E-Book 31-35 - Günter Dönges - E-Book

E-Book 31-35 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 35: Parker und die »Insel-Haie« E-Book 36: Parker, Schüsse und Agenten E-Book 37: Parker und das »Mord-Phantom« E-Book 38: Parker scheucht die »Marsmenschen« E-Book 39: Parker und die »Spinne« E-Book 40: Parker und die »Bowery-Wolfe« E-Book 1: Atom Gangster  E-Book 2: Im Takt des Verbrechens  E-Book 3: Glücksspiel  E-Book 4: 4 Beine zum Ziel  E-Book 5: Insel Haie 

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Inhalt

Atom Gangster 

Im Takt des Verbrechens 

Glücksspiel 

4 Beine zum Ziel 

Insel Haie 

Butler Parker – Box 7 –

E-Book 31-35

Günter Dönges

Atom Gangster 

Roman von Dönges, Günter

Parker, Gangster und Uran

Roman von Gunter Dönges

Erster Neuschnee war gefallen. Es handelte sich nur um wenige Zentimeter, und die Einheimischen von Fairbanks nahmen ihn kaum zur Kenntnis. Hier oben in Alaska waren sie ganz andere Schneemengen gewohnt.

Josuah Parker aber nahm diesen weißen Staub sehr ernst. Nicht umsonst hatte er sich vor Antritt seiner Fahrt nach Alaska mit einschlägiger Literatur über Land und Leute versorgt und dieses Schrifttum auch genau studiert. Er wollte keine bösen Überraschungen erleben. Er liebte es nicht, von Zufällen abhängig zu sein. Entsprechend waren daher auch seine Vorbereitungen gewesen.

Anwalt Mike Rander, der in der Lounge des Hotels auf seinen Butler wartete, bekam einen respektablen Hustenanfall, als Josuah Parker aus dem Lift schritt. Ungläubig starrte er seinen Butler an. Er war genauso konsterniert wie die übrigen Hotelgäste, die unten in der Halle waren.

Josuah Parker schien sich für eine Nordpol-Expedition ausgerüstet zu haben. Auf seinem Kopf saß zwar nach wie vor die Melone, doch sie wies einen Überzug aus schwarzem Fell auf. Statt des gewohnten Covercoats trug der Butler einen Fellmantel, der selbstverständlich ebenfalls schwarz eingefärbt war. Die Hosenbeine verschwanden in hohen Pelzstiefeln. Daß sie natürlich auch schwarz waren, braucht nicht besonders betont zu werden. Nur der obligate Regenschirm schien sich nicht geändert zu haben.

Zu seiner Universal-Ausrüstung kamen noch Schneebrille, Handmuff, ein kleiner Eispickel, ein Führungsseil und Schneeschuhe. Kurz, der Butler hatte nichts übersehen. Daß es aus seinen Taschen dampfte, sei nur am Rande erwähnt.

»Mein Gott, Parker, was haben Sie vor?« fragte der junge Anwalt, nachdem sein Butler umständlich Platz genommen hatte.

»Ich erlaubte mir, mich auf die Härte der Witterung vorzubereiten, Sir. Mit dem weiteren Fallen der Temperaturen ist nach meinem ›Handbuch für Alaska‹ fest zu rechnen.«

»Sie müssen die falsche Seite aufgeschlagen haben, Parker.« Mike Rander gab sich keine Mühe, sein ironisches Lachen zu unterdrücken. »Wir werden ein Taxi benutzen und keinen Hundeschlitten.«

»Nach meinem ›Handbuch für Alaskas Sir, muß man in diesem Gebiet ständig damit rechnen, daß Schneestürme losbrechen. Die Statistik der mittleren Schneewerte weist das eindeutig aus …«

Mike Rander unterbrach seinen Butler. Er hatte die kleinen Rauchwolken beobachtet, die aus Parkers Manteltaschen hochwallten.

»Schwitzen Sie so, Parker, oder ist Feuer bei Ihnen ausgebrochen?«

»Wie meinen Sie, Sir?«

»Sie dampfen und qualmen wie ein Hochofen, Parker.«

»Oh, Sie meinen sicherlich meine chemischen Taschen- und Handwärmer, Sir.«

»Wie war das?« Mike Rander sah den Butler verständnislos an.

»Die Spezialisten in Chikago, Sir, konnten mir diesen letzten Schrei für arktische Regionen beschaffen.«

»Lassen Sie sehen.«

Parker griff in seine Manteltasche und holte die letzten Schreie auf diesem Gebiet hervor. Er legte zwei flache Päckchen auf den Rauchtisch. Sie verbreiteten eine erstaunliche Hitze, leider aber auch kleine Dampf wölken.

»Man setzt sie mit einer Art Reißzünder in Betrieb«, erklärte Josuah Parker mit gewissem Stolz. »Selbst bei fast unerträglichen Minustemperaturen bleiben die Hände warm. Sofern man sie in den Taschen läßt.«

»Packen Sie das Zeug weg«, stöhnte Mike Rander. »Der Hotelportier schielt bereits nach dem Feuerlöscher. Parker, wie konnten Sie sich diesen Unsinn aufschwatzen lassen! Muß doch alles sehr teuer gewesen sein!«

»Das möchte ich nicht unbedingt sagen, Sir. Ich bekam diese Hand- und Taschenwärmer recht billig, zumal ich einen größeren Posten davon abnahm. Ich möchte unterstellen und bin dessen auch gewiß, daß Sie sich dieser Patentwärmer ebenfalls bedienen werden.«

»Parker, packen Sie diese Dinger weg! Beeilen Sie sich! Die Leute werden schon unruhig!«

»Wie Sie es wünschen, Sir.« Josuah Parker ließ sich nicht aus seiner Ruhe bringen. Er hielt seine Vorbereitungen nach wie vor für richtig.

Mike Rander stand auf.

»Wir müssen fahren«, sagte er. »Mister Hellers erwartet uns in zehn Minuten. Sie wollen sich doch vorher noch umziehen?«

»Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich meine Ausrüstung einer ersten Probe unterziehen.«

»Schön, also dann von mir aus. Hoffentlich schwitzen Sie sich nicht zu Tode.«

»Ich werde versuchen, Sir, das zu vermeiden. Wenn Sie erlauben, kümmere ich mich inzwischen um ein Taxi.«

»Sie ahnen nicht, Parker, wie erleichtert ich bin. Mich hätte es nicht gewundert, wenn Sie einen Hundeschlitten besorgt hätten.«

»Alles zu seiner Zeit, Sir. Ich werde Sie, wenn Sie es mir gestatten, langsam und nur allmählich an die Gegebenheiten dieser Schneeregionen heranführen.«

Mike Rander schüttelte wieder einmal den Kopf, als er seinem Butler nachsah. Ein Zusammenleben mit Parker bedeutete Überraschungen am laufenden Band.

Josuah Parker schritt inzwischen gemessen und unnahbar auf die Glastür des Hotels zu. Er kümmerte sich nicht um die amüsierten Blicke der Hotelgäste, er ignorierte Spott und Ironie. Nach wie vor war er sich sicher, daß seine Vorbereitungen richtig waren …

*

Clay Hellers nannte sich schlicht und einfach Makler. Darunter konnte man sich sehr viel oder auch sehr wenig vorstellen. Tatsächlich aber hielt Mr. Clay Hellers sehr viele interessante Fäden in seiner Hand. Er kaufte Felle auf, versorgte Außenstellen mit Lebensmitteln und geistigen Getränken. Er vermietete und vermittelte Häuser und Ferienwohnungen, er kaufte Grundstücke billig auf, um sie anschließend wieder sehr teuer zu verkaufen, und er beschäftigte sich am Rande auch mit Uran. Er finanzierte Prospektoren und war niemals abgeneigt, günstige Lagerstätten aufzukaufen. Kurz, Mr. Clay Hellers arbeitete mit einer gesunden und aktiven Bilanz.

Im Falle Mike Rander und Josuah Parker wollte er nur ein gut eingerichtetes Ferienhäuschen vermieten. Er hatte den schriftlichen Wunsch seiner Kunden zur Kenntnis genommen. Sie suchten Ruhe, Stille, fischreiche Gründe und viel Natur. Hier oben in Alaska konnte er jede Menge davon anbieten.

Mike Rander und Josuah Parker mußten einen Moment warten. Sie konnten nicht sofort empfangen werden. Der Sekretär von Mr. Hellers hatte um etwas Geduld gebeten. Mr. Hellers war zur Zeit noch mit einem schwierigen Kunden beschäftigt.

Mike Rander und sein Butler hatten im Vorzimmer Platz genommen. Der Anwalt aus Chikago zündete sich eine Zigarette an. Er beobachtete seinen Butler, dessen Hand- und Taschenwärmer wohl zu große Wärmemengen lieferte, denn der Butler hatte etwas von seiner ursprünglichen Ruhe und Sicherheit verloren. Mit anderen Worten, er rutschte unruhig, wenn auch möglichst unauffällig, auf seinem Stuhl herum.

»Ich will doch nicht hoffen, daß Sie frieren, Parker«, spottete Rander.

»Nicht direkt, Sir. Doch wenn Sie gestatten, möchte ich mich für einen knappen Moment entfernen.«

»Wollen Sie draußen warten?«

»Ich möchte den Waschraum aufsuchen, Sir.«

»Wahrscheinlich dort im Flur, Parker. Lassen Sie sich nicht aufhalten!«

Parker hatte es eilig, aus dem Wartezimmer zu kommen. Im Flur angelangt, wischte er sich kleine Schweißtröpfchen von der Stirn. Dann beeilte er sich, in den Waschraum zu gelangen. Er beabsichtigte, die Hand- und Taschenwärmer verschwinden zu lassen.

Er stieß eine Pendeltür auf, gelangte in den hinteren Teil des langen Korridors und suchte nach dem Waschraum. Er kam an einer Tür vorbei und hörte plötzlich Stimmen.

