Ein Brief von Origenes an Africanus - Origenes - E-Book

Ein Brief von Origenes an Africanus E-Book

Origenes

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Beschreibung

Wir befinden uns im Jahr 240. Ein Christ namens Africanus schreibt einen Brief an Origenes mit vielen Einwänden und Schlägen gegen gewisse Passagen und Bücher, von denen er meint, sie gehören gar nicht in die Heilige Schrift weil sie gefälscht seien. Anlass sind die Geschichten von "Susanna" und "Bel und Drache", die die Juden aus ihrer Schrift entfernten, die Christen aber noch im Buch Daniel haben. Origenes, der alle griechischen und hebräischen Texte jahrzehntelang Wort für Wort studierte und verglich, schreibt einen langen Antwortbrief, der uns einen tiefen Einblick in die Lehre und Praxis der Gemeinden Christi im dritten Jahrhundert gibt, wie sie mit der Frage umgingen, die bis heute viele Menschen irritiert und das Christentum spaltet. Wir stehen hier, 100 Jahre vor Entstehung der Römisch-Katholischen Kirche, am Beginn der Diskussion, ob die sogenannten Apokryphen zurecht von den Juden aus dem Alten Testament geworfen wurden oder ob sie nicht doch wahr und von Gott inspiriert sind. Der Brief von Origenes an Africanus ist die beste Anleitung, die wir von den frühen Christen zum Thema Apokryphen haben. Er sagt uns, was in all diesen Fällen zu tun ist.

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Vorwort des Herausgebers

Origenes ist für die meisten Christen des 21. Jahrhunderts ein Name, den sie noch nie hörten, und man muss gezielt suchen, um wen zu finden, der etwas über diesen Mann weiß. Im dritten Jahrhundert war das umgekehrt. Origenes war einer der bekanntesten und begnadetsten christlichen Lehrer seiner Zeit, den sogar die Juden kannten. Dabei half es, dass er in der Stadt Alexandria aufwuchs, lehrte und wirkte, wo es auch eine große jüdische Gemeinschaft gab und er sowohl Hebräisch als auch Griechisch beherrschte. Er reiste viel und schrieb eine – auch für heutige Verhältnisse – unglaublich große Anzahl von Büchern. Die meisten sind leider den Weg alles Vergänglichen gegangen. Heute ist nur eine bescheidene Auswahl seiner Werke erhalten. Ein ganz besonderes haben wir hier.

Es ist ein Brief, der eher einer Abhandlung gleicht, und wegen einer brisanten Streitfrage verfasst wurde, die im dritten Jahrhundert begann und bis heute für Unruhe und Diskussionsstoff sorgt. Damals hatten sich die Juden endgültig von ihrer bisherigen heiligen Schrift, der griechischen Septuaginta, verabschiedet und sie durch eine neu herausgebrachte hebräische Schrift ersetzt, heute bekannt als „Masoretentext“. Diese wurde auch ins Griechische übersetzt und kam so zu den Christen. Einige waren irritiert, weil es nun zwei griechische Alte Testamente gab, die aber erheblich voneinander abwichen. Welches ist von Gott inspiriert? Beide Lager beschuldigten einander der Fälschung und diskutierten über „apokryphe“ Bücher. Es gab kaum einen kompetenteren Christen zu dem Thema als Origenes, dem ein Brief mit herausfordernden Fragen geschrieben wurde. Seine Antwort darauf liegt hier vor und könnte bis heute wegweisend sein, denn sie lehrt uns Geschichte. Origenes zeigt uns, wie die frühen Christen mit diesen Fragen umgingen als es noch keine Römisch-Katholische Kirche gab, keine Konzile, keine Dogmen und auch keine Protestanten.

Weil „Susanna“ ein Kernthema des Briefes ist, haben wir sie in voller Länge im Anhang abgedruckt.

Michael Eichhorn, Hermagor, Oktober 2023

Inhalt

Ein Brief von Origenes an Africanus

1.

Anlass des Briefes

2.

Susanna, wahre Geschichte oder Fälschung?

3.

