E-Book 96-100 - Günter Dönges - E-Book

E-Book 96-100 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 1: Der Pate E-Book 2: Provokant E-Book 3: Die Demontage E-Book 4: Trockene Katzen E-Book 5: Stoppt den den Amokläufer

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Inhalt

Der Pate

Provokant

Die Demontage

Trockene Katzen

Stoppt den den Amokläufer

Butler Parker – Box 19 –

E-Book 96-100

Günter Dönges

Der Pate

Butler Parker schwitzte Blut und Wasser.

Der Strolch im hellen Sommeranzug riß dem kleinen Kind die Puppe aus der Hand und knallte sie zu Boden. Dann kickte er sie mit dem Fuß gegen die Hauswand und lachte spöttisch. Er baute sich breitbeinig vor dem Vater des Kindes auf und wartete auf dessen Angriff.

Der Vater, ein kleiner dicklicher Mann, verschwitzt aussehend und bestimmt nicht ein Held, hörte den Schrei seines Kindes und warf sich auf den Strolch, der darauf nur gewartet zu haben schien. Der gelackt aussehende Mann im hellen Sommeranzug fing den Vater mit einem Fausthieb ab und schmetterte ihn zu Boden. Dann trat er dem stöhnenden Mann noch in die Seite und kümmerte sich nicht weiter um ihn.

Das kleine Kind hatte die mißhandelte Puppe an sich gerissen und lief auf den am Boden liegenden Mann zu. Die Frau des Stöhnenden, eine große, hagere Person, war von weiteren Kindern umgeben. Alle sahen ärmlich, aber sauber aus. Und sie alle schauten zu, wie die Möbel aus den beiden Fenstern einer im vierten Stock liegenden Wohnung nach unten auf die Straße geworfen wurden.

Hier zerschellten sie krachend, splitterten auseinander und zerbarsten bis zur Unkenntlichkeit.

Dieses schreckliche und sinnlose Schauspiel hatte viele Zuschauer, die im Halbkreis standen und damit die Fahrbahn blockierten.

Die Menschen, alle ganz offensichtlich diesem Wohnviertel entstammend, verhielten sich schweigend. Von südländischer Begeisterung oder Fröhlichkeit war keine Rede. Man sah zu, betroffen, verängstigt und vor Schreck wie gelähmt.

Butler Parker aber schwitzte Blut und Wasser.

Einmal, weil er empört war. Einem Kind die Puppe zu entreißen und sie zu treten, gehörte seinem Gefühl nach zu den Todsünden. Zum anderen aber schwitzte er auch, weil er die Reaktion eines seiner beiden weiblichen Fahrgäste kannte. Am liebsten hätte Parker Vollgas gegeben und wäre losgefahren. Doch die Menschenmauer hinderte ihn daran. Er wußte nur zu gut, welche Männer dort oben in der Wohnung am Werk waren.

Mafiosi!

Sich mit diesen Leuten anzulegen, bedeutete im Grunde die konsequente Vorbereitung zum Selbstmord. Parker machte sich da keine Illusionen. Sie befanden sich in Rom. Und damit im klassischen Land der Mafia. Zudem trug Parker die Verantwortung für zwei Damen, die im Fond seines hochbeinigen Wagens saßen. Diese beiden Damen durfte er nicht gefährden.

Doch es war bereits zu spät.

Lady Agatha Simpson, die streitbare Dame aus England, hatte bereits energisch die hintere Wagentür aufgestoßen und marschierte durch eine Gasse der schweigenden Menge direkt auf den gelackten Strolch zu.

Dabei schwang sie unternehmungslustig ihren gestickten Pompadour, der an ihrem linken Handgelenk baumelte.

Lady Agatha, mit dem englischen Hochadel verschwistert und verschwägert, war etwa 60 Jahre alt, was aber überhaupt nichts besagte. Sie war groß, fast vollschlank zu nennen und hatte ein ausgeprägtes Gesicht, das von einem energischen Kinn beherrscht wurde. Eine Adlernase und dunkle, kluge Augen vervollständigten den äußeren Eindruck.

Lady Agatha, die sich ganz nach Belieben wie eine Herzogin oder wie eine Landstreicherin benehmen konnte, trug ihr übliches teures, aber ausgebeultes Kostüm. Ihre Füße steckten in ausgetretenen, bequemen Tretern. Dennoch strahlte sie eine Souveränität aus, der man sich nicht entziehen konnte.

Diese Dame also marschierte auf stämmigen Beinen genau auf den lackierten Strolch zu und schwang ihren Pompadour.

»Mister Parker! Bitte, das gibt ein Unglück«, stieß der zweite weibliche Fahrgast aus, der im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum zurückgeblieben war und jetzt allerdings ebenfalls hastig ausstieg.

Es handelte sich um Kathy Porter, die als Gesellschafterin von Lady Simpson fungierte. Sie erinnerte an ein ängstliches, scheues Reh, hatte kupferrotes Haar und sah bezaubernd aus. Sie mochte etwa 25 Jahre alt sein und lebte in ständiger Angst, Lady Agatha könnte irgendwelche Dummheiten machen. Wieder mal, wie das so oft der Fall war. Lady Agatha war nämlich eine kriegerische Dame, die Verwicklungen liebte und sie geradezu suchte.

Parker hatte sich der beiden Damen angenommen, nachdem sein bisheriger junger Herr, Mike Rander, hauptsächlich wieder als Anwalt tätig war. Parker hatte sich überreden lassen, bei Lady Agatha als Butler zu arbeiten. Inzwischen hatte er daran sogar Gefallen gefunden, wenn auch mit leichten Abstrichen, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Lady Simpson beschäftigte ihn nämlich ungemein und ließ ihn kaum zu Atem kommen.

Wie jetzt und hier.

Lady Agatha hatte inzwischen den gelackten Strolch erreicht, der sich überrascht-erstaunt zu ihr umdrehte und nicht reagierte, als die ältere Dame ihm sehr konsequent ihren Pompadour auf den Kopf schlug.

Der Gelackte ging sofort in die Knie und verdrehte die Augen. Er hatte den Glücksbringer zu spüren bekommen, der sich in diesem Handbeutelchen befand. Dieser Glücksbringer war, wie man sich vielleicht denken kann, ein ordinäres Hufeisen in Spezialausführung. Es war geeignet, selbst einen starken Ochsen in die Knie zu zwingen.

*

»Ich bin äußerst empört, Mister Parker«, stellte Lady Agatha fest, ohne sich weiter um den Gelackten zu kümmern, der inzwischen verkrümmt und regungslos auf dem Boden lag. »Ich bestehe darauf, daß Sie diese sinnlose Zerstörung beenden.«

Sie deutete auf eine kleine Kommode, die gerade auf der Straße zerschellte. Der Vater der schreienden Kinder stand inzwischen wieder auf den Beinen und hielt sich das schmerzende Knie. Er starrte entsetzt auf den jungen Mann am Boden, dann auf Lady Agatha.

Parker setzte sich die schwarze Melone zurecht und legte sich den Universal-Regenschirm korrekt über den linken Unterarm. Dann marschierte er zum Hauseingang und verschwand im Korridor. Lady Agatha widmete sich inzwischen den weinenden Kindern und schaute zwischendurch erwartungsvoll nach oben zu den beiden weit geöffneten Fenstern.

Ein Küchentisch und zwei Stühle erschienen auf der Fensterbank, um dann herunter auf die Straße zu fallen. Es krachte und splitterte, als die Möbelstücke sich in ihre Bestandteile zerlegten.

»Sollten Sie nicht besser zurück in den Wagen gehen, Mylady?« bat Kathy Porter, die neben Agatha Simpson erschienen war.

»Dummes Zeug«, gab Lady Agatha mit tragender Stimme zurück. »Wollen Sie mich denn um jedes Vergnügen bringen, Kindchen?«

»Der Mann wird gleich wieder zu sich kommen«, prophezeite Kathy Porter besorgt.

»Da kennen Sie meinen Glücksbringer aber schlecht«, widersprach Agatha Simpson grimmig, »wir können in aller Ruhe auf Parker warten. Finden Sie nicht auch, daß es dort oben in der Wohnung erstaunlich still geworden ist?«

Lady Agatha hatte richtig beobachtet. Weitere Möbelstücke tauchten nicht mehr auf. Die Räumung der Wohnung hatte eine Unterbrechung erfahren. Josuah Parker schien sich auf seine spezielle Art mit den Räumen zu unterhalten.

Dies stellte auch ein Mann fest, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand und die Szene beobachtete.

Dieser Mann war etwa 50 Jahre alt. Er trug einen dezenten, gutgeschnittenen Anzug, hatte eine leichte Stirnglatze und erinnerte an einen Anwalt. Der Augenzeuge reckte sich etwas hoch, als in der Tür des Mietshauses zwei leicht angeschlagene Männer erschienen.

Sie bewegten sich auf recht unsicheren Beinen und stolperten über den am Boden liegenden Mann.

Agatha Simpson, unternehmungslustig wie immer, schwang bereits ihren Pompadour.

»Dies erübrigt sich möglicherweise, Mylady«, ließ Parker sich vernehmen, der hinter den beiden Schlägertypen aus dem Haus kam. »Die beiden Herren leiden offensichtlich an einer kleinen Schwäche.«

Womit Parker nicht übertrieben hatte.

Die beiden Kerle stolperten und rutschten dann haltlos zu Boden. Sie beeilten sich, ebenfalls die Gelegenheit zu einem kleinen Schläfchen zu benützen.

Was Parker mit ihnen angestellt hatte, war nicht zu ersehen. Der Butler schien sich aber dabei nicht sonderlich angestrengt zu haben. Er machte einen völlig unversehrten und frischen Eindruck. Sein schwarzer Zweireiher saß korrekt, ebenfalls die schwarze Melone.