Parker wäre mit Sicherheit weitergegangen, wenn er nicht einen dumpfen Fall und kurz darauf ein unterdrücktes Stöhnen gehört hätte. Er blieb sofort stehen. Seine Hilfsbereitschaft fühlte sich sofort angesprochen. Parker suchte eigentlich immer nach einer Möglichkeit, bedrängten Menschen zu Hilfe zu kommen.

»Sie verdammter Strolch«, sagte eine rauhe Stimme wenig fein. »Man sollte Ihnen den Hals umdrehen. Aber dazu sind Sie mir zu dreckig. Ich hab von Anfang an gewußt, daß Sie mich reinlegen wollten.«

»Wer … wer hat Ihnen die Suche finanziert?« keuchte eine schrille Stimme zurück. »Wer hat Ihnen denn überhaupt das ganze Geld gegeben, Raston? Wer hat das Risiko allein getragen? Doch wohl ich.«

»Reden Sie keinen Unsinn, Hellers! Sie rückten erst mit den Scheinen raus, als ich Ihnen Gesteinsproben zeigte. Sie wußten von Anfang an, daß das Geschäft gemacht war.«

»Ob gemacht oder nicht, wir haben einen Vertrag. Und daran werden Sie sich halten, Raston!«

»Oder auch nicht. So gerissen wie Sie bin ich schon lange. Und wenn Sie mir mit faulen Tricks kommen, können Sie was erleben. Ich bin nicht zimperlich.«

»Nur keine Drohungen, Raston. Sie unterschätzen mich. Gewalt gegen Gewalt! Ich warne Sie! Und fassen Sie mich lieber nicht noch einmal an, sonst knallt’s!«

»Nehmen Sie das Schießeisen weg!«

»Verschwinden Sie, Raston! Verschwinden Sie augenblicklich, oder ich drücke ab.«

»Ich gehe, aber Sie werden mich nie Wiedersehen, Hellers. Die Schürfrechte können Sie sich an den Hut stecken.«

»Die brauche ich nicht. Wenigstens nicht sofort. Ich weiß schon, was ich tun muß.«

Ein Stuhl rückte, Dielenbretter knackten. Dann fiel eine Tür so laut und krachend ins Schloß, daß man an einen Gewehrschuß glauben konnte. Josuah Parker, neugierig und stets interessiert, lief zurück zur Pendeltür und trat an die Außentür. Er sah hinaus ins Freie. Wenige Sekunden später erschien ein breitschultriger, hochgewachsener Mann, der hohe Stiefel, derbe Hosen und eine pelzgefütterte Bomberjacke trug. Das Gesicht dieses Mannes war wettergegerbt. Ein kräftiger schwarzer Schnurrbart auf der Oberlippe verlieh ihm ein düsteres, gefährliches Aussehen.

Der Mann überquerte die Straße und verschwand in einer Bierbar. Josuah Parker prägte sich das Gesicht dieses Mannes ein. Dann beeilte er sich, seine Hand- und Taschenwärmer loszuwerden …

*

»Ich bitte, die kleine Verspätung zu entschuldigen.« Clay Hellers strahlte Mike Rander und Josuah Parker freundlich an. »Ich hatte Besuch. Ein guter, alter Bekannter hielt mich etwas auf.«

»Die Geschäfte gehen vor«, meinte der junge Anwalt. »Wir werden Sie nicht lange stören, Mr. Hellers. Wir wollen uns nur sagen lassen, wo die Jagdhütte steht.«

Clay Hellers eilte um seinen Schreibtisch. Er war ein kleiner, untersetzter, sehr agiler Mann von etwa fünfzig Jahren. Ein dünner Haarkranz säumte seine gut ausgebildete Glatze ein. Die kleinen dunklen Augen waren in ununterbrochener Bewegung.

»Paul, die Schlüssel für die Jagdhütte«, rief Clay Hellers. Dann wandte er sich wieder seinen Gästen zu. »Sie werden begeistert sein. Sie finden genau, was Sie suchen, tiefe Wälder, Ruhe, Einsamkeit, reiche Fischgründe und sehr viel Wild.«

»Hoffentlich ist es nicht zu einsam«, meinte der junge Anwalt.

»Auf keinen Fall, Sir.« Clay Hellers griff nach einer Straßenkarte. »Sie fahren hier von Fairbanks aus über den Highway Nr. 2 nach Livengood. Dort verlassen Sie die Straße und benutzen eine neue Straße in nordöstlicher Richtung. Nach etwa fünfzig Meilen kommen Sie an den Forkson Creek. Dort steht die Hütte. In einem Umkreis von zehn bis fünfzehn Meilen befinden sich weitere Jagdhütten. Es gibt sogar eine Telefonleitung nach Livengood. Nur auf elektrisches Licht werden Sie verzichten müssen. Die Gegend aber ist traumhaft schön.«

»Lassen wir uns überraschen.« Mike Rander nickte einem jungen, dicklichen Mann zu, der Mr. Hellers Büro betrat. Es war der Sekretär Paul Edmonds, etwa fünfunddreißig Jahre alt und mit dem Aussehen eines riesigen rosigen Babys. Seine Bewegungen waren ungelenk und wirkten verlegen.

Er reichte seinem Chef den Schlüssel zur Jagdhütte. Hellers gab ihn zeremoniell an Mike Rander weiter.

»Wenn Sie sich irgendwelche Bedarfsartikel kaufen möchten, empfehle ich Ihnen …«

»Schon getätigt«, sagte Rander. »Mein Butler hat sich im voraus auf die Wildnis eingestellt, Mr. Hellers.«

»Bevor Sie fahren, Sir, ein Ratschlag.« Clay Hellers kam wieder auf schnellen Beinen um den Schreibtisch herum. »Meiden Sie die Waldwildnis! Sie als Stadtmenschen können sich nicht vorstellen, welch ein Urwald dort in der Yukon-Region ist. Sie würden sich mit tödlicher Sicherheit verlaufen.«

»Wir werden schon aufpassen. Vielen Dank für den Rat. Eine Frage: brauchen wir da unten Schußwaffen?«

»Aber auf keinen Fall. Dort, wo sich die Jagdhütte befindet, geht es noch gesittet zu.«

Mike Rander und sein Butler wurden von Sekretär Paul Edmonds hinausbegleitet. An der Tür blieb Josuah Parker stehen. Ihm schien ein Gedanke gekommen zu sein. Er wandte sich an Mr. Hellers.

»Erlauben Sie, Sir, daß ein Laie eine laienhafte Frage stellt. Stimmt es, daß dort unten in der Yukon-Region Uransucher am Werk sind?«

Clay Hellers’ Gesicht verlor für einen kurzen Moment das strahlende Lächeln. Dann hatte der Makler sich aber wieder in der Gewalt. Er schüttelte den Kopf.

»Wieso kommen Sie ausgerechnet auf Uran?« fragte er dann.

»Ich las darüber in meinem Handbuch für Alaska, Sir.«

»Haben Sie vor, nach Uran zu suchen?«

»Auf keinen Fall«, schaltete Mike Rander sich ein. »Sie wissen, wir wollen nur unsere Ruhe haben, Hellers. Bis dahin also …«

»Ich wünsche Ihnen angenehme Tage.« Clay Hellers wieselte um seinen Schreibtisch und widmete sich wieder seinen Papieren. An seine Kunden schien er schon gar nicht mehr zu denken.

*

»Ich möchte behaupten, Sir, dieses einprägsame Gesicht schon einmal gesehen zu haben.«

Parker saß am Steuer des gemieteten Caravans, der bis zum letzten Kubikzentimeter beladen war. Er wies auf den Fahrer des kleinen Lastwagens, der sie gerade mühsam überholte.

Mike Rander und Josuah Parker waren auf dem Weg nach Livengood. Die breite Straße war zwar nur geschottert, doch sehr gut in Ordnung. Selbst auf der dünnen Schneelage ließ sich ausgezeichnet fahren.

»Warum sollen Sie ihn nicht schon gesehen haben, Parker.« Mike Rander lehnte sich faul in seinem Sitz zurück. Er genoß die wilde, schöne Landschaft zu beiden Seiten der Straße. Unübersehbare Tannenwälder zogen sich hin über Bergkuppen und steile Felshänge. Die Gipfel und Berge waren mit Schnee bedeckt. Die Luft war würzig, kalt und rein. Hier hatte der Mensch es noch nicht geschafft, die Natur zu verändern. Sie war ursprünglich und wild, verlockend und gefährlich zugleich.

»Wenn mich nicht alles täuscht, Sir, handelt es sich bei dem Fahrer des Kleinlastwagens um den Mann, der Mr. Hellers Büro verließ.«

»Na und …?«

»Nachdem er sich mit Mr. Hellers wegen gewisser Uranfunde zerstritten hatte.«

»Davon weiß ich nichts. Was war los?«

»Nun, wenn Sie erlauben, Sir, werde ich Ihnen diese Begebenheit mit wenigen Worten schildern.«

»Halten Sie sich an Ihr Versprechen, Parker, und bleiben Sie bei den wenigen Worten!«

Parker nahm sich tatsächlich zusammen. Er brachte es um ein Haar fertig, nur in Stichworten zu reden. Als er geendet hatte, sah er seinen jungen Herrn erwartungsvoll an.

»Finger weg«, antwortete Mike Rander. »Keinen Kriminalfall, Parker, keine Gangsterjagden! Ich will endlich mal meine Ruhe haben. Versuchen Sie erst gar nicht, mein Interesse zu wecken!«

»Natürlich nicht, Sir. Ich meinte nur.«

»Finger weg«, wiederholte der junge Anwalt noch einmal. »In ein paar Stunden dürften wir die Jagdhütte erreicht haben. Dann liegen ein paar Wochen Ferien vor uns. Und es sollen auch wirklich Ferien sein.«

»Ihr Wunsch, Sir, ist mir selbstverständlich Befehl.« Parker widmete sich wieder der breiten Straße. Der Kleinlaster hatte sie inzwischen längst überholt und war hinter einer Straßenbiegung verschwunden.

