Egoshooter (eBook) - Martin von Arndt - E-Book

Egoshooter (eBook) E-Book

Martin von Arndt

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Beschreibung

Ego shooter, das sind Computerspiele, in denen der Spieler alles durch die Augen seiner Figur wahrnimmt. Spieler und Figur verschmelzen miteinander. Die virtuelle Welt wird zur realen Welt. Kovács, der Held in Martin von Arndts Romandebüt, ist ein Profispieler im Internet. In seiner hermetisch abgedichteten Wohnung nimmt er Nacht für Nacht an nachgespielten Flugzeugschlachten des zweiten Weltkriegs teil. Mit möglichst vielen Abschüssen verdient er sein Geld. Er lebt das Leben einer neuen Generation, die konsequent in der virtuellen Realität des Computers existiert, inmitten von ›configs‹, ›addons‹ und ›respawn-points‹. Solange, bis Kovács von einer Krankheit heimgesucht wird, die ihn zunächst spielunfähig macht und schließlich mit dem Tod bedroht. Die auf die ärztliche Diagnose folgende Woche wird Kovács Karwoche. Station für Station erleidet er seine Passion. Stationen auf diesem Gang sind seine unerfüllt gebliebenen Liebesabenteuer und die heimlichen und unheimlichen Katastrophen seiner Familiengeschichte, die zwischen Ungarn nach dem 1956er Aufstand und dem Wirtschaftswunder-Deutschland hin und her pendelt. »ego shooter« ist die ebenso skurrile wie komische und tragische Geschichte einer Sehnsucht nach neuen Lebensnischen in der Computer-Gesellschaft. Aber es ist auch die Geschichte einer Gefährdung. Kovács ist der Vertreter einer jungen Generation, die sich in immer brutaler ausgetragenen gesellschaftlichen Verteilungskämpfen ihren Weg suchen muß. Und die vor dem Computer Gefahr läuft, menschlich abzustürzen, zu verelenden, zu verkommen. Die Auseinandersetzung um die Killerspiele reißt auch Jahre nach Erfurt und Winnenden nicht ab. Auch der Osloer Massenmörder bereitete sich erklärtermaßen monatelang mit Ego-Shooter-Spielen auf seinen Amoklauf vor.

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MARTIN VON ARNDT

Egoshooter

ROMAN

Vollständige eBook-Ausgabe der 2007 erschienenen Originalausgabe

eBook veröffentlicht bei ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

©2022 Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

eISBN 978-3-7472-0511-2

Coverbild unter Verwendung von Grafiken von [email protected] und [email protected]

Fonts: Delicious: A font by Jos Buivenga (exljbris, www.exljbris.com); TheMix: A font by Luc de Groot