In den hebräischen Texten fehlt viel

4.

Die Unterschiede verändern den Sinn

5.

Verändere nicht die ewigen Grenzen

6.

Vorsicht bei Urteil über Wortspiel

7.

Jeremias bestätigt Susanna

8.

Die hebräische Tradition bestätigt Susanna

9.

Warum fehlt das alles im hebräischen Text?

10.

Darf Daniel nicht prophetisch reden?

11.

Einwände ohne Respekt und Geist

12.

Sprachliche Kunstgriffe sind nicht selten

13.

Ein ungebildeter Einwand

14.

Nachhilfe in Geschichte

15.

Schlußbemerkung

Anhang

1.

Susanna (SusLXX)

Motto und Exposition der Erzählung

Der Vergewaltigungsversuch im Park

Die Erniedrigung der Susanna in der Synagoge

Die Errettung der unschuldigen Tochter Juda vom Tode

2.

Susanna (SusTH)

Exposition der Erzählung

Im Park des Mannes der Susanna

Im und beim Haus des Joakim am darauffolgenden Tage

Überleitung zu Dan 1

Die Bedeutung der Namen des Pentateuchs

Unterschiede bei biblischen Namen je Sprache

Abkürzungen

Buchempfehlungen

Ein Brief von Origenes an Africanus

240

Wenn man sich in der Kirchengeschichte ansieht, ob ein Mensch eher früher oder später in seinem Leben mit Christus startete, so gehört Origenes definitiv zu den Frühstartern! Bereits mit 17 Jahren war er fest entschlossen, an der Seite seines zu Tode verurteilten Vaters für Christus zu sterben. Nur durch List gelang es seiner Mutter, dass der junge Origenes zu Hause blieb und so dem sicheren Märtyrertod entging. Vorerst.

Nach der Hinrichtung seines Vaters übernahm Origenes sofort Verantwortung in seiner Gemeinde in Alexandria und versuchte die Lücken zu schließen, die durch die harte Christenverfolgung entstanden. Anfangs für die Schulung der Neubekehrten und Taufanwärter zuständig, wurde er später Presbyter und unterwies die ganze Gemeinde. Seine Vorträge waren bald weit bekannt und so hervorragend, dass sogar Schnellschreiber engagiert wurden, die mitschrieben wenn er systematisch die gesamte Schrift lehrte. So entstand der erste schriftliche Bibelkommentar. Sein hohes Bildungsniveau, seine herausragende Intelligenz, aber besonders sein großer Fleiß und seine hundertprozentige Liebe für den Herrn und die Gemeinde, machten Origenes zu einem gefragten Lehrer, der fließend Griechisch und Hebräisch sprach und sowohl mit Juden als auch Christen ausgiebig diskutierte. Sein größtes Werk aber war eine Textstudie, der er drei Jahrzehnte widmete. Er verglich alle vorhandenen griechischen und hebräischen Versionen der Heiligen Schrift, studierte die Unterschiede Wort für Wort, und war daher wohl der kompetenteste Mann im dritten Jahrhundert in der Frage, welcher Text das unverfälschte Wort Gottes ist. Deswegen wurde er von Julius Africanus angeschrieben. Wir haben hier das wegweisende Antwortschreiben von Origenes an Africanus, das bis heute nicht an Brisanz eingebüßt hat. Im Gegenteil.

1. Anlass des Briefes

Origenes an Africanus, einen geliebten Bruder in Gott dem Vater, durch Jesus Christus, sein heiliges Kind, Gruß.