»Geben Sie den Leuten ein kleines Zehrgeld, Mister Parker«, bat Lady Agatha und deutete auf die Familie, die sich schweigend um den vor Angst schwitzenden Vater scharte. »Die Familie braucht doch gewiß neue Möbel.«

Parker, der über die Reisekasse von Agatha Simpson verfügte, zückte die Brieftasche und wollte die Auszahlung vornehmen, doch der Familienvater schüttelte fast entsetzt den Kopf und streckte abwehrend die Hände aus.

»Gehen Sie!« sagte er dann hastig und leise. Seine Stimme klang beschwörend. »Gehen Sie! Hoffentlich wird Ihnen nichts passieren. Wir werden für Sie beten!«

»Vielen Dank«, gab Parker zurück, »aber was könnte passieren? Einige Andeutungen wären vielleicht angebracht.«

»Gehen Sie«, wiederholte der Familienvater, »fahren Sie ganz schnell weg. Verlassen Sie Rom! Verlassen Sie Italien! Sie wissen ja nicht, auf was Sie sich da eingelassen haben.«

*

»Dieser Tag verspricht recht schön zu werden«, stellte Lady Simpson fest, als sie wieder im Wagen saß. Sie hatten die Vororte Roms hinter sich gelassen und näherten sich der Innenstadt. Antikes und Modernes wechselten in schneller Folge miteinander ab. Parker, der Rom gut kannte, ließ sich wieder vom Zauber dieser Stadt einfangen.

»Sie glauben, daß wir es mit der Mafia zu tun hatten?« erkundigte sich Lady Simpson bei Parker.

»Mit einiger Sicherheit, Mylady«, erwiderte der Butler würdevoll. »Darauf deuteten schon die beschwörenden Worte des Familienvaters hin.«

»Ein anregender Gedanke!« Lady Agatha sah versonnen aus dem Wagen.

»Hatten Mylady schon mal Kontakt mit dieser Organisation?«

»Bisher nicht. Ich kenne die Mafia nur aus Filmen. Sie sollten mich informieren, Mister Parker.«

»Bei der Mafia, Mylady, handelte es sich ursprünglich um einen sizilianischen Geheimbund, der wahrscheinlich bereits im 17. Jahrhundert gegründet wurde«, berichtete Parker. »Die Mitglieder dieser straff geführten Organisation widmeten sich damals der Selbsthilfe, da die Regierungen sich seinerzeit als hilf- und machtlos zeigten. Im Laufe der Zeit verloren sich die politischen Absichten, die Mafia mauserte sich zu einer Organisation, die sich immer mehr mit kriminellen Dingen befaßte. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Mafia in den USA verweisen.«

»Aber die Mitglieder hängen doch wie Pech und Schwefel zusammen, nicht wahr?«

»In der Tat, Mylady. Sie werden in sogenannten Familien zusammengefaßt, die autoritär geleitet werden. Wer sich gegen die Mafia stellt, pflegt in der Regel nicht mehr lange zu leben.«

»Maßlose Übertreibungen«, stellte Agatha Simpson fest. »Warum wendet die Mafia sich zum Beispiel gegen diese arme Familie, die wir eben gesehen haben?«

»Die Mafia verkauft ihre Macht gegen Honorar an Interessenten«, berichtete Parker weiter, »oder aber sie handelt im Eigeninteresse. Es könnte durchaus möglich sein, daß das Haus, dessen Wohnung geräumt wurde, sich im Besitz der Mafia befindet. Die Mafia sorgt dafür, daß die anfallenden Gewinne aus ihren Geschäften angelegt werden.«

»Ein sehr schöner Tag«, wiederholte Agatha Simpson ohne Übergang. »Sie glauben, daß die Mafia ärgerlich auf uns sein wird?«

»Mit Sicherheit, Mylady, Darf ich deshalb den Vorschlag machen, Rom auf dem schnellsten Weg wieder zu verlassen?«

»Rom verlassen?« Agatha Simpson reckte sich kriegerisch und wandte sich ihrer scheuen Gesellschafterin zu. »Haben Sie das gehört, Kindchen?«

»Mister Parker hat recht, Mylady«, gab Kathy Porter zurück. »Für dieses Eingreifen wird man sich rächen.«

»Ich werde in Rom bleiben«, verkündete die Sechzigjährige entschlossen. »Ich denke nicht daran, mich von solchen Strolchen beeindrucken zu lassen.«

Lady Simpson hatte noch nicht ausgesprochen, als Parker scharf bremsen mußte.

Ein kleiner Fiat kreuzte die Bahn des hochbeinigen Monstrums.

Aus dem geöffneten Dach wuchs eine Gestalt in die Höhe. Der junge Mann, der im Wagen stand, machte eine Bewegung, die man unmöglich mißverstehen konnte. Er fuhr sich mit der flachen Hand über den Kehlkopf und deutete damit an, daß gewisse Hälse in Gefahr waren.

»Impertinent«, stellte Lady Agatha kriegerisch fest. »Rammen Sie diesen Frechling, Mister Parker! Worauf warten Sie noch? Diese Herrschaften sollen sich wundem, wenn sie mit mir anbandeln!«

*

Natürlich hatte Parker darauf verzichtet, den kleinen Fiat zu rammen.

Er wollte die Dinge keineswegs auf die Spitze treiben. Er hoffte immer noch, es würde bei dieser dramatischen Drohung bleiben. Ob man seinen hochbeinigen Wagen auch weiterhin verfolgte, ließ sich wegen der Verkehrsdichte auf den Straßen nicht feststellen. Parker, ein wirklich erstklassiger Fahrer, war froh, als sie endlich das Hotel erreichten, in dem Agatha Simpson gebucht hatte. Das Gebäude befand sich in der Nähe des Palazzo Venetia und war ein Palast im guten alten Stil, der allerdings schon etwas verplüscht wirkte. Agatha Simpson liebte Hotels dieser Art. Sie war der Ansicht, daß der Service in diesen Häusern genau dem entsprach, was sie wünschte. Zudem war hier nie mit Massentourismus zu rechnen. Dazu waren schon die Preise zu stolz, aber Lady Simpson konnte sich Exklusivität leisten.

Sie nannte sich zwar sehr bescheiden vermögend, doch das traf nicht den Kern der Sache. Sie war reich, sogar sehr reich. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes, der schon viele Jahre zurücklag, große Beteiligungen an Industrie, an Im- und Exportfirmen und Brauereien in England und Amerika geerbt. Die Beteiligungen waren von ihr in eine Stiftung umgewandelt worden. Abgesehen von ihrem Privatanteil wurden die reichlich fließenden Gelder über die Stiftung dazu verwendet, begabten, aber armen jungen Leuten echte Startchancen zu bieten.

Parker half Lady Simpson aus dem Wagen, was sie mit dem obligaten, unwirschen Knurren abwehrte. Dann marschierte sie majestätisch in die Halle des Hotels, umgeben von einem Schwarm dienstbarer Geister. Kathy Porter tippelte aufgeregt wie immer hinter ihr her. Sie war in steter Sorge, daß Mylady wieder mal aus dem Handgelenk heraus irgendein Unheil anrichtete.

Als Parker den Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums aufschloß, schrillte plötzlich seine innere Alarmklingel.

Gefahr!

Parker, der in den Raum hineinlangte, tat aus dem Instinkt heraus so, als rutschte er mit den Füßen ab. Er fiel also in den Kofferraum hinein und sah im gleichen Moment vor sich ein Wurfmesser, das zitternd und federnd im Seitenteil seiner Ledertasche steckte.

Der Butler blieb sicherheitshalber einen Moment über dem Rand des Kofferraums liegen. Er wollte nicht unbedingt einen zweiten Wurf herausfordern. Dann jedoch richtete er sich schnell auf und suchte nach dem Messerwerfer.

Nun, die schmale Straße war stark belebt.

Der Messerwurf war überhaupt nicht registriert worden. Die Passanten passierten ihn und seinen Wagen, ohne dem Butler auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.

Parkers Blick fiel auf einen etwas schäbig aussehenden Mann, der in einem kleinen Bauchladen Ansichtskarten, billige Sonnenbrillen und sonstigen Kleinkram feilbot.

Dieser Mann, dessen weiches, gedunsenes Gesicht von einer großen Sonnenbrille beherrscht wurde, bewegte sich die schmale Straße hinunter, wobei er seinen rechten Fuß deutlich nachzog.

War das der Messerwerfer? Selbstverständlich verzichtete Parker darauf, diesem Mann zu folgen und ihn zur Rede zu stellen. Ihm fehlte schließlich jeder Beweis.

*

»Ich möchte Mylady nicht verschweigen, daß mit einem Messer nach meiner bescheidenen Wenigkeit geworfen wurde«, sagte Parker, als er sich in Agatha Simpsons Hotelsuite einfand.

Mylady hatte wie üblich eine ganze Zimmerflucht gemietet. Die Räume waren untereinander verbunden und besaßen nach hinten große Balkons, von denen aus man auf einen weiten Park sehen konnte, der allerdings zu einem benachbarten Grundstück gehörte.

Rechts von diesen Balkons folgten die angrenzenden Häuser, deren Dachgärten ebenfalls wie kleine Grünoasen wirkten. Von dort aus war es möglich, die Balkons einzusehen, ein Umstand, mit dem Parker nicht einverstanden war.

»Man hat mit einem Messer nach Ihnen geworfen?« Agatha Simpson nickte erfreut. »Wie interessant, Mister Parker.«

»Mylady scheinen die Gefahr zu unterschätzen.«

»Unsinn! Aber Sie scheinen ängstlich geworden zu sein. Man will uns nur nervös machen.«

Agatha Simpson hatte ihren Satz noch nicht ganz beendet, als das Telefon sich meldete.

Parker nahm den Hörer ab und nannte seinen Namen.

»Wir haben natürlich absichtlich nur den Koffer getroffen«, sagte eine höfliche Stimme, »wir sind der Meinung, daß Sie das wissen sollten.«

»Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?« erkundigte sich Josuah Parker gemessen.

»Warten Sie geduldig ab! Sie ahnen, mit wem Sie sich angelegt haben?«

»Darf ich in diesem Zusammenhang den Begriff Mafia erwähnen?«

»Sie haben eine Verwaltungsmaßnahme unserer Organisation empfindlich gestört«, lautete die Antwort, die auf den Begriff Mafia nicht einging.