Auch Parker steuerte den Caravan um diese Biegung, um dann plötzlich voll auf das Bremspedal zu steigen. Nur wenige Meter vor ihnen kreuzte ein Bär die Straße. Er nahm sich nicht einmal die Mühe, schneller zu gehen. Den Wagen beachtete er nicht.

»Ein bemerkenswertes Phlegma«, sagte Rander und grinste. »Erinnert mich an einen Menschen in meiner allernächsten Nähe.«

»Eine bemerkenswerte Frechheit …« Parker stieß diese ungewöhnlichen Worte aus und beugte sich über das Lenkrad.

»Wie …? Was haben Sie … Das war doch ein Schuß …!«

»Eben, Sir, ein Gewehrschuß. Man scheint diesen Bären zu jagen. Oder den Kleinlaster vor uns, Sir.«

Jetzt erst bemerkte auch Mike Rander den Kleinlaster, der plötzlich aus dem Kurs kam, sich kurz quer stellte und dann mit der Vorderachse in den Graben rollte. Der Laster blieb schief hängen. Er drohte jeden Moment umzustürzen.

Parker gab Gas.

Der Caravan schoß nach vorn. Der phlegmatische Bär schrak sichtlich zusammen und setzte sich ab. Grollend verschwand er im dichten Unterholz. Josuah Parker steuerte den Caravan an die Unfallstelle heran. Mike Rander und er stiegen schleunigst aus, zumal der Fahrer des Kleinlasters den Wagen noch nicht verlassen hatte.

Warum er es nicht getan hatte, sahen sie wenig später.

Die Windschutzscheibe war zertrümmert. Der Fahrer, ein bärtiger Mann mit finsterem Aussehen, lag über dem Steuerrad. Der Einschuß über dem Herzen sprach für sich. Nach Lage der Dinge war dieser Mann absichtlich beschossen und auch getötet worden.

»Das ist, wenn ich nicht sehr irre, Sir, Mr. Raston.«

»Der sich mit Hellers herumgestritten hat?«

»Richtig, Sir. Und das dort, Sir, ist auf keinen Fall ein Zufallstreffer. Wir haben es mit einem Mord zu tun, der aus dem Bilderbuch des Kriminalisten stammen könnte!«

»Auch das noch.« Mike Rander verdrehte die Augen. »In Zukunft werde ich allein in Urlaub fahren, Parker. Sie ziehen Verbrechen an wie ein Magnet Eisenfeilspäne!«

»Was ich ungemein bedaure, Sir.«

Während Parker sprach, beeilte er sich, den Mann zu untersuchen. Parker richtete sich nach wenigen Sekunden auf. Er sah seinen jungen Herrn überrascht an.

»Noch ist Leben in ihm«, flüsterte er unwillkürlich.

»Ich hole den Verbandkasten.« Mike Rander lief zurück zum Caravan. Parker beugte sich über den Sterbenden.

»Hören Sie mich?« fragte er eindringlich. »Haben Sie noch etwas zu sagen? Wer hat auf Sie geschossen?«

Er mußte seine eindringliche Frage noch einmal wiederholen. Dann aber öffnete der Mann mühsam die Augen. Forschend sahen sie Parkers Gesicht an.

»Mein Kind«, stöhnte der Sterbende. »Helfen … Pläne bringen … Millionen wert.«

»Sie können sich darauf verlassen«, sagte Parker.

»Pläne … Uran …« Der Sterbende konnte kaum noch sprechen. »In Jagdhütte, Forkson-Creek … Vorsicht … To.«

Parker wollte eine Frage stellen, doch er sah, daß der Mann bereits tot war. Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf, als Mike Rander an den Wagen trat.

»Es geht um Uranfunde, Sir«, berichtete Josuah Parker. »Mr. Raston dürfte deswegen erschossen worden sein.«

»Hat er noch viel sagen können?«

»Nicht direkt, Sir«, meinte Parker ausweichend. »Ich fürchte allerdings, daß der Mörder es nicht weiß.«

»Mit anderen Worten, er wird uns nachstellen, wie?«

»Das ist allerdings zu befürchten, Sir.«

»Es gibt zwei Möglichkeiten, Parker. Entweder setzen wir unsere Reise fort, oder wir fliegen zurück nach Chikago.«

»Wie ich Sie kenne, Sir, werden Sie sich Ihren Urlaub nicht verderben lassen.«

»Richtig, Parker, und diese Garantie haben wir in Chikago.«

»Es geht in diesem Fall um ein Kind, Sir, um ein Kind, das um sein Erbe gebracht werden soll.«

»Woher haben Sie diese Weisheit?«

»Es waren die letzten Worte des Sterbenden, Sir.«

»Ein Kind soll also betrogen werden?«

Mike Rander unterdrückte ein Lächeln. »Das ist natürlich ein Argument, Parker, dem ich nichts entgegenzusetzen habe.«

»Das heißt, Sir?«

»Forschen wir also nach dem Mörder, Parker! Für Sie ist so ein Fall ja doch die beste Erholung …!«

*

Die breite Schotterstraße führte über einen mittelhohen Paß. Der Schnee wurde tiefer. Die Zweige der Tannen bogen sich unter der Last des Schnees. Von den hohen Bergen kam ein kalter, steifer Wind. Josuah Parker steuerte den schwer beladenen Caravan geschickt und außerordentlich schnell über die Straße. Ihm machten die schwierigen Fahrverhältnisse nichts aus.

Jim Raston hatten sie im Wagen zurückgelassen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die nächsten Häuser waren meilenweit entfernt.

Mike Rander hielt Ausschau nach irgendwelchen Abzweigungen, die zu eine menschlichen Siedlung führten. Er wollte die Polizei so schnell wie möglich informieren.

»Wenn das so weitergeht, Parker, werden wir Schneeketten anlegen müssen«, sagte Mike Rander. »Was sagt Ihr ›Handbuch über Alaska‹ über den vorzeitigen Winterbeginn?«

»Wenn Sie es wünschen, Sir, werde ich sofort anhalten und nachlesen.«

»Besser nicht. Fahren Sie weiter! Ich will den Mord so schnell wie möglich anmelden.«

Parker nickte und zog den Wagen sanft in eine enge Kurve. Als er wieder hochschalten wollte, mußte er jäh bremsen. Rander stemmte sich gegen den Handschuhkasten, sonst wäre er mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe geflogen.

»Ein Hindernis, Sir«, meldete der Butler.

»Ich bin ja nicht blind«, gab Rander ärgerlich zurück. »Wer zum Teufel mag diese Steine quer über die Straße gelegt haben?«

Er hatte keineswegs übertrieben.

Ein Durchkommen war unmöglich.

Quer zur Straße lagen dicke Felsbrocken und einige schwere Baumäste. Ein improvisiertes, aber perfektes Hindernis. Um weiterzukommen, mußten Rander und Parker aussteigen.

»Darf ich Sie darauf hinweisen, Sir«, sagte Parker leise, »daß wir zumindest von einem Gewehrschützen belauert werden?«

»Habe ich mir fast gedacht«, gab Mike Rander zurück, ohne sich seinerseits aus der Ruhe bringen zu lassen. »Tun wir so, als hätten wir ein gutes Gewissen.«

Rander und Parker beschäftigten sich mit einem schweren Baumast. Sie hatten ihn kaum zur Seite gezogen, als sie unwillkürlich zusammenzuckten. Ein Schuß peitschte nämlich auf. Das Geschoß ließ den lockeren Pulverschnee dicht in ihrer Nähe hochstäuben.

»Nehmt die Hände hoch!« grölte eine rauhe Stimme. »Keine falschen Bewegungen, Leute, sonst knallt’s noch einmal!«

Rander und Parker gehorchten. Sie blieben unbeweglich stehen. Sie sahen aus wie zwei Durchschnittsbürger, die Angst hatten.

Der Schnee im dichten Unterholz knirschte.

Kurz darauf trat ein stämmiger Mann an den Straßenrand. Er hielt eine Winchester im Anschlag. Der Mann trug derbe, aber zweckmäßige Kleidung. Ein große Sonnenbrille tarnte sein Gesicht.

»Rückt schon raus, was euch der Mann unten im Wagen in die Hand gedrückt hat«, sagte der Mann.

»Sie irren sich, er hat uns nichts in die Hand gedrückt«, antwortete Mike Rander höflich.

»Er hat euch was zugesteckt. Ich hab’s doch mit eigenen Augen gesehen.«

Der Mann trat etwas näher. Er hielt das Gewehr jetzt im Hüftanschlag. Seine Bewegungen zeigten deutlich, daß er mit dieser Waffe umzugehen verstand. – Leicht zu täuschen war er gewiß nicht. Zudem war nicht sicher, ob er allein war.

»Sie haben sich wirklich getäuscht, Sir«, schaltete sich Josuah Parker ein. »Ich will allerdings einräumen, daß der betreffende Mann sich bemühte, mir noch einige Worte zu sagen. Er war nämlich noch nicht tot. Leider aber reichten seine Kräfte dazu nicht mehr aus. Das ist die Wahrheit, so wahr ich Pete Traggs heiße.«

»Gleich knallt’s!« rief der Mann scharf zurück. »Mich könnt ihr doch nicht reinlegen!«

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, feuerte der Mann ohne jede Vorwarnung einen weiteren Schuß ab. Wieder stäubte Schnee hoch. Mit einiger Verspätung stieß Josuah Parker einen gekonnten Aufschrei der Angst aus und klammerte sich an dem überraschten Mike Rander fest.

»Ein Schuß, Sir!« keuchte der Butler laut. »Ich fürchte, Sir, das war ein Schuß.«

»Und ob das ein Schuß war …!« Der Mann mit der Winchester kam noch etwas näher. Er konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. Parker sah in seiner panischen Angst aber auch zu lächerlich aus.

