Acht Bücher gegen Celsus, Band 1 - Origenes - E-Book

Acht Bücher gegen Celsus, Band 1 E-Book

Origenes

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Beschreibung

"Gegen Celsus" (lateinisch: Contra Celsum) ist ein bedeutendes apologetisches Werk des Kirchenvaters Origenes von Alexandria, das um 248 n. Chr. verfasst wurde und sich gegen die Schriften von Celsus wendet, einem heidnischen Philosophen und Polemiker, der in seinem Traktat Logos Alēthēs ("Das wahre Wort") einen vernichtenden Angriff auf das Christentum geschrieben hatte. Neben einer Vielzahl anderer Anschuldigungen hatte Celsus viele christliche Lehren als irrational bezeichnet und die Christen selbst als ungebildet, verblendet, unpatriotisch, der Vernunft gegenüber engstirnig und zu annehmend gegenüber Sündern kritisiert. Er beschuldigte Jesus, seine Wunder nicht mit göttlichen Kräften, sondern mit schwarzer Magie vollbracht zu haben und seine Lehren von Plato abgekupfert zu haben. Celsus hatte davor gewarnt, dass das Christentum selbst die Menschen von der traditionellen Religion abziehe und behauptete, dass sein Wachstum zu einem Zusammenbruch der traditionellen, konservativen Werte führen würde. Origenes schrieb "Contra Celsum" auf Bitten seines Gönners, eines wohlhabenden Christen namens Ambrosius, der darauf bestand, dass ein Christ eine Antwort auf Celsus schreiben sollte. In der Abhandlung selbst, die sich an ein Publikum richtete, das sich für das Christentum interessierte, sich aber noch nicht endgültig dazu entschieden hatte, antwortet Origenes auf die Argumente des Celsus Punkt für Punkt aus der Perspektive eines platonischen Philosophen. Nachdem er die Glaubwürdigkeit des Celsus in Frage gestellt hat, geht Origenes auf dessen Kritik an der Rolle des Glaubens im Christentum, der Identität Jesu Christi, der allegorischen Auslegung der Bibel und dem Verhältnis zwischen Christentum und traditioneller griechischer Religion ein. Dies ist Band eins von zwei und beinhaltet die Bücher eins bis vier.

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Seitenzahl: 585

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Acht Bücher gegen Celsus

 

Band 1, Bücher 1 - 4

 

ORIGENES

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Acht Bücher gegen Celsus 1, Origenes

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660758

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorrede. 2

Erstes Buch. 7

Zweites Buch. 71

Drittes Buch. 140

Viertes Buch. 203

Fußnoten. 292

 

 

Acht Bücher gegen Celsus, Band 1

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Gegen Celsus (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Gegen Celsus (Contra Celsum) In: Origenes, Acht Bücher gegen Celsus. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 52 und 53) München 1926. Unter der Mitarbeit von: Daniel Noti.

 

 

 

 

 

Vorrede

 

1.

 

 Unser Heiland und Herr Jesus Christus „schwieg“, als man falsches Zeugnis wider ihn ablegte, und „antwortete nichts“, als man ihn anklagte.1 Denn er war überzeugt, dass sein ganzes Leben und die unter den Juden vollbrachten Taten gewaltiger für ihn sprächen als eine Rede, die das falsche Zeugnis widerlegt hätte, und als Worte der Verteidigung gegen die Anklagen. Ich weiß nun nicht, mein gottliebender Ambrosius, wie du wünschen konntest, dass wir uns gegen die von Celsus schriftlich gegen die Christen vorgebrachten falschen Zeugnisse und gegen die von ihm in seinem Buche gegen den Glauben der Gemeinden erhobenen Anklagen verteidigen sollten. Liegt nicht ein schlagender Beweis in den Sachen selbst, und ist nicht die Lehre, welche die falschen Zeugnisse vernichtet und den Anklagen selbst den Schein der Wahrheit und damit alle Bedeutung nimmt, kräftiger als alle Schriften? Dass aber „Jesus schwieg“, als man falsches Zeugnis wider ihn ablegte, dafür genügt hier die Anführung der Worte des Matthäus; denn was Markus aufgezeichnet hat, ist wesentlich dasselbe. Die Stelle bei Matthäus lautet so: „Der Hohepriester aber und der Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, damit sie ihn töten könnten; und sie fanden keines, obwohl viele falsche Zeugen auftraten. Zuletzt aber traten zwei auf und sprachen: Dieser hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen wieder aufbauen. Da stand der Hohepriester auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts, da diese gegen dich zeugen? Jesus aber schwieg.”2 Dass Jesus aber angeklagt nicht antwortete, erweist die folgende Stelle: „Jesus aber wurde vor den Landpfleger gestellt, und der Landpfleger befragte ihn und sprach:  Bist du der König der Juden? Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst es. Und als er von den Hohenpriestern und Ältesten angeklagt wurde, antwortete er nichts. Da spricht Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, wieviel sie gegen dich bezeugen? Und er antwortete ihm auf kein Wort, so dass der Landpfleger sich sehr verwunderte."3

 

2.

 

Denn auch bei Leuten von mittelmäßiger Fassungskraft mußte es Verwunderung erwecken, dass der Angeklagte und durch falsches Zeugnis Bedrohte, obwohl er imstande war, sich zu verteidigen und seine völlige Unschuld darzutun und auf sein ruhmvolles Leben und auf seine herrlichen durch Gott gewirkten Taten hinzuweisen, um so dem Richter die Möglichkeit zu geben, ein richtigeres Urteil über ihn zu fällen, dass er das nicht getan, sondern es verschmäht und die Ankläger in seiner Hoheit keiner Beachtung gewürdigt hat. Jesus wäre aber von dem Richter sofort freigegeben worden, wenn er sich verteidigt hätte. Das erhellt aus jenen Worten der Schrift, wo Pilatus sagt: „Wen von den beiden wollt ihr, dass ich euch freigebe, den Barbaras oder Jesus, der Christus genannt wird?“4, und aus jenen, welche die Schrift weiter hinzufügt: „Denn er wußte, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten.”5 Jesus wird nun immer von falschem Zeugnis bedroht und jederzeit angeklagt, solange die Bosheit unter den Menschen herrscht. Er selbst schweigt diesen Anschuldigungen gegenüber auch jetzt und redet zu seiner Verteidigung kein Wort. Es spricht aber für ihn der Wandel seiner wahren Jünger und redet laut für ihn und ist kräftiger als jedes falsche Zeugnis und widerlegt und vernichtet die falschen Zeugnisse und Anklagen.

 

3.

 

Ich wage daher zu behaupten, dass die Verteidigungsschrift, deren Abfassung du von uns begehrst, die in den Tatsachen selbst liegende Verteidigung etwas abschwäche und den Glanz der Macht Jesu verdunkle,  die allen die nicht blind sind, in die Augen fallen muß. Trotzdem aber habe ich, um nicht den Schein zu erwecken, als zögerte ich, deinem Auftrage zu entsprechen, nach meinem Vermögen den Versuch gemacht, jeder der von Celsus aufgestellten Behauptungen, die keinen Gläubigen in seiner Überzeugung wankend machen können, eine nach meiner Meinung geeignete Widerlegung entgegenzusetzen. O möchte doch keiner sich finden lassen, der “die Liebe Gottes in Christus Jesus”6 nur in solchem Maße in sich aufgenommen hat, dass er durch die Worte des Celsus oder eines seiner Gesinnungsgenossen im Glauben wankend werden könnte! Paulus zählt zwar viele Dinge auf, die “von der Liebe Christi” und “von der Liebe Gottes in Christus Jesus” zu scheiden pflegen, Dinge, die alle durch die Liebe zu ihm überwunden wurden; aber das Wort hat er nicht mit unter die trennenden Dinge gestellt. Man beachte nämlich, dass er zuerst sagt: “Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Bedrängnis oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, sind wir geachtet wie Schlachtschafe7. Aber in allen diesen Dingen obsiegen wir durch den, der uns geliebt hat.”8 Sodann gibt er ein anderes Verzeichnis von den Dingen, die ihrer Natur nach geeignet sind, die in der Gottesverehrung noch Schwankenden (von Gott) zu trennen. Er sagt nämlich: “Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte noch Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf imstande sein wird, uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn.”9

 

4.

 

Wir dürfen uns in Wahrheit rühmen, dass weder „Trübsal“ noch die weiter angeführten Dinge uns (von  der Liebe Gottes) scheiden, nicht so aber Paulus und die Apostel, und wenn jemand ihnen ähnlich gewesen ist, weil Paulus über solche Dinge gänzlich erhaben war, wenn er sagt: „In allen diesen Dingen obsiegen wir durch den, der uns geliebt hat“10, was mehr bedeutet als einfach siegen. Wenn aber auch die Apostel sich rühmen sollen, dass sie sich nicht „scheiden lassen von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn“, so werden sie sich wohl rühmen, dass „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten“ noch eines von den anderen aufgeführten Dingen sie „scheiden könne von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn“. Demnach freue ich mich nicht über einen Menschen, der nur 11 an Christus glaubt, dass sein Glaube von Celsus, der nicht einmal mehr unter den Lebenden weilt, sondern schon längst gestorben ist, oder von irgend einem scheinbar richtigen Gedanken in 12 Schrift wankend gemacht werden könnte. Und ich wüßte nicht, was ich von dem halten sollte, der gegenüber den Anschuldigungen des Celsus wider die Christen Gründe nötig hat, die in Büchern aufgezeichnet sind und die ihn nach dem Wanken im Glauben in diesem wieder befestigen können. Da sich jedoch in der Menge derer, die für Gläubige gehalten werden, wohl einige von der Art finden dürften, die durch die Schriften des Celsus wankend gemacht und verführt, aber durch eine Verteidigungsschrift von ihrem Wahn geheilt werden können, wenn diese das von Celsus Vorgebrachte zu wiederlegen und die Wahrheit vorzutragen versteht: so haben wir uns entschlossen, deinem Auftrage nachzukommen und auf die Schrift, die du uns gesandt hast, zu erwidern. Dass diese ein „Wahres Wort“ sei, wie Celsus sie betitelt hat, das dürfte wohl keiner von denen, die auch nur ein wenig wissenschaftlich gebildet sind, zugeben.

