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Wird sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen können?
FBI-Agentin Samantha Kennedy musste in den Händen eines Serienmörders Grauenhaftes erleben. Sie überlebte nur knapp und noch immer quälen sie die schrecklichen Erinnerungen an damals. Seitdem kann sie Menschen nur noch schwer an sich heranlassen. Als sie den erfolgreichen Unternehmer Max Ridgeway kennenlernt, schlägt sie dennoch alle Vorsicht in den Wind und verbringt eine heiße Nacht mit ihm. Doch dann wird Max' Stiefbruder entführt, und Samantha kommt einem Ring von Kidnappern auf die Spur.
Atemlose Spannung und prickelnde Liebesgeschichten - die Romantic-Suspense-Reihe von Bestseller-Autorin Cynthia Eden:
Band 1: Echo der Angst
Band 2: Echo der Vergangenheit
Band 3: Echo des Zorns
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 459
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Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Aus dem Nähkästchen geplaudert
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Epilog
Danksagung
Echo der Angst
Echo der Vergangenheit
Echo des Zorns
Dark Obsession – Watch me
Dark Obsession – Want me
Dark Obsession – Need me
Dark Obsession – Beware of me
Bound – Tödliche Erinnerung
Twisted – Riskante Wahrheit
Shattered – Dunkle Vergangenheit
Torn – Spiel mit dem Feuer
Taken – Eiskalte Jagd
Wrecked – Mörderische Spuren
Firebird – Glühende Dämmerung
Firebird – Lodernde Sehnsucht
Firebird – Flammende Erinnerung
Lust de LYX – Verführung des Blutes
Lust de LYX – Heißes Verlangen
Wird sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen können?
FBI-Agentin Samantha Kennedy musste in den Händen eines Serienmörders Grauenhaftes erleben. Sie überlebte nur knapp und noch immer quälen sie die schrecklichen Erinnerungen an damals. Seitdem kann sie Menschen nur noch schwer an sich heranlassen. Als sie den erfolgreichen Unternehmer Max Ridgeway kennenlernt, schlägt sie dennoch alle Vorsicht in den Wind und verbringt eine heiße Nacht mit ihm. Doch dann wird Max‘ Stiefbruder entführt, und Samantha kommt einem Ring von Kidnappern auf die Spur.
Atemlose Spannung und prickelnde Liebesgeschichten – die Romantic-Suspense-Reihe von Bestseller-Autorin Cynthia Eden:
Band 1: Echo der Angst
Band 2: Echo der Vergangenheit
Band 3: Echo des Zorns
eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.
New-York-Times-Bestsellerautorin Cynthia Eden schreibt düstere Romantic-Suspense- und sexy Paranormal-Romance-Romane. Sie hat Soziologie und Kommunikationswissenschaften studiert. Eden gehörte bereits dreimal zu den Finalisten des RITA® Award. Seit 2005 ist sie Vollzeitautorin und hat bislang über 70 Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht.
CYNTHIA EDEN
ECHO DES ZORNS
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2011 by Cindy Roussos
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Deadly Lies«
Originalverlag: Forever, Hachette Book Group USA, New York. Forever is an Imprint of Grand Central Publishing.
This edition published by arrangement with Grand Central Publishing, New York, NY, USA. All rights reserved.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2012/2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Oliver Hoffmann
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © LIGHTFIELD STUDIOS/AdobeStock; OGphoto/iStock; heibaihui/iStock
eBook-Erstellung: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-7517-2046-5
be-ebooks.de
lesejury.de
Dieses Buch ist für dich, Joan.
Danke, dass du spannende Geschichten magst und eine so großartige Freundin bist.
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie sich je gefragt, wie weit Sie gehen würden, um jemanden zu beschützen, den Sie lieben? Was würden Sie tun, wenn der Mensch, den Sie lieben, in Gefahr wäre?
Die Liebe kann Menschen zu verrückten und verzweifelten Dingen treiben … und sie mit Sicherheit auch dazu bringen, die Grenze zwischen Gut und Böse zu überschreiten.
Als ich Echo des Zorns schrieb, habe ich Charaktere erschaffen, für die sich diese Grenze zwischen Gut und Böse immer wieder verwischt.
Samantha »Sam« Kennedy haben Sie schon in Echo der Angst kennengelernt. Samantha ist durch die Hölle gegangen, und jetzt kämpft sie darum, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Sie weiß, wie das Böse aussieht und dass es sich hinter den unschuldigsten Gesichtern verbergen kann. Als Sam den Auftrag erhält, an einer Serie von Entführungen zu arbeiten, ist ihr klar, dass sie die ganze Zeit auf der Hut sein muss.
Aber als der Kidnapper den Bruder ihres Liebhabers verschleppt, ändern sich die Spielregeln. Sam versteht die Verzweiflung der Opfer nur zu gut und schwört, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Max Ridgeway bei der Suche nach seinem Bruder zu helfen.
Alles. Ja, Verzweiflung kann selbst in einer FBI-Agentin den Wunsch erwecken, die Gesetze zu übertreten. Zum Glück hat Sam viel Rückhalt – ihre Kollegen, die den Kidnappern ebenfalls auf der Spur sind und hartnäckig weiterermitteln werden, bis sie gefasst sind.
Ich habe es sehr genossen, meine SSD-Agenten in diesem Buch wieder aufleben zu lassen, und hoffe, auch Sie werden das Wiedersehen mit ihnen genießen.
Wenn Sie mehr über meine Bücher erfahren möchten, besuchen Sie www.cynthiaeden.com.
Viel Spaß beim Lesen!
Cynthia Eden
»Ich hatte gedacht, du wärst mehr wert«, brummte die tiefe Stimme leise. »Nach dem ganzen Theater hatte ich wirklich gedacht, du wärst mehr wert.«
Jeremy ruckte auf seinem Stuhl hin und her, aber das half ihm nicht. Das Klebeband, mit dem er an Armlehnen und Stuhlbeine gefesselt war, saß so eng, dass es in die Handgelenke schnitt. Die Augen hatte man ihm verbunden, sodass für ihn immer finstere Nacht war. Zigarettenrauch stieg ihm in die Nase.
»Lassen Sie mich gehen.« Seine Stimme klang rau. Seit wie vielen Stunden hatte er schon nichts mehr gegessen und getrunken? »Meine Familie … zahlt, egal wie viel.« Hauptsache, sie bekam ihn wieder.
Der andere lachte dröhnend und dreckig. »Nein, die will keinen Cent für dich zahlen.«
Jeremy hatte ein Gefühl, als habe sich ein Ring aus Eis um sein Herz gelegt. »Nein! Mein Vater … ich habe Ihnen doch gesagt, er ist …«
»Ein Idiot. Ich habe ihm Anweisungen gegeben, aber er hat sie einfach nicht befolgt, mein Junge.«
Jeremy hatte einen bitteren Geschmack im Mund. »N… nein!«
»Dabei habe ich gar nicht viel verlangt. Gerade mal vier Millionen. Vier Millionen!« Jeremy hörte Schritte von mehr als einer Person. Da war noch jemand.
»Dabei könnte er das locker aus der Portokasse bezahlen.« Die Stimme klang wütend.
Der Mann hatte recht. Seinem Vater gehörte die halbe Stadt. So viel Geld hatte er mit Sicherheit auf der Bank. Was sollte das? Jeremys Mund war furchtbar trocken. Er hatte immer wieder laut geschrien, aber niemand war gekommen.
Niemand hatte ihm geholfen.
»Dein Vater hält das Ganze für einen Witz.« Jeremy spürte, wie jemand seine Schulter berührte, und zuckte zusammen. Was kratzte ihn da? Fingernägel?
Etwas bohrte sich in seine Haut.
Ein Messer. »Lassen Sie mich mit ihm reden«, jammerte er. »Ich werde ihm erklären …«
Dass das kein Witz war. Dieses Messer war verdammt echt.
»Ich habe ihm gesagt, was er zu tun hat.« Die Stimme, die jetzt dicht an seinem Ohr flüsterte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. »Ich habe ihm gesagt, wohin er das Geld bringen soll. Alles habe ich ihm gesagt, und wenn er meine Anweisungen befolgt hätte, wärst du längst wieder zu Hause.«
Die Klinge schnitt in seine Schulter.
Jeremy nässte sich ein. »B… bitte …«
»Na, reicher Junge, ist das das erste Mal, dass du um etwas betteln musst?«
Jeremy nickte. Er wusste, dass unter seiner Augenbinde Tränen herausflossen. Er konnte sie nicht zurückhalten. Seine Angst war zu groß, denn er wusste plötzlich mit hundertprozentiger Sicherheit, dass sein Vater ihn einfach ins Gras beißen ließ.
