Ecclesia semper reformanda - Matthias Grammann - E-Book

Ecclesia semper reformanda E-Book

Matthias Grammann

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Theologie - Historische Theologie, Kirchengeschichte, Note: 1,3, Universität Münster (Katholisch-Theologische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Im Diskurs der Erforschung des Mittelalters spielt der Reformbegriff eine große Rolle. Man spricht von ‚Karolingischer Reform‘, ‚Klosterreform‘, ‚Reformpapsttum‘, ‚Reichsreform‘, ‚Kirchenreform‘ und Ähnlichem.1 Dabei ist ‚Reform‘ keinesfalls ein Schlagwort, das erst im historischen Rückblick entstanden ist. Der Begriff ‚reformatio‘ war im Ausklang des Mittelalters in aller Munde. Besonders laut wurde der Ruf nach einer grundlegenden Kirchenreform. In einer deutlich pathetischen Predigt zu Beginn des Konstanzer Konzil heißt es: „Wie notwendig die Reform der Kirche ist, weiß alle Welt, weiß der Klerus, weiß das ganze Christenvolk. Der Himmel, die Elemente, das Blut der täglich zugrunde gehenden Seelen, ja selbst die Steine rufen nach Reform.“2 Das 15. Jahrhundert, in dem das Konstanzer Konzil und die anderen sogenannten Reformkonzilien stattfanden, war in der Dichte der Forderungen nach Kirchenreform sicherlich einzigartig. So schreibt der Kommunikationswissenschaftler Ralf Bollmann: „Keine andere Epoche war so sehr von diesem Schlagwort [‚Reformatio‘, Anm. d. Autors] geprägt wie das 15. Jahrhundert.“3 [...] 1 Vgl. MIETHKE, Jürgen: Kirchenreform auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Motive – Methoden – Wirkungen. In: HELMRATH, Jürgen / MÜLLER, Heribert (Hg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. Bd. 1. München: Oldenbourg 1994. S.13-42. S. 14. 2 Matthias Röder in einer Predigt zu Beginn des Konstanzer Konzils. Zit. nach: BOLLMANN, Ralph: Reform. Ein deutscher Mythos. Berlin: wjs 2008. 3 BOLLMANN, Ralph: Reform. S. 13.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. „Reformatio“ - zur Begriffsgeschichte
2.1. Profane Entstehung
2.2. Biblischer und patristischer Sprachgebrauch
2.4. Theoretische Überlegungen zur Reformatio im Spätmittelalter
3. Das Große Abendländische Schisma und der Konziliarismus
4. Die De Squaloribus Curiae Romane des Matthäus von Krakau
4.1. Reformvorstellungen in De Squaloribus Curiae Romane
5. Das Konzil von Pisa
5.1. Weg zum Konzil und Verlauf
5.2. Reformarbeit auf dem Konzil von Pisa
6. Das Konzil von Konstanz.
6.1. Weg zum Konzil und Verlauf
6.2. Union oder Kirchenreform?
6.3. Die Reformarbeit des Konstanzer Konzils
6.3.1. Haec Sancta
6.3.2. Frequens
6.4. Die Verurteilungen von Wyclif und Hus
7. Das Konzil von Pavia/Siena
7.1. Weg zum Konzil und Verlauf
7.2. Reformprozesse in Pavia/Siena
8. Das Konzil von Basel
8.1. Weg zum Konzil und Verlauf
8.2. Reformarbeit in Basel.
8.2.1 De annatis
8.2.1.1. Die Annaten als Thema der Kirchenreform
8.2.1.2. Das Basler Dekret
8.2.2. Das Konzil von Basel als Zentrale der Ordensreform
9. Fazit
10. Literaturverzeichnis
10.1. Quellen
10.2. Sekundärliteratur

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1. Einleitung

1. Einleitung

Im Diskurs der Erforschung des Mittelalters spielt der Reformbegriff eine große Rolle. Man spricht von ‚Karolingischer Reform‘, ‚Klosterreform‘, ‚Reformpapsttum‘, ‚Reichs-reform‘, ‚Kirchenreform‘ und Ähnlichem.1

Dabei ist ‚Reform‘ keinesfalls ein Schlagwort, das erst im historischen Rückblick ent-standen ist. Der Begriff ‚reformatio‘ war im Ausklang des Mittelalters in aller Munde. Besonders laut wurde der Ruf nach einer grundlegenden Kirchenreform. In einer deutlich pathetischen Predigt zu Beginn des Konstanzer Konzil heißt es:

„Wie notwendig die Reform der Kirche ist, weiß alle Welt, weiß der Klerus, weiß das ganze Christenvolk. Der Himmel, die Elemente, das Blut der täglich zu-grunde gehenden Seelen, ja selbst die Steine rufen nach Reform.“2

Das 15. Jahrhundert, in dem das Konstanzer Konzil und die anderen sogenannten Reformkonzilien stattfanden, war in der Dichte der Forderungen nach Kirchenreform sicherlich einzigartig. So schreibt der Kommunikationswissenschaftler Ralf Bollmann: „Keine andere Epoche war so sehr von diesem Schlagwort [‚Reformatio‘, Anm. d.