 

5.

 

 Paulus wußte wohl, dass die griechische Philosophie Lehren enthält, die für die große Menge etwas Bestechendes haben, die Lüge als Wahrheit darstellen und darum nicht unbeachtet gelassen werden dürfen. Er gibt uns deshalb hierüber die Belehrung: „Sehet zu, dass euch nicht jemand beraube durch die Philosophie und leeren Trug nach der Überlieferung der Menschen nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus“13. Und da er sah, dass sich in den Lehren der Weltweisheit eine gewisse Größe zeigt, sagte er, die Reden der Philosophen seien „nach den Elementen der Welt“ abgefaßt. Von der Schrift des Celsus aber wird wohl kein vernünftiger Mensch behaupten, dass auch sie „nach den Elementen der Welt“14 ausgearbeitet sei. Die Lehren der Weltweisen bezeichnete der Apostel, da sie etwas Trügerisches an sich haben, auch als „leeren Trug“, vielleicht zum Unterschiede von einem Truge, der nicht „leer“ ist, und den Jeremia im Auge hatte, als er Gott mit den Worten anzureden wagte: „Herr, du hast mich betrogen, und ich ließ mich betrügen; du bist stärker gewesen (als ich) und hast es vermocht.“15 Die Schriften des Celsus aber enthalten, wie mir scheint, durchaus keinen „Trug“, folglich auch keinen „leeren“, wie er sich in den Schriften jener Männer findet, die philosophische Systeme geschaffen und nicht gewöhnlichen Verstand16 darauf verwendet haben. Wie man nun nicht jeden beliebigen falschen Satz in der Geometrie einen Trugsatz nennen, oder auch, um Übungen damit anzustellen, unter diesem Namen aufzeichnen würde, so müßte den Lehrmeinungen der Stifter von Philosphenschulen das ähnlich sein, was ebenso wie jene „leerer Trug nach17 Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt“ genannt werden sollte.

 

6.

 

 Ich war in meiner Verteidigung bereits bis zu jenem Punkte gekommen, wo Celsus einen Juden auftreten und mit Jesus reden läßt, als ich mich entschloß, meinem Werke diese Vorrede vorauszuschicken. Der künftige Leser unserer Erwiderung auf die Schrift des Celsus soll nämlich sofort auf sie stoßen und daraus ersehen, dass das vorliegende Buch nicht für vollkommen Gläubige geschrieben ist, sondern für solche, die mit dem Glauben an Christus entweder ganz unbekannt oder, wie der Apostel sich ausdrückt. „im Glauben noch schwach sind“. Er sagt nämlich: „Den Schwachen im Glauben nehmet auf!“18 Diese Vorrede soll mich auch entschuldigen, dass ich den Anfang meiner Widerlegung des Celsus nach einem anderen Vorsatz abgefaßt habe als das, was auf den Anfang folgt. Ich wollte nämlich anfangs nur die Hauptpunkte und mit kurzen Strichen die Widerlegung derselben anmerken und hierauf das Buch zu einem Ganzen gestalten. Später aber legte mir der Gegenstand selbst nahe, mit der Zeit zu sparen und mich daher mit der Entgegnung zu begnügen, wie ich sie im Anfange gegeben habe, im folgenden aber dann möglichst genau auf die Beschuldigungen des Celsus gegen uns zu ihrer Widerlegung einzugehen. Deshalb bitte ich um Nachsicht wegen des ersten Teils meines Buches, der auf die Vorrede folgt. Wenn aber auch das Spätere keinen wirksamen Eindruck auf dich macht, so bitte ich auch hierfür um die gleiche Nachsicht und verweise dich, wenn du doch noch die Entkräftung der von Celsus erhobenen Einwürfe verlangst, an Männer, die mehr verstehen als ich und19 durch Wort und Schrift die Anschuldigungen des Celsus gegen uns abzuweisen imstande sind. Besser ist es übrigens mit dem bestellt, der, selbst wenn er das Buch des Celsus gelesen hat, überhaupt keiner Verteidigungsschrift wider dasselbe bedarf, vielmehr den ganzen Inhalt seines Buches gering schätzt, den ja auch jeder einfache gläubige Christ wegen des in ihm wohnenden Geistes mit vollem Rechte für nichts achtet.

 

 

 

 

Erstes Buch

 

1.

 

 Der erste Hauptpunkt des Celsus bei seiner Absicht, das Christentum zu verleumden, lautet:** “Die Christen schlössen im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen untereinander heimliche Verbindungen. Von den Verbindungen seien die einen offenkundig, so viele nach den Gesetzen erlaubt seien, die anderen aber verborgen, so wie im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen zustande kämen.”** Celsus will das sogenannte gemeinsame “Liebesmahl” der Christen verleumden, das nach ihm “seinen Bestand von der gemeinsamen Gefahr her hat und mehr vermag als Eidschwüre”. Er führt also “das gemeinsame Gesetz” im Munde, gegen das“, wie er sagt,”die Verbindungen der Christen verstoßen sollen“. Wir antworten ihm darauf: Wenn jemand unter die Skythen, die abscheuliche Gesetze haben, geraten wäre und keine Möglichkeit fände zu entkommen, sondern genötigt wäre, unter ihnen zu leben, so dürfte er wohl mit gutem Grunde wegen des Gesetzes der Wahrheit20, das bei den Skythen Gesetzwidrigkeit ist, auch gegen die bei jenen bestehenden Gesetze mit Gleichgesinnten Verbindungen schließen. Ebenso sind vor dem Richterstuhle der Wahrheit die Gesetze der Heiden über die Götterbilder und die gottlose Vielgötterei Gesetze der Skythen, und wenn es noch etwas Gottloseres als die Skythen gibt. Es ist also nicht unvernünftig,”Verbindungen im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen zu schließen“, wenn sie der Wahrheit dienen. Würden nicht diejenigen sittlich gut handeln, die”heimliche Verbindungen schließen würden“, um einen Tyrannen, der die Herrschaft im Staate widerrechtlich an sich gerissen hat, zu beseitigen? Ebenso”schließen" nun auch die  Christen, da der Teufel, wie er bei ihnen heißt, und die Lüge die Herrschaft hat, “Verbindungen”, die vom Teufel verboten sind, gegen den Teufel und zum Heil und Schutz anderer, die sie vielleicht zum Abfall von den gleichsam skythischen und tyrannischen Gesetzen bewegen können.

 

2.

 

Hierauf sagt Celsus: “Die Lehre der Christen sei von ihrem Ursprung her barbarisch”21, er meint natürlich das Judentum, mit dem das Christentum zusammenhängt. Und recht edeldenkend macht er unserem Glauben den “barbarischen Ursprung” nicht zum Vorwurf; er lobt vielmehr “die Barbaren wegen ihrer Geschicklichkeit, neue Lehren zu erfinden”,fügt aber dem bei, “die Griechen verstünden es besser, die von den Barbaren gefundenen Lehren zu beurteilen, zu begründen und für die Übung der Tugend zu befolgen”. Diesen Satz des Celsus können wir nun zur Verteidigung der christlichen Wahrheiten verwenden. Wenn nämlich jemand von griechischen Lehren und Übungen her zu der christlichen Lehre käme, so würde er nach Celsus diese22 nicht nur als wahr “beurteilen”, sondern auch “befolgen” und dadurch als wahr erweisen und, was nach dem Maßstab griechischer Beweisführung mangelhaft erschiene, ergänzen und damit zugleich die Wahrheit des Christentums dartun. Ferner ist hier noch zu sagen, dass es für unseren Glauben einen besonderen Beweis gibt, der ihm allein zukommt und viel höher steht als der mit Hilfe der Dialektik geführte griechische. Diesen höheren Beweis nennt der Apostel “den Beweis von Geist und Kraft”23 : den Beweis “von Geist” wegen der Weissagungen, die geeignet sind, in dem Leser besonders an Stellen, die von Christus handeln, den Glauben zu erzeugen; den Beweis “von Kraft” wegen der außerordentlichen Wunder, deren Tatsächlichkeit  sich sowohl durch vieles andere als auch besonders durch den Umstand erweisen läßt, dass sich Spuren davon noch bei denen erhalten haben, die ihr Leben nach dem Willen des Wortes einrichten.

 

3.

 

Hierauf bemerkt Celsus, „die Christen täten und lehrten im geheimen, was ihnen gefiele, und täten das nicht ohne Grund, da sie so die ihnen drohende Todesstrafe abwehren wollten“, und vergleicht „diese Gefahr mit den Gefahren, in die Philosophen wie Sokrates geraten sind“; Er hätte hier auch den Pythagoras und andere Philosophen nennen können. Darauf ist zu sagen: Die Athener haben die Verurteilung des Sokrates bald darnach bereut und keinen Groll im Herzen gegen ihn bewahrt, auch nicht gegen Pythagoras; wenigstens hatten die Anhänger des Pythagoras noch lange Jahre hindurch Schulen in dem Teil von Italien, welcher Großgriechenland hieß. Was aber die Christen betrifft, so bekämpften der römische Senat, die jedesmaligen Kaiser, die Truppen, die Gemeinden, ja die Verwandten der Gläubigen selbst die christliche Lehre, und sie hätte infolge der Nachstellung so gewaltiger Mächte zuletzt unterliegen müssen, wenn sie nicht durch göttliche Kraft alle Verfolgungen überlebt und überdauert und so die ganze ihr feindliche Welt überwunden hätte.

 

4.