»Sie erschrecken meinen Butler zu Tode«, beschwerte sich Mike Rander. Er ging auf das Spiel seines Butlers sofort ein. »Sie vergeuden Ihre Munition. Der Mann hat uns nichts zugesteckt.«

»Laß sie ziehen …!« rief eine Stimme aus dem Unterholz. »Diese Witzblattfiguren wissen von nichts.«

»Los, rein in den Wagen!« kommandierte der Mann mit der Sonnenbrille. »Vergeßt, daß ihr mich gesehen habt. Dann habt ihr auch noch was vom Leben!«

»Herzlichen Dank«, sagte Josuah Parker. Dann lief er mit kleinen Trippelschritten auf den Caravan zu. Mike Rander folgte, aber doch etwas langsamer. Als auch er den Wagen erreicht hatte, war der Gewehrschütze bereits wieder im dichten Unterholz verschwunden.

»Ganz nette Abwechslung«, meinte der Anwalt. »Ihre schauspielerische Leistung, Parker, war reif für Hollywood. Ich werde Sie dort empfehlen.«

»Ich mußte die beiden Gangster ablenken, Sir«, sagte Parker. »Gern tat ich es nicht, wie ich am Rande feststellen möchte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Sir, ich hätte große Lust, mich mit diesen beiden Wegelagerern zu befassen, zumal einer von ihnen der Mörder dieses Jim Raston ist.«

»Und wie stellen Sie sich das vor?«

»Im Gepäck befinden sich Ski, Sir.«

»Können Sie denn damit umgehen?«

»Als ich seinerzeit den Vorzug und die Ehre hatte, Sir, für den Duke of Ramsy zu arbeiten, war ich häufig gezwungen, Ski zu benutzen, zumal der Duke die Schweiz als Erholungslandschaft geschätzt hat.«

»Eine verrückte Idee, die mir aber gefällt.« Rander dachte kurz nach. »Im Schnee dürften deutliche Spuren zu finden sein. Nur allein möchte ich Sie nicht gehen lassen.«

»Eine andere Möglichkeit, Sir, dürfte es aber nicht geben. Der Wagen muß auf jeden Fall weiterfahren, sonst werden die beiden Gangster gewarnt.«

»Schön, nach der nächsten Kurve können Sie aussteigen, Parker. Hoffentlich hat der Duke of Ramsy Ihnen genug beigebracht.«

»Ich werde mich seiner würdig erweisen, Sir.«

Parkers Augen hatten einen verräterischen Glanz angenommen. Er witterte wieder einmal ein Abenteuer …

*

Es war schon eine recht seltsame Gestalt, die da auf langen Schneebrettern stand und in rasanter Schußfahrt einen Berghang hinunterfuhr. Einem neugierigen Eichhörnchen fielen fast die dunklen Augen aus dem Kopf. Es verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe von einem Zweig herabgefallen.

Ein Braunbär, bereits an Erfahrung reich, ging sicherheitshalber hinter einem hohen Dornbusch in Deckung. Er traute diesem schnellen Wesen nicht, das dicht an ihm vorbeizischte.

Ein Fuchs ergriff die Flucht und hatte es derart eilig, daß er sich nicht noch einmal umsah. Er schoß wie eine Rakete in seine Röhre und dachte bis zum Einbruch der Dunkelheit darüber nach, welch seltsames schwarzes Wesen das wohl gewesen sein mochte.

Kurz, Josuah Parker auf Brettern erregte einiges Aufsehen in der Tierwelt. Er verfolgte die Spur, die die beiden Gangster hinterlassen hatten. Sie zeichnete sich im Schnee besonders deutlich ab und führte allem Anschein nach paßabwärts.

Der Butler war nicht wiederzuerkennen.

In Hocke glitt er über den steilen Hang. Er übersprang kleine Hindernisse, ohne auch nur einmal aus dem Gleichgewicht zu kommen. Er umfuhr hinderliche Bäume, die ihm im Weg standen und gab sich durchaus sportlich. Der schwarze Fellmantel störte dabei überhaupt nicht. Und die pelzbezogene schwarze Melone hätte im Falle eines Sturzes doch nur als Sturzhelm gedient, kurz, Josuah Parker war wieder einmal bestens ausgerüstet. Seine Einkäufe in Chikago bestanden die erste Feuerprobe.

Weniger Glück hatte er mit seinen Nachforschungen.

Durch das Unterholz schimmerte das weiße Band der breiten Straße. Die beiden Gangster, die übrigens Schneeschuhe benutzten, waren zur Straße zurückgekehrt, nachdem sie einen weiten Bogen geschlagen hatten. Josuah Parker konnte bereits im voraus sagen, was sie bezweckten.

Kaum gedacht, war es bereits geschehen.

Der Butler hörte das röhrende Aufheulen eines Automotors, den man auf hohe Touren gebracht hatte. Parker schob sich noch näher an die Straße heran.

Zu spät.

Er sah nur noch, daß Jim Rastons Kleinlaster sich langsam in Bewegung setzte. Der Wagen war gewendet worden und fuhr zurück in Richtung Fairbanks. Wer statt Raston nun am Steuer saß, war klar. Die beiden Gangster beseitigten alle Spuren. Einfacher konnten sie es nicht haben. Sie brauchten ja nur den Wagen samt Raston wegzuschaffen. Mehr war nicht zu tun.

Als Parker den Straßenrand erreicht hatte, bog der Kleinlaster bereits um eine Straßenbiegung und entschwand seinen Blicken. Nur einige Glassplitter im Schnee zeigten an, welch eine schreckliche Tragödie sich hier abgespielt hatte.

Parker drehte resigniert ab. Er trug es mit Fassung, daß er zu spät gekommen war. Da er nun aber schon hier war, suchte er nach dem Standort des Mörders. Er fand die Stelle nach einigem Suchen. Der Mann mit der Winchester hatte sich hinter einem Baum aufgebaut und von dort aus den Kleinlaster beschossen.

Im dünnen Schnee unterhalb der Baumkronen fand Parker sogar noch die leere Patronenhülse.

Das war allerdings ein Fund, der sich sehen lassen konnte. Mittels dieser leeren Patronenhülse ließ sich später einmal feststellen, aus welcher Winchester der tödliche Schuß abgefeuert worden war.

Josuah Parker benutzte nun die Straße, um seinen jungen Herrn einzuholen. Kraftvoll und federnd glitt er über die Straße. Sein Stil war zwar nicht gut zu erkennen, da der weite Fellmantel Einzelheiten verbarg. Doch das Tempo des Butlers konnte sich durchaus sehen lassen.

Nach zwanzig Minuten war der Anschluß wiederhergestellt. Mike Rander stand neben dem Caravan und sah seinen Butler erwartungsvoll an.

»Ich muß leider melden, Sir, daß die beiden Gangster schneller waren als ich, zumal sie Rastons Kleinlaster benutzten.«

»Sie sind mit dem Wagen abgehauen?«

»Und haben Raston nicht vergessen, Sir. Ich fürchte, die Suche nach seiner Leiche wird nicht leicht sein.«

»Wenn sie überhaupt je wieder auftaucht, Parker. Was sollen wir nun der Polizei melden?«

»Vielleicht nichts, Sir. Ich meine, nicht sofort. Man könnte sich eventuell erst einmal um die Pläne kümmern, von denen Raston sprach.«

»Rastons Angaben waren nicht gerade genau.«

»Er sprach, wenn auch nur in Stichworten, von einem Jagdhaus am Forkson Creek, Sir.«

»Genau dorthin wollen wir ja, Parker.«

»Besser könnte der Zufall es gar nicht gefügt haben, Sir. Unsere Suche nach dem bewußten Jagdhaus und nach den Uranplänen kann völlig unauffällig erfolgen.«

»Sie sind und bleiben ein sagenhafter Optimist, Parker. Auch die Gangster werden wissen, wo sie die Pläne ungefähr suchen müssen.«

»Das ist tatsächlich anzunehmen, Sir.«

»Gut, machen wir uns also auf ein paar abwechslungsreiche Tage gefaßt«, seufzte Mike Rander auf. »Sagen Sie, Parker, haben wir zufällig ein paar handliche Schußwaffen im Gepäck?«

»Nicht zufällig, Sir. Schußwaffen gehören zu unserer Standardausrüstung. Mit der Wahl der Waffen werden Sie wohl zufrieden sein. Ich habe mich bemüht, sie den hiesigen Verhältnissen anzupassen …«

*

Günstiger hätte man die Jagdhütte gar nicht aufstellen können.

Sie stand auf einem Hügel oberhalb des Forkson Creek. Dichter, hoher Tannenwald umgab sie. Etwa hundert Meter hinter der Hütte stieg das Gelände zuerst sanft, dann aber steil an. Schroffe Berge säumten den Bachlauf ein.

Unterhalb der Hütte erweiterte sich der Forkson Creek zu einem kleinen See. Biber hatten einen mächtigen Damm gebaut und das Wasser aufgestaut. Hier, zwischen den Berghängen, war es noch erstaunlich warm. Der Neuschnee tropfte von Ästen und Zweigen.

»Märchenhaft«, sagte Mike Rander, nachdem er ausgestiegen war. »Ich glaube, Parker, wir haben das richtige Fleckchen gefunden. Hier wird uns kein Mensch stören.«

»Darf ich Sie darauf hinweisen, Sir, daß wir Besuch bekommen.«

Mike Rander drehte sich ungläubig um. Parker hatte jedoch richtig gesehen. Auf dem schmalen Pfad zwischen Unterholz und Bachlauf war ein Mann zu sehen, der auf die Jagdhütte zuhielt. Er trug Stiefel, eine Pelzjacke und hatte ein Gewehr geschultert.

Während Mike Rander neben dem Caravan stehenblieb, verschwand der Butler hinter der Holzhütte. Da er noch keine Zeit gehabt hatte, die Schußwaffen auszupacken, knetete er sich schnell einige handliche Wurfgeschosse aus Schnee. Dann wartete er ab.