»Wäre Ihnen vielleicht mit einer höflichen Entschuldigung gedient?« fragte Parker, während er mit wachsender Unruhe zu Lady Simpson hinübersah, die nicht nur aufmerksam geworden war, sondern jetzt energisch auf ihn zukam. Bevor Parker es verhindern konnte, nahm sie ihm den Hörer aus der Hand.

»Lady Simpson«, meldete die passionierte Detektivin sich. »Ob ich mit der Mafia spreche oder nicht, ist mir gleichgültig. Ich weiß nur, daß ich es mit Flegeln zu tun habe!«

Sie legte auf und sah den Butler amüsiert an.

»Mylady!« sagte Parker konsterniert.

»Nur keine Schmeicheleien«, wehrte Agatha Simpson ab. »Ich weiß, daß ich richtig reagiert habe. Mit solchen Individuen muß man eben deutlich reden, sonst verstehen sie einen nicht!«

»Wie Mylady meinen«, gab Parker höflich zurück und bekämpfte ein aufsteigendes Schwächegefühl. Er ahnte, was sie erwartete.

*

»Sehr ansprechend«, fand Lady Simpson, als sie das einfache Kellerlokal betreten hatten.

Es befand sich in Trastevere, jenem alten Stadtteil von Rom, in dem das einfache Volk ungeniert lebt. Mylady hatte sich dieses Lokal vom Portier an der Rezeption empfehlen lassen, denn sie wollte einfach, aber sehr gut essen.

Agatha Simpson kam voll auf ihre Rechnung.

Es kostete sie zwar wieder einen leichten Kampf, bis Parker sich zu ihr an den Tisch setzte, aber dieses Spiel kannte sie bereits. Parker hielt es für einen Butler höchst unangebracht, sich zu seiner Herrschaft zu setzen. Agatha Simpson pfiff aber gründlich auf solche Vorstellungen. Sie, Kathy Porter und Parker hatten in einer Nische Platz genommen und ließen sich vom Wirt bedienen.

Es begann mit einer kleinen Eiervorspeise, zu der sich dann später etwas Risotto und Ravioli gesellten. Der Hauptgang bestand aus einem Huhn, das nach Genueser Art zubereitet war, wozu grüne Nudeln gereicht wurden. Eine Weincreme à la Toskana sollte später dann den Abschluß bilden.

Das Huhn war gerade serviert worden, als Parker aufmerksam wurde. Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte gerade jener gelackte junge Mann das Lokal betreten, der von Lady Simpsons Glücksbringer behandelt worden war.

Er war nicht allein gekommen. In seiner Begleitung befanden sich die beiden Schläger, die Parker aus der Wohnung des Familienvaters vertrieben hatte. Sie blieben vorn am Eingang zurück, während der Gelackte langsam auf ihre Nische zusteuerte und sich an der Stirnseite des Tisches aufbaute.

»Lady Simpson?« erkundigte er sich.

Agatha sah auf und nickte.

»Ich habe mit Ihnen zu reden«, meinte der Gelackte kühl, aber nicht unhöflich.

»Nach dem Essen«, entschied die Dame. »Lassen Sie sich inzwischen auf meine Kosten einen Drink geben, junger Mann!«

»Lady Simpson, Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.«

»Richtig«, bestätigte Agatha Simpson. »Sie vergaßen sich vorzustellen, junger Mann.«

»Ich bin Bruno Pesaro.« Er warf sich bei der Nennung seines Namens in die Brust.

»Mylady wünschen ungestört zu speisen«, schaltete Parker sich in die Unterhaltung ein. »Bitte, Mister Pesaro …«

»Bruno Pesaro!« wiederholte der junge Mann erneut und warf sich noch kräftiger in die Brust.

»Sie können ja nichts dafür«, sagte Parker höflich.

»Ich verlange Genugtuung!«

»Mylady verlangt hingegen nur ungestört speisen zu können. Trollen Sie sich!« Parker ließ den Gelackten nicht aus den Augen, und Parker ließ sich vor allem nicht täuschen. Der junge Mann mochte sich benehmen wie ein Gockel, aber unterschätzen durfte man ihn sicher nicht.

»Mit 500 Pfund läßt sich die Sache aus der Welt schaffen«, präzisierte Bruno Pesaro. »Außerdem haben Sie Rom bis gegen 16 Uhr zu verlassen! Wir erteilen Ihnen das Besuchsverbot dieser Stadt für die nächsten zwei Jahre.«

Agatha Simpsons Antwort war einfach und eindeutig.

Sie nahm einen Löffel voll Risotto und warf dem Burschen den Reis auf das frische Hemd. Worüber Bruno nicht sehr begeistert war, nachdem er sich von der ersten Überraschung erholt hatte.

»Mylady!« sagte er dann, sich mühsam zusammennehmend. »Das tun Sie besser nicht noch mal.«

»Gut, nehmen wir dann halt einige Ravioli.« Die Engländerin ließ sich tatsächlich nicht festlegen. Bruno gluckste auf, als eine der gefüllten Teigtaschen sich auf sein rechtes Auge legte.

»Mylady!« seufzte Kathy Porter entsetzt und schämte sich. »Was soll der Mann denn von Ihnen denken?«

Nun, die übrigen Gäste im Kellerlokal waren längst auf diese Szene aufmerksam geworden und lachten laut und ungeniert, worüber Bruno sich gar nicht freute.

Er trat einen halben Schritt zurück und hielt plötzlich ein Springmesser in der Hand, dessen Klinge aus dem Heft schnellte.

»Das läßt sich nur mit Blut abwaschen«, behauptete er dann und trat vor.

»Etwas Wasser wird es auch tun«, stellte Parker fest und hielt bereits den Sodasiphon fest in der Hand. Er visierte Bruno kurz an und sprühte ihn dann gründlich ab.

Bruno Pesaro fuhr zurück, denn das hervorschießende Wasser blendete ihn ein wenig. Lady Simpson war aufgestanden und hielt bereits ihren Pompadour in der Hand.

Doch Parker war schneller als sie. Er hatte inzwischen schon nach seinem Universal-Regenschirm gegriffen und ihn umgedreht. Mit dem Bambusgriff hakte er geschickt hinter die Kniekehle von Bruno und zog den Schirm dann ruckartig an.

Worauf Bruno Pesaro prompt das Gleichgewicht verlor, die Hände hoch in die Luft warf und krachend auf den Steinplatten des Bodens landete.

»Sehr begabt, Mister Parker«, lobte Lady Simpson ihren Butler, um dann ungerührt weiterzuessen. Sie schien Bruno schon wieder vergessen zu haben.

Parker konnte sich im Moment aber nicht auf das Huhn konzentrieren, denn Brunos Begleiter eilten herbei. Unternehmungslustig schwangen sie zwei dicke Kabelenden, die wohl als Schlaginstrumente gedacht waren.

*

Agatha Simpson knabberte ungeniert an einem Hühnerbein, als die beiden Schläger ihren Tisch erreichten. Sie wollten sich mit Josuah Parker befassen, doch dazu kamen sie nicht.

Kathy Porter, das scheue Reh mit den wunderschönen roten Haaren, Myladys Gesellschafterin, zierlich und zerbrechlich wirkend, war aufgestanden und schien sich um den am Boden liegenden Bruno kümmern zu wollen.

Was die beiden Schläger ein wenig irritierte. Wenig später konnten sie sich nur noch intensiv wundern.

Das scheue Reh hatte sich gründlich verwandelt. Die Augen sprühten Feuer, und die schmalen Arme der jungen Kathy wurden zu gefährlichen Waffen. Ganz zu schweigen von ihren Handkanten. Kathy Porter wurde blitzschnell zu einer einsatzfreudigen Einzelkämpferin, die sich in Karate bestens auskannte.

Ihre Hände wirbelten wie Degen durch die Luft. Es gab einige dumpfe Geräusche, als ihre Handkanten trafen. Die beiden Schläger schnappten nach Luft, ließen ihre improvisierten Gummiknüppel fallen und führten dann ein Schauturnen auf dem Boden durch.

Diese Attraktion bestand in komischem Verrenken der Glieder. Dann blieben die Burschen allerdings ruhig liegen und begaben sich auf den Marsch in ihre Traumwelt.

»Eine gefährliche Begabung, meine Liebe«, stellte Lady Simpson fest, wobei sie ein gewisses Wohlwollen in der Stimme erkennen ließ. »Wie gut, daß Sie derart zurückhaltend sind!«

»Vielen Dank, Mylady«, sagte Kathy Porter scheu und bereits wieder verlegen. Sie nahm am Tisch Platz und griff nach der Platte mit den Hähnchen.

Der Wirt war entsetzt.

Er wieselte an den Tisch und dienerte.

»Sie machen sich unglücklich! Sie bringen sich um Ihr Leben«, jammerte er dann intensiv, während die Gäste an den übrigen Tischen hastig und ohne zu zahlen das Lokal räumten. »Wissen Sie denn nicht, mit wem Sie es zu tun haben?«

»Sie werden es Mylady sagen«, entschied Parker gemessen.

»Mit Bruno Pesaro.«

»Und wer ist dieser Jüngling nun wirklich?«

»Sein ›Pate‹ heißt Alfonso Grado.«

»Und wer ist das?«

»Der ›Pate‹! Verstehen Sie denn nicht?« Der Wirt schluchzte fast.

»Sollte dieser bewußte Grado der Mafia angehören?«

»Mafia? Was ist das?« Der Wirt hob entsetzt die Arme, abwehrend und beschwörend.

»Mister Grado ist also demnach der örtliche Chef der Mafia?« erkundigte Parker sich ungeniert.