 

Wir wollen sehen, wie Celsus auch “die christliche Sittenlehre” verleumden zu können glaubt. Er sagt: “sie sei dieselbe wie die der anderen Philosophen und keine ehrwürdige noch neue Wissenschaft.” Wir antworten darauf: Bei Annahme eines gerechten göttlichen Gerichtes würde die Bestrafung der Sünden ausgeschlossen sein, wenn nicht in der gemeinsamen Anschauung aller der richtige Begriff “des Sittengesetzes” vorhanden wäre. Deshalb ist es gar nicht wunderbar, wenn derselbe Gott, das, was er durch die Propheten und den Heiland verkündigen ließ, auch den Seelen aller Menschen eingepflanzt hat, auf dass dem göttlichen Gerichte gegenüber  kein Mensch “eine Entschuldigung” habe, da einem jeden der Sinn und Inhalt des Gesetzes ins Herz geschrieben ist“24 . Das deutet auch die von den Heiden für ein Märchen gehaltene Erzählung der Schrift rätselhaft an, wenn sie Gott mit eigenem”Finger" die Gebote aufschreiben und dem Moses übergeben läßt, die dann durch die Schlechtigkeit der Verfertiger des (goldenen) Kalbes “zertrümmert”, es hätte auch heißen können: durch die Flut der Sünden weggeschwemmt wurden25. Zum zweitenmal aber schrieb Gott Gesetze und gab sie wiederum dem Moses, nachdem dieser Steintafeln zugehauen hatte26, da gleichsam das prophetische Wort die Seele nach der ersten Sünde für eine zweite Schrift Gottes wieder aufnahmefähig macht.

 

5.

 

Die Ansicht von der Verwerflichkeit des Götzendienstes führt Celsus als den Christen eigentümlich an und macht sich dies zurecht, indem er sagt: “Deshalb hielten sie nichts von den mit Händen gemachten Göttern, weil es nicht vernünftig sei anzunehmen, dass die von ganz schlechten und sittenlosen Künstlern, oft auch von ungerechten Menschen verfertigten Arbeiten Götter seien” Im folgenden will er dartun, dass dies die allgemeine Anschauung, und nicht zuerst von der christlichen Lehre27 gefunden sei, und führt deshalb einen Ausspruch des Heraklit28 an, welcher sagt:“Ähnlich, wie wenn jemand mit den Häusern ein Gespräch führten wollte, handelten die Leute, die zu den leblosen (Bildern) wie zu Göttern heranträten.” Also auch hierüber ist zu sagen, dass in gleicher Weise wie bei den andern Artikeln der Sittenlehre den Menschen Vorstellungen  eingepflanzt worden sind, welche den Heraklit und vielleicht noch andere Griechen oder Barbaren zu solchen Feststellungen geführt haben. Celsus gibt nämlich an, dass " auch die Perser ebenso dächten“, und beruft sich dabei auf das Zeugnis ”des Herodot, der dies berichte"29. Dem können wir noch beifügen, dass sich auch Zeno aus Kition in seinem Buch über den Staat so äußert: “Tempel zu bauen wird gar nicht nötig sein. Denn einen Tempel muß man für nichts achten, auch nicht für wertvoll und heilig, da er das Werk von Bauleuten und Handwerkern ist.”30 Also ist klar: Auch hinsichtlich dieser Lehre steht “in den Herzen” der Menschen mit der Schrift Gottes “geschrieben”31 , was zu tun ist.32

 

6. 33

 

Hierauf macht Celsus, ich weiß nicht, wodurch veranlaßt, die Bemerkung, „die Christen verdankten die Kraft, die sie zu haben schienen, der Anrufung und Beschwörung gewisser Dämonen“; er weist damit wohl verblümt auf diejenigen hin, welche (bei uns) die bösen Geister beschwören und austreiben. Es ist dies offenbar eine Verleumdung unseres Glaubens. Denn die Christen „verdanken die Kraft, die sie zu haben scheinen, nicht Beschwörungen“, sondern der Anrufung des Namens Jesu zugleich mit der Verkündigung der Geschichten von ihm. Diese Mittel haben oftmals die Trennung der bösen Geister von den von ihnen Besessenen bewirkt,  besonders wenn die, welche sie anwenden, einen verständigen Sinn und einen echten Glauben haben. Der Namen Jesu übt indessen solche Gewalt über die bösen Geister aus, dass er bisweilen diese Wirkung hervorbringt, auch wenn er von schlechten Menschen ausgesprochen wird. Das wollte Jesus lehren, als er sprach: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Wir haben in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und Wunder getan.“34 Ob Celsus dies absichtlich und böswilligerweise mit Stillschweigen übergangen, oder ob er es wirklich nicht gekannt hat, weiß ich nicht. Im folgenden klagt er auch den Heiland an und sagt: „Jesus habe seine scheinbaren Wundertaten durch Zauberei zu vollbringen vermocht; und weil er vorausgesehen, dass auch andere dieselben Kenntnisse sich aneignen und dann gleiche Dinge vollbringen und dabei sich rühmen könnten, sie vollbrächten sie durch die Kraft Gottes, darum schließe er solche Menschen aus seinem Staate aus“ Celsus erhebt nun die Anklage gegen ihn: „Wenn er sie mit Recht ausschließt, obwohl er ebenfalls derselben Handlungen schuldig ist, so ist er schlecht; wenn er selbst aber, indem er dies tut, nicht schlecht ist, dann sind es auch die nicht, die ebenso handeln wie er.“ Könnten wir aber auch selbst nicht dartun, durch welche Kraft Jesus seine Wunder vollbracht habe, so ist doch so viel klar, dass die Christen keine Zauberformeln gebrauchen, sondern nur den Namen Jesu verbunden35 mit andern Worten des Glaubens aus der Heiligen Schrift, aussprechen.

 

7.

 

Wenn Celsus dann unseren Glauben wiederholt eine „Geheimlehre“ nennt, so müssen wir auch diesen Vorwurf zurückweisen; kennt doch fast die ganze  Welt die Predigt der Christen besser als die Ansichten der Philosophen. Denn wer hat noch nicht gehört von der Geburt Jesu aus einer Jungfrau, von seiner Kreuzigung und Auferstehung, woran so viele glauben, und von dem angedrohten Gericht, in welchem den Sündern die gebührende Strafe, den Gerechten aber der verdiente Lohn zuteil wird? Bildet nicht auch das Geheimnis der Auferstehung, weil nicht verstanden, bei den Ungläubigen fortwährend den Gegenstand ihres Gespräches und ihres Spottes? Bei solcher Sachlage ist die Behauptung, unser Glaube sei eine „Geheimlehre“ ganz abgeschmackt. Wenn es aber gewisse Lehren gibt, die gleichsam auf die exoterischen (= die allen verkündigten) folgen und nicht zu der großen Menge dringen, so ist dies nicht nur eine Eigentümlichkeit der Lehre der Christen, sondern findet sich auch bei den Philosophen; diese haben nämlich teils exoterische Lehren (welche alle), teils esoterische Lehren (welche nur die Eingeweihten wissen dürfen36). So mußte das Wort „Er selbst hat es gesagt“ einigen Schülern des Pythagoras genügen; andere dagegen wurden im geheimen über jene Dinge belehrt, die nicht zu unheiligen und noch unreinen Ohren dringen durften. Alle die Geheimdienste überall in Griechenland und bei den Barbaren bleiben, obwohl sie doch im geheimen betrieben werden, von dem Angriff des Celsus verschont; deshalb hat Celsus keinen Grund, „das Geheime“ des Christentums, das er nicht einmal genau kennt, zu verdächtigen.

 

8.

 

Es scheint fast, als ob sich Celsus mit Nachdruck derjenigen annehmen wolle, die ihren Glauben an das Christentum selbst mit dem Tode bezeugen. Er sagt nämlich: “Ich will nicht behaupten, dass der Anhänger einer trefflichen Lehre, wenn er ihretwegen bei den Menschen Gefahr laufen würde, von ihr abfallen oder vorgeben dürfe, er sei von ihr abgefallen, oder sie verleugnen dürfe.” Mit diesen Worten verurteilt Celsus das Benehmen solcher Leute, die  zwar innerlich dem Christentume zugetan sind, äußerlich aber so tun, als wären sie es nicht, oder geradezu leugnen; er sagt ja, der Anhänger einer Lehre “dürfe nicht vorgeben, er sei von ihr abgefallen, oder sie gar verleugnen”. Wir müssen nun hier dem Celsus einen Widerspruch mit sich selbst nachweisen. Denn aus seinen anderen Schriften37 ergibt sich, dass er Epikureer ist; hier aber glaubt er die christliche Lehre mit wahrscheinlicheren Gründen anklagen zu können, wenn er seinen Epikureismus nicht eingesteht, und tut deshalb so, als nähme er an, dass “in dem Menschen etwas Höheres als das Irdische” , ein mit der Gottheit Verwandtes vorhanden sei. Er sagt nämlich; “Bei welchen es damit gut steht”, d.h. mit der Seele, “die streben38 durchaus nach dem Verwandten”, er meint aber nach Gott, **“und begehren immer etwas von jenem zu hören und sich daran zu erinnern.** Man beachte nun die Falschheit seiner Seele. Er hatte vorher gesagt:”Der Anhänger einer trefflichen Lehre dürfe, auch wenn er ihretwegen bei den Menschen Gefahr laufen würde, von ihr nicht abfallen oder vorgeben, er sei von ihr abgefallen, oder auch sie verleugnen", und tut nun selbst das gerade Gegenteil davon. Er wußte nämlich, dass er mit seiner Beschuldigung von Leuten, die irgendeine Art Vorsehung und göttliche Weltregierung annehmen, keinen Glauben finden würde, wenn er sich offen als Epikureer erklärte39. Nun berichtet uns die Geschichte von zwei Epikureern mit dem Namen Celsus, von denen der ältere unter Nero, dieser aber unter Hadrian und noch später lebte.

 

9.