»Hallo«, sagte der Mann in der Pelzjacke, als er Mike Rander erreicht hatte. »Sind Sie Mike Rander?«

»Genau getroffen. Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Mr. Hellers hat mich angerufen. Ich bin so eine Art Mädchen für alles für ihn. Ich beaufsichtige die Jagdhütten. Ich soll Ihnen beim Einrichten helfen.«

»Das nenne ich Kundendienst.« Mike Rander lächelte. »Mich interessiert zuerst ein anständiges Feuer. Ist kalt geworden.«

»Der Winter scheint dieses Jahr zu früh zu kommen. Ich heiße übrigens Randy Harding.«

»Wohnen Sie hier in der Nähe?«

»Etwa zehn Meilen bachabwärts, Sir. Dort sind auch noch einige Hütten, die Mr. Hellers vermietet.«

»Sind sie besetzt?«

»Zum Teil, Sir. Wenn Sie wollen, schlage ich Ihnen Holz.«

»Gute Idee, Harding. Wie sieht es denn hier mit Fischen aus?«

»Jede Menge, Sir. Sie kommen bestimmt auf Ihre Kosten. Wie lange werden Sie bleiben?«

»Zwei oder drei Wochen. Man muß sehen, wie das Wetter wird.«

»Wenn’s plötzlich richtig schneit, kommen Sie hier aus dem Tal nicht mehr raus. Ich meine, mit dem Wagen.«

»Lassen wir uns überraschen, Harding. Sind unsere Nachbarn auch nur Feriengäste?«

Randy Harding nickte. Er ging auf Mike Randers Frage nicht weiter ein. Er holte sich ein Beil aus dem Rucksack und verschwand im Wald. Kurz darauf war das Schlagen seiner Axt zu hören.

»Ob das Telefon zu Mr. Hellers wohl intakt ist, Sir?« erkundigte sich Josuah Parker, der hinter der Hütte hervorgekommen war.

»Probieren wir’s, Parker. Ich möchte von Hellers selbst wissen, ob er Harding geschickt hat.«

Josuah Parker sperrte das Schloß der Hüttentür auf. Er wie auch Mike Rander waren überrascht, wie gemütlich und zweckmäßig die kleine Jagdhütte eingerichtet war. Es gab einen riesigen Kamin aus gemauerten Bruchsteinen, Sitzbänke mit dicken Lederpolstern, Fellteppiche auf dem Boden und verglaste Wandschränke. Neben dem Kamin führten zwei kleine Schiebetüren in den Schlafraum und in die kleine Küche. Auch hier war alles einfach, aber einladend ausgestattet.

»Zufrieden?« Rander wandte sich an seinen Butler.

»Wenn das Telefon funktioniert, Sir, darf die Hütte meines Beifalls gewiß sein.«

Der Butler hatte bereits den Telefonapparat entdeckt. Es handelte sich um ein modernes Gerät, das an der Wand befestigt war. Er hob den Hörer aus dem Haken und lauschte einen Moment. Dann drehte er sich zu Mike um und schüttelte den Kopf.

»Die Leitung ist tot, Sir«, meldete er. »Eine Tatsache übrigens, die mich nicht sonderlich überrascht. Fast hatte ich damit gerechnet.«

*

»Ob ich Jimmy Raston kenne?« Der Hüttenwart sah Josuah Parker erstaunt an. »Klar, wer kennt ihn nicht? Jimmy ist ein feiner Bursche, aber etwas verrückt, verstehen Sie?«

»Verrückt?« Josuah Parker sah sein Gegenüber verständnislos an. »Wie darf ich Ihre Bemerkung auffassen?«

»Raston ist Prospektor«, erzählte Randy Harding. Er kniete vor dem Kamin und fütterte das gerade angemachte Feuer mit kleinen Holzspänen. »Früher hat er hier oben am Klondike Gold geschürft und tatsächlich auch ein paar erstklassige Funde gemacht. Dann wurde er übers Ohr gehauen und verlor jeden Cent. Und jetzt bildet er sich ein, er könnte das alles wieder wettmachen. Er will Uran gefunden haben.«

»Gibt es in diesen Regionen wirklich Uran?«

»Keine Ahnung.« Randy Harding zuckte die Achseln. »Wer kennt sich in dieser Wildnis schon richtig aus. Ist Jimmy Ihnen auch über den Weg gelaufen?«

»Nur indirekt«, wich Parker aus. »Mr. Raston soll hier am Forkson Creek eine Hütte besitzen?«

»Stimmt genau. Nicht weit von hier, bachabwärts. Das Ding sieht scheußlich aus. Jimmy hat jahrelang nichts daran getan. Eines Tages wird sie in sich zusammenbrechen.«

»Was sagt denn sein Kind dazu? Lebt es allein mit seinem Vater?«

»Rastons Kind? Mann, seine Tochter ist gut und gern fünfundzwanzig Jahre alt! Judy lebt in Anchorage. Ich glaube, sie ist Verkäuferin. Rastons Frau ist schon seit vielen Jahren tot.«

Randy Harding richtete sich auf. Er schob jetzt dicke Holzscheite in den Kamin.

»So, das brennt. Ich glaube, jetzt kommen Sie klar, oder?«

»Ausgezeichnet, vielen Dank. Haben Sie Telefon in Ihrer Hütte, Mr. Harding?«

»Ich werde sofort anrufen und dafür sorgen, daß die Leitung hier in Ordnung gebracht wird. Sie können sich darauf verlassen. Soll ich noch beim Auspacken helfen?«

»Das schaffen wir allein.« Der Hüttenwart nahm Randers Trinkgeld in Empfang. Er blieb vor dem Weggehen vor Josuah Parker stehen.

»Kann ich etwas für Sie tun?« erkundigte sich der Butler.

»Woher kennen Sie Jimmy Raston?« fragte Randy Harding. »An sich ist er ziemlich menschenscheu.«

»Wir trafen ihn unterwegs. Das heißt, eigentlich trafen wir ihn vor Mr. Hellers’ Büro.«

Ohne sich dazu zu äußern, stampfte Randy Harding aus der Hütte. Parker sah dem Hüttenwart nach, der bald darauf hinter dem dichten Unterholz am Bachlauf verschwunden war.

»Sofern Sie nicht dagegen sind, Sir, würde ich mich nach dem Entladen des Caravans gern einmal in der näheren Umgebung der Hütte Umsehen.«

»Wollen Sie noch Spuren suchen?«

»Ich möchte feststellen, wo sich Mr. Rastons Hütte befindet. Wenn ich die Worte des Sterbenden richtig gedeutet habe, müssen sich darin die Pläne über Uranfunde befinden.«

»Wenn Sie ebenfalls nichts dagegen haben, Parker, werde ich Sie auf diesem Ausflug begleiten. Ich bleibe nicht hier und drehe Däumchen.«

Mike Rander und sein Butler brauchten nur eine knappe halbe Stunde, um das Gepäck zu verstauen. Anschließend widmete sich der Butler den diversen Schußwaffen, die er vorsorglich miteingepackt hatte.

Er schien sein »Handbuch für Alaska« richtig gelesen zu haben. Mike Rander war erstaunt. Parker hatte sich wieder einmal sehr viel einfallen lassen. Eine Jagdexpedition im Polargebiet hätte man nicht besser ausrüsten können.

»Hoffentlich sind Sie mit mir zufrieden, Sir«, sagte er bescheiden, nachdem er seine Schätze vor dem Kamin ausgebreitet hatte.

»Eines vermisse ich, Parker.«

»Sir, Sie überraschen mich!« Parker sah seinen jungen Herrn forschend an.

»Sie haben einen Minenwerfer vergessen«, gab Rander trocken zurück. »Hoffentlich werden wir ihn eines Tages nicht allzusehr vermissen …!«

*

Die Hütte des ermordeten Jim Raston befand sich in einem erbarmungswürdigen Zustand. Sie sah windschief und verkommen aus. Die Blendläden schlossen nicht mehr, ein paar kleine Fensterscheiben waren zerbrochen. Das Schindeldach wies einige respektable Löcher auf. Die Tür war aufgebrochen worden. Sie stand weit auf.

»Hier waren einige Leutchen schneller als wir, Parker.« Mike Rander trat vorsichtig in den niedrigen Raum und sah sich forschend um. Sein erster Eindruck bestätigte sich. Man hatte, wie es so treffend heißt, das Innere der Hütte auf den Kopf gestellt.

»Es dürfte um die bewußten Uranpläne gehen, Sir?« bemerkte Parker treffend wie immer. »Es fragt sich allerdings, ob sie auch wirklich gefunden wurden.«

»Das werden wir bald sehr genau wissen, Parker.«

»Sie meinen, es hängt davon ab, ob Sie ungestört fischen können, Sir?«

»Natürlich. Falls Rastons Mörder die Unterlagen gefunden haben, werden wir ungestörte Ferientage verbringen können. Falls nicht …« Mike Rander verzichtete darauf, diesen Satz zu beenden. Er wurde von seinem Butler ohnehin verstanden.

Josuah Parker befaßte sich sofort mit der Arbeit seiner Vorgänger. Er fand schnell heraus, daß diese Leute nur oberflächlich und wahrscheinlich auch unter Zeitdruck gesucht hatten. Nach wenigen Minuten blieb der Butler nachdenklich an einem der kleinen, viereckigen Fenster stehen und schloß die Augen.

Mike Rander kannte das nur zu gut. Parker schaltete nach außen hin ab. Er grübelte über ein bestimmtes Problem nach. Er störte seinen Butler nicht. Mike Rander befaßte sich mit den wenigen Habseligkeiten, die auf dem schmutzigen Bretterboden lagen.

Er sah nur kurz hoch, als Josuah Parker plötzlich zu dem großen gemauerten Kamin ging und ihn mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Regenschirms abklopfte.

»Suchen Sie was Bestimmtes?« fragte Rander lächelnd.