Immer enttäuschst du mich, Junge. Noch einmal haue ich dich nicht raus. Beim nächsten Mal bist du auf dich allein gestellt.
Das waren die letzten Worte gewesen, die er von seinem Vater gehört hatte. Nun gut, er hatte Mist gebaut – hatte sich mit Hasch erwischen lassen. Aber hatte er das hier wirklich verdient?
»Lass mich nicht sterben«, bat er seinen Vater innerlich.
»Bettel doch noch ein bisschen.« Die Klinge bohrte sich tief in seine Schulter.
Jeremy bettelte. Bat und bettelte und versprach alles nur Denkbare, Hauptsache, der brennende Schmerz in seiner Schulter hörte auf. Er wollte heim.
»Ein Albtraum«, sagte er sich. »Nur ein Albtraum. Ich wache gleich auf, ich …«
Mit einem schmatzenden Geräusch glitt das Messer aus seiner Schulter. Jeremy schrie, sank zurück, doch die Klinge folgte ihm. Sie glitt an seinem Kinn entlang, seine Wange hinauf.
»Du wirst deinem Alten eine Botschaft von mir zukommen lassen.«
Jeremy schöpfte Hoffnung. Ja, ja! Er musste seinem Vater nur alles erklären. Das hier war kein Witz, wahrhaftig nicht. Sein Vater würde das begreifen. Dieser Dreckskerl würde sein Geld bekommen und Jeremy freilassen. »Ich sage, was Sie wollen. Ich …«
Die Klinge durchtrennte die Augenbinde.
Jeremy blinzelte ins Licht. Es war so hell.
»Du musst gar nichts sagen.«
Beim Klang der Stimme, die jetzt nicht mehr wisperte, blieb ihm fast das Herz stehen.
Der Mann beugte sich über ihn, das Messer in der Hand. Jetzt sah Jeremy auch die anderen, die langsam auf ihn zukamen.
Jeremy schüttelte den Kopf. »Nein …«
Der Mann stach ihm das Messer in den Oberarm und riss Haut und Fleisch von der Schulter bis zum Handgelenk auf.
Jeremy brüllte.
»Wir schicken ihm eine Nachricht.« Der Mann ging um ihn herum. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln, das nicht bis zu seinen Augen reichte. »Schauen wir mal, was dieser Idiot zu sagen hat, wenn er sieht, was von dir übrig ist.«
FBI-Agentin Sam Kennedy war durch die Hölle gegangen. Sie hatte dem Teufel in die Augen gesehen und sein Lachen gehört. Sie war gestorben, aber das Schicksal hatte gewollt, dass sie ins Leben zurückkehrte.
Jeremy Briar hatte das Schicksal diese Chance nicht gegeben.
Sam holte tief Luft. Es roch durchdringend nach Blut und Verwesung. Sie starrte auf den Leichnam, der mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Boden lag, direkt vor dem großen, schmiedeeisernen, schwarzen Tor.
Jeremys Augen standen offen. Irgendein Wahnsinniger hatte ihm die Lider weggeschnitten. Beide Arme waren von der Schulter bis zum Handgelenk aufgeschlitzt, und seine Kehle und sein Magen sahen wie zwei lächelnde, rote Münder aus.
Sam wandte den Blick ab. Nicht denken. Nicht fühlen.
Abrupt wandte sie sich von der Leiche ab und wäre dabei beinahe mit ihrem Boss, Keith Hyde, zusammengestoßen.
Sein Blick war nicht auf den Leichnam gerichtet, sondern auf sie. »Fühlen Sie sich der Sache gewachsen?«, fragte er und fixierte ihr Gesicht. Seine tiefe, volltönende Stimme verursachte ihr eine Gänsehaut.
Er fürchtete, sie könne versagen. Damit rechneten alle. Niemand traute ihr diese Arbeit noch zu.
Vielleicht würde sie es ja wirklich nicht schaffen.
Samantha schluckte. Sie gehörte der Serial Services Division an, kurz SSD, einer Eliteeinheit des FBI. Dafür hätten die meisten FBI-Agenten mit Freude ihre Seele verkauft. Ihr Team arbeitete ausschließlich daran, Serientäter aufzuspüren und festzunehmen. Die SSD verfügte über fast unbegrenzte Ressourcen, und Hyde musste sich niemandem gegenüber verantworten.
Sein Team. Sein Reich.
»Ich fühle mich allem gewachsen.« Das klang eher abwehrend, dabei hatte es doch bestimmt klingen sollen. Meine Güte. Hyde sah sie an, als müsse sie jeden Moment zusammenklappen. Hatte sie ihm denn in den letzten sechs Monaten nicht bewiesen, dass sie ihre Arbeit schaffte? Was erwartete er denn von ihr?
Im hellen Sonnenlicht wirkte Hydes milchkaffeefarbene Haut dunkler als sonst. So, wie er die Lippen zusammenpresste, war ihr klar, dass er ihr nicht glaubte.
Aber das war nichts Neues.
»Das habe ich schriftlich.« Jetzt, wo sie ärgerlich war, klang ihre Stimme gleich deutlich fester. Hinter ihr wartete ein Leichnam, und Hyde verschwendete kostbare Zeit damit, ihr blöde Fragen zu stellen.
»Ich weiß, die Psychologen behaupten, Sie könnten wieder arbeiten.« Er verschränkte die Arme. Nicht weit von ihnen entfernt übergab sich ein uniformierter Polizist gerade in die Büsche. Klasse. So viel zum Thema Tatortsicherung. Hyde sah sie abschätzend an. »Nur: An Fällen arbeiten und sie überleben sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.«
Er rechnete damit, dass sie zusammenklappte.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Samantha wies mit dem Daumen über ihre Schulter. »Sorgen Sie sich lieber um die Familie des armen Kerls.« Der Verwesungsgeruch war beinahe unerträglich. Am liebsten wäre sie davongelaufen.
Aber sie wusste, man konnte dem Tod nicht davonlaufen. Der Tod folgte einem überallhin, und sie verfolgte er sogar bis in ihre Träume.
»Er passt ins Muster«, fuhr Sam fort. Die Tatortspezialisten waren endlich da. Sam und Hyde traten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. »Beeilt euch«, dachteSam. Sie wusste, die Eltern des armen Kerls befanden sich im Haus. Sie hatte gesehen, wie sich die Gardine bewegt hatte, und wusste, dass sie auf die Überreste ihres Sohnes starrten und sich die Schuld an seinem Tod gaben.
»Jeremy Briar«, brummte sie. »Zweiundzwanzig, einziger Sohn von Kathleen und Morgan Briars. Man hat Jeremy zuletzt vor drei Tagen gesehen, in einer Gaststätte namens The Core ganz in der Nähe des Colleges.« Dann war er einfach verschwunden.
»Den Anruf mit der Lösegeldforderung erhielt sein Vater vierundzwanzig Stunden nach Jeremys Verschwinden«, ergänzte Hyde.
Sam wandte sich nicht noch einmal zu der Leiche um. Mit Leichen hatte sie ungern zu tun. Sie blieb lieber im Büro und jagte ihre Beute im Internet. Aber das konnte keine Dauerlösung sein. Sie musste beweisen, dass sie mit dieser Arbeit zurechtkam. Der Psychologe, den man ihr zugewiesen hatte, hatte verstanden, dass sie sich nicht länger hinter einem Schreibtisch verstecken wollte. Dank seiner Unterstützung war sie jetzt hier, doch wenn sie daran dachte, dass Jeremy in etwa ihr Alter hatte, hätte sie sich am liebsten in einem Mauseloch verkrochen.
Das Alter spielte keine Rolle, wenn der Tod anklopfte.
»Wieso hat der Vater nicht gezahlt?«, fragte Sam. Sie schirmte ihre Augen mit den Händen ab und musterte das riesengroße Haus, aus dem man locker vier hätte machen können. Der Vater hätte in der Lage sein müssen, solch einer Lösegeldforderung nachzukommen!
»Wie es aussieht, ist Jeremy ein paar Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, außerdem hat er einiges Geld bei Buchmachern gelassen. Mr Briar glaubte, sein Sohn würde die Entführung nur vortäuschen.«
Verdammt. Der Vater hatte die Lösegeldforderung nicht ernst genommen, und Jeremy hatte dafür büßen müssen. »Denken Sie, das Opfer ist schnell gestorben?« Die Frage war ihr einfach herausgerutscht. Schließlich wusste sie, wie es sich anfühlte, wenn ein sadistischer Irrer einen stundenlang quälte – bis man nur noch darum bettelte, sterben zu dürfen. »Die meisten Wunden wurden ihm doch nach seinem Tod zugefügt?«
»Nein«, antwortete Hyde wie aus der Pistole geschossen.