 

Hierauf mahnt uns Celsus, „wir sollten der Vernunft und einem vernünftigen Führer bei der Annahme von Lehren folgen; denn wer ohne diese Vorsicht manchem zustimme, fiele durchaus dem Betrug  anheim“. Er zieht zum Vergleiche „Leute heran, die Bettelpriestern und Zeichendeutern unvernünftig Glauben schenken, und (angeblichen) Dienern des Mithras und Sabazios und (Wunderdingen) von irgendwelcher Art, auf die einer gestoßen ist, Erscheinungen der Hekate oder einer anderen Göttin oder anderer Götter.“ Denn wie bei jenen Dingen oft schlechte Menschen die Unkenntnis der Leichtgläubigen benutzen und sie dahin führen, wohin sie wollen, so„ sagte Celsus, “ gehe es auch bei den Christen zu„. Er behauptet: “einige von ihnen hätten gar nicht die Absicht, von dem, was sie glaubten, Rechenschaft zu geben oder zu nehmen, sie folgten dem Grundsatz: ‘Prüfe nicht, sondern glaube!’ und ‘dein Glaube wird dich retten’40Er legt ihnen auch die Worte in den Mund: [*„Ein Übel ist die Weisheit in der Welt, ein Gut aber die Torheit.“41 Wir antworten darauf: Wenn es möglich wäre, dass alle Menschen sich von den Geschäften des Lebens freimachen und ihre ganze Zeit auf das Studium der Philosophie verwendeten, so dürften sie keinen anderen Weg einschlagen als diesen allein. Denn im Christentum wird sich, damit ich mich nicht zu derb ausdrücke, keine geringere Prüfung der Glaubenslehren, keine geringere Auslegung der dunklen Stellen in den Propheten und der Gleichnisse in den Evangelien und von tausend anderen symbolischen Tatsachen oder gesetzlichen Anordnungen finden lassen als anderswo. Wenn aber dies nicht möglich ist, wenn wegen der Sorgen und Mühen, die das Leben mit sich bringt, und wegen mangelnder geistiger Begabung sich nur wenige der Wissenschaft widmen, welcher andere Weg, um der großen Menge zu helfen, dürfte wohl gefunden werden, der besser wäre, als der Weg, den Jesus den Völkern überliefert hat?

 Wir fragen hinsichtlich der Menge der Gläubigen, die sich von der großen Flut des Lasters, in der sie früher sich wälzten, frei gemacht haben, ob es für sie besser ist, dass sie, ohne die Vernunft zu befragen, geglaubt und ihr sittliches Leben in Ordnung gebracht, und wegen ihres Glaubens, dass die Sünden bestraft, die guten Werke aber belohnt werden, geistlichen Nutzen erfahren haben, oder dass ihre mit einfachem Glauben verbundene sittliche Besserung nicht eher anerkannt wird, als bis sie die Glaubenslehren gründlich geprüft hätten? Offenbar nämlich würde diese Prüfung der Gesamtheit mit ganz wenigen Ausnahmen nicht einmal das gewähren, was der einfache Glaube verleiht; die Mehrzahl würde ihr lasterhaftes Leben fortsetzen. Wenn es nun irgendeinen anderen Beweis dafür gibt, dass „die Menschenliebe“ des Wortes42 nach Gottes Absicht in das Leben der Menschen eingetreten ist, so muß man auch diesen Beweis mit dazu rechnen. Denn der Fromme wird nicht einmal glauben, dass ein Arzt, der vielen Kranken zur Gesundheit des Leibes verholfen hat, ohne göttliche Schickung in die Städte und zu den Leute gekommen ist; unter den Menschen geschieht ja nichts Gutes ohne Gottes Willen. Wenn aber der, welcher vielen Kranken körperliche Gesundheit oder Besserung verschafft, dies nur nach Gottes Willen tut, um wieviel mehr wird dies bei dem der Fall sein, der sie Seelen vieler geheilt und bekehrt und gebessert und von dem über allen waltenden Gott abhängig gemacht und angeleitet hat, jede Handlung nach Gottes Wohlgefallen einzurichten und alles bis zu dem geringsten Wort oder der geringsten Handlung oder dem geringsten Gedanken zu meiden, was ihm mitßfällt!

 

10.

 

Weil nun unsere Gegner so viel über „den Glauben“ reden, so gestehen wir zu, dass wir denen, die nicht alle ihre Geschäfte aufgeben und sich mit der Untersuchung der Lehre befassen können, den Glauben auch ohne Heranziehung der Vernunft lehren, da wir aus Erfahrung wissen, wie förderlich er für die  große Menge ist. Unsere Gegner geben das zwar nicht zu, in der Tat aber machen sie es auch so. Wer sich nämlich der Philosophie zuwendet und einer bestimmten philosophischen Schule anschließt, entweder aufs Geratewohl oder weil er einen geeigneten Lehrer dieser Schule gefunden hat, läßt der sich in seinem Verhalten durch etwas anderes bestimmen als durch „den Glauben“, dass jene Schule die bessere sei? Er wartet nicht, bis er zuvor die Lehren aller Philosophen und der verschiedenen Schulen und die Widerlegung der einen und die Begründung der anderen gehört hat, um erst dann seine Wahl zu treffen und sich zu entscheiden, ob er Stoiker oder Platoniker oder Peripatetiker oder Epikureer sein oder irgendeiner andern philosophischen Schule beitreten will; sondern einer gewissen vernunftlosen Neigung folgend, wenn er das auch nicht gestehen mag, widmet er sich z.B. der stoischen Lehre und läßt die übrigen beiseite, oder der platonischen, indem er die andern als unbedeutender verschmäht43, oder der peripatetischen, weil sie den menschlichen Bedürfnissen am besten entspräche und mehr als die übrigen Schulen die Güter des menschlichen Lebens einsichtsvoll gelten lasse. Ja, manche werden, wenn sie das Los der Guten und Schlechten auf Erden betrachten, im ersten Augenblick in ihrem Glauben an eine Vorsehung irre und schließen sich zu voreilig der Ansicht an, dass es gar keine Vorsehung gebe, und entscheiden sich dann für die Lehre des Epikur und des Celsus.

 

11.

 

Wenn man also, wie meine Darlegung gezeigt hat, irgend einem Stifter einer philosophischen Schule bei den Griechen oder Barbaren „Glauben“ schenken darf, warum sollte man dann nicht weit mehr dem über allen waltenden Gotte glauben und dem, welcher lehrt, dass man diesen allein verehren müsse44, dagegen alle  anderen Wesen und Dinge gering zu achten habe, da sie entweder nichts sind oder, wenn sie wirklich etwas sind, dann höchstens eine ehrende Würdigung, aber keine Anbetung und Verehrung beanspruchen können? Wer aber nicht nur glauben, sondern die Dinge auch wissenschaftlich betrachten will, der wird hiervon die Beweise angeben, die ihm von selbst beifallen und durch eindringende Forschung entdeckt werden. Läßt sich aber der Glaube bei allen menschlichen Dingen nun einmal nicht umgehen, dann ist es doch wohl vernünftiger, Gott mehr zu glauben als jenen Philosophen! Denn wer begibt sich aufs Meer oder tritt in die Ehe oder zeugt Kinder oder streut den Samen auf die Erde aus, der nicht glaubt, dass es ihm zum Guten ausschlagen werde, obgleich auch das Gegenteil45 davon möglich ist und zuweilen auch eintritt? Aber trotzdem wagen sich alle Menschen im Glauben, dass es gut und nach Wunsch gehen werde, selbst an Dinge, die ungewiß sind und ebensowohl gut als schlimm ausfallen können. Wenn aber im Leben bei jeder Handlung, deren Ausgang zweifelhaft ist, die Hoffnung und der Glaube, der sich von der Zukunft das Beste verspricht, den Menschen trägt und hält, dann sind doch mehr als diejenigen, welche das Meer befahren, das Land bestellen, ein Weib nehmen oder sonst ein menschliches Geschäft besorgen, zu diesem Glauben die andern berechtigt, die Gott vertrauen, der dies alles erschaffen hat, und dem, der mit unendlichem Hochsinn und göttlicher Seelengröße diese Lehre allen Menschen auf dem bewohnten Erdkreis kund zu tun gewagt hat unter großen Gefahren und Erduldung eines für ehrlos geltenden Todes, der dies alles für die Menschen gelitten, der auch seine ersten Jünger und Schüler gelehrt hat, sie sollten sich von den großen Gefahren und der stets drohenden Todesstrafe nicht abschrecken lassen, für das Heil der Menschen mutig in alle Welt hinauszugehen.

 

12.

 

Celsus sagt dann wörtlich: „Wenn sie nun (d.h. die Christen), auf meine Fragen antworten  wollen, die ich nicht stelle, um sie auszukundschaften - denn ich weiß alles -, sondern weil ich für alle gleichmäßig besorgt bin, so mag es gut sein. Wenn sie dies aber nicht wollen, sondern mit ihrem gewohnten Schlagwort kommen: Prüfe nicht, usw., so müssen sie mir doch angeben, was das für Dinge sind, die sie lehren, und aus was für einer Quelle diese geflossen sind“, usw.46, Wir erwidern darauf: Das Wort; „Denn ich weiß alles“ . ist eine höchst gewagte und großsprecherische Behauptung von Celsus. Hätte er vor allem die Bücher der Propheten gelesen, die anerkanntermaßen eine Menge von Rätseln und Worten enthalten, die der großen Menge dunkel bleiben, hätte er sich mit den evangelischen Gleichnissen und dem übrigen Teile der Schrift, dem Gesetz und der jüdischen Geschichte sowie den Worten der Apostel beschäftigt, hätte er dies alles mit Einsicht und Verstand gelesen und in den Sinn der Ausdrücke einzudringen sich bemüht: dann würde er nicht so dreist sein zu sagen: „Denn ich weiß alles.“ Selbst wir, die wir uns mit diesen Dingen gründlich befaßt haben, möchten nicht sagen: „Denn ich weiß alles“. Wir lieben die Wahrheit. Keiner von uns wird sagen: „Denn ich weiß alles“ von den Lehren des Epikur, keiner wird so kühn sein zu behaupten, „er wisse alles“, was Plato aufgestellt und vorgetragen habe, da selbst die Erklärer dieser Philosophen gar sehr voneinander abweichen. Wer ist so verwegen zu sagen: „Denn ich weiß“ alle die Lehren der Stoiker oder alle der Peripatetiker? Vielleicht hat Celsus den Satz: Denn ich weiß alles von einigen stumpfsinnigen Laien gehört, die von ihrer eigenen Unwissenheit gar nichts merken, und ist dann zu der Meinung gekommen, er habe durch Lehrer von solcher Art „alles“ erfahren. Er scheint mir da ähnlich gehandelt zu haben wie ein Mann, der nach Ägypten reiste - wo die mit den Überlieferungen der Vorfahren vertrauten ägyptischen Weisen eingehende Untersuchungen über die bei ihnen für göttlich geltenden Dinge anstellen, während das gewöhnliche Volk nur von einigen Sagen hört, deren Bedeutung es nicht versteht, auf die es aber doch stolz ist -, und der nun meinte, er habe „alle“ Lehren der Ägypter kennen gelernt, nachdem er hierüber nur ungelehrte Leute befragt hatte, ohne mit einem der Priester zusammengekommen zu sein oder von einem derselben Belehrung über die ägyptischen Geheimnisse empfangen zu haben. Was ich aber von den gelehrten und ungelehrten Ägyptiern sagte, das kann auch von den Persern gelten. Auch diese haben Geheimnisse, die von den Gebildeten unter ihnen mit Verständnis begangen, von der großen Menge und den oberflächlich Gebildeten aber nur (äußerlich und) sinnbildlich vollzogen werden. Dasselbe ist auch von den Syrern und Indern, sowie von allen Völkern zu bemerken, welche Sagen und außerdem eine (geheime) Wissenschaft besitzen.