»Nach gründlichem Nachdenken, Sir, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß die bewußten Pläne sich nur im, am oder unter dem Kamin befinden können.«

»Sind Sie sicher, daß Sie sich nicht täuschen?«

»Vollkommen, Sir. Wenn Sie erlauben, werde ich bei Gelegenheit diesen Kamin demontieren.«

»Ich habe Sie noch niemals an irgendeinem Spaß gehindert«, erwiderte der junge Anwalt. »Hauptsache, Sie machen sich nicht sofort an die Arbeit. In einer halben Stunde wird es dunkel.«

»Dann sollte man sich beeilen, Sir.«

»Womit?«

»Die Hütte zu verlassen. Und zwar so, wenn ich mir diesen Vorschlag erlauben darf, daß etwaige Beobachter den unbedingten Eindruck gewinnen müssen, daß Sie und meine Wenigkeit wichtige Unterlagen gefunden haben.«

»Sie legen keinen Wert auf eine ungestörte und ruhige Nacht, wie?«

»Keineswegs, Sir. Ich möchte die Dinge etwas beschleunigen, immer vorausgesetzt, daß Sie damit einverstanden sind.«

Mike Rander seufzte.

»Je schneller, Parker, desto besser. Wenn es geht, möchte ich nämlich wirklich noch ein paar Tage fischen.«

Josuah Parker war bereits bei der Arbeit.

Aus den gefundenen Dingen, die auf dem Boden herumlagen, formte er schnell und geschickt ein kleines Päckchen. Damit trat er dann vor die Hütte und verstaute das Päckchen in einer der inneren Manteltaschen. Nachdem auch Mike Rander ins Freie gekommen war, machten sie sich auf den Heimweg. Sie benutzten den schmalen Pfad zwischen Wald und Bachlauf.

Nach einer halben Stunde fiel wieder Schnee. Die Flocken waren groß und schwer. Der dunkel werdende Himmel war bleigrau, er sah nach sehr viel Schnee aus.

Ganz in der Nähe heulte plötzlich ein Wolf. Dann schrie irgendein anderes Tier. Zweige knackten.

»Eine außerordentlich gute Schulung für die Nerven, Sir«, bemerkte Josuah Parker. »Ich bin nicht sicher, ob diese Geräusche tatsächlich echt sind oder nur nachgeahmt werden.«

»Sie glauben, daß wir die ganze Zeit über beobachtet werden?«

»Ganz sicher, Sir.« Parker nickte nachdrücklich. »Die Mörder sind uns auf den Fersen.«

»Herrliche Aussichten«, murmelte der junge Anwalt …

*

Der Schnee wurde von Minute zu Minute immer dichter. Die Sicht betrug nur noch wenige Meter. Ein schneidend kalter Wind kam von den Bergen herunter. Wütend fiel er die beiden Männer an, die ihrer Jagdhütte zustrebten. Parker wunderte sich nicht mehr, warum Mike Rander und er von den Mördern Rastons nicht angehalten wurden. Bei diesem Wetter hatten selbst die Mörder keine Chance, sich wirkungsvoll in Szene zu setzen.

Rander und sein Butler waren froh, als die Holzhütte endlich in Umrissen zu erkennen war. Es war fast dunkel geworden. Mike Rander hatte es sehr eilig, in die Hütte zu gelangen. Er trug nicht wie sein Butler einen Fellmantel, der den Frost fernhielt.

»Darf ich dringend um einige Minuten Geduld bitten, Sir?« sagte Parker und stoppte seinen jungen Herrn.

»Sie haben Nerven, Parker, ich kann nicht so schnell zittern, wie ich friere.«

»Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, möchte ich erst mal feststellen, ob die Hütte nicht ungebetene Gäste aufweist.«

»Beeilen Sie sich«, knurrte Mike Rander mißgelaunt. Er nahm hinter einem Fichtenstamm Deckung und sah seinem Butler nach, der hinter einem Vorhang aus Schnee verschwand.

Josuah Parker pirschte sich vorsichtig an das kleine Küchenfenster heran und warf einen Blick in die Hütte. Auf dem Fellteppich vor dem Kamin, aus seinem Blickwinkel heraus gerade noch zu erkennen, entdeckte er einige nasse Fußabdrücke. Sie wurden vom flackernden Feuer im Kamin deutlich angestrahlt.

Mehr wollte der Butler nicht sehen.

Er beeilte sich, zurück zu seinem jungen Herrn zu kommen. Mike Rander trat hinter dem Fichtenstamm hervor. Fragend sah er seinen Butler an.

»Wie ich mir zu vermuten erlaubte, Sir, Besuch in der Hütte!«

»Wie viele Personen?«

»Das konnte ich mit Sicherheit nicht feststellen, Sir. Ich möchte allerdings vermuten, daß es sich wenigstens um zwei Personen handelt.«

»Wollen die uns aussperren?«

»Kaum, Sir. Ich glaube, sie warten auf Sie und meine Wenigkeit voller Ungeduld.«

»Lassen wir sie nicht zu lange warten, Parker!«

»Es kann unter Umständen zu einer mehr als unerquicklichen Auseinandersetzung kommen, Sir.«

»Wenn schon, dann wird mir wenigstens warm, Parker.«

Parker folgte seinem jungen Herrn. Beide taten so, als wüßten sie nichts von ihrem Besuch in der Hütte. Scheinbar arglos sperrten sie die Tür auf. Dann betraten sie die Hütte. Mike Rander ging voraus … Josuah Parker folgte.

»Na endlich …!«

Eine rauhe Stimme sprach sie aus der Dunkelheit neben dem Kamin an. Wenig später erschien eine bekannte Gestalt. Sie war identisch mit der, die Parker und Rander erst vor einigen Stunden vor dem Straßenhindernis gesehen hatten.

Diesmal trug der untersetzte, stämmige Mann keine Sonnenbrille. Dafür aber einen soliden 45er, dessen Mündung auf Mike Rander gerichtet war. Der Gangster baute sich neben dem Kamin auf.

»Sie sind verdammt hartnäckig«, meinte Anwalt Rander, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Was wollen Sie denn diesmal von uns?«

»Das, was Sie in Rastons Hütte gefunden haben.«

»Sie wissen mehr als wir.«

»Wir haben doch schließlich Augen im Kopf«, gab der Gangster zurück. »Ihr komischer Diener da hat doch ein kleines Päckchen eingesteckt, oder? Schön, das wollen wir haben. Nicht mehr und nicht weniger. Sobald wir das Ding haben, verschwinden wir. Dann haben Sie endlich Ruhe.«

»Parker, haben Sie ein Päckchen eingesteckt?« fragte Rander, sich an seinen Butler wendend.

»Gewiß, Sir …!« Parkers Stimme klang etwas verlegen.

»Ohne mich zu fragen, Parker?« Mike Rander drehte sich halb zu Josuah Parker um.

»Raus mit dem Päckchen«, schnarrte der Gangster. Er tat einen Schritt vor und baute sich vor dem Butler auf. In diesem Augenblick erschien ein zweiter Mann. Er kam aus der Schlafkammer und gab seinem Partner die notwendige Rückendeckung. Auch er hatte einen Revolver in der Hand.

»Wenn Sie gestatten, greife ich in meine Manteltasche«, sagte der Butler und wandte sich an den Gangster.

»Mach’ schon, komischer Bursche.« Der Gangster grinste amüsiert. Er ließ die Hand mit dem 45er sinken, zumal sein Partner Mike Rander unter Kontrolle hielt.

Parker zierte sich noch ein wenig, dann griff er in die Manteltasche und holte ungeniert einen 38er hervor, dessen Mündung er auf den Gangster richtete.

»Was … was soll das?« fragte der Mann überrascht und wütend.

»Sie sehen hier eine Schußwaffe, Kaliber 38, System Colt«, erwiderte der Butler höflich. »Wenn ich den Stecher durchziehe, wird sich nach Lage der Dinge unbedingt ein Schuß lösen, eine Tatsache, die Ihnen wahrscheinlich nicht sonderlich fremd ist.«

»Sind … sind Sie verrückt?« brauste der Gangster auf. Er wollte vorsichtig die Hand heben.

»Ich rate dringend davon ab, den 45er zu heben«, redete Parker höflich und überzeugend weiter. »Zwingen Sie mich nicht, auf Sie zu schießen. Aus dieser Nähe wäre ein Treffer mehr als nur ein Treffer.«

»Was ist denn los?« fragte der zweite Gangster vom Kamin her.

»Dieser … dieser komische Bursche hat ’ne Kanone in der Hand«, keuchte der erste Gangster.

»Werf’ das Ding weg, sonst knalle ich deinen Chef nieder«, rief der Gangster vom Kamin her. »Los, schnell, ich mache keine dummen Sprüche …!«

»Falls Sie Ihre Worte wahrmachen wollen, muß ich leider Ihren Partner ebenfalls niederschießen«, erklärte Parker. »Weder Sie noch ich würden also einen echten Vorteil aushandeln können.«

»Mann, nehmen Sie das Ding runter«, schrie der Gangster vom Kamin her.

»Ich schlage vor, Sie gehen und verlassen die Hütte«, erwiderte der Butler. »Wie ich meinen Herrn kenne, möchte er seine Ruhe haben. Zudem muß ich das Abendbrot richten.«

»Ich kann los …!« Der Gangster am Kamin visierte Mike Rander an, der unbeweglich neben dem Tisch stand.

»Sie wissen, wie ich dann handeln werde«, entgegnete der Butler. »Für Ihren Partner hier vor mir wäre das dann äußerst peinlich.«

Es wurde still in der Hütte. Nur das Knistern der Holzscheite war hin und wieder zu hören. Die Sekunden schlichen wie träge Schildkröten dahin.

»Auf diese Art und Weise bringen wir zwar die Zeit hinter uns«, sagte Parker endlich, »doch möchte ich sehr bezweifeln, ob wir auch zu einem Resultat kommen werden.«

»Steck’ auf!« kommandierte der Gangster, der vor Parker stand. Er meinte damit seinen Partner. »Wir verschwinden. Aber wir kommen wieder. Darauf könnt ihr euch verlassen.«

»Würden Sie uns nicht sagen, wonach Sie eigentlich suchen?« Mike Rander tat so, als würde er überhaupt nicht bedroht.