»Sie sprechen von Dingen, die ich nicht kenne. Aber bitte, gehen Sie! Stürzen Sie mich nicht ins Unglück! Man wird mich zur Verantwortung ziehen.«

»In diesem Fall wenden Sie sich an mich«, entschied Agatha Simpson. »Mister Parker. Meine Visitenkarte an den Wirt!«

Parker griff in eine seiner vielen Westentaschen und überreichte dem fassungslosen Gastronom die Visitenkarte seiner Herrin. Dann widmete er sich den drei Mafiosi, die gerade wieder zu sich kamen und im Chor stöhnten, wobei eine gewisse Musikalität unverkennbar war. Man befand sich eben in Italien, dem Land der schönen Stimmen und des Gesangs.

Die drei Männer sahen inzwischen wieder klarer, erhoben sich und schauten sich gegenseitig betreten an. Dann starrten sie in die Nische, wo Parker, Agatha Simpson und Kathy Porter friedlich vereint saßen und speisten.

»Sie werden Rom nicht lebend verlassen«, verkündete Bruno Pesaro dann pathetisch und wandte sich ab. Auf unsicheren Beinen marschierte er zum Ausgang.

»Mylady läßt den ›Paten‹ grüßen«, sagte Parker zu den beiden Schlägern, die ihn daraufhin entsetzt musterten und sich beeilten, dem Gelackten zu folgen.

»Ein ausgezeichnetes Essen«, stellte Lady Simpson fest, nachdem die drei Männer nicht mehr zu sehen waren. »Keine Vorwürfe, Mister Parker! Ich konnte einfach nicht widerstehen. Ich fühle mich äußerst angeregt.«

*

Josuah Parker spielte die Vorhut, als sie das Kellerlokal verließen.

Er konnte sich gut vorstellen, daß die Mafiosi inzwischen das Restaurant umstellt hatten, um Rache zu nehmen. Parker konnte das Selbstvertrauen Agatha Simpsons nicht teilen. Die streitbare alte Dame schien sich in den Praktiken dieser Organisation nicht auszukennen.

Seine Vorsicht erwies sich als durchaus richtig.

In der Nähe des hochbeinigen Wagens lungerten einige Tagediebe herum, die offensichtlich harmlos erscheinen wollten. Es handelte sich um vier junge Männer, die den Wagen des Butlers abschirmten.

»Worauf warten wir noch?« erkundigte sich die Detektivin unternehmungslustig, als Parker schnell zurück in den Vorraum des Lokals kam.

»Mister Pesaro scheint offensichtlich für Verstärkung gesorgt zu haben, Mylady.«

»Na und?«

»Es dürfte sich um vier Männer handeln, Mylady.«

»Und deshalb geraten Sie in Panik, Mister Parker? Ich muß mich doch sehr wundem.«

»Wenn Mylady gestatten, werde ich den Ring der Belagerer sprengen«, schlug Parker vor.

»Dann zieren Sie sich nicht länger! Ich habe noch sehr viel zu tun.«

Parker deutete eine kleine Verbeugung der Zustimmung an und stieg über die Treppe hinauf in die erste Etage des alten Hauses. Wie erwartet, fand er hier ein geeignetes Fenster, durch das man hinunter auf den Vorplatz sehen konnte.

Parker nahm seinen Universal-Regenschirm und machte ihn einsatzbereit. Dieser Schirm war unter anderem ein geschickt getarntes Blasrohr, mit dem man stricknadelgroße Pfeile verschießen konnte. Treibmittel dieser Pfeile war eine Kohlensäurepatrone, die sich im bleigefütterten Bambusgriff des Schirms befand.

Josuah Parker entschied sich für sein erstes Opfer.

Der Tagedieb hatte sich in der Nähe des hochbeinigen Monstrums verschanzt und tat dem Butler den großen Gefallen, gerade in diesem Moment eine Fahrradkette aus der Innentasche seines Jacketts zu ziehen.

Damit war die Lage klar, Parker brauchte nicht auf Verdacht zu schießen.

Mit der Spitze seines Regenschirms visierte er den Kettenträger an und löste dann den ersten Schuß.

Der buntgefiederte Pfeil, kaum zu erkennen, sirrte durch die Luft und landete im Gesäß des Mannes, der verständlicherweise wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte.

Dann faßte der Mann nach der schmerzenden Stelle und bekam so etwas wie einen leicht hysterischen Anfall. Er zog sich den Blasrohrpfeil aus dem Gesäß und stierte das Geschoß entsetzt an. Wahrscheinlich hätte dieser Mann auf einen normalen Schuß normal reagiert, das war er sicher gewöhnt, doch mit einem Blasrohrpfeil wußte er nichts anzufangen. Er hielt ihn hoch, stieß einige kurze, irre Schreie aus und trabte dann zu seinen Freunden hinüber, die aufmerksam geworden waren.

Drei Männer scharten sich um ihn und steckten die Köpfe zusammen, um den Pfeil zu begutachten. Anschließend aber begutachteten sie den Getroffenen, der ausgesprochen schwach in den Beinen wurde. Der Kettenträger rutschte in sich zusammen, hielt sich am Gürtel des rechts von ihm stehenden Freundes fest und landete auf dem Boden.

Das Pfeilgift – ein harmloses Präparat zur Erreichung eines schnellen, übergangslosen Tiefschlafes – tat seine Wirkung. Die drei Männer standen jetzt ratlos um den Schlafenden herum, bis einer von ihnen hochschaute und auf Anhieb Josuah Parker im Fenster entdeckte.

Als höflicher Mensch, der er nun mal war, lüftete Parker seine schwarze Melone und grüßte gemessen nach unten. Genau das mißverstanden die drei Männer. Sie fühlten sich auf den Arm genommen, verständigten sich kurz und bereiteten den Sturm auf den Eingang zum Lokal vor.

Doch sie hatten eine wichtige Kleinigkeit übersehen.

Auf der Fensterbank, hinter der Parker zu sehen war, stand eine ganze Batterie von Topfpflanzen.

Parker funktionierte diese Pflanzen um und benutzte sie als Wurfbomben.

Er benutzte zuerst ein normales Alpenveilchen, um den Sturm zu bremsen. Dieses Alpenveilchen zerschellte dicht vor den Füßen des ersten Angreifers und ließ ihn stutzen. Als sich dann auf seiner linken Schulter eine Pfingstrose breitmachte, wurde der Anführer leicht nervös und sprang zurück. Dadurch entging er einer Hortensie, die allerdings gerade noch im letzten Moment die Zehen seines linken Fußes erwischte.

Der Mann hatte offensichtlich genug von diesen Wurfgeschossen. Er setzte sich ab und kümmerte sich nicht weiter um seine Freunde.

Sie wirkten unentschlossen und schielten hinauf zu Parker. Da das Fensterbrett noch reichlich mit Blumen bestückt war, rechneten sie mit weiteren Bomben.

Die nicht auf sich warten ließen!

Parker bemühte in schnellem Wechsel eine Petunie, eine Primel und anschließend eine Art Stiefmütterchen.

Die Blumentöpfe platzten vor den Männern auseinander und sorgten für eine schnelle Absetzbewegung. Unter Mitnahme ihres schlafenden vierten Mannes verschwanden sie in einer schmalen Seitengasse.

»Wenn Mylady erlauben, werde ich jetzt den Wagen bemühen«, schlug Parker vor, nachdem er wieder im Vorraum erschienen war.

»Schade um die Blumen«, bedauerte Agatha Simpson. »Viel zu schade für diese Strolche!«

»In der Tat, Mylady«, pflichtete Parker der alten Dame bei. »Wenn Sie erlauben, werde ich den Eigentümer der Topfpflanzen entschädigen.«

Parker setzte seine Absicht sofort in die Tat um und drückte dem händeringenden Wirt, der ängstlich auf der Kellertreppe zu seinem Lokal stand, einige Banknoten in die Hand. Dann schritt er hinaus auf den kleinen Vorplatz und holte sein hochbeiniges Monstrum. Als sie völlig ungestört abfuhren, fiel Parkers Blick auf einen schäbig aussehenden, ärmlich gekleideten Mann mit einem Bauchladen, der Ansichtskarten, billige Sonnenbrillen und sonstigen Kleinkram feilbot.

Dieser Mann stand völlig unbeteiligt im Torweg eines Hauses und schien sich um Parkers Wagen überhaupt nicht zu kümmern.

*

Der Hausverwalter erinnerte sich genau an die ältere Dame.

Er wirkte nervös und ängstlich, als Parker sich nach dem Besitzer des Wohnblocks erkundigte, aus dem der Familienvater vertrieben worden war.

»Ich darf keine Auskunft geben«, sagte er abweisend.

»Sollte es sich um ein Staatsgeheimnis handeln?« meinte Parker gemessen. Er und Agatha Simpson standen an der Tür zur Souterrainwohnung dieses Hausverwalters, der einen kräftigen, handfesten Eindruck machte, was sein Äußeres betraf.

»Ich darf keine Auskunft geben«, wiederholte der Mann.

»Sie wissen natürlich auch nicht, wo die vertriebene Familie aus dem vierten Stock jetzt wohnt?«

»Ich darf keine Auskunft geben«, lautete die stereotype Antwort. »Und jetzt habe ich zu tun. Gehen Sie!«

Bevor Parker eine weitere Frage stellen konnte, knallte der Verwalter die Tür zu. Parker wandte sich höflich zu Agatha Simpson um und sah sie fragend an.

»Hier scheint die nackte Angst zu regieren«, stellte die Lady unwillig fest. »Lassen Sie sich etwas einfallen, Mister Parker, wie wir an die Adresse des Hausbesitzers kommen.«

»Wenn Mylady vielleicht im Wagen warten wollen?«

Parker brachte die kriegerische Dame zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum und war froh, als er die Tür hinter ihr schließen, konnte. Dann überquerte er die Straße und baute sich vor dem Ausschank eines kleinen Budenbesitzers auf.

Parker kaufte sich eine Flasche Limonade, die er weit überbezahlte. Als der Budenbesitzer wechseln wollte, wehrte Parker ab und stellte hier noch einmal seine Frage.

Diesmal wurde er fündig.