 

13.

 

Celsus behauptet: viele Christen stellten den Satz auf: “Ein Übel ist die Weisheit im Leben, ein Gut aber die Torheit”47 Wir sagen darauf: Celsus klagt unsere Lehre fälschlich an, denn er hat nicht die wirklich bei Paulus stehende Stelle angeführt, die so lautet: “Wenn jemand unter euch sich weise zu sein dünkt, der werde erst in dieser Welt ein Tor, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott.”48 Der Apostel sagt also nicht einfach: “Die Weisheit ist Torheit bei Gott”, sondern er sagt: “Die Weisheit dieser Welt (ist Torheit bei Gott); und ferner sagt er nicht:”Wenn jemand unter euch sich weise zu sein dünkt, der werde einfach ein Tor“, sondern:” der werde erst in dieser Welt ein Tor, um weise zu werden." Als “Weisheit dieser Welt” nun bezeichnen wir jede Philosophie, welche falsche Lehren enthält und deshalb von der Schrift als eitel und nichtig erklärt wird49, und “ein Gut” nennen wir S.21 “die Torheit” nicht schlechthin, sondern nur die allein, deren Jünger von dieser Welt als ein Tor betrachtet wird. Wie wenn wir auch von einem Platoniker, der an die Unsterblichkeit der Seele und die Lehren von ihrer Einkörperung glaubt, sagen würden, seine Ansicht sei Torheit, Torheit in den Augen der Stoiker, Peripatetiker und Epikureer: der Stoiker, welche die Billigung dieser Lehren verspotten, der Peripatetiker, die von “dem Geträller”50 Platos reden, und der Epikureer, welche den Leuten Aberglauben vorwerfen, die eine Vorsehung annehmen und einen Gott an die Spitze des Weltalls stellen.

Ferner ist es aber auch nach dem Sinne der christlichen Lehre weit besser, wenn man den Lehrsätzen mit Vernunft und Weisheit zustimmt, als wenn man sie nur mit einfachem Glauben festhält. Dass das Wort dies nur unter Umständen gewollt habe, um die Menschen nicht ganz ohne Hilfe zu lassen, macht Paulus, dieser wahre Jünger Jesu, in den Worten deutlich: “Weil nämlich in der Weisheit Gottes die Welt Gott nicht erkannte durch die Weisheit, so gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, welche glauben.”51 In diesen Worten wird deutlich ausgesprochen, dass “Gott in der Weisheit Gottes hätte erkannt werden sollen”; weil dies aber nicht geschehen ist, “gefiel es Gott sodann, die zu retten, welche glauben”, nicht durch Torheit schlechtweg, sondern durch eine “Torheit”, soweit sie in der “Verkündigung” gegeben ist. Denn von vornherein ist “die Verkündigung des gekreuzigten Jesus Christus” eine “Torheit der Verkündigung”. So versteht es Paulus selbst und spricht es aus, wenn er sagt: “Wir dagegen verkündigen Jesus Christus, den Gekreuzigten, der den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist, den Berufenen aber, Juden und Griechen: Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.”52

 

14.

 

Celsus nimmt „bei vielen Völkern das Vorhandensein einer Glaubensverwandtschaft“ an und zählt alle die Völker bei  Namen auf, die nach seiner Ansicht ursprünglich eine solche Glaubenslehre gehabt haben. Ich weiß nicht, warum er hierbei den Juden allein Unrecht tut, indem er ihr Volk nicht mit zu den übrigen rechnet als ein solches, das entweder zusammen mit jenen tätig und gleichgesinnt gewesen sei, oder doch in vielen Beziehungen ähnliche Lehren gehabt habe. Billigerweise nun könnten wir ihn fragen, warum er eigentlich den Berichten der Barbaren und Griechen über das Altertum der von ihm aufgeführten Völker Glauben geschenkt hat und nur die Erzählungen dieses Volkes als lügenhaft erklärt? Denn wenn alle Schriftsteller die Sitten und Gebräuche ihrer Völker wahrheitsliebend dargestellt haben sollen, warum halten wir die jüdischen Propheten allein für nicht glaubwürdig? Wenn aber Moses und die Propheten parteiisch und zugunsten ihrer eigenen Lehre vieles über die bei ihnen herrschenden Zustände aufgezeichnet haben, warum wollen wir das gleiche nicht auch von den Schriftstellern bei den übrigen Völkern sagen? Oder verdienen die Ägypter, wenn sie in ihren Geschichtsbüchern von den Juden Schlimmes erzählen, Glauben für ihre Berichte über die Juden, während die Juden lügen müssen, wenn sie es mit den Ägyptern ebenso machen und aufzeichnen, dass diese ihnen viel Unrecht getan und deshalb von Gott gestraft worden seien? Und dies gilt nicht bloß von den Ägyptiern allein; wir werden nämlich auch in den alten Chroniken der Assyrier Berichte von feindlichen Zusammenstößen dieses Volkes mit den Juden finden. Ebenso haben auch die Geschichtsschreiber der Juden - um nicht voreingenommen zu scheinen, sage ich nicht53: die Propheten - in ihren Büchern die Assyrier als ihre Feinde bezeichnet. Man beachte nun hier sofort die Selbstsucht dieses Mannes, der den einen Völkern, da er sie für weise hält, Glauben schenkt, die andern aber geringschätzt, weil sie ganz unverständige Leute seien. Man höre nämlich den Celsus reden: „ Es ist eine alte, aus früheren Zeiten stammende  Lehre, womit sich stets die weisesten Völker und Städte und weise Männer beschäftigt haben.“ Die Juden aber wollte er nicht als eines „der weisesten Völker“ bezeichnen oder auch nur ungefähr „den Ägyptiern, Assyriern, Indern, Persern, Odrysen, Samothrakern und Eleusiniern“ in diesem Punkt an die Seite stellen.

 

15.

 

Viel billiger als Celsus ist der Pythagoreer Numenios, der seine große Gelehrsamkeit durch viele Schriften erwiesen, zahlreiche Glaubenslehren geprüft und dann aus der großen Zahl zusammengestellt hat, was er für wahr hielt. In seinem ersten Buch Über das (höchste) Gut spricht er über alle die Völker, welche Gott für ein körperliches Wesen halten, und reiht unter diese auch die Juden ein. Ja, er trägt kein Bedenken, in seiner Schrift auch die Aussprüche der Propheten zu verwenden und bildlich zu deuten54. Ferner soll Hermippos in seinem ersten Buch über die Gesetzgeber berichtet haben, dass Pythagoras seine Philosophie von den Juden zu den Griechen gebracht habe55. Auch ist von dem Geschichtsschreiber Hekataios ein Buch über die Juden vorhanden56, in welchem die Weisheit dieses Volkes noch mehr und in solchem Grade gelobt wird, dass sogar Herrennios Philo in seinem Werke über die Juden anfangs zweifelt, ob das Buch den Historiker zum Verfasser habe, dann aber erklärt, wenn es wirklich von diesem herrühre, so sei er wahrscheinlich von der Glaubwürdigkeit der Juden gewonnen worden und habe deshalb ihrer Lehre beigestimmt.

 

16.

 

Es wundert mich, wie Celsus “die Odrysen, Samotzhraker, Eleusinier und Hyperboleer” unter die ältesten und weisesten Völker gestellt, die Juden aber der Aufnahme unter die weisen oder  alten Völker nicht für würdig gehalten hat, obwohl doch bei den Ägyptiern, Phöniziern und Griechen viele Schriften im Umlauf sind, die das hohe Alter der Juden bezeugen; ich habe es für überflüssig gehalten, diese Schriften hier anzuführen. Wer dazu Neigung hat, kann das Werk des Flavius Josephus über das hohe Alter der Juden in zwei Büchern57 nachlesen; dort wird eine große Liste von Schriftstellern angeführt, welche das hohe Alter der Juden bezeugen. Auch von Tatian, der später gelebt hat, ist die Rede an die Griechen vorhanden, wo der kenntnisreiche Verfasser die Schriftsteller angibt, die über das hohe Alter der Juden und des Moses berichtet haben. Die Darstellung des Celsus scheint also weniger wahrheitsliebend als gehässig zu sein, da er die Absicht hat, den Ursprung des Christentums, der an die Juden anknüpft, herabzuwürdigen. Er nennt sogar “die Galaktophagen des Homer58, die Druiden der Galater und die Geten” “sehr weise und alte Völkerschaften, die den jüdischen Lehren verwandte Lehren erörtern” sollen; ob von diesen Völkern Schriften vorhanden sind, weiß ich nicht. Nur den Hebräern spricht Celsus, soweit es ihm möglich ist, das hohe Alter und die Weisheit ab.