mail mir deine herzhaut im dateianhang gezippt weck mich schlafendes messer

samstag

ein mops kam in die küche. mir entfährt ein zischen. »ziemlich schmerzhaft, was?« mit 3 fingern drückt er zu, baut sich vor mir auf, dreht meinen kopf um 40 grad nach links, sachte, dann um 20 grad nach rechts. beugt sich zu mir herunter & leuchtet mir in die pupillen, presst mir seine daumen an die stirn, die zeigefinger in den nacken, & zieht luft durch die schneidezähne ein. er hat den alk gerochen, meinen talgigen schweiss. die frage steht im raum wie ein gast, den man nicht losgeworden ist. ich zucke mit den schultern. »keine ahnung« sage ich gedehnt, »weiss nicht, wie schmerzhaft so was normalerweise ist.« er sieht mich an, einen moment zu lang, mit müden, ausgebleichten mittvierziger-augen, legt den kopf mit den unsauber frisierten ergrauten schläfen, unter denen sich die ansätze buschiger koteletten zeigen, ein wenig schief & bittet mich, den meinen anzuheben. da es ihm zu langsam geht, hilft er nach. mit 2 fingern der linken hand. »wie weit können sie den kopf nach rechts bewegen?« ich mache es ihm vor. er geht zurück zu seinem sessel, setzt sich, schlägt die beine übereinander, sieht wägend zu mir auf & beginnt zugleich, fahrig mit der maus zu hantieren. ich weiche seinem blick aus, starre auf die hosenbeine seiner fabrikneuen bluejeans. auf den milchkaffeebraunen linoleumboden, geruch nach schul-zeichensaal (leicht mit dem schlauch zu reinigen, wenn’s mal blutig wird). starre auf die weisse wand, die sterilität vorgibt & weniger makellos als vernachlässigt wirkt. apparate, die aussehen, als hätte er sie bei einem online-auktionshaus ersteigert. ein katzenkalender, der matisse-druck zwischen seinem rechten ohr & dem ansatz zu einer sichelförmigen glatze auf seinem hinterkopf. trotz ausführlicher inspektion entdecke ich keinen schrank, in dem er die medikamente aufbewahrt. »brauchen sie immer einen erfahrungsabgleich, bevor sie eine aussage treffen? zum beispiel über ihre befindlichkeit?« zucke erneut mit den schultern. »keine ahnung. weiss nicht, wie so was normalerweise bei mir läuft.« jetzt zuckt auch er mit den schultern, kopfschüttelnd, dreht an der feststellschraube seiner rückenlehne, setzt sich auf & beginnt zu tippen. »sieht nicht gut aus. weshalb sind sie nicht früher gekommen?« er spricht mit universitär übertünchtem badischen akzent. sagt ›gu-ut‹. & ›frü-üa‹. ich schweige. trockene hände, trockener mund. er sieht auf & lehnt sich zurück in seinen sessel. gibt die sicht frei auf den matisse. der ist wahrscheinlich obligat. bekommt man zusammen mit der kassenzulassung. als werbegeschenk. hätten herrn doktor stattdessen einen anständigen pc überlassen sollen. die blassgraue schuhschachtel, die auf seinem schreibtisch steht, muss bestimmt noch mit der kurbel angeworfen werden. eintakter-fehlzündungen. ich höre sie in den gesprächspausen. »schädelbasisabszess. das problem ist…«, sagt er bedeutungsschwer, während er aufsteht, zum fenster geht & draussen mit seinen gähnenden augen irgendwas zu fixieren sucht (nur dass da draussen eben nichts zu fixieren ist, weil das ordinationszimmer auf denselben bekackten hinterhof rausgeht, in den ich früher jede nacht meine kippen geschnippt habe: windeln, wäsche, altölwannen), »... dass ab oberhalb der kiefer solche bakterienherde kontakt mit der hirnhaut haben. verstehen sie, was das bedeutet?« da kamen viele möpse & gruben ihm ein grab. bin zum ersten mal in der praxis. sicher zum letzten mal. lasse mich nun mal nicht gern wie einen schwachkopf behandeln, nur weil ich nicht medizin studiert habe. atme geräuschvoll zwischen den zähnen aus. »hirnhautentzündung,« sage ich, den atem noch auf der zunge, »separates the man from the idiot.« er dreht sich hastig um, stellt fest, dass seine theatralische sendung misslungen ist & setzt sich wieder. tippt. streng. verbissen. während seine halbwachen augen auf dem summenden monitor ruhen. »oder encephalitis. gehirnentzündung. scheidet die toten von den lebenden. steifer nacken. heftige kopfschmerzen. fieberschauer. erbrechen. bewusstseinsstörungen. – ich verschreibe ihnen ein chinolon, das nimmt’s mit den meisten bakterienarten auf. einmal täglich eine tablette während der mahlzeit.« klinischer blick. medizinische kunstpause. von jetzt an: alles in doppelter geschwindigkeit. es drängt ihn zu einem neuen patienten. »gehen sie gern in die sonne?« nur wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. (hat er nicht 7 minuten lang auf meine weisse, weisser als weisse haut gestarrt?) ich komme nicht dazu, es zu sagen. »keine sonne, keine hitze. reichlich kopfschmerztabletten. sparen sie nicht damit. in 6 tagen sehen wir uns wieder.« er blickt auf den katzenkalender. noch ein werbegeschenk. »soll ich sie krank schreiben?« metallisches rattern der festplatte. mein blick gleitet unwillkürlich über den pc. bei meinen allnächtlichen anflügen auf britische abfangjäger wird mich garantiert keiner vermissen. obwohl ich der adler bin. mit über 2000 abschüssen. »haben sie viel mit computern zu tun? keine computerarbeit! keine körperliche anstrengung! keine arbeit unter hochkonzentration!« sein körper strafft sich, er steht auf, streckt mir die rechte hand hin. als ich sie schüttle, streift er das hemd von meinem handgelenk. »ist der abdruck von einem blutdruckmessgerät?« seine augenbrauen, die so eng stehen, als müssten sie sich unablässig beraten, ziehen einander noch tiefer ins gespräch. die müdigkeit in seinem blick bekommt einen zug ins überhebliche: er hat seinen kleinen klugscheisser von sohn beim lügen ertappt. ich schweige. »nehmen sie das ernst. die kombination mit bluthochdruck ist verheerend,« doziert er, die stimme hüpft vor ernsthaftigkeit am gaumen, die schlussilben sind wie federn gespannt, »… kann alles beschleunigen: fieberkrämpfe. lähmungserscheinungen. hirnkrämpfe. wenn’s mal so weit ist, ist es schon zu spät. bettruhe. machen sie sich’s dunkel in der wohnung. haben sie jemand, der für sie sorgt?« unvermitteltes stechen an der schädelfront. das messgerät hat dieselben funktionsaussetzer wie ich. 160:90. geschenk von lena. ›nimm deinen bluthochdruck ernst‹. solche sätze kann man gar nicht oft genug hören. kneife die augen zu schmalen schlitzen. er begleitet mich zur tür, öffnet die schleusen für das nächste wehwehmännchen. ich antworte: »kayas bringshopping.« er, indem er mir das rezept überreicht: »halten sie sich an gemüse. sind sie programmierer?« ich schätze, er fragt, weil ich ein xxl-shirt trage mit der aufschrift ›error 404‹. ich: sonnenbrille auf. strebe meiner lederjacke entgegen. hinaus in die helle welt. »nein. ego shooter. kampfflieger.«