»Die ganzen Wohnblocks gehören Signor Corrado«, war die prompte Antwort, während die Banknote blitzschnell verschwand. »Ein großer Mann, reich und mächtig, ihm gehört alles hier.«

»Wohin ist die Familie verzogen, die man gestern aus der Wohnung vertrieben hat?«

Der Budenbesitzer nannte die Adresse und beschrieb Parker den Weg. Er war eifrig bei der Sache, was nicht nur mit der Banknote zu erklären war.

»Und warum hat man die Familie exmittiert?« wollte Parker wissen.

»Sie konnte nicht mehr zahlen. Drei Mieterhöhungen in einem Jahr. Das verkraften die Leute hier nicht. Hier werden noch mehr Leute an die frische Luft gesetzt werden.«

»Und wer besorgt dieses schmutzige Geschäft?«

»Die Antwort müssen Sie selbst herausfinden«, antwortete der Budenbesitzer, der plötzlich zurückhaltend wurde. »Ich habe Ihnen genug gesagt.«

Er sah an Parker vorbei hinüber zu den Wohnblocks und hüstelte nervös.

»Ich werde Sie jetzt anschreien und beschimpfen«, erklärte er dann hastig, »ich werde mich wie ein Verrückter benehmen. Ich will keine Schwierigkeiten haben!«

Der Budenbesitzer erwies sich als ein erstklassiger Schauspieler, der beim Film Karriere gemacht hätte. Ohne jeden Übergang überschüttete er Josuah Parker mit ausgesuchten Schimpfworten, schalt ihn einen dreckigen Ausländer, erwähnte sogar Parkers Vorfahren und verbat sich jede Belästigung.

Parker ging auf dieses improvisierte Spiel ein, ließ sich vertreiben und reagierte beeindruckt. Er zuckte deutlich mit den Achseln, als er den Wagen erreicht hatte und seiner Herrin gegenüberstand. Wer immer ihn auch beobachtete, er sollte den Eindruck haben, daß Parker nicht nur ratlos war, sondern auch nichts erfahren hatte.

Parker war längst klar, wem dieses Schauspiel galt.

Der stämmige Hausverwalter des Wohnblocks stand in der Tür zum Mietshaus und sah ungeniert herüber.

»Ein Widerling«, stellte Lady Simpson fest.

»Der umgehend telefonieren wird«, behauptete Parker. »Er wird melden, daß Mylady und meine bescheidene Wenigkeit hier erschienen sind.«

»Schade, daß man dieses Gespräch nicht abhören kann«, sinnierte Agatha Simpson, wobei sie den Butler prüfend und ein wenig erwartungsvoll ansah.

»Mylady werden zufrieden sein«, erwiderte der Butler, ohne die Miene zu verziehen. »Ich war so frei, in der Wohnung des Verwalters ein Übertragungsgerät zurückzulassen.«

»Natürlich rein zufällig.« Agatha Simpson verstand sofort und nickte zufrieden.

»Ich muß es verloren haben«, erläuterte der Butler näher und würdevoll. »Bei Gelegenheit werde ich mich beim Verwalter selbstverständlich entschuldigen.«

Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum anrollen und steuerte es in eine nahe Seitenstraße. Dann hielt er allerdings sofort und schaltete das Bordgerät ein. Durch Umlegen eines versteckt angebrachten Kipphebels brachte er das normal aussehende Radiogerät auf die erforderliche Frequenz, die der des Minisenders in der Verwalterwohnung entsprach. Der nur kurze Aufenthalt in dieser Wohnung hatte dem Butler genügt, den Minisender zu installieren.

Klar und deutlich war die Stimme des Verwalters bereits zu hören. Er hatte schon durchgewählt und verlangte gerade einen gewissen Signor Olbia zu sprechen, der sich auch prompt meldete.

»Hier Belluno«, sagte der Verwalter hastig. »Ich habe gerade Besuch gehabt. Von diesem komischen Butler und von der alten Lady. Sie fragten nach dem Eigentümer der Wohnungen.«

»Und was hast du gesagt?« fragte Olbia, der eine geschmeidige, weiche Stimme hatte.

»Nichts.«

»Du Idiot.« Olbias Stimme verlor nichts von ihrer Weichheit. »Das ist doch kein Geheimnis. Das bekommt man doch so oder so schnell genug heraus.«

»Habe ich einen Fehler gemacht?« Die Stimme des Verwalters klang ängstlich.

»Du wirst daran nicht gerade sterben.«

»Signor Olbia, bitte, werden Sie den Chef informieren?«

»Natürlich nicht. Halt nur die Augen offen! Ende!«

Parker schaltete das Radiogerät aus und wandte sich gemessen an Agatha Simpson.

»Haben Mylady besondere Wünsche?«

»Richtig, Mister Parker, und Sie kennen sie bereits. Sehen wir uns die Herren Olbia und Corrado an. Besonders kompliziert kann es ja nicht sein, sie zu finden.«

»Keineswegs, Mylady.«

»Worauf warten Sie dann noch, Mister Parker?«

Agatha Simpson lehnte sich zufrieden im Wagen zurück, während Kathy Porter ein bedenkliches und besorgtes Gesicht machte. Sie merkte nämlich sehr deutlich, daß man sich zum Gegenangriff entschlossen hatte.

*

Die zahlreiche Familie des exmittierten Vaters hatte sich mehr als notdürftig in einem mittelgroßen Zimmer eingerichtet, das zur Wohnung seines Schwagers gehörte, der seinerseits mit zahlreichen Kindern gesegnet war.

Das Erscheinen des Butlers in dieser ärmlichen, aber sauberen Wohnung war eine Art Sensation. Der Familienvater erinnerte sich noch deutlich an die Szene vor dem Mietshaus und sah den Butler ängstlich an.

»Lady Simpson nimmt Anteil an Ihrer augenblicklichen Notlage und bittet um etwas Geduld«, sagte Parker, während ihn etwa zwei Dutzend Kinder aller Altersklassen anstarrten. »Lady Simpson läßt Ihnen durch meine Wenigkeit diesen bescheidenen Betrag überreichen, der zur Linderung der dringendsten Not gedacht ist.«

Während der Butler noch sprach, überreichte, er dem Mann einen Briefumschlag, in dem sich eine ansehnliche Summe befand.

Der Familienvater war den Tränen nahe, bedankte sich bei allen Heiligen, an die er sich im Moment erinnern konnte, wollte Parker die Hand küssen und versprach Gebete für Mylady. Als er die Banknoten im Briefumschlag durchgeblättert hatte, bemächtigte er sich auch noch der linken Hand des Butlers, die er mit Küssen bedecken wollte.

»Vielleicht später mal«, sagte Parker hastig und entzog dem Mann die Hand. »Sind Sie bisher die einzige Familie, die man aus der Wohnung gewiesen hat?«

Der Familienvater schüttelte den Kopf und bediente den Butler mit Details.

Aus ihnen ging hervor, daß die Wohnungsgesellschaft ungewöhnlich rigoros war und bereits mehr als sechs Familien an die frische Luft befördert hatte. In allen Fällen hatten Schläger die Wohnungseinrichtungen zerschlagen und durch die Fenster auf die Straßen geworfen.

»Es handelt sich um die Corrado-Baugesellschaft?« erkundigte sich Parker weiter.

»Dieser feine Herr läßt sich selbst nie sehen.« Der Mann spuckte verächtlich aus und hätte um ein Haar Parkers Schuhspitze getroffen.

»Sie wissen, wo er wohnt?«

»In einer tollen Dachgartenwohnung«, war die erfreulich präzise und prompte Antwort. »Genau über den Büros seiner Firma. An der Piazza Minerva. Sein Badezimmer soll größer sein als unsere ganze Wohnung war.«

»Man behauptet gerüchteweise, Signor Corrado soll mit der Mafia in Verbindung stehen.«

Der geplagte Familienvater senkte schleunigst den Blick und wußte plötzlich nichts mehr zu sagen.

Parker genügte das aber als Antwort. Er drang nicht weiter in den Mann ein. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und verließ das uralte, brüchige Haus. Von der Straße aus hörte er das begeisterte Gebrüll der Familie, die wahrscheinlich die Banknoten zählte.

*

Die Firmenräume der Corrado-Wohngesellschaft befanden sich in einem alten Palazzo, den man in Büros umgestaltet hatte. Ein diskretes Bronzeschild neben dem Eingang wies auf die Gesellschaft hin. Ein Portier in der Aufmachung eines Flottenadmirals zuckte mit keiner Wimper, als Josuah Parker auf den Eingang zuschritt. Er grüßte und beeilte sich, Parker die Tür zu öffnen.

Im Erdgeschoß gab es eine Art Riesenhalle, in der man mittelgroße Sportveranstaltungen hätte durchführen können. Diese Halle war in einzelne Bürokabinen unterteilt worden, in der Interessenten ihre Absichten und Wünsche vortrugen.

Die Geschäfte der Corrado-Wohn- und Baugesellschaft gingen gut, wie deutlich zu sehen war. Alle Glasboxen waren mit Kunden besetzt, die sich mit Sachbearbeitern unterhielten. An den Wänden entlang gab es lange Bänke, die dicht besetzt waren.

Parker hielt sich erst gar nicht mit Kleinigkeiten auf. Er lustwandelte würdevoll in Richtung einer Doppelbox, deren Tür die Aufschrift »Generalmanager« trug.

Er trat ein, ohne den Knöchel seines Zeigefingers zu benutzen. Der Mann hinter einem großen Schreibtisch sah empört und unwillig hoch, als Parker eintrat. Dann änderte sich blitzschnell der Ausdruck seines Gesichtes. Er sah sich immerhin einem offensichtlich hochherrschaftlichen Butler gegenüber. Und das roch nach Geld.