Dein Brief, aus dem ich erfahre, was du über die Susanna im Buch Daniel denkst, die in den Gemeinden1 verwendet wird,2 erscheint zwar etwas kurz, führt aber in seinen wenigen Worten viele Probleme an, von denen jedes keine gewöhnliche Behandlung verlangt, sondern eine, die über den Rahmen eines Briefes hinausgeht und die Grenzen einer Abhandlung erreicht. Und wenn ich, so gut ich kann, das Maß meines Intellekts bedenke, bin ich mir bewußt, wie ich mich kenne, daß ich mir die notwendige Genauigkeit wünsche, um auf deinen Brief angemessen zu antworten; und das um so mehr, als die wenigen Tage, die ich in Nikomedia verbracht habe, bei weitem nicht ausgereicht haben, um dir eine Antwort auf alle deine Herausforderungen und Fragen zu senden, selbst nach der Art des vorliegenden Briefes. Verzeihe mir daher meine beschränkten Möglichkeiten und die wenige Zeit, die ich hatte. Lies diesen Brief mit aller Nachsicht und beliefere mich mit allem, was ich vielleicht ausgelassen habe.

1 Wörtl. „Kirchen“. Origenes schreibt, wie auch alle Autoren des NT, stets das griech. Wort „ekklesia“, meist im Plural, auf Deutsch „Kirchen“. Damit sind alle rechtgläubigen christlichen Kirchen gemeint, im Gegensatz zu Sekten, Juden und anderen Religionen. Seit Kaiser Konstantin im 4. Jh. wird der Begriff „Kirche“ jedoch wie ein Markenname nur für die Römisch-Katholische Kirche (Einzahl) verstanden. Deswegen ist der Begriff heute problematisch. Die frühen Christen kannten die Institution RKK noch nicht und daher auch nicht den heutigen Konflikt mit dem Wort, sondern meinten damit alle christlichen Kirchen. Deswegen übersetzen heute viele Bibelübersetzer das biblische Wort „ekklesia“ mit dem historisch weniger belasteten, neutralen Wort „Gemeinde“ oder „Versammlung“. Auch wir haben uns entschieden, das zu tun.

2 „Susanna“ war damals also in den Gemeinden im Buch Daniel enthalten und in Verwendung! Später galt sie als „apokryph“ und wurde aus dem Buch Daniel gelöscht.

2. Susanna, wahre Geschichte oder Fälschung?

Du beginnst damit, dass du sagst, als ich in meiner Diskussion mit unserem Freund Bassus die Schrift benutzte, die die Prophezeiung Daniels in der Angelegenheit der Susanna enthält, als er noch ein junger Mann war, habe ich dies getan, als ob es mir entgangen wäre, dass dieser Teil des Buches gefälscht ist. Du sagst, du lobst diese Stelle als elegant geschrieben, tadelst sie aber als eine modernere Komposition und Fälschung. Und du fügst hinzu, dass der Fälscher zu etwas gegriffen hat, was nicht einmal Philistion, der Dramatiker, in seinen Wortspielen zwischen prinos und prisis, schinos und schisis verwendet hätte, nämlich Wörter, wie sie nur auf diese Weise verwendet werden können wie sie im Griechischen klingen, aber nicht im Hebräischen.

Als Antwort darauf muss ich dir sagen, was wir zu tun haben, nicht nur im Falle der historischen Geschichte der Susanna, die in jeder Gemeinde Christi in der griechischen Fassung die die Griechen benutzen zu finden ist, die aber nicht im Hebräischen steht, oder betreffend der beiden anderen Stellen, die du am Ende des Buches erwähnst und die die historische Geschichte von Bel und dem Drachen enthalten, die ebenfalls nicht in der hebräischen Fassung des Daniel stehen, sondern auch bei Tausenden anderer Abschnitte, die ich an vielen Stellen fand, als ich mit meinen bescheidenen Kräften die hebräischen Abschriften mit den unseren verglich.

Denn in Daniel selbst fand ich, dass dem Wort „gebunden“ in unseren Versionen sehr viele Verse folgen, die im Hebräischen überhaupt nicht vorkommen, und die (nach einer der Abschriften, die in den Gemeinden kursieren) so beginnen: „Ananias und Azarias und Misael beteten und sangen zu Gott“3, bis hin zu „Oh, ihr alle, die ihr den Herrn anbetet, lobt den Gott der Götter. Lobt ihn und sprecht, dass seine Barmherzigkeit währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und es geschah, als der König sie singen hörte und sah, dass sie am Leben waren.“4 Oder, wie in einer anderen Abschrift5