Samantha schloss die Augen.
»Ich will nicht, dass Sie an dem Fall arbeiten, Kennedy«, hörte sie Hyde sagen.
Sam riss die Augen wieder auf. »Sir, ich …«
Hyde sah sie unverwandt an. »Ich will Sie nicht bei Außeneinsätzen haben, ganz egal, was dieser Blödmann von einem Psychologen schwafelt.« Er trat auf sie zu. »Sie sind noch nicht so weit. Glauben Sie, ich sehe nicht, wie Sie zittern?«
Samantha hielt den Atem an. »Ich schaffe das. Bestimmt.« Die Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Möglicherweise.« Hyde schüttelte den Kopf. »Ich will trotzdem, dass Sie wieder im Büro arbeiten. Dante ist für diesen Fall zuständig. Wenn er Sie brauchen kann …«
»Tun Sie das nicht«, brachte Samantha mühsam hervor. Sie hatte so hart daran gearbeitet, ihm zu beweisen, dass sie der Arbeit nach wie vor gewachsen war. »Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich weiß …«
»Ich kenne meine Leute.« Sein dunkles Gesicht war völlig ausdruckslos. Kalt und gefühllos blickte er auf sie herab. »Ich weiß, dass Sie noch nicht wieder einsatzbereit sind.«
Sie würde nicht schlappmachen. Nicht hier. Nicht vor seinen Augen. »Sie hatten mich doch auch auf den Phoenix-Fall angesetzt.« Die Phoenix-Ermittlungen waren ihr letzter großer Fall gewesen, und damals hatte Hyde sie persönlich losgeschickt, um die Kollegen bei der Suche nach dem Brandstifter zu unterstützen. »Wenn Sie denken, ich bin nicht einsatzbereit, hätten Sie mich dort auch nicht hinlassen dürfen.«
»Außeneinsätze sind nichts für Sie, Agent Kennedy.«
Es fühlte sich an, als hätte er ihr ein Messer ins Herz gestoßen. »Sie glauben, ich bin nicht stark genug, nicht wahr?« Das hatte immer im Raum gestanden, von Anfang an. Sie war anders als die anderen Agenten. Samantha wusste, dass sie weder deren Erfahrung noch deren Härte hatte. Sie war gerade erst vierundzwanzig geworden, also deutlich jünger, aber sie hatte die gleichen Prüfungen bestanden, den gleichen Drill durchlaufen und bewiesen, dass sie dem Ganzen gewachsen war, verdammt noch mal.
»Ich weiß, Sie sind stark.«
Verblüfft blinzelte sie ihn an.
»Das Problem ist, dass Sie selbst das nicht wissen.«
Sie öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus.
»Außerdem haben Sie so viel Angst, dass ich mir nicht sicher bin, was Sie täten, wenn Sie plötzlich einem Täter von Angesicht zu Angesicht gegenüberstünden.«
Da war sie sich auch nicht sicher.
»Wir wissen beide, dass Außeneinsätze noch nie Ihre Stärke waren.«
Das stimmte. Im Büro, umgeben von Rechnern, fühlte sie sich eindeutig mehr in ihrem Element. Aber sie konnte sich nicht ewig hinter den Dingern verkriechen, zumal es immer wieder Situationen gab – wie zum Beispiel beim »Watchman«-Fall –, in denen sie bei einem Außeneinsatz gebraucht wurde.
Was dabei herausgekommen war, war alles andere als schön.
Sie bekam kaum Luft. »Ich schaffe das«, sagte sie sich.
»Fahren Sie ins Büro«, wiederholte Hyde. »Wenn Dante Sie braucht …«
Mühsam rang sie sich ein Nicken ab. Man hatte sie nur gerufen, weil ihre Kollegen mit anderen Fällen beschäftigt waren. Weil sie in der Nähe gewesen war und gerade nichts anderes zu tun gehabt hatte. Aber man hatte sie auch deshalb gerufen, weil sie diese Fälle kannte. Diesen hier und ähnliche, die sich ein paar Wochen vor Jeremy Briars Verschwinden ereignet hatten.
Sie hatte das Muster als Erste bemerkt. Solche Muster fielen ihr immer auf.
Samantha drückte den Rücken durch. »Ich werde nicht versagen.« Mehr würde sie nicht sagen. Betteln würde sie nicht. Noch nicht.
Hyde starrte sie schweigend an.
Sam schob sich hoch erhobenen Kopfes an ihm vorbei und zwang sich, den Mief einfach auszublenden. Nicht einmal ein Blinzeln erlaubte sie sich, ehe sie bei ihrem Wagen angekommen war.
Samantha stieg ein, zog die Tür zu und legte die Hände um das Lenkrad.
Tränen glitten ihre Wangen hinab.
Verdammt.
Sah er denn nicht, dass der Job das Einzige war, was sie hatte?
***
Sam war nicht der Typ für beziehungslosen Sex. Sie gehörte zu den Frauen, die viel von Romantik, Kerzenlicht und Verbindlichkeit hielten.
Zumindest früher einmal. Jetzt war sie anders. Jetzt wollte sie vor allem vergessen und nur noch fühlen.
Sie versagte bei der Arbeit. Nachts konnte sie nicht schlafen. Kaum schloss sie die Augen, kamen die Erinnerungen …
Samantha holte tief Luft.
Vergessen.
Was hätte sie nicht alles darum gegeben.
Den Tatort hatte sie schon ein paar Stunden zuvor verlassen. Zu Hause hatte sie die Einladung zu dieser exklusiven Party vorgefunden, die ihre umtriebige Mutter ihr auf die Veranda gelegt haben musste. Die gute Frau hoffte, Samantha würde auf einer dieser langweiligen Veranstaltungen der besseren Gesellschaft den richtigen Mann kennenlernen.
Samantha wollte keinen Mann. Sie wollte jemanden zum Vögeln. Heißen Sex, hart und wild, und sie wusste, wer der perfekte Mann für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse war.
Er stand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Zwischen ihm und Samantha drängten sich die Leute dicht an dicht. Es war zu warm und zu laut, und überall erklangen das falsche Lachen und die hohen Stimmen der Leute, die so taten, als würden sie sich für ihr Gegenüber interessieren.
Wie sie dieses ganze Getue ankotzte!
Sam nahm ein Glas vom Tablett eines der Kellner, kippte den Champagner in zwei Schlucken hinunter und pirschte sich an ihre Beute heran.
Er würde wissen, wer sie war, da hatte Samantha nicht den geringsten Zweifel. Zumindest wollte sie ihm geraten haben, dass er sich noch erinnerte.
Zwei Wochen zuvor hatten sie miteinander geschlafen. Nach dem Sex war sie wund gewesen, alles hatte ihr wehgetan, aber sie hatte sich toll gefühlt – eine Zeit lang.
Bis das Begehren wieder erwacht war.
Sie hoffte wirklich, dass er sich noch an sie erinnerte.
Sie selbst erinnerte sich bestens an ihn.
Max Ridgeway. Groß, dunkler Teint, sexy. Der Mann, der sie in zwei Minuten zum Höhepunkt gebracht hatte, bei dem sie vor Ekstase geschrien hatte, der ihr gezeigt hatte, wie viel Spaß unverbindlicher Sex machen konnte.
Max war erst der dritte Mann in ihrem Leben gewesen, was er allerdings nicht wusste. So cool und überlegen, wie sie aufgetreten war, konnte er das nicht mal ahnen.
»Du hier?« Beim Ton seiner tiefen, vollen Stimme sah sie hoch. Höchste Zeit, die Maske aufzusetzen.Samantha hob das Kinn und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, das genauso unehrlich war wie das aller anderen im Raum. Vergessen. Alles vergessen außer ihm.
Warum sich die Mühe machen, jemand anderen aufzugabeln? Er war alles, was sie brauchte. Er wäre …
Heiß genug, um die Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben.
Max packte sie am Handgelenk und zog sie an sich. Um sie herum wimmelte es nur so von Männern in perfekt sitzenden Smokings und Frauen in superteuren Designerkleidern. Eine Oberschicht-Party für Leute mit zu viel Geld und einem ausgeprägten Hang zum Alkohol.