»Ich bin der Butler der Herzogin von Clanfield«, stellte Parker sich vor und lüftete seine schwarze Melone. »Die Herzogin wünscht den alsbaldigen Ankauf einer mittelgroßen Penthouse-Wohnung von etwa 250 Quadratmeter. Im Herzen dieser Stadt gelegen. Man sagte mir, Ihre Gesellschaft sei hinreichend leistungsfähig.«

»Man hat Ihnen die richtige Gesellschaft genannt. Ich werde Sie zu Signor Olbia führen. Er vermittelt Projekte dieser Größe. Signor Olbia …«

»Keine langen Erklärungen, wenn ich bitten darf«, unterbrach Parker die respektvollen Äußerungen. »Veranlassen Sie, daß Signor Olbia herunterkommt! Er ist der Sekretär Mister Corrados?«

»Quasi seine rechte Hand.«

»Also, wenn ich dann bitten darf.«

Parker konnte ungemein abweisend und britisch sein, wenn es sein mußte.

»Darf ich Sie bitten, mir zu folgen? Ich werde Sie direkt zu Signor Olbia bringen.«

»Ich soll mich zu diesem Sekretär bemühen?« reagierte Parker ungemein verwundert. »Nun, man soll sich provinziellen Sitten anpassen. Bitte.«

Er folgte dem eilig vorantänzelnden Mann in einen langen, kühlen und marmorverkleideten Korridor. Sie blieben vor einem nachträglich eingebauten, modernen Lift stehen.

»Ein Privatlift«, kommentierte der eifrige Mann. »Nur für unsere Sonderkunden.«

Parker nickte huldvoll und betrat den Lift. Dann ging er nach oben. Im vierten Stock hielt der Aufzug. Parker betrat eine kleine Halle, die mit knöchelhohen Teppichen ausgelegt war. Weihevolle Ruhe herrschte hier.

Die Bewegungen des Mannes wurden immer ehrfürchtiger. Er hüstelte nervös und bat Parker, sich einen Moment zu gedulden. Wogegen Parker im Grund nichts hatte, wenn er auch ungnädig die Stirn runzelte.

Der Mann verschwand in einem kleinen Korridor.

Parker befaßte sich sofort mit dem Schloß, das zur Lifttür gehörte, und vor allen Dingen mit dem Schlüssel, den der Mann hatte stecken lassen.

Josuah Parker, mit allen Wassern gewaschen, zog aus einer seiner vielen Westentaschen ein Schächtelchen, das an ein Streichholzetui erinnerte. Er klappte es auf und nahm von beiden Seiten des flachen Schlüssels einen Abdruck. In dem Schächtelchen befand sich nämlich für solche Zwecke eine stets bereite Plastikmasse. Als der Mann zurücktänzelte, hatte Parker seine schnelle Arbeit bereits erledigt.

»Signor Olbia ist es eine Ehre, Sie zu empfangen«, meldete der eilfertige Mann und dienerte wieder voran. Parker folgte würdevoll und sah sich dann wenige Sekunden später einem Mann gegenüber, der an einen römischen Gott erinnerte.

An diesem jungen Mann war einfach alles klassisch: Schnitt des Gesichts, die Figur, die breiten Schultern, die schmalen Hüften eines Schwimmers und die Harmonie der gesamten Erscheinung. Dieser römische junge Gott trug einen leichten, dezenten Anzug und strahlte den Butler aus dunklen Augen verbindlich und erwartungsvoll an.

»Olbia«, stellte er sich vor, während Parkers Begleiter höflich abwartend an der Tür zurückblieb. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«

»Nichts«, gab Parker zurück. »Das überlassen Sie besser meiner bescheidenen Wenigkeit.«

Parker hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er dem jungen römischen Gott eine knallharte Ohrfeige verabreichte.

*

»Ich hoffe sehr, die richtige Adresse gewählt zu haben«, stellte der Butler dann fest und brachte die Schieflage des Kopfes seines Gegenübers durch eine zweite Ohrfeige wieder in die richtige Normalstellung. »Lady Simpson schätzt es nämlich gar nicht, wenn man ihre Dispositionen stört.«

Olbia hielt sich beide. Wangen und war total verunsichert.

Der Mann an der Tür hingegen reagierte bereits. Er preschte auf den Butler zu und wollte ihn aus dem Verkehr ziehen, was er besser erst gar nicht versucht hätte.

Parker bremste den Ansturm durch das Hochnehmen seines Universal-Regenschirms.

Der Anstürmende rannte genau in die Spitze des Schirms und zeigte dabei und kurz danach gewisse Konditionsschwächen. Er schnappte nach Luft, hielt sich die Magenpartie und wurde weiß in der Umgebung seiner Nase.

»Was soll denn das?« erkundigte sich inzwischen der junge römische Gott fassungslos. Olbia dachte nicht im Traum daran, Parker anzugreifen. Er starrte nur den Butler an und wirkte etwas wehleidig.

»Seitdem Mylady und meine bescheidene Wenigkeit den Verlauf einer ungewöhnlichen Wohnungsräumung durch Angestellte Ihrer Gesellschaft leicht abänderten, wird Mylady auf eine geradezu peinliche Art und Weise belästigt«, fügte der Butler als weitere Erklärung hinzu. »Sie verbittet sich solche ungehörigen Anpöbeleien, um es mal deutlich und auch ein wenig vulgär auszudrücken.«

»Ich verstehe nicht!« gab Olbia weinerlich zurück.

»Der Hausverwalter Belluno kann mit näheren Hinweisen dienen«, redete Parker gemessen weiter. »Enthalten Sie sich also in Zukunft weiterer Belästigungen, sonst könnte Mylady ausgesprochen unwirsch werden.«

»Belluno? Dann sind Sie …«

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Jetzt möchte ich Signor Corrado meinen Besuch abstatten.«

»Signor Corrado ist in Ostia, in seinem Landhaus«, war die prompte und daher wohl auch richtige Antwort. Der junge Gott hatte sich endlich gefaßt und richtete sich auf. »Verlassen Sie sofort mein Büro! Gehen Sie, bevor ich wütend werde!«

»Begleiten Sie mich!«

Signor Olbia schluckte vor Aufregung, als er den Butler aus dem Büro geleitete. Er kümmerte sich dabei überhaupt nicht um seinen Mitarbeiter, der sich stöhnend den Magen rieb und in einem der üppigen Besuchersessel saß.

Parker ließ sich von Olbia hinunter ins Erdgeschoß bringen. Er wollte damit allem Ärger aus dem Weg gehen und zusätzlich feststellen, auf welchen Wegen man noch dessen Palazzo betreten und verlassen konnte.

Seine Vermutung erwies sich als richtig.

Corrado hatte sich den Lift für seine ganz privaten Belange in das Haus einbauen lassen. Er konnte den Palazzo und damit auch seine Dachgartenwohnung von einer schmalen, sehr ruhigen Seitenstraße aus betreten und mit dem Lift dann in seine Wohnung gelangen.

»Meine Empfehlung an Signor Corrado«, sagte Parker, als er die Seitenstraße betrat. »Sie gilt auch für Signor Grado und dessen Neffen Pesaro. Mylady wünscht keine weiteren Belästigungen, um das noch mal deutlich zu wiederholen. Sie können jetzt wieder hinauf in Ihr Büro fahren.«

»Sehr wohl, Sir«, erwiderte der Sekretär und knickte vor Demut und Eifer zusammen. Dann erst merkte er, daß seine Unterwürfigkeit eigentlich nicht ganz angebracht war. Er warf sich wieder in seine klassische Brust.

»Dafür werden Sie noch büßen«, rief er Parker zu, während er hinter der sich schließenden Tür Deckung nahm. »Sie ahnen ja nicht, wozu wir fähig sind!«

Josuah Parker verzichtete auf eine Antwort. Er hatte, was er brauchte, nämlich den Schlüssel zum Lift. Er wußte, daß Signor Corrado nicht in der Stadt war. Daraus ließ sich einiges machen. Und Parker hatte auch schon feste Vorstellungen. Wenn es darum ging, Retourkutschen zu fahren, hatte er bisher immer viel Phantasie an den Tag gelegt.

*

Als sie zurück ins Hotel kamen, wurden Josuah Parker, Agatha Simpson und Kathy Porter vom Direktor des Hauses abgefangen. Er bat sie in sein Büro und wirkte dabei ungemein verlegen. Er schwitzte vor Aufregung und tupfte sich mit dem Taschentuch dicke Schweißperlen von der Stirn.

»Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, Mylady«, sagte der schmale, nervöse Mann, den Agatha Simpson schon seit einigen Jahren kannte. Sie war bisher immer in diesem Hotel abgestiegen, wenn sie Rom einen Besuch abgestattet hatte.

»Sie werden unter Druck gesetzt, junger Mann?« forschte die Engländerin, die bereits verstanden hatte.

»So in etwa, Lady Simpson«, erwiderte der Mann erleichtert, »nicht direkt, aber …«

»Die Mafia hat sich bei Ihnen gemeldet?« Parker schaltete sich ein.

»Aber nein. Ganz gewiß nicht! Wie können Sie so etwas behaupten? Die Mafia? Sie existiert doch nur in Filmen.«

»Man verlangte von Ihnen, daß Sie Mylady die Suite kündigen, ist es das?«

Statt zu antworten, nickte der Hoteldirektor nur.

»Für den Fall einer Weigerung will man Ihr Hotel in eine Wüste verwandeln.«

»Ich bin bestürzt! Das alles ist mir so schrecklich peinlich.«

»Mister Parker wird die Rechnung begleichen«, entschied Lady Simpson. »Wir wollen Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten, junger Mann. Ich habe vollstes Verständnis für Ihre Lage.«

»Mylady verstehen meine Situation?« Der Hoteldirektor strahlte seinen Gast an.

»Wir werden Rom ohnehin verlassen«, redete Agatha Simpson weiter, die mit ihrem Butler einen schnellen Blick tauschte. »Hier ist es uns zu unsicher geworden.«

»Ein guter Entschluß«, stellte der Hoteldirektor erleichtert fest. »Ich kann und darf mich zu diesem Thema nicht weiter äußern, aber ich bin froh. Sie werden Italien verlassen?«

»Auf dem schnellsten Weg«, versicherte die Detektivin, »wir werden in Genua ein Schiff nehmen.«

»Warum fliegen Sie nicht?« erkundigte sich der Hoteldirektor hilfsbereit und auch irgendwie warnend. »Warum wollen Sie den weiten Weg bis nach Genua nehmen?«

»Was meinen Sie dazu, Mister Parker?« Lady Simpson wandte sich an den Butler.