»Das wißt ihr ganz genau …!« Der Gangster vor Parker ließ den jungen Anwalt nicht aus den Augen. »Sie kommen aus diesem Tal erst wieder raus, wenn wir die Pläne haben.«

»Die Mr. Raston gehörten, nicht wahr?«

»Wir bekommen sie …!«

»Schön, aber nicht jetzt und hier.« Mike Rander verließ seinen Platz am Tisch. Er schien die Waffe in der Hand des anderen Gangsters nicht zu sehen. »Trennen wir uns. Ich möchte wirklich einen Happen essen.«

»Darf ich Sie hinausbegleiten?« Parker öffnete mit der freien linken Hand die Tür hinter sich und trat ins Freie. Er hoffte in diesem Moment nur, daß er es nicht noch mit einem dritten Gangster zu tun hatte, der draußen wartete. Mit seinem 38er dirigierte er den Gangster unter das Vordach. Er paßte scharf auf, daß er vom Körper des Gangsters immer gedeckt wurde.

Nach knapp einer Minute erschien der zweite Gangster.

Er drückte sich an seinem Partner vorbei. Beide Gangster hofften noch immer auf eine Chance. Sie wollten das Spiel nicht so schnell aufgeben. Aber Parker gab sich keine Blöße.

Sein 38er beherrschte die Szene. Die beiden Gangster wußten genau, daß wenigstens einer von ihnen getroffen würde, falls es auch jetzt noch zu einer Schießerei kam.

Rückwärts schob Parker sich wieder zurück in die Hütte. Mike Rander schmetterte blitzschnell die Tür ins Schloß. Er und auch Parker rechneten damit, daß die beiden Gangster nun das Feuergefecht eröffneten. Doch es blieb zu ihrer Überraschung aus. Das Schneetreiben war zu ungemütlich, als daß sie noch irgendwelchen Ärger gemacht hätten.

»Warten wir noch etwas mit dem Licht«, warnte Mike Rander. »Bleiben Sie vom Kamin weg, Parker.«

»Ich hoffe, Sir, Sie waren mit meinen Maßnahmen einverstanden.«

»Prächtig gemacht, Parker.« Mike Rander lachte auf. »Ein zweites Mal werden Sie damit aber keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken können. Die sind jetzt gewarnt.«

»Ich fürchte auch, Sir. Ich werde mir einige andere Überraschungen einfallen lassen …!«

*

»Wollen Sie gleich mit einer dieser Überraschungen beginnen?« erkundigte sich der junge Anwalt, denn sein Butler traf keinerlei Anstalten, sich mit der Zubereitung des Abendessens zu befassen.

»Sir, ich bitte meine Neugierde zu verzeihen, aber ich möchte den beiden Gangstern nur zu gern folgen. Im dichten Schneetreiben dürfte das kaum Schwierigkeiten bereiten.«

»Diese Verfolgung kann sich über viele Meilen hinziehen, Parker.«

»Nicht in diesem Fall, Sir, denn die Ausrüstung der beiden Männer war nicht besonders gut. Es fehlte sogar an Schneeschuhen. Meiner bescheidenen Schätzung nach müssen sie nicht weit von hier kampieren.«

»Na schön, aber mich bekommen Sie nicht vor die Tür, Parker. Ich werde den Innendienst übernehmen.«

Josuah Parker brauchte keine umfangreichen Vorbereitungen zu treffen, denn noch trug er seinen Spezialfellmantel. Er setzte sich die pelzbezogene schwarze Melone zurecht und schnallte sich kanadische Schneeschuhe unter. Bevor er seinen jungen Herrn verließ, bat er Mike Rander um eine Feldflasche voll Wasser.

»Aus Ihnen soll ein Mensch klug werden«, meinte Rander und schüttelte lächelnd den Kopf, »nun sagen Sie nur, was Sie mit diesem Wasser wollen. In dieser Kälte können Sie doch nichts damit anfangen.«

»Man wird sehen, Sir.« Parker schnallte die gefüllte Feldflasche unter den wärmenden Fellmantel und verschwand kurz darauf in der Dunkelheit. Die breiten, tief eingedrückten Trittsiegel der beiden Gangster waren noch gut zu sehen. Parker schritt gleichmäßig und kraftvoll aus. Es ging ihm darum, den Vorsprung der beiden Männer etwas zu verkleinern. Er wollte die Spur auf keinen Fall verlieren.

Die beiden Gangster benutzten den schmalen Pfad zwischen Wald und Bachlauf. Parker hatte das Gefühl, daß die Temperatur noch weiter gefallen war.

Noch weit vor Jim Rastons Hütte bogen die Spuren plötzlich scharf nach rechts ab und stiegen hangaufwärts. Parker folgte ihnen. Sie endeten auf einer Straße, die in den Hang eingeschnitten war. Hier ließ sich schneller ausschreiten. Die Trittsiegel im bereits wadenhohen Schnee wurden immer deutlicher, ein sicheres Zeichen dafür, daß der Vorsprung der beiden Gangster zusammenschmolz.

Nach weiteren fünfzehn Minuten verließen die Spuren die Straße und bogen erneut nach rechts ab. Parker wunderte sich keineswegs darüber. Geduldig blieb er auf der Fährte. Er hatte keine Sorge, daß man ihn beobachtete. Im immer noch herrschenden Schneefall war das so gut wie ausgeschlossen.

Dann endlich sah er die Holzhütte. Sie stand in einem kleinen Kessel, der steinbruchartig in den Hang eingeschnitten war. Licht schimmerte durch Nacht und Schneetreiben. Es roch nach Feuer.

Die beiden Gangster waren dabei, sich zu wärmen. Parker beobachtete sie durch das kleine Fenster neben der Tür. Er nickte anerkennend, als der größere der beiden Männer ein Funkgerät aus einem Wandschrank zog und es vor sich auf den Tisch stellte. Er stöpselte die Antenne eines Radiogeräts in das Funkgerät ein und schloß eine Morsetaste an. Rhythmisch arbeitete die Hand des Mannes. Er setzte einen Funkspruch ab.

Parker durfte wieder einmal froh sein, daß er in seiner buntbewegten Vergangenheit auch die Möglichkeit gehabt hatte, sich mit Funkgeräten aller Art zu beschäftigen. Vom Fenster aus war er in der Lage, den Spruch mitzubuchstabieren.

Er war interessant genug.

Der Gangster meldete der Gegenstelle, er sei den Plänen auf der Spur und könne sie am kommenden Tag beschaffen. Er bat um einen Wagen, der die Unterlagen in Creek-Village abholen sollte.

Diesen Spruch gab der Mann an der Taste noch einmal durch. Er bestätigte den Empfang, schaltete ab und verstaute das Gerät wieder im Wandschrank. Er drehte sich lachend zu seinem kleineren und auch schmächtigeren Partner um, der eine Winchester putzte.

Die beiden Gangster waren sich ihrer Sache also vollkommen sicher. Zu sicher, wie Josuah Parker richtig empfand. Es wurde seiner Ansicht nach höchste Zeit, diesen Mördern einen Dämpfer aufzusetzen. Daß sie den Prospektor Jim Raston erschossen hatten, war für den Butler eine ausgemachte Sache.

Er griff unter seinen schwarzen Fellmantel und holte aus der Jackentasche einen seiner vielen Spezialschlüssel. Unmerklich sperrte er damit von außen die Tür ab. Die beiden Gangster merkten davon nichts. Wie hätten sie auch auf den Gedanken kommen sollen, daß man ihnen die Tür zusperrte …!

Nach dieser kleinen Arbeit, die innerhalb weniger Sekunden getan war, trat Parkers Feldflasche in Aktion. Er goß einen dünnen Wasserstrahl in das große Schlüsselloch, ohne vorher aber den Spezialschlüssel herauszuziehen. Parker konnte durchaus Opfer bringen, wenn es die allgemeine Lage erforderte.

Seine Rechnung ging innerhalb weniger Sekunden auf.

Das Wasser gefror augenblicklich im stark unterkühlten Schlüsselloch. Durch vorsichtiges Nachgießen schaffte der Butler es, das gesamte Schloß zu vereisen. Es wurde vollkommen unbrauchbar. Um den eingefrorenen Nachschlüssel herauszubekommen, mußte man die Tür entweder ausbauen und neben das Kaminfeuer stellen, oder aber die ganze Tür verbrennen.

Damit aber nicht genug.

Parkers Interesse wurde von dem stark rauchenden Kamin angezogen. Er fand, daß es eine gute Sache sei, diesen Kamin zu verstopfen. Den beiden Gangstern konnte es gar nicht schaden, wenn sie einmal in – vergleichsweise – harmlose Schwierigkeiten gerieten.

Parker ging wie immer sehr methodisch vor.

Zuerst goß er die Fenster samt Rahmen aus. Das Wasser gefror auch hier augenblicklich und machte es unmöglich, daß man die kleinen Fenster von innen öffnen konnte. Es sei denn, man zerschlug die Fensterscheiben, was aber in Anbetracht der Kälte nicht gerade zu empfehlen war.

Nach dieser Einlage beschaffte sich Parker unweit von der Hütte einen buschigen Strauch. Den schleppte er an den Außenkamin heran. Er borgte sich die roh zusammengeschlagene Leiter zum Heuboden und kletterte am Kamin hoch. Trotz der Eiseskälte schien Parker kaum Schwierigkeiten zu haben.

Vom Schnee, der auf dem flachen Dach lag, knetete er sich einige dicke Schneebälle. Dann konnte es losgehen.

Er rammte den Strauch in den Kamin. Er blieb prompt stecken und rutschte nicht nach unten durch. Anschließend folgten die dicken Schneebälle und zusätzlich noch loser Schnee. Damit schuf er einen Pfropfen, wie er ihn nicht besser hätte herstellen können. Der Rauch drang nicht mehr durch …

Selbst durch die dicken Bohlen der Außenwände drang das verzweifelte Husten und Spucken der rauchgeplagten Gangster. Parker baute sich neben dem kleinen Fenster an der Tür auf und versuchte, durch die bereits dichten Rauchschwaden zu sehen.