Max’ Gesicht war nicht im klassischen Sinn schön, aber sexy, äußerst sexy. Er war fast einen Meter neunzig groß und kräftig, seine Haut war leicht gebräunt, und sein schwarzes, gewelltes Haar hing eine Spur zu lang über den Kragen.
Als ihr Blick zum ersten Mal auf ihn gefallen war, hatte sie sofort gewusst, dass er der Richtige für sie war. Sie war in die Bar gegangen, hatte sich umgesehen und zielsicher den stärksten Mann ausgesucht.
»Du bist einfach verschwunden.«
Oh. Er klang sauer. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die sie für diesen Abend sorgfältig angemalt hatte. Das war Teil der Maske. Normalerweise machte sie sich nichts aus Schminke.
Sie war nur aus einem Grund zu dieser Feier gegangen, und dieser Grund war er. Sie wollte mehr.
»Jetzt bin ich ja da.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm diese Worte zuzuflüstern.
An seinem Kinn zuckte ein Muskel. »Nicht gerade der passende Zeitpunkt. Aber das scheint ja deine Stärke zu sein.«
Sam hätte fast gegrinst.
Wäre sie noch die Alte gewesen, hätte sie das zweifellos getan, aber so begnügte sie sich mit einem Blinzeln – nicht nur, um cool zu wirken, sondern auch, weil ihre Kontaktlinsen sie in den Wahnsinn trieben.
»Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen«, sagte sie und fragte sich, ob sie ihn küssen sollte. Nein, noch nicht.
»Ich habe dich überall gesucht.«
Das verblüffte sie. Sie hatte gedacht, er würde sich einfach der nächsten Frau auf seiner Liste zuwenden.
»Komm.« Ihr Handgelenk schmerzte schon beinahe unter seinem festen Griff. Beinahe – Max wusste um seine Kraft. Als er sich einen Weg durch die Menge bahnte, folgte sie ihm widerspruchslos, denn eigentlich wollte sie nur noch raus hier.
Mit der linken Hand schob er eine Balkontür auf, und sie traten in die kühle, spätherbstliche Luft. Max schloss die Tür, und endlich blieb der Lärm hinter ihnen zurück.
Sie waren allein.
»Als du mich in der Bar angesprochen hast, wusstest du nicht, wer ich bin, nicht wahr?« Im Licht der Balkonbeleuchtung waren die zarten Fältchen rund um seine himmelblauen Augen deutlich erkennbar.
Er klang richtig wütend. Was war los? Konnte der Mann ihre gemeinsame Nacht nicht einfach genauso genießen wie sie? Sam zwang sich, lässig die Achseln zu zucken. Max hielt noch immer ihr Handgelenk fest. Deutlich spürte sie die harten Schwielen an seinen Fingerkuppen. Der Mann war nicht mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen. Als sie ihn in der Bar gesehen hatte, mit seiner ausgebleichten Hose und der abgetragenen Jacke, hätte sie nie vermutet …
»Als du aufgewacht bist und dir klar wurde, in wessen Bett du liegst, bist du einfach davongelaufen.«
Als sie mit zu ihm gefahren war, hatte sie keinen Blick für ihre Umgebung gehabt. Sie war zu beschäftigt damit gewesen, ihm die Sachen vom Leib zu reißen. Aber im grellen Morgenlicht war es ihr dann nicht verborgen geblieben …
Das Foto seines Stiefvaters auf dem Kaminsims. Ein Mann, der ihr schon mal über den Weg gelaufen war. Der Mann, mit dem ihre Mutter vor langer Zeit zusammen gewesen war.
»Du hast nur gesagt, du heißt Max.« Ihre Stimme klang harsch, auch wenn sie das gar nicht beabsichtigt hatte. Er kniff die strahlend himmelblauen Augen zusammen und holte tief Luft.
»Und du bist Sam«, sagte er.
Vornamen – mehr brauchte man nicht für unverbindlichen Sex. »Ganz genau.«
»Was willst du?«, fragte er und drückte sie gegen die Mauer rechts von der Balkontür. Wie warm er war – seine Haut schien ihre in Brand zu setzen. Sie spürte seinen Schwanz, der sich gegen das kurze Kleidchen presste, das sie in der hintersten Ecke ihres Schrankes gefunden hatte.
»Ich will mehr.« Das war wahr. Das konnte sie ruhig zugeben.
Ein Knurren entrang sich seiner Kehle.
»Dass du reich bist, interessiert mich nicht.«
»Das räumen wir mal gleich aus dem Weg«, setzte sie in Gedanken hinzu.Sein Geld war nicht der Grund gewesen, warum sie gegangen war. Die Nacht war einfach um gewesen. »Ich will nichts Festes.« Die falschen Versprechungen ewiger Liebe reizten sie nicht.
Er ließ ihr Handgelenk los und legte den Arm um ihre Taille. »Sondern?«
Sie wollte ihr altes Leben wiederhaben.
Sie schob die Hand zwischen ihrer beider Körper und ließ sie zu seinem Herzen hinaufwandern. »Das habe ich doch gerade gesagt … mehr.« Sex. Erregung.
Alles, was half, die Schatten zurückzudrängen. Alles, was ihr das Gefühl gab, normal zu sein und keine Verrückte. Eine Frau, die nicht mal mehr ihre Arbeit auf die Reihe bekam.
Sie wollte begehrenswert sein.
Seine linke Hand glitt an ihrem Körper hinunter und verharrte am Saum ihres Kleides.
Samantha hielt den Atem an. Ja, genau da. Was bedeutete es schon, dass hinter der Tür Leute standen? Sie wollte das hier.
Seine rauen Fingerkuppen glitten ihren Schenkel hoch, höher und noch ein paar Zentimeter höher.
»Wahnsinn! Du hast kein Höschen an.« Max starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an.
Sie lächelte, ohne den Empfindungen Beachtung zu schenken, die in ihr aufwallten. »Ist das ein Problem?«
Seine Finger glitten zwischen ihre Beine. Sie war feucht. Bereit und gierig, ihn aufzunehmen.
Sein Atem ging stoßweise. Zwei seiner langen, breiten Finger schlängelten sich zwischen ihren Schamlippen hindurch und schoben sich bis zu den Knöcheln in sie hinein.
Sam stellte sich auf die Zehenspitzen und krallte sich an seinen Schultern fest. Es fühlte sich an, als flösse Strom durch ihren Körper. Sie bohrte die Fingernägel in seine Smokingjacke, ohne auf die perfekten Bügelfalten Rücksicht zu nehmen, und spannte ihre Vaginalmuskeln an. Sie wollte kommen, möglichst schnell, sie brauchte dieses starke Lustgefühl, aber …
Max zog die Finger heraus.
Sanft glitt er mit dem Mund über ihr Ohr und wisperte: »Du willst mich nur für Sex?« Seine Finger waren noch immer in der Nähe des Zentrums ihrer Begierde, liebkosten und erregten sie.
Sam schloss die Augen.
»Ein weiterer flüchtiger Fick, und schon bist du wieder weg?«, fragte er leise und presste seinen Ständer gegen ihren Oberschenkel. Er konnte sie gleich dort nehmen, konnte ihr Kleid heben, in sie eindringen, und schon würden sie beide kommen. »Ich bin auswechselbar, nicht wahr?« Wieder glitten seine Finger in sie, und das Lustgefühl raubte ihr schier den Atem. »Es ist egal, wer ich bin.«
Max fuhr mit den Lippen über ihre Kehle, drückte sie auf die Stelle, an der er ihr Herz viel zu schnell pulsieren spürte, leckte und sog.
Ja …
Spielte es eine Rolle, wer er war?
»Wer bin ich, Süße?« Sie verstand seine Worte kaum, so dicht war sein Mund an ihrer Haut.
Er hörte nicht auf, mit den Fingern in sie zu stoßen. Mit dem Daumen fuhr er über das Zentrum ihrer Lust. Ein bisschen mehr, nur ein kleines bisschen … sie stand so kurz vor dem Orgasmus, dass sie am ganzen Körper zitterte. Mehr.
»Max«, murmelte sie. Die Nachtluft fühlte sich gut an auf ihrer Haut, denn plötzlich war ihr so heiß.
Sie hielt die Augen geschlossen, wollte ihn nicht sehen.
Sie wollte nur empfinden. Leidenschaft. Leben. Nicht die kalte Berührung des Todes.
Die Balkontür quietschte. »He, Max«, erklang eine männliche Stimme. »Da ist jemand, den ich dir vorstellen …«
Max’ Finger stießen tiefer in sie.
Sam unterdrückte das Stöhnen, das sich ihr entringen wollte, als der Orgasmus ihren Körper erbeben ließ.