Wenn Celsus dann weiter ein Verzeichnis von alten und weisen Männern gibt, die ihren Zeitgenossen (durch ihre Tätigkeit) und der Nachwelt durch ihre Schriften genützt haben, so nimmt er den Moses in dieses Verzeichnis der Weisen nicht auf. Von “Linos”, den er an erster Stelle nennt, sind weder Gesetzt noch Schriften vorhanden, durch welche die Völker bekehrt und gebessert worden wären; die Gesetze des Moses aber gelten bei einem gesamten Volke, das über die ganze Erde zerstreut ist. Man urteile nun, ob er nicht geradezu boshaft gehandelt hat, dass er in seinem Verzeichnis der Weisen selbst den Moses überging, während er von “Linos, Musaios, Orpheus, Pherekydes, dem Perser Zoroaster und von  Pythagoras” behauptete, dass sie “über diese Dinge verhandelt und ihre eigenen Lehrsätze in Büchern niedergelegt haben, und dass diese noch bis auf den heutigen Tag bewahrt werden.” Absichtlich vergaß er die besonders von Orpheus aufgezeichnete Sagengeschichte der vermeintlichen Götter zu erwähnen, in der diesen menschlichen Leidenschaften und Schwächen beigelegt werden.

 

17.

 

Im folgenden erhebt Celsus Anklage gegen die Geschichtserzählung des Moses und macht denen, die sie im geistigen und bildlichen Sinne auslegen, daraus einen Vorwurf. Man möchte da den braven Mann, der seinem Buche den Titel „Wahres Wort“ gegeben hat, doch fragen: Warum denn, mein Bester, findest du die Götter so trefflich, die in so großes Mißgeschick geraten, wie es deine weisen Dichter und Philosophen berichten, die fluchbeladene Verbindungen eingehen, die gegen ihre Väter Kriege führen und sie entmannen? Warum machst du so viel Rühmens davon, dass erzählt wird, sie hätten solche Dinge gewagt, getan und erlitten? Wenn aber Moses solche Dinge von Gott nicht berichtet und auch nicht von den heiligen Engeln, und von den Menschen bei weitem nicht so Schlimmes - denn keiner hat bei ihm gewagt, was Kronos gegen Uranos, oder was Zeus gegen seinen Vater, oder was er damals gewagt hat als59 „der Vater der Götter und Menschen60“ seiner eigenen Tochter beiwohnte -, da glaubst du61, dass er die, welche Gesetze von ihm erhalten hatten, getäuscht und in die Irre geführt hat? Mir scheint Celsus hierin ähnlich zu handeln, wie Thrasymachos bei Plato, der dem Sokrates nicht gestattet, die an ihn gestellte Frage über das Wesen der Gerechtigkeit so, wie er will, zu beantworten, sondern zu ihm sagt: Siehe zu, dass du nicht behauptest, das Nützliche sei das Gerechte, oder  das Notwendige sei es, oder etwas anderes der Art62. Denn indem Celsus die Erzählungen bei Moses willkürlich vor Gericht stellte und ihre allegorische Erklärung tadelte, wobei er diesen zugleich auch ein gewisses Lob spendete, dass sie „maßvolleren Leute“ seien: wollte er durch seine willkürliche Anklage nicht gleichsam die, welche als Verteidiger darzulegen imstande waren, wie sich die Dinge wirklich verhalten, daran hindern`?

 

18.

 

Wir könnten ihn da auffordern, dass er Bücher mit Büchern vergleiche, und zu ihm sagen: Bringe doch, mein Bester, uns die Gedichte „des Linos, Musaios und Orpheus“, bring uns die Schrift des Pherekydes her und prüfe sie zusammen mit den Gesetzen des Moses, indem du Geschichten mit Geschichten und Sittenlehren mit Gesetzen und Anordnungen vergleichst, und dann sieh zu, welche nicht imstande sind, die Hörer ohne weiteres zu bessern, und welche davon etwa den Zuhörer verderben können, dann erwäge, dass die Schar deiner Schriftsteller um die Leute wenig besorgt gewesen ist, die ohne Vorbereitung auf ihre Schriften stoßen würden, sondern „allein für die zur geistigen und bildlichen Deutung Befähigten ihre eigene Philosophie“,- wie du sagst- „verfaßt hat“. Moses dagegen ist in seinen fünf Büchern ähnlich verfahren wie ein trefflicher Redner, der die Form der Darstellung erwägt und überall den Doppelsinn des Ausdrucks mit Bedacht anwendet; er hat weder der großen Mehrheit der Juden, welche die Gesetze erhielten, Veranlassung zu einer Schädigung im Bereiche der Sittlichkeit gegeben, noch eine Schrift ohne einen des Nachdenkens würdigen Inhalt der gebildeten Minderzahl der Leser, welche den Sinn derselben zu erforschen vermag, in die Hand gelegt. Und von deinen weisen Dichtern sind, wie es scheint, nicht einmal ihre Schriften mehr erhalten; sicherlich aber hätte man sie aufbewahrt, wenn der Leser Nutzen davon verspürt hätte. Die Schriften des Moses dagegen haben viele und darunter auch solche,  die eine von der jüdischen abweichende Erziehung empfangen hatten, zu dem Glauben gebracht, dass, wie die Schrift berichtet, Gott, der Schöpfer der Welt, es war, der zuerst diese Gesetze aufgestellt und dem Moses übergeben hat. Es ziemte sich auch in der Tat, dass der Schöpfer des Weltalls, der der ganzen Welt Gesetze gegeben, seinen Worten auch eine Kraft verlieh, welche ihnen überall Geltung zu verschaffen vermochte. Und dies sage ich, indem ich die Untersuchung noch nicht auf Jesus ausdehne, sondern noch zeige, dass Moses, der tief unter dem Herrn steht, doch, wie die Vernunft erweisen wird, deine weisen Dichter und Philosophen bei weitem übertrifft.

 

19.

 

Im folgenden will Celsus versteckterweise den Bericht des Moses von der Erschaffung der Welt angreifen, nach welchem „die Welt noch nicht zehntausend Jahre alt sei, sondern weit dahinter zurückbleibe“; er verhehlt zwar seine Ansicht, doch tritt er denen bei, die die Welt für „unerschaffen“ erklären. Denn seine Bemerkung, „seit uralter Zeit habe es viele Weltbrände und viele Überflutungen gegeben und die Überschwemmung unter Deukalion sei jünger und eben erst eingetreten“, läßt für die, welche seine Worte zu verstehen vermögen, deutlich erkennen, dass die Welt nach seiner Ansicht „unerschaffen“ sei. Der Ankläger des Christenglaubens mag uns nun sagen, durch welche Beweisgründe er zu der Annahme genötigt worden ist, dass „viele Weltbrände und viele Überschwemmungen“ stattgefunden haben, dass aber „jünger“ als alle (anderen) „die Überschwemmung unter Deukalion“ und „der Weltbrand unter Phaethon“ sei. Wenn er sich hierfür auf die Dialoge Platos beruft63, so wollen wir ihm entgegnen: Auch wir dürfen glauben, dass in der reinen und frommen Seele des Moses, der sich über alle gewordenen Dinge erhob und sich dem Schöpfer des Weltalls ganz hingab, ein göttlicher Geist gewohnt habe, der das Wesen und die Werke Gottes weit  klarer als Plato und die Weisen unter den Griechen und Barbaren darlegte.64 Wenn aber Celsus von uns Gründe für diesen Glauben fordert, so möge er zuvor solche von dem angeben, was er selbst ohne Beweis aufgestellt hat; dann werden auch wir dartun, dass unsere Behauptungen richtig sind.

 

20.

 

Übrigens begegnete es dem Celsus, dass er wider seinen Willen dafür Zeugnis ablegte, dass die Welt jünger und noch nicht zehntausend Jahre alt sei. Er sagt nämlich: „auch die Griechen hielten diese Dinge für alt, weil sie wegen der Überschwemmungen und Weltbrände ältere Zustände nicht in Erwägung ziehen noch aus der Erinnerung mitteilen können“. Celsus mag aber als Lehrer der Sage von den Weltbränden„ und Wasserüberflutungen seine hochweisen “Ägyptier haben. Die Spuren ihrer Weisheit traten herrlich zutage in der Anbetung unvernünftiger Tiere und in ihren Lehren, die einen solchen Gottesdienst als vernünftig, ja tiefsinnig und geheimnisvoll hinstellen wollen. Wenn nun die Ägyptier, um ihrer Lehre Würde zu verleihen, die Verehrung ihrer Tiere theologisch zu begründen suchen, so sind sie weise; wenn aber jemand, der dem Gesetz und dem Gesetzgeber der Juden zustimmt, alle Dinge allein auf Gott, den Schöpfer der Welt, zurückführt, so steht er in den Augen des Celsus und seiner Gesinnungsgenossen tiefer als einer, der die Gottheit nicht bloß zu vernünftigen und sterblichen, sondern sogar bis zu den unvernünftigen Wesen herabzieht und noch mehr erniedrigt als die fabelhafte Lehre von der Seelenwanderung, nach welcher die Seele von dem Himmelsgewölbe herabfällt und bis zu den unvernünftigen Tieren, nicht nur den zahmen, sondern auch den wildesten, herabsteigt.65 Wenn die Äpyptier solche Märchen erzählen, so glaubt  man, sie hätten ihre philosophischen Meinungen in Rätsel und geheimnisvolle Worte gekleidet; wenn aber Moses, der für ein ganzes Volk schreibt, ihm seine Geschichte und seine Gesetze hinterlässt, so werden „seine Worte“ für „leere Fabeln“ angesehen, „die nicht einmal, allegorische Auslegung zulassen“; denn dies scheint dem Celsus und den Epikureern richtig zu sein.

 

21.