draussen plärren mir 2 mutterlose bälger & die bebrillte klimakterische sprechstundenhilfe entgegen, die ein problem auf meiner chipcard gefunden haben will. das einzige problem ist, dass das scheissding seit anderthalb jahren abgelaufen ist. (wann habe ich eigentlich aufgehört, meine krankenversicherung zu bezahlen?) ich schwöre ihr, dass sich meine adresse nicht geändert hat & mein zwischen ihren zähnen zerhackter name auch nicht. unwillig stempelt sie mit der spitze ihres kugelschreibers (werbegeschenk) kleine blau gerandete kreise auf die anmeldetheke. stelle mir vor, wie sie allabendlich mit ihrem chef vögelt. im stehen. doggy style, die hände in der theke verkrallt. blick aufs linoleum. wie seine augenbrauen unzufrieden miteinander ins tuscheln geraten, weil es zu langsam geht, kurz vorm höhepunkt. wie sie sich einen fingernagel abbricht am holzfurnier & der kugelschreiber von der ablage fällt, auf dem höhepunkt, & klackernd unten aufkommt, ein flugunfähiger käfer, blau auf milchkaffeebraun. sie nimmt die brille nicht ab. & er zieht die jeans nicht aus. bevor ich zugluft hinterlasse, schlage ich der sprechstundenhilfe vor, mir eine rechnung zu schicken. sie schüttelt andeutungsweise den kopf, während sie die kugelschreibermine ausfährt & einige kritzeleien auf ein buntes papierchen gleiten lässt. dann wendet sie sich den kindern zu, die unisono zu weinen begonnen haben. nächstgelegene apotheke. supermarkt. dann 3 tabletten, in tibors wohnung & hinhauen. als sich meine jacke in der apothekentür verfängt, überlege ich, wann ich zum letzten mal einkaufen war. im real-life. kein klares ergebnis. ich befreie die jacke. wirksame schmerzmittel sind nur auf rezept zu haben. oder in der tanke, unterm ladentisch. muss also zum supermarkt. dann in die bekackte tanke, die ausserhalb meiner home-map liegt. am besten nur tanke. obst gibt’s da auch. & vitamine müssen sein, herr doktor, hatte zuletzt den eindruck, kurz vor dem skorbut zu stehen. ostersonne. brennt ganz schön & verhindert jeden auferstehungswillen. in meinem schädel hämmern tiefe pulse über einer melodie, die ich aus dem wartezimmer gerettet habe & nun nicht loswerde. ziemlich einfallsloser beat. den rhythmus müssen wir noch üben. die tanke liegt so weit ausserhalb meiner map, dass ich eine strasse zu spät abbiege & vorm friedhofstor stehe. tibor liegt direkt rechts neben der pforte. (lössboden. im schichtprofil etwa 2,30 meter unterhalb der ersten lauffläche, schätze ich.) weil das grab so nah am eingang ist, war ich zweimal da. habe gesehen, dass man den nachnamen auf dem stein falsch eingraviert hat, kovacs, ohne ´ auf dem a. so ausgesprochen klingt das auffallend nach quatsch. oder matsch. dabei hatte ich’s dem steinmetz extra in schönschrift aufgeschrieben. quatsch. gespannt, was bei mir mal stehen wird. ›unbekannter flieger‹ vielleicht. eine meiner romantischen flausen. zum abgewöhnen.