»Jetzt nicht«, grollte Max.
»Oh Mist – sorry, Mann.« Die Tür fiel wieder zu.
Sam rang nach Luft.
Max hob den Kopf und blickte auf sie hinab. »Er konnte dich nicht sehen.«
Nein, er konnte nur Max gesehen haben, wie er eine gesichtslose Frau umarmte. Nicht sie.
Denn sie war nicht der Typ für unverbindlichen Sex. Nicht die Sorte Frau, die einem Mann auf einer Party auflauerte, ihre Unterwäsche auszog und ihn anstiftete, sie auf dem Balkon zu nehmen. Sie war ein braves Mädchen. Der sanfte Typ. Von jeher.
Ihre Hüfte vibrierte. Nicht von seiner Berührung, obwohl sie beinahe schon erwartete …
Meine Güte, ihr Mobiltelefon!
Sie legte die Hände auf Max’ Brust und schob ihn weg.
Seine Finger glitten zu ihren Oberschenkeln. »Sam? Er hat dich …«
Nervös nestelte sie das Mobiltelefon heraus und las die Nachricht. »Fahr so schnell wie möglich zurück zum Tatort in Melborne. Weitere Leiche.« Die Botschaft war von ihrem Kollegen Dante. Verdammt, ausgerechnet Dante.
»Ich muss los«, sagte sie zu Max, der verblüfft die Augen aufriss.
»Von wegen.« Vor ihr stand ein sexuell erregter, athletischer Mann, der aufgebracht den Kopf schüttelte und keine Anstalten machte, sie gehen zu lassen. »Diesmal läufst du nicht davon. Wir sind noch nicht fertig.«
Nein, sie hatten gerade erst angefangen, aber sie konnte Dante nicht enttäuschen, nicht, wenn er bereit war, ihr diese Chance zu geben. »Max, ich …«
Er küsste sie. Er hatte sie zum Höhepunkt gebracht, ohne sie ein einziges Mal zu küssen, und die Berührung seiner Lippen war wie ein Schock. Viel zu intim. Nach dem, was sie gerade getan hatten? Ja, viel zu …
Seine Zunge schob sich zwischen ihre Lippen, kostete sie, nahm sie, und sie konnte nicht anders, als seinen Kuss zu erwidern.
Sam gefiel, wie er schmeckte. Ein bisschen nach Wein, so wie sie höchstwahrscheinlich nach Champagner schmeckte. Kräftig und doch betörend.
Der Mann wusste, was man mit einer Zunge anstellen konnte. Wusste, wie man leckte, sog und seine Partnerin erregte.
Sie hielt das Mobiltelefon umklammert. Ihre Brustwarzen schmerzten, und ihr Geschlecht zitterte.
Mehr. Mehr. Nicht die ganze Nacht, aber noch ein paar Minuten. Gleich hier.
Sam löste die Lippen von seinen. »Tut mir leid. Ich muss … arbeiten.«
Er starrte mit zusammengebissenen Zähnen auf sie hinab. »Was ist das für eine Arbeit, zu der man dich mitten in der Nacht ruft?«
Es war besser, wenn er das nicht erfuhr. Sam lächelte. Es wurde immer leichter, etwas vorzuspielen. »Ich bin …« Meine Güte, klang ihre Stimme dünn und spröde. »IT-Spezialistin. Es gibt ein Software-Problem.«
Teils wahr, teils gelogen.
Er sah sie verblüfft an. »Du …«
»Ich muss los.« Sie musste sich umziehen. Auf keinen Fall durften die anderen sie in dieser Aufmachung sehen. Von Washington bis Melbourne brauchte sie über den Daumen gepeilt eine Stunde. Wieso wollte Dante, dass sie da rausfuhr und …
Eine weitere Leiche? Das passte nicht ins Schema. Sie wand sich aus Max’ Armen und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Du läufst wieder davon.« Noch immer schwang die sexuelle Erregung in seiner Stimme mit – der raue Tonfall eines Mannes, der sein Vergnügen nicht bekommen hatte.
»Nein. Ich gehe.« Sie sah sich nicht um. Sie wusste, sie sollte etwas sagen. Den Mann so stehen zu lassen …
Die alte Samantha hätte so etwas niemals fertiggebracht.
Tja, aber die alte Samantha war tot. Sie war Monate zuvor im Wasser gestorben, als ein Mörder ihren leblosen Körper in den See geworfen hatte, und seitdem fühlte es sich an, als sei sie nur noch ein Geist.
Sie drückte den Rücken durch. »Samantha Kennedy.« Die Worte kamen leiser heraus, als sie beabsichtigt hatte. »Ich heiße … Samantha Kennedy.« Sie wartete, ob er die Verbindung zu ihrer Mutter herstellen würde, aber nichts deutete darauf hin. Soweit sie wusste, hatten ihre Mutter und Max einander nie persönlich kennengelernt, und da ihre Mutter gerade nach Europa geflogen war, würden sich ihre Wege wohl auch kaum so bald kreuzen.
Doch noch immer schlug ihr Herz ein wenig zu schnell. Mit der Preisgabe ihres Nachnamens hatte sie auch ein Stück Schutzhülle verloren.
»Samantha Kennedy«, flüsterte Max, als lasse er sich den Namen auf der Zunge zergehen.
Max nannte sie Samantha, dabei war sie doch nur Sam. Entgegen allen Hoffnungen ihrer Mutter war sie nie schick genug für ihren Namen gewesen. Sie schob die Balkontür auf.
»Wo kann ich dich finden, Samantha?«
Er wollte sie finden?
»Tja, Sam, du lässt den Mann mit einem Ständer stehen. Natürlich will er dich finden«, antwortete ihre innere Stimme.
Sie wollte nicht, dass er sie in ihrer Welt sah. Auf keinen Fall. Wenn, dann konnten sie sich in diesem vorgespielten Leben treffen. Nirgends sonst.
Nicht in der Öffentlichkeit, und über die Abgründe ihrer Arbeit musste er erst recht nichts wissen. Von den Killern brauchte er nichts zu erfahren.
»Gar nicht.« Sie seufzte und drehte nun doch den Kopf. »Aber ich kann dich finden, und das werde ich auch.« Außer er sagte, sie solle sich vom Acker machen. Außer …
»Klingt vielversprechend.«
Das war es auch.
Sie nickte und öffnete die Tür. In der Nähe stand ein junger, gut aussehender Mann, ungefähr in ihrem Alter, und musterte sie mit einem wissenden Lächeln.
Sam ging einfach an ihm vorbei, die Gedanken schon auf den Fall gerichtet.
Auf den Leichnam, der auf sie wartete.
***
Samantha Kennedy.
Jetzt wusste er, wie sie hieß. Ein Gesicht, ein Name und ein Ständer, der richtig wehtat.
Max trat ans Geländer des Balkons, legte die Hände auf die dicke Metallbrüstung und holte tief Luft.
Er hatte noch ihren Geschmack im Mund.
Samantha.
Sie war gekommen, das hatte er am Zucken ihres Geschlechts und an der cremigen Flüssigkeit, die seine Finger benetzt hatte, deutlich gespürt. Sie war gekommen, hatte ihn geküsst, und dann war sie gegangen.
Sie hatte ihn zu ihrer Befriedigung benutzt.
Oh Mann – normalerweise waren die Frauen an seinem Geld interessiert oder an seiner Macht.
Aber an ihm als Sexobjekt?
Wahrscheinlich sollte er sich nicht beschweren. Eigentlich sollte ihm das gefallen, oder?
Aber das tat es nicht. Max zerrte an seiner Fliege und lockerte den Knoten. Er hasste das gottverdammte Ding, hasste diese überspannte Party, an der teilzunehmen er gezwungen war. Noch fünf Jahre zuvor hätte er sich für kein Geld der Welt in dieser Szene sehen lassen, aber inzwischen musste er gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn seine Firma in den schwarzen Zahlen bleiben sollte.
Seine Firma. In dem Augenblick, als er Samantha entdeckt hatte, war ihm jegliches Interesse an möglichen Aufträgen abhandengekommen, derentwegen er zu der Party gegangen war. Max stand nicht auf One-Night-Stands. Die Zeiten, in denen er gern fremde Frauen abgeschleppt hatte, waren vorbei. Doch als Samantha ihn berührt und aus ihren dunklen, sorgenvollen Augen angeschaut hatte, war es um ihn geschehen gewesen.
Er hätte sie nach dieser Nacht nicht verlassen können – nicht, nachdem er sie gekostet hatte. Er hatte sie geküsst und gewusst, er wollte sie.