Die beiden Männer wedelten mit den Armen durch die Luft und wischten sich zwischendurch immer die Tränen aus den rauchgepeinigten Augenwinkeln.

Bis einer von ihnen auf den Gedanken kam, die Tür zu öffnen.

Er arbeitete sich bis an die Tür heran und wollte sie schwungvoll aufstoßen.

Sie rührte und bewegte sich nicht.

Der Gangster holte den Schlüssel vom Tisch und wollte ihn ins Schlüsselloch stecken. Das dicke Eis war dagegen. Der eingefrorene Spezialschlüssel ebenfalls. Der Gangster rüttelte an der Türklinke, doch auch sie bewegte sich nicht. Ihr Mechanismus war ebenfalls tiefgefroren.

Der Gangster rannte an das nächste Fenster.

Er wollte es aufstoßen.

Pech auf der ganzen Linie. Rahmen und Fenster wurden von einer dicken Eisschicht zusammengehalten. Sie waren wie festgeschweißt. Währenddessen wallte der dunkle Rauch durch die kleine Hütte. Er suchte verzweifelt nach einem brauchbaren Ausweg. Wie die beiden Gangster.

Sie wußten sich in ihrer Not nicht anders zu helfen, als die Scheiben von erst einmal zwei Fenstern einzuschlagen. Im Moment war das eine fühlbare Erleichterung. Später aber, wenn die Kälte einfiel, dachten die beiden Männer sicher anders über diesen Akt der Verzweiflung.

Parker zog sich zurück. Er hörte bereits die Axthiebe, die der eingefrorenen Tür galten. Er tat nichts, um seine Trittspuren zu verwischen. Die Gangster sollten ja wissen und herausbekommen, daß man sie belauscht hatte.

Sie brauchten hingegen nicht zu erfahren, von wem das geschehen war. Als Parker später von der tiefverschneiten Straße abbog, beseitigte er geschickt die tiefen Trittspuren, die er trotz der Schneeschuhe hinterlassen hatte. Der immer noch fallende Schnee besorgte sicherlich den Rest.

Zufrieden mit sich und der Welt, strebte Parker dann seinem augenblicklichen Heim zu. Er durfte sicher sein, daß er die Mörder um ihre Bequemlichkeit und um den Schlaf gebracht hatte. Doch das alles war nur der Anfang dessen, was er ihnen noch zugedacht hatte. Parker behielt sich wie immer die Möglichkeit einer Steigerung seiner Mittel und Methoden vor.

Zu diesem Zeitpunkt wußte er noch nichts von den Überraschungen, die ihn bereits erwarteten …!

*

Parker ahnte schon im voraus, was passiert war.

Er sah die geöffnete Hüttentür und den Schnee, den der scharfe Wind bereits in das erste Drittel der Hütte hineingeweht hatte. Auf dem Boden lag die gesamte Ausrüstung herum. Die Hütte war durchsucht worden. Sehr gründlich sogar. Man hatte nicht ein einziges Fleckchen übersehen.

Parkers Gesicht verzog sich nicht, als er nach seinem jungen Herrn suchte. Er begnügte sich damit, nur wenige Male nach Mike Rander zu rufen. Nach einem kurzen Blick in den Schlafraum und in die kleine Küche wußte er, daß Mike Rander aller Wahrscheinlichkeit nach entführt worden war.

Das war in der Tat eine sehr böse Überraschung.

Parker schloß die Tür und fachte das niedergebrannte Feuer im Kamin neu an. Nachdem er den schwarzen Fellmantel ausgezogen hatte, suchte er nach Spuren. Sein Blick wurde fast magnetisch von dem großen Aschenbecher angezogen, den man achtlos auf die Eckbank gestellt hatte. Seinen scharfen Augen entging nicht, daß es darin einige Zigarettenenden gab, die mit Lippenstift verschmiert waren.

Eine Frau mußte also auch hier in der Hütte gewesen sein. Ob sie die Vorsicht seines jungen Herrn übertölpelt hatte! Weitere Spuren waren leider nicht zu entdecken. Parker, allein und ungestört, entschloß sich, eine seiner spezialangefertigten Zigarren anzuzünden. Er ließ sich in einem Sessel neben dem Kamin nieder und dachte nach.

Nach Lage der Dinge hatte er es mit zwei verschiedenen Gangstergruppen zu tun, die beide hinter den Schürfplänen Jim Rastons her waren. Die beiden Gangster in der zugeeisten Blockhütte oberhalb der Straße konnten mit Mike Randers Entführung nichts zu tun haben. Sie hätten sich sonst völlig anders benommen.

Wer also gehörte dieser zweiten Gangstergruppe an? Wo konnte Parker sie finden? Wohin mochte man Mike Rander verschleppt haben? Jetzt nach Spuren suchen zu wollen, war sinnlos.

Plötzlich kam Parker ein Gedanke. Er stand auf und wollte zum Wandtelefon gehen. Vielleicht war es inzwischen repariert worden. Er hatte die Hand noch nicht ganz ausgestreckt, um nach dem Hörer zu greifen, als sich der Apparat meldete. Er schien nur auf Parkers Geste gewartet zu haben.

»Parker, Josuah Parker«, stellte sich der Butler vor, nachdem er abgehoben hatte.

»Na endlich«, antwortete eine verbindlich klingende, weiche, höfliche Stimme. »Wo haben Sie sich eigentlich die ganze Zeit über herumgetrieben?«

»Bestehen Sie darauf, daß ich antworte?« erwiderte der Butler.

»Nein. Sie würden mich ja doch nur belügen, Parker. Hören Sie genau zu! Ihr Chef, dieser Mike Rander, war so freundlich, uns zu begleiten. Er wollte sich die Gegend ansehen. Er hat ein paar interessante Entdeckungen gemacht. Er bittet Sie, ihn doch möglichst schnell aufzusuchen. Und zwar mit den Unterlagen, die Sie mitgenommen haben.«

»Wie geht es Mr. Rander?« fragte der Butler.

»Gut.«

»Läßt es sich einrichten, daß ich ein paar Worte mit ihm wechsle?«

Auf der Gegenseite wurde es für einen Moment still. Man schien die Sprechmuschel abgedeckt zu haben. Der Anrufer beriet sich wahrscheinlich mit seinen Partnern. Dann war die Stimme wieder zu vernehmen.

»Es geht ihm gut, das muß Ihnen genügen, Parker.«

»Ich fürchte, ich muß widersprechen«, antwortete Josuah Parker steif und förmlich.

»Beeilen Sie sich, damit sich Ihr Chef nicht in der Wildnis verläuft«, redete der Mann am anderen Ende der Leitung weiter.

»Ich vermisse die Garantie dafür, daß Mr. Mike Rander sich tatsächlich in Ihrer Gesellschaft aufhält. Bevor ich keine einschlägigen Beweise darüber besitze halte ich diese Unterhaltung für sinnlos.«

Parker besaß tatsächlich die Nerven, den Hörer einzuhängen. Er zog nachdenklich an seiner Zigarre und überlegte, von woher wohl angerufen worden war. Sehr viele Möglichkeiten gab es hier draußen in der Wildnis nicht.

Knapp eine Minute später läutete das Telefon erneut.

Wieder meldete sich die verbindlich klingende Stimme, die mm allerdings einen Unterton von Ärger aufwies.

»Hier, sprechen Sie mit Ihrem Chef«, sagte sie.

»Parker …?« Das war wirklich Mike Randers Stimme.

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Sir.«

»Sie sollten mich tatsächlich hier besuchen, Parker. Schöne, interessante Gegend. Bringen Sie auch gleich die Unterlagen mit. Ich könnte sie gut unterbringen.«

Es knackte in der Leitung, dann meldete sich wieder die verbindlich klingende Stimme.

»Haben Sie Ihren Boß gehört?« fragte sie.

»Ich habe es. Wo kann ich Sie erreichen?«

»Kommen Sie nach Creek Village. Steigen Sie in Saddlers Hotel ab. Dort treffen wir uns. Parker, hören Sie, keine Mätzchen! Denken Sie daran. Sonst könnten wir uns möglicherweise übersehen.«

»Wie gelange ich nach Creek Village, wenn mir diese Frage gestattet ist?«

»Benutzen Sie den Pfad entlang des Forkson Creek. Dann kommen Sie automatisch hin. Ende!«

Parker legte seinerseits auf und ließ sich wieder im Sessel neben dem Kamin nieder. Nun galt es, sich jeden Schritt genau zu überlegen. Eine Panne, gleich welcher Art, konnte sich für Mike Rander tödlich auswirken …

*

Es war schon recht seltsam.

Eben noch hatte das Telefon funktioniert. Jetzt aber, als Josuah Parker von der Hütte aus anrufen wollte, war die Leitung wieder tot. Sie war also absichtlich unterbrochen, dann wieder angezapft und nun erneut getrennt worden. Die Gangster, die Mike Rander entführt hatten, wußten genau, was sie taten. Sie schnitten den Butler von der Außenwelt ab. Er hatte keine Möglichkeit, sich zum Beispiel mit der Polizei oder wenigstens mit seinem Vermieter Clay Hellers in Verbindung zu setzen.

Am liebsten wäre der Butler sofort nach Creek Village auf gebrochen und hätte sich um seinen jungen Herrn gekümmert. Aber das Wetter ließ das nicht zu. Der scharfe Wind war inzwischen zu einem ausgewachsenen Schneesturm geworden. Mit wütender Kraft heulte und pfiff er um die Hütte. Parker setzte sich unwillkürlich noch näher an das Feuer heran.

Natürlich paßte es ihm nicht, die Hände in den Schoß legen zu müssen. Die Zeit war kostbar. Und wann der. Schneesturm sich legte, konnte selbst Josuah Parker nicht beurteilen.