tanke. hinterm ladentisch thront rogalski. rogalski. geplatzte adern in den schläfen & auf den wangen. er ist alkoholiker. seine frau auch. aber während er sich damit abgefunden hat, ist ihr einziges lebensziel, ex-alki zu sein, & zwar seit jahrzehnten. erzählte tibor. gerade füllt sie die regale auf. fleischwurst in dosen. neu ausgepreist wegen pfanderhöhung. sieht mich kommen & dreht sofort das welke gesicht weg. gehörte zur antikriegsformation bei mir im haus, sie, die alte aus dem 2. stock links & die alte aus dem 2. stock rechts. in den oberen geschossen nur rentnerinnen, die sich über meine nächtlichen kanonaden aus dem krieg über england beschwerten. da war ich noch auf dem sprung. heute bin ich professionell. & lautlos. dafür kotze ich angeblich auf ihre perserteppiche. aber nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. im gegensatz zu seinem gespons grüsst mich rogalski. nicht nur jetzt, als kunde. spätestens als ihm klar wurde, dass die anderen leeren schnapsflaschen im wertstoffcontainer von mir stammten, hatten wir ein gemeinsames ziel: austrinken. ausserdem sehen wir uns selten genug im treppenhaus, das schafft keine muffige nähe. einmal habe ich ihn vor meiner tür abgepasst, als er vom trockenboden, seinem schnapsversteck, kam & zurück nach unten wollte. als ich öffnete, stand er da & starrte auf meine klingel. er nickte & faselte etwas von »aha, noch immer kovács, aha aha«. ich erklärte ihm, es sei der name meines toten onkels, in dessen wohnung ich eingezogen sei & dass ich nichts in der wohnung verändern wolle, noch nicht einmal den namen am klingelschild. er nickte, vernarbter graubrauner zirrhosenteint & gelbsuchtaugen, grüsste & vergass. seitdem bin ich »tach, kovács«. man merkt, dass seine vorfahren wie tausende andere hier aus polen kamen, er hat sich ein natürliches zungengespür für nichtgermanische namen bewahrt & macht keinen ›quatsch‹ draus. auf dem weg zum ladentisch packe ich eine plastiktüte äpfel & ein netz orangen (im angebot). rogalski gegenüberstehend, deute ich mit dem kopf sachte nach unten (anders als sachte kann ich gerade auch gar nicht), das zeichen für die ›andere ware‹. rogalski versteht nicht, sein schnauzer bebt, er fährt grobschlächtig mit dem scanner übers obst & fragt, ob ich eine grössere tüte bräuchte. ich strecke ihm das geld über den tisch & raune, weil gerade ein tanktourist das kabuff betritt: »kopfschmerzbrechmittelvalium«. rogalski schaut glasig. völlig knülle. »vielleicht erstmal den herrn hier kassieren« schiebe ich hinterher & sehe mich beim süsskram um. endlich beginnt er zu verstehen, langt aus einem schränkchen unter der theke einen schlüssel, geht mit ihm in den nebenraum & kommt wieder mit einer riesigen blauen verpackung, während er in richtung seiner frau »soooo, grosses tütchen« ochst. er hält es mir mit der offenen seite hin, ich kann die schmucken weiss-rosa dragées sehen. schluckgetunt. bester stoff meiner terra cognita. ich grunze zufrieden, greife nach dem netz orangen & einem zwanziger. rogalski zeigt mir die 5 finger seiner rechten hand, der zeigefinger ist ein wenig blutverschmiert, wahrscheinlich ist er zuvor in der nase tätig gewesen. ich zähle das silbergeld einzeln auf den tisch, rogalski wird unruhig, seine frau sieht von der dosenwurst her & die tür schnappt vor einer kundin auf. »ok« grummelt er, »ok ok« & steckt 22 € ein. ich grüsse. sonnenbrille auf.