Der Anfang. Das war es für ihn gewesen.
Max wollte mehr von Samantha als nur ein paar heiße Stunden.
Vom Balkon aus sah er sie aus dem Haus eilen. Im Schein der Laternen leuchtete ihr Haar rot auf, als setze das Licht ihre dichten Locken in Brand. Samantha.
Ihr Gesicht war fahl gewesen, als sie ihn in der Bar angesprochen hatte. Die nussbraunen Augen hatte sie weit aufgerissen, und ihr feuchter, rot angemalter Mund hatte gezittert.
Sie hatte Angst gehabt, und er hatte sie begehrt.
Ein schneller Fick.
Nein.
Max spürte, wenn eine Frau Geheimnisse hatte, und Samanthas umhüllten ihren sinnlichen, schönen Körper wie ein Mantel.
Er sah, wie sie in einen weinroten Käfer stieg. Das entlockte ihm fast ein Lächeln. Er hatte nicht erwartet, dass sie …
Mit quietschenden Reifen schoss sie vom Parkplatz, und er starrte ihr nach, bis die roten Rücklichter verschwunden waren.
Es würde leicht sein, sie zu finden. Er kannte genügend Leute in Washington, und sein Stiefvater ebenso. Innerhalb von Stunden konnte er sie ausfindig machen und alles über sie herausfinden.
Falls er das wollte.
Geheimnisse.
Auch er hatte mehr als genug davon.
»Ich finde dich«, hatte sie gesagt. Das wollte er ihr auch geraten haben. Denn Samantha Kennedy hatte einen Fehler gemacht. Sie hatte ihn kosten lassen, und jetzt wollte er die Hauptspeise.
Er war von Natur aus gierig. Wenn er etwas wollte, bekam er es auch.
Er wollte Samantha.
»Ich dachte, du stehst nicht auf Frauen der besseren Gesellschaft«, drang die vor Spott triefende Stimme seines Stiefbruders an sein Ohr.
Max drehte sich nicht um. Er hatte gehört, dass jemand die Balkontür geöffnet hatte – genau wie vorhin, als Quinlan auf den Balkon getreten war. Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
»Tut mir leid, dass ich gestört habe.« Er hörte Quinlan auf sich zukommen. »Ich hatte nicht erwartet, dass du … beschäftigt bist.«
Max zwang sich, die Hände vom Geländer zu nehmen.
Quinlans raues Lachen klang durch die Nacht und endete mit einem nervösen Kichern. »Ich wusste nicht, dass du auf Sex in der Öffentlichkeit stehst.«
»Tue ich normalerweise auch nicht, und was immer du glaubst, hier draußen gesehen zu haben – vergiss es.« Über Sex zu reden war wirklich nicht sein Stil. Langsam drehte Max sich um blickte seinen jüngeren Bruder an. Verdammt, der war Samantha altersmäßig wahrscheinlich sehr viel näher als er mit seinen dreiunddreißig Jahren.
Quinlan schluckte und wandte den Blick ab. Er hob die Hand, um sich den Nacken zu reiben, und bei der Bewegung blitzte der hufeisenförmige goldene Ring – sein Glücksbringer, wie er behauptete, ein Geschenk seines Vaters – hell auf.
Seinem Stiefbruder schien es immer schwerzufallen, ihm in die Augen zu schauen, und ihrem »Vater« ging es genauso, seit seine Mutter gestorben war.
Max ging zur Tür. Er hatte die Nase voll von der Feier. Wozu sich noch unter die Leute mischen? Die einzige Frau, die ihn interessierte, war nicht mehr da.
»Ich finde dich.« Das wollte er auch schwer hoffen.
»Finde mich bald, Süße, sonst mache ich mich auf die Suche nach dir«, murmelte er vor sich hin.
Sams Handflächen waren schweißnass, und ihre Kehle war vor Angst wie zugeschnürt. Sie schlug die Autotür zu, wischte sich die Hände an der dunklen Hose ab, die sie daheim schnell angezogen hatte, und starrte zu der riesigen Villa hinauf.
In der Nähe des Tors parkten zwei Streifenwagen. Ein Spurensicherungsteam untersuchte das Grundstück.
Sam holte tief Luft, dann straffte sie die Schultern, zückte ihren Ausweis und ging los. »FBI. Wo ist Agent Dante?« Dante, nicht Hyde. Dem wollte sie lieber nicht begegnen.
Ein uniformierter Polizist wies auf das Haus. »Da drin, bei der Leiche.«
Ein weiterer Mord – das ergab keinen Sinn. Die Briars hatten nur einen Sohn, und niemand sonst in der Familie passte ins Muster der Entführer. Die Opfer waren begüterte Männer Anfang zwanzig. Taugenichtse, deren Eltern zu viel Geld und zu wenig Zeit für ihre Kinder hatten.
Das erste Opfer war drei Monate zuvor entführt worden. Vierundzwanzig Stunden nach dem Verschwinden des Collegestudenten war die Lösegeldforderung eingegangen. Der Vater hatte gezahlt, und am nächsten Tag hatte man den Sohn freigelassen. Leider hatte er keine Beschreibung seiner Entführer liefern können.
Als Nächstes hatten sie in Virginia einen Mann entführt, dann in Washington. Jeremy Briar hatte es in Maryland erwischt.
Alle Männer waren vom jeweiligen Collegegelände oder besser gesagt aus Kneipen in der Nähe des Colleges entführt worden.
Zwei Männer waren lebend zurückgekommen.
Zwei hatten nicht so viel Glück gehabt.
Die Serienkidnapper waren clever, verstanden sich darauf, ihre Spuren zu verwischen, und wählten ihre Opfer mit großer Sorgfalt aus.
Die SSD hatte nicht den geringsten Hinweis, um wen es sich bei den Kidnappern handelte.
Sam eilte eine meisterhaft angelegte Auffahrt hinauf, vorbei an einer Fontäne, die ihr Wasser hoch in die Luft schleuderte. Durch die offene Eingangstür drangen Stimmen. Sie trat vom Weg und stellte fest, dass sie auf der Mosaikreproduktion eines Bilds von Rembrandt stand.
Zu viel Geld. Vielleicht auch zu viel Zeit.
Sam ging mit gezücktem Ausweis an den uniformierten Polizisten vorbei, die an der Tür warteten. »Wo finde ich Agent Dante?« Sie hatte noch immer keine Ahnung, warum er sie herbestellt hatte, aber einem geschenkten Gaul sah man nicht ins Maul.
»Er ist im Büro«, entgegnete einer der Polizisten.
Sam runzelte die Stirn. Was, bitte, sollte sie mit dieser Antwort anfangen?
Der Polizist lief rot an, ein Rot, das zu seinen Haaren passte. »Den Flur entlang, zweite Tür. Das Zimmer mit der Leiche.«
Die Leiche, richtig. Diese Familie war wirklich durch die Hölle gegangen.
Ihre Schuhe machten leise Geräusche, als sie über die Fliesen ging. Erst hatten sie ihr einziges Kind verloren und jetzt …
Sam blieb vor der Tür zum Büro stehen. Die Spurensicherer legten das Opfer gerade in einen Leichensack, einen älteren Mann mit grau gesträhntem Haar und gebräunter Haut, dem die Hälfte des Kopfes fehlte.
»Morgan Briar«, murmelte Luke Dante, der von seinen Notizen hochblickte und ihr kühl zunickte. Er stand vor dem großen Fenster an der rechten Seite des Zimmers. »Er starb vor etwa fünf Stunden.« Luke starrte sie aus seinen grünlichen Augen durchdringend an.
Morgan Briar. Der Vater. Oh Gott. »Was ist geschehen? Warum …«
»Nein, ich brauche keinen verdammten Rechtsanwalt!« Die durchdringende Frauenstimme hallte durch das Haus. Sam warf einen Blick über die Schulter und sah eine große, auf eisige Art schöne blonde Frau die Treppe herunterkommen. Sie trug eine enge Hose und einen weißen Pullover, der vermutlich aus Kaschmir war. Der Pullover war über und über mit Blut bespritzt.
»Das ist dann wohl Mrs Kathleen Briar«, brummte Luke.
Aus Kathleens geschmackvoller Hochsteckfrisur, einer, wie Sam sie nie hingekriegt hatte, hatten sich ein paar Strähnen gelöst.
Zu beiden Seiten der Frau ging ein Polizist. Der eine, ein älterer Typ mit ergrauenden Schläfen, las ihr ihre Rechte vor. »Sollten Sie sich keinen Rechtsanwalt leisten können …«
»Natürlich kann ich mir einen Rechtsanwalt leisten! Ich will im Augenblick aber keinen!« Kathleens Stimme hatte sich zu einem Kreischen hochgeschraubt.
