gebilde, wie man es in Deutschland herstellt und gern an die Amerikaner verkauft.«

»Ich kenne solche Uhren.« Mike Rander lächelte versonnen. »Und was hat es mit dieser Uhr auf sich?«

»Mr. Bart Snyder, der angeschossene Taxifahrer, hat in Westdeutschland seiner Dienstpflicht Genüge getan.«

»Na und …? Ich begreife immer noch nicht.«

»Mr. Snyder ist sicher, daß er die ermordete Sekretärin Liz Farlers in Frankfurt zum erstenmal gesehen hat. Er gestand mir dann unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß er mit jener Miss Farlers befreundet gewesen war.«

»In Frankfurt? …«