 

Celsus sagt: „Diese Lehre also hat Moses bei weisen Völkern und gelehrten Männern vorgefunden und sich angeeignet und dadurch einen göttlichen Namen (d.h. den Namen eines Gottgesandten) erhalten.“ Wir antworten darauf: Zugegeben, dass Moses eine ältere Lehre bei anderen vorgefunden und den Hebräern mitgeteilt habe. War nun diese Lehre, von der er Kenntnis bekam, falsch und weder weise noch ehrwürdig, so ist er tadelnswert, wenn er sie angenommen und seinem Volke überliefert hat; wenn er aber, wie du sagst, weisen und wahren Lehren zustimmte und seine Volksgenossen in diesen unterwies, was hat er dann strafbares getan? Hätten doch auch Epikur und Aristoteles, der gegen die Vorsehung weniger als jener frevelt, und die Stoiker, welche die Körperlichkeit Gottes behaupten, von dieser Lehre vernommen! Dann wäre nicht die Welt von einer Lehre erfüllt, welche die Vorsehung leugnet oder einschränkt oder ein vergängliches Urwesen, eben das körperliche, annimmt. So halten ja die Stoiker Gott für ein körperliches Wesen und scheuen sich nicht zu lehren, er sei wandelbar und jedem Wechsel und jeder Veränderung unterworfen, ja er könnte einfach vernichtet werden, wenn einer da wäre, der ihn vernichtete und er sei glücklicherweise der Vernichtung nur deshalb entgangen, weil nichts vorhanden sei, das ihn vernichten könnte.66 Die Lehre der Juden und Christen dagegen, die an der Unwandelbarkeit und Unveränderlichkeit Gottes festhält, wird für gottlos gehalten, weil sie nicht mit denen freveln will, die von Gott frevelhaft denken, sondern in ihren  Gebeten an die Gottheit spricht: „Du aber bist derselbe.“67 Wir glauben aber auch, dass Gott gesagt hat: „Ich ändere mich nicht.“68

 

22.

 

Hierauf verwirft Celsus die bei den Juden übliche „Beschneidung“ nicht, sagt aber, sie wäre zu den Juden „von den Ägyptiern gekommen“ . Er glaubt hier den Ägyptiern mehr als dem Moses, welcher berichtet, dass zuerst unter den Menschen Abraham beschnitten worden sei.69 Abrahams Namen aber überliefert nicht nur Moses, der ihn zum Freunde Gottes machte, sondern auch viele Geisterbeschwörer gebrauchen in ihren Sprüchen den Ausdruck „der Gott Abrahams“ und erzielen zwar 70 wegen des Namens und der Vertrautheit Gottes mit diesem gerechten Manne, weshalb sie eben die Bezeichnung „der Gott Abrahams“ annehmen, wissen aber nicht, wer Abraham ist. Dasselbe gilt von den Namen Isaak und Jakob und Israel, sie sind, wie allgemein bekannt, hebräisch, haben aber auch vielfach in die ägyptische Wissenschaft, die eine gewisse Kraftwirkung verheißt, Eingang gefunden. Die Lehre von der Beschneidung aber, die mit Abraham begann, von Jesus aber aufgehoben wurde, da er ihre Beobachtung von seinen Jüngern nicht forderte, diese Lehre jetzt zu erklären, ist nicht unsere Aufgabe. Denn der jetzige Zeitpunkt ist nicht für eine Belehrung hierüber geeignet, sondern für den Kampf bestimmt, der die von Celsus gegen die Lehre der Juden erhobenen Vorwürfe zunichte machen soll. Celsus ist nämlich der Meinung, er könne das Christentum schneller der Lüge überführen, wenn er seinen in der jüdischen Religion liegenden Ursprung anklagen und dann auch jenes als unwahr erweisen würde.

 

23.

 

Hierauf sagt Celsus: „Ihrem Führer Moses sind die Ziegenhirten und Schafhirten gefolgt und haben sich durch  plumpen Trug einreden lassen, es gebe nur einen einzigen Gott.“ Wenn nun diese „Ziegenhirten und Schafhirten“ ohne allen vernünftigen Grund, wie er meint, die Verehrung von Göttern aufgegeben haben, so möge er zeigen, wie er selbst die Annahme der Menge von Göttern bei den Griechen oder den übrigen nichtgriechischen Völkern rechtfertigen kann. Er weise uns also das Dasein und die Wirklichkeit der Mnemosyne nach, mit welcher Zeus die Musen, oder der Themis, mit welcher er die Horen gezeugt hat, oder er lege dar, dass die stets unbekleideten Grazien wirklich existieren könnten. Aber er wird nicht imstande sein, diese Phantasiegebilde der Griechen, die scheinbar körperlich gestaltet sind, nach ihren Handlungen als wirkliche Götter zu erweisen. Warum sollten denn die Sagen der Griechen von ihren Göttern wahrer sein als z.B. die der Ägyptier, deren Mundart von Mnemosyne, der Mutter der neun Musen, oder von Themis, der Mutter der Horen, oder von Eurynome, einer der Grazien, oder von den übrigen griechischen Namen nichts weiß? Wie viel wirkungsvoller nun und besser als alle diese Phantasiegebilde ist es, aus den sichtbaren Dingen die Überzeugung von der guten Ordnung der Welt zu gewinnen und ihren Schöpfer, den einen der einen Welt, zu verehren, die ganz mit sich selbst zusammenstimmt und deshalb nicht das Werk von vielen Schöpfern sein kann: wie es auch nicht denkbar ist, dass sie von vielen Seelen, die den gesamten Himmel bewegen müßten, zusammengehalten werde; es genügt ja die eine, die die ganze Fixsternwelt vom Aufgang bis zum Untergang hinführt und alles nicht Selbständige, dessen die Welt bedarf, in sich umfaßt. Denn alle Dinge sind Teile der Welt, Gott aber ist kein Teil des Ganzen, da Gott nicht unvollkommen sein darf, wie der Teil unvollkommen ist. Eine tiefere Untersuchung wird aber vielleicht zeigen, dass tatsächlich Gott, wie er nicht ein Teil ist, so auch nicht ein Ganzes, da das Ganze aus Teilen besteht; die Vernunft läßt die Annahme nicht zu, dass der über allen waltende Gott aus Teilen bestehe, von denen ein einzelner das nicht leisten kann, was die anderen Teile vermögen.

 

24.

 

 Hierauf sagt Celsus: „Die Ziegenhirten und Schafhirten haben nur einen einzigen Gott angenommen, sei es nun, dass sie ihn den Höchsten oder Adonai oder den Himmlischen oder Sabaoth, oder sei es, dass sie diese Welt so oder so zu nennen belieben; und eine weitere Erkenntnis haben sie nicht gewonnen.“ Und im folgenden sagt er, „ es mache nichts aus, ob man den über allen waltenden Gott Zeus nenne, wie die Griechen es tun, oder ob man ihm den zum Beispiel bei den Indern oder den bei den Ägyptiern üblichen Namen gebe.“ Wir erwidern darauf: Bei der vorliegenden Frage kommt die tiefe und geheimnisvolle Lehre von dem Wesen der Namen in Betracht; ob, wie Aristoteles meint, die Namen ihr Dasein dem Übereinkommen verdanken71, oder, wie die Stoiker glauben, einen natürlichen Ursprung haben, wonach die ersten Laute die Dinge, für die die Namen bestimmt waren, nachgeahmt hätten, weshalb sie auch gewisse Grundlehren der Worterklärung nach Wurzeln oder Stämmen einführen; oder ob, wie Epikur, abweichend von den Stoikern, lehrt, die Namen daher einen natürlichen Ursprung haben, dass die ersten Menschen bei (dem Anblick) der Gegenstände gewisse Laute ausgestoßen hätten. Wenn wir nun in einer besonderen Untersuchung die Natur wirksamer Namen darlegen können, von denen einige die Weisen der Ägyptier anwenden oder die Gelehrten unter den persischen Magiern oder unter den indischen Philosophen die Brachmanen oder Samanäer, und so bei jedem der Völker; und wenn wir imstande sind nachzuweisen, dass auch die sogenannte Magie nicht, wie die Schule des Epikur und Aristoteles meint, in jeder Hinsicht ungereimt und nichtig, sondern vielmehr, wie ihre genauen Kenner dartun, eine sichere und wohlgeordnete Kunst ist, auf Gründen und Regeln beruhend, die indessen nur sehr wenigen (Eingeweihten) bekannt sind: dann werden wir sagen dürfen, dass die  Namen Sabaoth, Adonai und alle die andern, die bei den Hebräern mit großer Feierlichkeit überliefert werden, nicht für beliebige und gewordene Dinge, sondern mit Rücksicht auf eine gewisse geheimnisvolle Theologie gebildet worden sind, die sich auf den Schöpfer des Weltalls bezieht.

Deshalb kann man auch diese Namen, wenn sie in dem mit ihnen fest verknüpften Zusammenhang72 ausgesprochen werden, und andere, die in ägyptischer Sprache verbreitet sind, bei einigen Dämonen, deren Macht sich nur auf diese Gebiete erstreckt, und andere in der Mundart der Perser bei anderen Geistesmächten, und so bei jedem Volke, zu bestimmten Bedürfnissen gebrauchen. Und so wird man finden, dass die Namen der auf Erden weilenden Dämonen, die verschiedene Orte zugeteilt erhalten haben, stets mit den Mundarten der betreffenden Orte und Völker Verwandtschaft aufweisen.73 Wer demnach mit weiterem Blick auch nur geringe Einsicht in diese Dinge gewonnen hat, der wird sich in acht nehmen, die einen Namen diesen, die andern jenen Verhältnissen willkürlich anzupassen, damit es ihm nicht ähnlich ergehe wie den Leuten, die den Namen „Gott“ verkehrterweise auf leblosen Stoff übertragen, oder die Benennung „gut“ der ersten Ursache aller Dinge74 oder der Tugend und dem Sittlichen versagen, dem „blinden Reichtum“75 aber und dem mit Gesundheit und Wohlbefinden verbundenen Ebenmaß von Fleisch und Blut und Knochen im Körper oder der angeblichen edlen Geburt zusprechen.

 

25.