zurück in tibors wohnung. einen cocktail mischen aus dem antibiotikum & rogalskis dragées, 3 davon. als ich mit cola spülen will, tappe ich vor dem kühlschrank in eine wasserlache. vergessen, das ding abzutauen. erledigt sich jetzt von selbst. ich ziehe den stecker & werfe ein altes shirt in die pfütze. kann mich nicht darum kümmern. muss mich hinlegen. unbedingt. die bilder vom friedhof kehren zurück. tibor. ist zum pfortenwärter aufgestiegen. so nah am ausgang, dass er flüchten könnte. bei der beerdigung hatte ich reichlich gelegenheit, rauszugehen & einen jägermeister zu trinken, während seine schützenbrüder ihren nicht endenwollenden fahnenzauber abzogen & die dazu gehörige kapelle ›ein mops kam in die küche‹ spielte (oder genauer: irgendein volkslied, das dieselbe melodie hat, aber von der heimat handelt, der verlorenen, & der geliebten, die schwanger geht, schwanger mit einem teil des toten, dem kind des toten, dem das lied gewidmet ist, der gerade in die grube gelassen wird, fern der heimat, etc. etc., & alle sangen sie mit, wenigstens den refrain). als ich wieder reinkam, polterte es. ein ›blöder anton‹ – so wurde er den ganzen leichenschmaus hindurch genannt & so hab ich ihn dann auch angesprochen – hatte sein banner fallen lassen, alles sah ihn entsetzt an & er beeilte sich, ins grab zu fingern, wovon ihn der friedhofsgärtner gerade noch abhalten konnte. beim grossen fressen kam der grünrock mitsamt dem banner & machte den blöden anton glücklich & noch blöder, weil er dann 5 oder 6 runden schmeissen musste. ich hab davon auch profitiert & »prost, blöder anton, egészségédre« gepoltert. er sah mich an mit seinen blassblauen augen & stöhnte ›anton‹, bevor er den schnaps zwischen den zähnen zerkaute.

schlaflosigkeit. wahrscheinlich als nebenwirkung des antibios. prüfe kurz, ob ich wichsen kann. funktioniert nicht ohne net porn. meine vorstellungskraft ist ausserstande, weibliche kurven zu simulieren, & vor dem pc geht’s nicht mit dem schädel. es gibt nur eine position, in der ich keine schmerzen habe: auf der rechten seite liegend, im 20 grad-winkel voll bekisst gegen das bett aufgerichtet. schlaflosigkeit. nach 30 drehungen in zeitlupe ziehe ich eine lange hose an, damit ich wenigstens nicht friere. wenn ich schon nicht schlafe. draussen geht irgendwas unter. im besten fall die sonne.

es ist schnell mit ihm zu ende gegangen. darmkrebs. rastloser fresser. in der wohnung roch es, wie wenn man nach einem langen urlaub zurück kommt & feststellt, dass man vergessen hat, die aschenbecher zu spülen. gefunden habe ich ihn. er lehnte in situ am sofa, dort, wo heute meine badewanne steht. manchmal habe ich beim baden angst, sein geist könnte mich ersäufen. oder elektrokutieren. in der mir vermachten eigentumswohung. tibor hatte in seiner winzigen, aus sorgfältig gesetzten druckbuchstaben geformten schrift auf einen zettel geschrieben, bevor er abtrat. den habe auch ich gefunden. die idioten vom bestattungsinstitut hatten ihn vom tisch gefegt & er war zwischen 2 stinkende nepalteppiche gerutscht.Aber die bohrende Angst, nichts zum Schreiben zu finden, nicht ein Blatt, nicht einen Stift. Denn da war etwas, das gesagt werden musste. Irgendwas. Ich habe vergessen, was es war. Dann habe ich es aufgeschrieben, als Vergessenes. Ich habe geschrieben, damit ›es‹ gesagt ist. ›Es‹, das mich vielleicht eines Tages in die Verantwortung brächte und mich fragte, weshalb ich geschwiegen hätte. Ich habe geschrieben, und während des Schreibens habe ich vergessen, was ich schrieb.