»Sie hat vor gut einer Stunde angerufen«, flüsterte Luke und trat neben Sam.
Luke war noch immer der neueste Agent der SSD. Er war aus Atlanta zu ihnen versetzt worden und hatte sich sofort mit der besten Profilerin der Abteilung, Monica Davenport, eingelassen. »Wie es aussieht«, fuhr er mit einem Nicken zur Bar hin fort, »hat Mrs Briar sich erst mal einen Gin genehmigt, ehe sie den Anruf getätigt hat.«
»Hat sie ihn etwa getötet?« Auf so etwas war Sam nicht gefasst gewesen.
Der Polizist las seiner Gefangenen weiter ihre Rechte vor. »Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie …«
»Der Frau in der Notrufzentrale sagte sie, sie hätte ihren Mann erschossen.« Luke verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete das Grüppchen. Kathleen und ihre Begleiter näherten sich der Tür zum Büro.
Kathleen blieb stehen und blickte Sam und Luke an. »Es tut mir nicht leid.«
Luke zuckte die Achseln. »Das habe ich auch nicht behauptet.« Seine Stimme klang unberührt. Seltsam, denn von allen Agenten war er der Einfühlsamste, der sich immer viel zu viele Gedanken zu machen schien.
Vielleicht hing er zu viel mit Monica und Hyde herum.
Kathleens Augen waren knochentrocken. Sie weinte keine Träne. »Jeremy war meinKind. Dieses Arschloch hätte mir von dem Telefongespräch erzählen müssen. Er hätte …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Dann wäre Jeremy noch am Leben. Am Leben!«
Jetzt waren sowohl ihr Sohn als auch ihr Mann tot, und ihre grünen Augen blitzten vor Wut.
»Er hat mich dauernd betrogen«, tobte Kathleen weiter. Dem Polizisten hatte es die Sprache verschlagen. »Er hat diesen Huren Häuser gekauft, die mehr gekostet haben, als die Kidnapper für Jeremy verlangt haben.« Sie schluckte. »Er hat Jeremy einfach sterben lassen. Dauernd sehe ich ihn vor mir, von oben bis unten aufgeschlitzt. Mein Junge …« Sie schloss die Augen.
Luke blickte sie versonnen an, dann ließ er den Blick zu dem älteren der beiden Polizisten wandern. »Bringen Sie sie raus.«
Der Mord fiel in den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Polizei, er war kein Fall für die SSD, aber die Polizisten erwarteten dennoch, dass Luke ihnen Anweisungen gab.
Der Polizist nickte und griff nach den Handschellen an seinem Gürtel.
»Nein.« Luke schüttelte den Kopf. »Setzen Sie sie einfach hinten in den Streifenwagen.«
Kathleen hob den Blick, und die Wut war verschwunden. So schnell. Jetzt wirkte sie nur noch … verloren. »Jeremy ist tot.«
Sam schluckte. Morgan ebenfalls. »Mrs Briar, das mit dem Rechtsanwalt sollten Sie sich noch mal gut überlegen.«
Mrs Briar blinzelte sie verstört an. »Mein Baby …«
Die Polizisten nahmen Kathleen an den Armen und führten sie den langen, verwinkelten Flur entlang. Kathleens hohe Absätze klackten über den Fliesenboden.
»Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie so reagiert«, sagte Luke und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Vorhin wirkte sie so unerschütterlich.«
Weil sie unter Schock gestanden hatte.
»Ich hätte Monica holen sollen.« Luke trat in den Flur. »Sie hätte das kommen sehen. Ich hätte es ebenfalls kommen sehen müssen.«
Monica musste einen Killer nur anschauen, schon wusste sie um seine dunkelsten Seiten. Aber wenn es um Opfer ging … »Sie hätte es möglicherweise auch nicht kommen sehen.« Das kam brüsker, als sie beabsichtigt hatte.
Eine von Lukes blonden Brauen schoss hoch.
Sam räusperte sich. Ja, das hatte ziemlich komisch geklungen, aber Monica machte ihr in letzter Zeit einfach Angst. Große Angst. Sam hatte Angst, Monica könnte hinter ihre Maske schauen und sehen, dass sie …
… eine gebrochene Frau war.
»Warum bin ich eigentlich hier?«, fragte Sam und trat ebenfalls auf den Flur. Dort hatte sie das Gefühl, endlich wieder atmen zu können. »Hyde sagte …«
»Bei diesem Fall habe ich das Sagen.«
Sam nickte. »Allerdings wissen wir, dass letztlich immer Hyde bestimmt, was gemacht wird.« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Luke sich ernstlich mit dem großen Boss anlegen wollte. »Hyde hat mich zum Innendienst verurteilt.«
Sie gingen den Flur entlang, ohne dass ihnen auch nur ein Diener über den Weg gelaufen wäre. In so einem riesigen Haus hätte Sam zumindest mit einem Dienstmädchen oder etwas Ähnlichem gerechnet. Aber vielleicht hatte Kathleen Briar ihre Angestellten weggeschickt, ehe sie ihren Mann erschossen hatte.
»Hyde hat dich zum Innendienst verdonnert, und trotzdem bist du gekommen«, antwortete Luke. »Also konntest du nicht die Finger von dem Fall lassen.«
Sie sah auf und stellte fest, dass er sie abwägend ansah. »Du hast mich doch herbeordert.« Sie war sofort losgedüst.
»Monica will, dass du mir bei diesem Fall hilfst.«
Wenn er ihr eine geknallt hätte, hätte Sam auch nicht überraschter schauen können. Monica und Hyde waren üblicherweise immer der gleichen Meinung.
»Sie sagt, du brauchst diesen Fall.«
Sam reckte das Kinn nach oben. »Stimmt.« Sie war durchaus in der Lage, solche Ermittlungen durchzuführen.
»Sag mir eins, Sam: Was wirst du tun, wenn du unerwartet in eine gefährliche Situation gerätst?«
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Bist du bereit zu sterben? Bettle du nur, los, bettle …« Noch immer dröhnte ihr die Stimme dieses Scheusals in den Ohren.
»Hyde glaubt, du würdest versagen«, fuhr Luke fort. »Er hat dich einen Probelauf machen lassen, aber er glaubt nicht, dass du schon so weit bist.«
Luke hatte sie von den Tatortspezialisten weggeführt, vermutlich, um ihren Stolz nicht zu verletzen. Als wenn ihr noch viel Stolz geblieben wäre.
»Ich bin bereit.« Sie zwang sich, ihrer Stimme die erforderliche Festigkeit zu verleihen.
»Eventuell.«
Sam sah ihm unverwandt in die Augen. Sie weigerte sich, einen Rückzieher zu machen.
Luke seufzte. »Ich mag dich. Bei dem Watchman-Fall hattest du echt die Arschkarte.«
»Wehe, du zuckst jetzt zusammen«, dachte sie.
»Aber ich kann nicht zulassen, dass du mir den Fall versaust.« Sanft, aber brutal.
Luke schwieg einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Ich muss mir sicher sein können, dass du ganz auf dem Posten bist.«
In ihrer Abteilung war Verlässlichkeit das Schlüsselwort. Man verließ sich auf die Kollegen. Man wusste, dass sie einem Rückendeckung gaben.
Luke presste die Lippen aufeinander, dann sagte er: »Ich weiß von der Panikattacke in Virginia.«
Sie zuckte zusammen. »Wie bitte?«, dachte sie.Nein, sie hatte sich doch in ein leeres Büro zurückgezogen. Niemand hatte …
»Zwei Polizisten haben dich gesehen. Sie haben es Hyde berichtet, und deshalb hat er dich zum Innendienst verdonnert, sobald du wieder in Washington warst.«
Ihr Atem ging viel zu schnell und stoßweise. »Ich hatte seit Wochen keine Attacke mehr. Der Polizeipsychologe hat grünes Licht gegeben.« Interessierte das denn niemanden?
»Ich gebe dir eine Chance.« Er neigte den Kopf leicht nach rechts. »Beweise, dass Hyde falsch liegt. Zeig ihm, was in dir steckt, zeig ihm diese Stärke, die es dem Watchman unmöglich gemacht hat, deine Persönlichkeit zu brechen.«
Aber er hatte sie doch gebrochen, und sie hatte nur noch gebettelt …
»Eins muss aber klar sein: Beim ersten Anzeichen von Schwäche, sobald ich das Gefühl bekomme, du bist der Arbeit nicht gewachsen …«
Er musste den Satz nicht beenden. Sie wusste Bescheid. »Ziehst du mich von dem Fall ab.« Dann würde sie gleich zweimal versagt haben, und dann konnte sie sich eine Karriere in der SSD abschminken.