»Ihren Wagen könnten Sie doch später nachkommen lassen«, schlug der Hoteldirektor vor. »Wenn Sie erlauben, werde ich alle notwendigen Formalitäten erledigen. Sie können sich da ganz auf mich verlassen.«

»Ist die Lage derart ernst?« fragte Agatha Simpson den Hoteldirektor jetzt rundheraus.

»Noch ernster, Mylady«, erwiderte der Mann leise und sah dabei unwillkürlich zur Tür hinüber. »Sie und ihre Begleitung befinden sich in akuter Lebensgefahr! Aber bitte, ich will nichts gesagt haben. Das ist nur eine Vermutung.«

»Soll ich Polizeischutz anfordern?«

»Das wäre sinnlos, Mylady«, versicherte der Hoteldirektor, wobei sich ein verächtlicher Zug um seinen Mund stahl. »Die Polizei wüßte zudem nicht, wie sie Sie beschützen sollte. Bitte, nehmen Sie eine der nächsten Maschinen!«

»Buchen Sie drei Plätze nach London«, erklärte Agatha Simpson entschlossen. »Man soll das Schicksal nicht unnötig herausfordern. Vielen Dank für Ihren Rat, Signor!«

*

Anderthalb Stunden später befanden sie sich bereits auf dem großen Zentralflughafen Fiumicino und warteten auf den Abruf ihrer Maschine. Der Hoteldirektor hatte es in Rekordzeit geschafft, noch drei Plätze für London zu buchen.

Parker war fest davon überzeugt, daß ihre Fahrt zum Flughafen beobachtet worden war. Wahrscheinlich hatte sogar der Hoteldirektor irgendeinen Repräsentanten der Mafia informiert, was man diesem Mann noch nicht mal übelnehmen durfte. Er blieb schließlich in Rom zurück und hatte sich mit den Mafiosi zu arrangieren.

Agatha Simpson befand sich in einem Raum, der für VIP’s reserviert war, für »very important persons« also, um deren Wohlergehen die Fluggesellschaften besonders bemüht waren. Sie hatten nur wenig Gepäck mitgenommen. Es sollte der deutliche Eindruck entstehen, daß die ältere Dame es nun doch mit der Angst zu tun bekommen hatte.

Doch genau das Gegenteil war der Fall.

Innerlich glühte Mylady vor Eifer und Tatendrang. Sie dachte nicht im Traum daran, sich den Mafiosi zu beugen. Sie hatte noch ihre umfangreiche Rechnung zu begleichen.

Parker hatte den reservierten Raum verlassen und sichtete die Flugreisenden in der großen Halle. Es war später Nachmittag, doch die Halle war gut besucht. Wer von all diesen vielen Leuten zur Mafia gehörte, war unmöglich zu erkennen.

Josuah Parker brauchte nicht lange zu warten, bis die Gegenseite sich meldete.

Bruno Pesaro erschien auf der Bildfläche, elegant und gelackt wie üblich. Er wurde von seinen beiden Schlägern begleitet, die achtungsvoll hinter ihm hermarschierten.

»Sie verreisen?« erkundigte sich der gute Bruno süffisant.

»Lady Simpson hat neu disponiert«, gab Parker zurück.

»Sehr klug«, stellte Bruno Pesaro fest, »aber da wäre noch eine bestimmte Sache zu regeln.«

»Genügt es der Mafia nicht, Mylady aus Rom zu vertreiben?« fragte Parker gemessen. Er, Bruno und die beiden Schläger standen höflich beisammen. Ein unbeteiligter Zuschauer hätte nie Verdacht geschöpft.

»Tausend Pfund«, sagte Bruno Pesaro. »Es geht uns nicht um das Geld. Für uns ist das eine Frage des Prinzips.«

»Sie verdoppeln die Summe?«

»Für Lady Simpson ist das eine Bagatelle«, stellte Bruno Pesaro lächelnd fest. »Wie gesagt, es geht uns um das Prinzip.«

»Wohin kann ich die Summe überweisen?« wollte der Butler wissen.

»Sie ist zahlbar noch vor dem Abflug. Wir haben hier Bankfilialen, Mister Parker.«

»Lady Simpson ist manchmal etwas, sagen wir halsstarrig.«

»Dann werden Sie sie überreden, Mister Parker. Ohne Bargeld werden Sie kaum abfliegen können. Sie haben noch etwa zwanzig Minuten Zeit.«

»Ich werde sofort mit Mylady sprechen.«

»Für die nächsten zwei Jahre wünschen wir Sie nicht mehr in Rom zu sehen.«

»Besuchersperre?«

»Sie sagen es, Mister Parker.«

Butler Parker nickte, deutete eine knappe Verbeugung an und verschwand dann im Raum, der den »VIP’s« vorbehalten war. Agatha Simpson sah ihn erwartungsvoll an.

»Hat die Mafia sich gemeldet?« fragte sie.

»In der Tat, Mylady«, gab Parker zurück, »die Dinge nehmen den gewünschten Verlauf. Man scheint inzwischen davon überzeugt zu sein, daß Mylady sich fürchtet.«

»Und wie!« Agatha Simpson strahlte ihre scheue Gesellschafterin an. »Fühlen Sie sich auch so angeregt, Kindchen? Ich könnte Bäume ausreißen!«

*

Als die Maschine in Mailand eine Zwischenlandung machte, verließen Agatha Simpson, Parker und Kathy Porter den Jet und verzichteten auf den weiteren Flug.

Parker war sicher, daß sie hier in der oberitalienischen Metropole nicht mehr beobachtet wurden.

Die Zahlung der 1000 Pfund mußte die Mafiosi davon überzeugt haben, daß Agatha Simpson es mit ihrem Abflug ernst gemeint hatte. Parker hatte diese Summe tatsächlich an Bruno Pesaro weitergereicht, der das Geld mehr als gönnerhaft in Empfang genommen hatte.

Josuah Parker brauchte nur eine knappe halbe Stunde, um den Rückflug nach Rom zu ordern.

Bei dieser Gelegenheit zeigte sich wieder mal, daß Lady Simpson wie selbstverständlich über jede beliebige Summe verfügte. Parker nahm also Kontakt mit einer kleinen privaten Fluglinie auf, die sich auf Zubringerdienste spezialisiert hatte, und mietete eine Cessna. Seine Bedingung war, daß die Landung in Rom nicht auf dem Zentralflugplatz erfolgte, sondern auf einem kleinen Sportflugplatz. Diese Bedingung ließ sich von der Privatgesellschaft leicht erfüllen. Solch einen Kleinflugplatz gab es östlich der Stadt.

Nach einer Stunde saß das bemerkenswerte Trio also schon wieder in einer anderen Maschine und nahm Kurs zurück auf Rom. Eine Agatha Simpson ließ sich nicht aus einer Stadt vertreiben!

Während des Flugs setzte Parker Mylady seine Pläne auseinander. Sie zeichneten sich durch Einfachheit und Witz aus. Die Engländerin war voll und ganz zufrieden, als der Butler geendet hatte.

»Mylady billigen also meine bescheidenen Pläne?« vergewisserte sich Parker.

»Sie haben nur eine winzige Kleinigkeit vergessen«, stellte Agatha Simpson fest.

»Mylady!« Parker fühlte bereits einen leichten Krampf in der Magengegend.

»Die Tatsache nämlich, daß ich mich äußerst angeregt fühle«, führte die Sechzigjährige weiter aus.

»Aber Mylady!« protestierte Kathy Porter prompt und zog automatisch ein sehr besorgtes Gesicht. Sie ahnte bereits im vorhinein, was jetzt kam.

»Papperlapapp«, wischte Agatha Simpson jeden weiteren Einwand fort. »Ich werde mir doch dieses Schauspiel nicht entgehen lassen, Kindchen. Warum sollte ich auf dieses Vergnügen verzichten? Wollen Sie mir denn jede Freude nehmen?«

*

Es ging auf einundzwanzig Uhr zu. Rom platzte aus allen Nähten.

Die Tageshitze hatte sich ein wenig gelegt, ein Hauch frischer Luft wehte durch die Stadt und spornte die Bewohner zur Aktivität an. Auch Parker beteiligte sich.

Er hatte Agatha Simpson und Kathy Porter sicherheitshalber in einem kleinen Hotel am Rand der Stadt zurückgelassen und kam gerade von einem Mechaniker, der für ihn einen Schlüssel angefertigt hatte. Der entsprach genau dem Abdruck, den Parker im Palazzo Signor Corrados genommen hatte.

Der Mechaniker hatte erstklassige Arbeit geliefert und war dementsprechend belohnt worden. Von diesem Mann hatte sich Parker außerdem die Adresse eines Mannes geben lassen, der Gelegenheitsarbeiten aller Art ausführte.

Diesen Italiener suchte Parker auf. Er fand ihn in einer kleinen Kneipe vor einem Bartresen. Es handelte sich um einen Mann, der nicht größer war als ein Jockey, schmal und sehnig. Er musterte den Butler mißtrauisch, ließ sich aber vom Tresen weglocken und vor dem Lokal in ein Gespräch verwickeln.

Parker hatte den Mann, der sich Luigi nannte, schnell eingeschätzt. Diesem Luigi konnte man unmöglich etwas vormachen. Er schien mit allen bekannten Wassern gewaschen zu sein.

Er hörte sich Parkers Wünsche schweigend an und zuckte auch dann nicht zusammen, als das Wort »Mafia« fiel.

»Es hätte keinen Sinn, Ihnen die Mafia zu unterschlagen«, stellte der Butler fest.

»Bestimmt nicht«, gab Luigi zurück. »Hört sich gut an, was Sie da Vorschlägen.«

»Die Arbeit dürfte nicht ganz ungefährlich sein«, warnte der Butler.