 

Und vielleicht ist es ebenso gefährlich, den Namen Gottes oder des (höchsten) Gutes auf Dinge anzuwenden, denen er nicht gebührt, als die in einer gewissen geheimen Lehre gebräuchlichen Namen zu verwechseln und die den geringeren Wesen gebührenden Namen den höheren, oder die den höheren Wesen gebührenden den geringeren zu geben. Ich will nicht erwähnen,  dass man bei den Namen Zeus sofort auch an den Sohn des Kronos und der Rea denkt, an den Gemahl der Hera, an den Bruder des Poseidon, an den Vater der Athene und Artemis, an den Schänder seiner Tochter Persephone, oder bei dem Namen Apollo sofort auch an den Sohn der Leto und des Zeus, an den Bruder der Artemis und den Bruder des Hermes, da beide denselben Vater haben, und was sonst noch alles die weisen Erfinder der Glaubenssätze des Celsus und alle griechischen Theologen zu berichten wissen. Wie wäre denn die Auswahl möglich, dass zwar Zeus mit Recht so genannt würde, aber sein Vater nicht Kronos, und seine Mutter nicht Rhea wäre? Das gleiche gilt auch von den andern, die Götter genannt wurden. Dieser Vorwurf aber haftet keineswegs denen an, die nach einer gewissen geheimnisvollen Lehre Gott den Namen Sabaoth oder Adonai oder einen der übrigen Namen beilegen.

Wer aber die geheimnisvolle Lehre von den Namen philosophisch behandeln kann, der wird auch in der Benennung der Engel Gottes gar viel ausgedrückt finden. Von diesen heißt einer Michael, ein anderer Gabriel, ein dritter Raphael; sie führen diese Namen mit Rücksicht auf die Ämter, die sie nach dem Willen des allmächtigen Gottes in dem Weltganzen zu verwalten haben. Zu derselben Wissenschaft, die sich mit den Namen befaßt, gehört auch der Name unseres Jesus, der vor aller Welt schon unzählige Dämonen aus den Seelen und Leibern ausgetrieben und seine wirksame Kraft an den Besessenen ausgeübt hat.

Ferner ist noch dies über das Kapitel von den Namen zu sagen. Die des Gebrauchs der Beschwörungen kundigen Leute erzählen, dass dieselbe Beschwörungsformel in der eigenen Mundart ausgesprochen das bewirke, was sie verheiße, aber in irgendeine beliebige andere Mundart übertragen, ihre Kraft, wie man sehen könne, verliere und unwirksam sei. Es liegt also nicht in den bloßen Bezeichnungen der Dinge, sondern in den Eigenschaften und Eigentümlichkeiten der Laute (und Worte) eine innere Kraft, die dieses oder jenes bewirkt. Mit solchen Gründen werden wir auch die Christen verteidigen  können, die entschlossen sind, lieber zu sterben, als ihren Gott Zeus zu nennen oder ihm einen jener Namen zu geben, die sich in den andern Sprachen finden. Denn entweder bekennen sie ohne nähere Bestimmung den gemeinsamen Namen „Gott“, oder sie geben diesem Namen einen Zusatz: „Gott, der Urheber aller Dinge, der Schöpfer Himmels und der Erde, der dem Menschengeschlecht diese und jene erleuchtete Männer gesandt hat“, deren Name verbunden mit dem Namen Gottes bei den Menschen eine gewisse Kraftwirkung vollbringt.76

Zu dem Kapitel der Namen aber könnte man noch vieles andere denen gegenüber vorbringen, die der Meinung sind, man brauche in der Anwendung derselben nicht wählerisch zu sein. Wird Plato bewundert, wenn er im Philebos sagt: „Meine Furcht, lieber Protarchos, bezüglich der Namen der Götter ist nicht gering“, nachdem Philebos, der mit Sokrates das Gespräch führt, die Lust eine Göttin genannt hatte77, um wie viel mehr werden wir dann den Christen wegen ihrer frommen Scheu Beifall schenken, da sie keinen der in der griechischen Sagengeschichte verwendeten Namen mit dem Schöpfer der Welt verknüpfen! Doch über diesen Punkt ist jetzt genug gesagt.

 

26.

 

Wir wollen nun sehen, auf welche Weise Celsus, der „alles zu wissen“ ankündigt, die Juden verleumdet, indem er sagt: Sie verehren Engel78 und treiben eifrig Zauberei, worin sie Moses unterwiesen hat„ Celsus erklärt, die Schriften der Christen und Juden zu kennen“; so mag er angeben, an welcher Stelle der Schriften des Moses er gefunden hat, dass der Gesetzgeber „die Verehrung von Engeln“ vorschreibt. Wie kann es aber auch „Zauberei“ bei den Leuten geben, die das Gesetz des Moses angenommen und da auch dies  gelesen haben: „Den Beschwörern sollt ihr nicht anhangen, um nicht an ihnen verunreinigt zu werden?“79 Celsus verkündet aber, im folgenden lehren zu wollen, „wie auch die Juden infolge ihrer Unwissenheit gänzlich betrogen, dem Irrtum verfallen sind“ . Würde er nun „die Unwissenheit“ der Juden darin finden, dass sie Jesus als Christus nicht erkennen, da sie den Prophezeiungen über ihn nicht Gehör gegeben haben, so hätte er wahrhaft „gelehrt, wie die Juden dem Irrtum verfallen sind“. Nun aber hat er daran gar nicht denken wollen und nimmt deshalb als Irrtümer der Juden an, was keine Irrtümer sind.

Nachdem dann Celsus „eine Darstellung des jüdischen Glaubens für später“ in Aussicht gestellt hat, handelt er zuerst von unserem Heiland als dem Stifter der Gemeinschaft, durch die wir Christen sind, und sagt: „Dieser hat erst vor ganz wenigen Jahren diese Lehre eingeführt und ist von den Christen für den Sohn Gottes gehalten worden“ Was den Punkt betrifft, dass Jesus „erst vor wenigen Jahren“ aufgetreten sei, so wollen wir dies dazu bemerken: Ist es etwa ohne göttliche Hilfe geschehen, dass Jesus, der in so wenigen Jahren sein Wort und seine Lehre auszubreiten sich entschloß, soviel bereits erreicht hat, dass überall auf unserer bewohnten Erde nicht wenige Griechen und Barbaren, Gelehrte und Ungelehrte, zu seiner Lehre bekehrt worden und entschlossen sind, in der Verfolgung eher zu sterben als das Christentum zu verleugnen, was, wie die Geschichte uns zeigt, für eine andere Lehre noch niemand getan hat? Da ich nun nicht meinem Glauben schmeicheln, sondern lediglich versuchen will, die Dinge gründlich zu prüfen, so möchte ich behaupten, dass nicht einmal die Männer, welche viele Kranke heilen wollen, ohne Gottes Hilfe ihr Ziel, nämlich die Gesundheit der Körper, erreichen. Wenn aber einer sogar die Seelen von dem Schmutz der Sünde von Ausschweifungen und ungerechten Taten  und von der Gleichgültigkeit gegen die Gottheit befreien könnte und als Erweis einer solchen Wirksamkeit die Besserung von hundert Personen - um so viele mag es sich handeln - vorbrächte, könnte da vernünftigerweise auch von diesem jemand sagen, er habe ohne Gottes Hilfe den hundert Menschen eine von so großen Übeln befreiende Lehre mitgeteilt? Wenn man aber bei billiger Betrachtung dieser Tatsachen zugeben wird, dass unter den Menschen nichts Gutes ohne Gottes Hilfe geschehen sei, mit wie viel größerem Rechte wird man dann solches80 zuversichtlich von Jesus sagen können! Man braucht nur das frühere Leben vieler, die sich seiner Lehre zuwandten, mit ihrem späteren Leben zu vergleichen und dabei wahrzunehmen, wie groß die Zügellosigkeit, die Ungerechtigkeit und Habgier eines jeden von diesen gewesen ist, ehe sie nach dem Ausdruck des Celsus und seiner Gesinnungsgenossen „betrogen wurden und eine, wie jene sagen, das menschliche Leben verderbende Lehre annehmen“, und in wie hohem Grade sie mit Annahme der christlichen Lehre sittlicher, ernster und beständiger geworden sind, so dass einige aus Liebe zu einer ganz außerordentlichen Reinheit, und um der Gottheit in reinerer Weise zu dienen, selbst nicht einmal die von dem Gesetz erlaubten Freuden der Liebe genießen wollen.

 

27.

 

Wer die Tatsachen prüft, wird erkennen, dass Jesus Größeres, als menschliche Natur vollbringen kann, unternommen, und dass er das Unternommene auch ausgeführt hat. Denn obwohl von Anfang an alle der Ausbreitung seiner Lehre über den ganzen bewohnten Erdkreis entgegen traten, die jedesmaligen Kaiser, deren Oberfeldherren und Statthalter und mit einem Wort alle, denen irgendeine Gewalt übertragen war, ferner auch die Obrigkeiten in den Städten, die Truppen81, die Gemeinden, so errang er doch den Sieg, da  er seiner Natur nach als Gottes Wort nicht gehemmt werden konnte; und da er stärker war als so viele gewaltige Gegner, so bezwang er ganz Griechenland und einen großen Teil der übrigen Länder und bekehrte unzählige Seelen zu der von ihm verkündeten Gottesverehrung. Notwendigerweise mußten aber unter der großen Masse der von Gottes Wort Unterworfenen „die einfältigen und ungelehrten Leute“ weit zahlreicher als die Gebildeten sein, je82 zahlreicher eben die einfältigen und ungelehrten Leute sind im Vergleich zu den wissenschaftlich gebildeten. Doch dies wollte Celsus nicht sehen; darum hält er die menschenfreundliche Lehre, die sich zu jeder Seele „vom Aufgange der Sonne her“83 hinwendet, für „einfältig und glaubt, sie habe nur bei einfältigen Leuten Herrschaft gewonnen, da sie selbst einfältig sei und wissenschaftlichen Charakters entbehre“. Indessen sagt auch er nicht, dass bloß „einfältige“ Leute durch diese Lehre der von Jesus geforderten Gottesverehrung zugeführt worden seien; er gibt nämlich zu, dass „sich unter ihnen auch einige bescheidene, maßvolle und verständige Personen und solche fänden, die zu allegorischer Deutung geschickt wären“.

 

28.