Luke nickte grimmig.
Nun, zumindest wusste sie, woran sie mit ihm war und dass sie Monica verdammt dankbar sein musste.
»Jetzt sei so freundlich und untersuch den Computerkram, den die Techniker sichergestellt haben. Ab sofort arbeitest du offiziell an diesem Fall. Schließlich kann sich niemand so gut in geschützte Dateien hacken wie du. Die Typen, die Hyde darauf angesetzt hat, können dir nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.«
Nein, das konnten sie nicht, aber wenn der Boss befahl, tanzten alle nach seiner Pfeife. Er hatte gewollt, dass sie sich aus dem Fall heraushielt und den neuen Computerspezialisten nur helfend zur Seite stand. Was sie getan hatte. Aber nun …
»Ich möchte alles über Jeremy Briars Leben und Familie wissen, jede noch so winzige Kleinigkeit«, fuhr Luke fort.
Sobald sie wieder im Büro war, würde sie sich als Erstes mit den Finanzen der Familie beschäftigen und herausfinden, ob ein Familienmitglied das Lösegeld dringend hätte brauchen können. Vielleicht steckte jemand geldmäßig in der Klemme. Zum Beispiel ein Vetter, der pleite war. Wenn es um Geld ging, wurden Verwandte leicht zu Feinden – zu tückischen Feinden.
Bisweilen verbarg sich der Täter im engsten Familienkreis.
Zugang zu den Bankkonten war ein Kinderspiel. Unpersönlich. Sich in die privaten E-Mail-Konten und Internetseiten einzuhacken war schon deutlich intimer.
»Bei dieser Geschichte werden die Medien total verrücktspielen«, sagte Luke mahnend. »Die Briars waren hier in der Gegend schon immer eine Schlagzeile wert, aber jetzt, wo Vater und Sohn tot sind, wird die Presse völlig ausflippen.«
Bis jetzt hatten die Medien die Verbindung zwischen den Entführungen noch nicht so ganz hergestellt. Die beiden jungen Männer, die lebend zurückgekehrt waren, waren von ihren Familien außer Landes gebracht worden, und die Presse war mit der Sorte Einfluss, wie ihn nur alteingesessener Geldadel besaß, zum Schweigen gebracht worden.
Was den anderen jungen Mann anging, Peter Hollister, den man seinen Eltern in Einzelteilen zurückgeschickt hatte, nachdem sie markierte Geldscheine als Lösegeld übergeben hatten …
Seine Familie hatte sein Leben praktisch ausradiert. Der Rest der Welt glaubte, Peter sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Geld konnte die Geschichte umschreiben.
»Was werden die Kidnapper tun, wenn die Medien anfangen, über sie zu berichten?«, fragte Sam. Manche Killer gierten nach Anerkennung. Der Brandstifter, den die SSD in Virginia gejagt hatte, war ganz versessen auf seine fünfzehn Minuten Ruhm gewesen.
Luke sah sie an. »Zuerst konnte man den Eindruck bekommen, als wollten sie nicht, dass die Kidnappings bekannt würden.« Sie, nicht er – Hyde war überzeugt, dass es sich um mehr als einen Täter handelte. »Aber so, wie sie Jeremys Leiche zur Schau gestellt haben, glaube ich, dass sie jetzt doch Aufmerksamkeit wollen.«
Die Medien würden sie ihnen liebend gern angedeihen lassen.
»Das war eine Botschaft«, antwortete Sam und rieb sich den Nacken.
»An die nächste Familie«, stimmte Luke erzürnt zu. »Damit sie weiß, was passiert, wenn sie nicht zahlt.«
***
Als es kurz vor drei Uhr nachts an seiner Tür klopfte, war Max noch wach.
Er dachte an sie. Noch immer konnte er sie spüren, und als es klopfte, eilte er sogleich zur Tür.
Ich finde dich.
Max riss die Tür auf, ohne sich damit aufzuhalten, erst durch den Spion zu sehen.
Sam.
Sie stand in dem hell erleuchteten Flur, nur dass sie jetzt nicht mehr die Femme fatale von vor ein paar Stunden war. Kein sexy Kleid. Kein Ausschnitt.
Sie trug eine dezente dunkle Hose und ein schwarzes T-Shirt, das sie noch blasser aussehen ließ, und sie wirkte verloren.
»Ein Haus wie dieses hier bräuchte bessere Sicherheitsvorkehrungen«, sagte sie mit ihrer sanften Stimme, die er so liebte. Kein Dialekt, nur sanfte Erotik. »Man kommt viel zu leicht rein.«
»Ich habe dem Pförtner gesagt, er soll dich rauflassen.« Zehn Minuten lang hatte er Charlie beschrieben, wie sie aussah.
Als sich ihre Augen leicht weiteten, wusste Max, dass er sie überrascht hatte. Gut. Sie hatte ihn in jener ersten Nacht auch ganz schön verblüfft.
Sie wollte keine Liebe. Auch keine Liebesschwüre. Sie wollte nur ihn. Auf der Stelle.
Wie hätte er das ablehnen sollen?
Samantha verlagerte das Gewicht auf die Fersen. »Es sollte Überwachungskameras geben. Du solltest jeden sehen können, ehe er …« Sie schüttelte den Kopf.
Unter ihren Augen lagen Schatten. Dunkle Ringe, die vorhin, auf dem Balkon, noch nicht da gewesen waren. »Samantha?« Sie waren wie Fremde, und trotzdem war da etwas, das sie verband.
Sie zögerte, dann sagte sie: »Ich will heute Nacht nicht allein sein.«
Viel ehrlicher konnte man kaum sein. Sein Schwanz schwoll an, und eine Welle von Erregung durchflutete ihn. Noch immer spürte er ihren Geschmack im Mund.
»Willst du allein sein?« Sie riss die Augen auf. »Moment … vielleicht bist du gar nicht … bist du allein?«
Max packte ihre Hand und zog sie in die Wohnung. »Nicht mehr.« Er warf die Tür zu und küsste sie ungeduldig.
Sams volle Lippen öffneten sich sofort für ihn. Ihre Zunge spielte mit seiner, rieb und neckte sie, und es war, als hätte seine Zunge einen direkten Draht zu seinem Schwanz.
Ihre Hände glitten federleicht über seine nackte Brust. So heiß und sanft. Er liebte ihre Hände. Liebte sie noch mehr, wenn sie um seinen Schwanz lagen und hart und schnell pumpten.
Scheiß auf alles außer … ihr. Er würde sie nehmen.
Sam knabberte an seiner Unterlippe, sog sie in ihren Mund, und Max hatte das Gefühl, gleich den Verstand zu verlieren. Warum nur? Wie konnte sie ihn so sehr erregen?
Er hatte schon manche Frau gehabt. Er sollte nicht …
Sam löste sich von ihm.
»Was tust du …«
Sie sank vor ihm auf die Knie. »Jetzt bin ich dran.« Ihre Hände rissen ihm die Jogginghose herunter, und ihr Mund, oh Gott, ihr Mund schloss sich um seine Eichel.
»Samantha.«
Mit einer Hand packte sie die untere Hälfte seines Schwanzes, dann beugte sie sich vor, um ihn noch tiefer in den Mund zu nehmen und ungestüm zu saugen.
Er vergrub die Hände in ihrem Haar.
Sie schluckte. Nahm ihn noch tiefer in sich auf.
Ihr Mund bewegte sich immer schneller auf und ab, ihre Lippen glitten über seine Haut, sie leckte und liebkoste seinen Schwanz. Tiefer. Mehr.
Max legte die Hände um ihren Hinterkopf und stieß in ihren Mund. Seine Eier zogen sich zusammen, seine Wirbelsäule bebte, er stand kurz vor dem Orgasmus. Immer näher kam er, war schon so nah, dass es schmerzte.
Ihre Hände flogen nach oben und stießen seine weg. Sie nahm ihren Mund von seinem Schwanz und wisperte: »Noch nicht.«
Sie sah zu ihm auf, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, zog ihr T-Shirt über den Kopf und warf es auf den Boden. Sie trug einen schlichten, weißen BH, aber ihre Brüste quollen aus den Schalen, und das sah verdammt sexy aus.
Sie katapultierte ihre Schuhe von sich und wand sich aus der Hose. Dann zog sie ein kleines Päckchen aus der Gesäßtasche.