»Über eine Gefahrenzulage werden wir noch reden müssen«, lautete Luigis Antwort. »Billig bin ich nicht. Dafür liefere ich aber erstklassige Arbeit.«

»Davon hörte ich.«

»Werden Sie mitkommen?« Luigi sah den Butler verschmitzt-mißtrauisch an.

»Das ist selbstverständlich«, entgegnete Josuah Parker würdevoll. »Ich werde mich sogar mit Vergnügen an diesem Unternehmen beteiligen. Es liegt jetzt in Ihrer Hand, meine Absichten zu verraten. Vielleicht zahlt die Mafia mehr.«

»Die Mafia kann mich«, behauptete Luigi. »Für das wirklich arme Volk ist sie nie da. Wir werden noch zwei weitere Männer brauchen, denn die Sache muß schnell über die Bühne gehen.«

»Ich höre deutlich heraus, daß Sie ein Fachmann sind, Signore.«

»Man hat so seine Erfahrungen«, sagte Luigi. »Sprechen wir vom Geld, Signore. Umsonst ist der Tod! Und der ist noch teuer genug.«

Sie sprachen also über die Bezahlung und hatten sich bald geeinigt. Ebenfalls über den Zeitpunkt der Aktion und über den Treffpunkt in der Stadt. Als Parker sich von Luigi verabschiedete, hatte er das sichere Gefühl, einen wertvollen Mitarbeiter gewonnen zu haben. Seine Ehrlichkeit zahlte sich aus. Luigi hätte ihm einen noch so gekonnt vorgetragenen Schwindel wohl kaum abgenommen.

*

Es ging auf 22.30 Uhr zu.

Lady Simpson saß im Fond eines von Parker gemieteten Wagens und nickte ihrer Gesellschafterin erwartungsvoll zu. Parker war gerade zusammen mit drei Männern im Palazzo verschwunden, nachdem er das Schloß zur Seitentür innerhalb weniger Sekunden mit eigenen Mitteln geöffnet hatte.

Der Palazzo machte einen verlassenen Eindruck. Auch oben im Penthouse brannte kein Licht.

»Ein immer wieder bemerkenswerter Mann, dieser Mister Parker«, stellte Agatha Simpson versonnen fest.

»Wenn er nur nicht in eine Falle geraten ist«, unkte Kathy Porter. »Seine Offenheit ist schon lebensgefährlich.«

»Sie entwaffnet«, meinte Lady lächelnd. »Kommen Sie, Kindchen, es wird Zeit. Wir wollen uns das Schauspiel doch nicht entgehen lassen. Das dort muß die Tür zum Garten sein.«

Agatha Simpson und ihre Gesellschafterin stiegen aus dem Mietwagen und gingen zu einer schmalen Mauerpforte, die Parker für sie bereits geöffnet hatte. Sie ließ sich geräuschlos aufschieben.

Kathy Porter schlüpfte in den üppig blühenden Garten hinter dem Palazzo und übernahm die Führung. Erstaunlicherweise verwandelte sie sich augenblicklich in ein geschmeidiges Tier, dem nichts mehr von Scheu oder Besorgnis anhaftete. Sie glich jetzt einer Pantherkatze, die ihr Opfer beschleicht.

Agatha Simpson folgte ihrer Gesellschafterin wie selbstverständlich. Sie wußte aus einschlägiger Erfahrung, wie sehr sie sich auf Kathy Porter verlassen konnte.

Der kleine Garten auf der Rückseite des Palazzo wurde nur vom Widerschein der umliegenden Reklamebeleuchtungen erhellt. Dennoch waren alle Einzelheiten gut zu erkennen.

Es gab gepflegte Beete und kleine Rasenflächen. Und es war da eine Art Teehäuschen, das sich gegen die efeubedeckte Brandmauer eines anderen Hauses anlehnte.

»Wie für uns geschaffen«, flüsterte Agatha Simpson und marschierte auf das kleine Haus zu. »Logenplatz! Das Spiel, Kindchen, kann beginnen.«

*

Parker atmete auf, als er die Einrichtung des Penthouse aus nächster Nähe studieren konnte.

Erfreulicherweise gab es in diesem Fall keine Möbel von historischem Wert. Signor Corrado war ganz offensichtlich ein Anhänger des Plexiglasstils. Seine Wohnung erinnerte, was die Ausstattung anbetraf, an eine moderne Schaltzentrale. Plexiglas herrschte vor, daraus bestanden die Sitzmöbel, die Schrankwände und auch die beiden Schlafzimmereinrichtungen. Weiße Zottelteppiche bedeckten die Böden. Die Bilder an den Wänden waren abstrakt und paßten zum Interieur.

Parker und die drei von ihm angeheuerten Mitarbeiter waren mit dem Lift ohne jede Schwierigkeit hinauf in die Dachgartenwohnung gelangt. Parkers Vorarbeit hinsichtlich des Liftschlüssels hatte sich durchaus gelohnt.

»Sollen wir?« erkundigte sich Luigi bei Parker.

»Dem steht nichts im Weg«, gab der Butler gemessen zurück. »Ich darf Sie aber noch mal bitten, keine sogenannten Eigentumsübertragungen vorzunehmen, damit der Tatbestand des Diebstahls nicht gegeben ist.«

»Wir werden uns dran halten«, versprach Luigi und nickte seinen beiden Handlangern zu.

Sie waren stämmige Burschen, die zuzugreifen verstanden, und machten sich ohne jede Hast an die Arbeit. Sie öffneten die bis zum Boden reichenden Fenster und schufen sich einen bequemen Durchgang hinaus auf die Dachterrasse. Anschließend beluden sie sich mit den Möbeln und kippten sie ungeniert nach unten in den Garten des Palazzo.

Parker und Luigi hatten sich am Geländer des Dachgartens aufgebaut und schauten interessiert zu.

»Corrado wird schäumen vor Wut«, stellte Luigi fest, als gerade ein imposanter Plexiglas-Schreibtisch nach unten in die Tiefe sauste, wo er auf dem Rasen zerschellte.

»Er wird am eigenen Leib spüren, wie bitter es ist, wenn seine Einrichtung auf diese Art und Weise aus der Wohnung entfernt wird«, gab der Butler gemessen zurück. »Warum soll ich Signor Corrado anders behandeln? Er hat schließlich diese Methode erfunden.«

Luigi hatte sich eine Zigarette angezündet und ließ den Butler allein am Geländer zurück. Der Italiener wies seine beiden Mitarbeiter an, welche Möbel in welcher Reihenfolge nach unten geschickt wurden.

Parker bewunderte die Arbeitskraft und die Begeisterung der beiden Handlanger.

Nach dem Schreibtisch ließen sie nicht unübel geformte Sitzmöbel in die Tiefe flattern. Dann folgten Beistelltische, Wandregale und Porzellan. Zwischendurch ließen sie eine Sitzgruppe regnen und garnierten sie mit einem riesigen Teppich, der wie eine Superfledermaus nach unten segelte.

Parker fühlte sich nicht als Vandale. Ihm ging es darum, diesem Corrado nachdrücklich zu demonstrieren, wie seine Handlanger draußen in der Vorstadt im Falle des Familienvaters gearbeitet hatten. Einem Mann wie diesem Corrado konnte man das nur durch einen harten Vergleich beibringen.

Die Arbeit der beiden Räumungsexperten dauerte nicht länger als eine Viertelstunde. Dann war die Dachgartenwohnung leer und machte einen verwaisten Eindruck. Selbst die ovale Badewanne aus Plexiglas befand sich unten auf dem Abfall.

Luigi näherte sich stolz seinem Auftraggeber.

»Eine anerkennenswerte Arbeit«, lobte Parker, »Sie haben meine Erwartungen voll und ganz erfüllt.«

»Wie wäre es denn jetzt mit den Büroräumen?« erkundigte sich Luigi unternehmungslustig. »Meine Leute haben sich gerade warm gearbeitet.«

»Eine ausgezeichnete Idee«, stellte Parker fest, »aber wir wollen die Dinge nicht überziehen. Ich fürchte, daß das Zersplittern der Einrichtungsgegenstände nicht überhört wurde.«

»Schade, wir hätten das kostenlos getan.« Luigi meinte es ernst.

»Die Vorsicht gebietet den Rückzug«, erklärte Parker, »aber ich komme zu einem späteren Zeitpunkt gern noch mal auf Ihr Angebot zurück.«

Sie fuhren einträchtig hinunter und sahen sich das Ergebnis ihrer Räumungsarbeit im Hof des Palazzo an.

Ein mächtiger Trümmerberg bedeckte den gepflegten Rasen. Die Plexiglasmöbel hatten sich ineinander verkeilt, waren zum Teil zersplittert oder verbogen. Kurz, Signor Corrado hatte vergleichsweise den gleichen Schaden erlitten wie der Familienvater in der Vorstadt.

»Wurden Myladys Erwartungen erfüllt?« erkundigte sich Parker später, als er den Mietwagen durch die Innenstadt lenkte. Er hatte sich von Luigi und seinen Mitarbeitern getrennt.

»Corrado wird toben«, stellte die Engländerin zufrieden fest. »Vielleicht lernt er jetzt etwas dazu. Die Nacht hat übrigens gerade erst richtig begonnen, Mister Parker. Haben Sie noch besondere Vorschläge, wie wir sie weiter nutzen können?«

»Signor Luigi konnte meiner bescheidenen Wenigkeit mit einem recht interessanten Hinweis dienen, Mylady.«

»Spannen Sie mich nicht unnötig auf die Folter, Mister Parker!« Ihre Augen blitzten unternehmungslustig.

»Signor Luigi nannte mir die Adresse des Landhauses von Signor Corrado, Mylady.«

»Draußen in Ostia?«

»Am Lido, Mylady. Länger als eine halbe Stunde wird man für diese Strecke kaum brauchen.«

»Ein reizvoller Vorschlag«, meinte Agatha Simpson. »Sehen wir uns dieses Monstrum doch mal aus der Nähe an. Nach Ostia, Mister Parker!«