Autors] geprägt wie das 15. Jahrhundert.“3

Aber mit so wenig konkreten Rufen nach Kirchenreform wie dem aus der Predigt aus Konstanz lässt sich zunächst wenig anfangen. Um einen Einblick in den Reformdiskurs des 15. Jahrhunderts zu gewinnen, muss zunächst gefragt werden, was damals mit diesem Begriff gemeint war. Es ist zu erwarten, dass er nicht synonym mit dem heutigen Reformbegriff verwendet werden kann.

Es stellt sich auch die Frage, welche Missstände an der Kirche kritisiert wurden und was das Ziel der Reformforderungen war. Welche „unbestimmten, aber weitgespannten Erwartungen und Hoffnungen“4, wie Eike Wolgast es schreibt, waren es,

1Vgl. MIETHKE, Jürgen: Kirchenreform auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Motive - Methoden

- Wirkungen. In: HELMRATH, Jürgen / MÜLLER, Heribert (Hg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. Bd. 1. München: Oldenbourg 1994. S.13-42. S. 14.

2Matthias Röder in einer Predigt zu Beginn des Konstanzer Konzils. Zit. nach: BOLLMANN, Ralph: Reform. Ein deutscher Mythos. Berlin: wjs 2008.

3BOLLMANN, Ralph: Reform. S. 13.

4WOLGAST, Eike: Reform, Reformation. In: BRUNNER, Otto / CONZE, Werner / KOSELLECK, Reinhart(Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Stuttgart: Klett-Cotta 2004. Bd. 5. S. 313-360. S. 321.

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1. Einleitung

die sich mit den Reformrufen verbanden? Welche Reformen wurden ‚nur‘ gefordert und welche wurden durchgeführt? Wer war verantwortlich dafür, Reformen anzugehen und voranzutreiben?

Und schließlich stellt sich die Frage, was am Ende vieler Reformbemühungen im Ausklang des 15. Jahrhunderts stand. Kann man in der historischen Rückschau von einer gelungenen Kirchenreform sprechen?

Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Dabei konzentriert sich die Quellenwahl auf Dokumente, die auf den sogenannten Reformkonzilien und in ihrem erweiterten Umfeld entstanden sind. Einerseits deshalb, weil die Quellenlage in diesem Bereich gut ist, andererseits, weil diese Konzilien sich vom Selbstverständnis her als Ort der Reform sahen. Das war durchaus erst einmal eine traditionelle Sichtweise. Konzilien waren schon lange Orte der Reform gewesen. Das Vierte Lateranum - ebenso wie das zweite Konzil von Lyon und das Konzil von Vienne

- war sogar explizit auch mit dem Ziel der Reform einberufen worden. Viele Konzilien hatten Reformdekrete erlassen.5

Die eigentliche Autorität der Reform war bis zum 15. Jahrhundert dennoch der Papst. Das entsprach seinem Amtsverständnis zumindest seit Beginn des sogenannten „Reformpapsttums“ in der Mitte des elften Jahrhunderts6, und das entsprach auch den Erwartungshaltungen vieler Christen. Im üblichen Fall arbeiteten Papst und Konzil sowohl in der ‚causa reformatoris‘ als auch sonst zusammen, wie das beispielsweise auf dem Konzil von Vienne geschah. „Ginge man lediglich von der Reformthematik aus“, so schreibt Johannes Helmrath, „so bestünde zwischen Vienne (1311) und Basel (1431) kaum ein Unterschied.“7

Aber das Verhältnis von Konzil und Papst änderte sich im Spätmittelalter drastisch. Das Große Abendländische Schisma hatte nicht nur die Reformbedürftigkeit der Kirche noch mehr in den Mittelpunkt gerückt, sondern auch das Papsttum geschwächt. Die

5Vgl. HELMRATH, Johannes: Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter. S. 43.

6Vgl. SCHWAIGER, Georg; Leipold, Heinrich: Papsttum. In: Theologische Realenzyklopädie. Berlin: de Gruyter 1995 Bd. 25. S. 647-695. S. 665f.

7HELMRATH, Johannes: Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte. Bd. 11. Sigmaringen: Thorbecke 1992. S. 43.

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1. Einleitung

‚via concilii‘ wurde zum einzigen Weg zur Wiederherstellung der Kirchenunion.8Die Konzilien gewannen an Bedeutung und Autorität, auch in Fragen der Kirchenreform, und stritten mit den Päpsten zum Teil erbittert um die Macht.

Um die Vorstellungen von Reform im 15. Jahrhundert nachzuzeichnen und die Reformprozesse darzustellen, soll zunächst ein Einblick in die Begriffsgeschichte der ‚reformatio‘ gegeben werden. In einem zweiten Schritt soll dann sowohl der historische Hintergrund des Großen Abendländischen Schismas wie auch der theoretische Hintergrund des Konziliarismus erklärt werden. Beide Schritte sind nötig, um in die Reformthematik des 15. Jahrhunderts einzusteigen.

Anhand einer chronologischen Analyse der Konzilien sollen ferner die Reformvorstellungen und die Reformarbeit der Zeit vorgestellt werden. Dabei sollen drei ausgewählte Konzilsdekrete (HaecSancta,undFrequensaus Konstanz, sowieDe annatisaus Basel) analysiert werden. Ihnen vorangestellt wird die ReformschriftDe squaloribus Curiae Romanedes Matthäus von Krakau, die zu Beginn des Jahrhunderts schon viele Entwicklungen vorzeichnet. Freilich kommen noch mehrere andere Stimmen von Zeitzeugen zu Wort, die aber nicht so detailliert dargestellt werden können.