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Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft E-Book

Origenes

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Beschreibung

"Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft" (lateinisch: De Principiis) ist eine theologische Abhandlung und die erste systematische Darstellung der christlichen Theologie. Als Origenes etwa fünfundvierzig Jahre alt war, unterbrach er seine Werke der Bibelexegese, um die "Grundlehren" zu schreiben. In diesem Werk legte er eine einheitliche Diskussion der christlichen Lehren vor, damit seine Leser die Glaubensregeln der Kirche tiefer ergründen und zwischen den widersprüchlichen Schriftauslegungen unterscheiden konnten, die in den späten 220er Jahren in Alexandria diskutiert wurden. Nach der Fertigstellung dieses Traktats nahm Origenes seine biblischen Forschungen wieder auf, wobei er dieses Werk wahrscheinlich eher als Nebenprodukt seines größeren Projektes der Schriftauslegung betrachtete.

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Seitenzahl: 558

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Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft

 

ORIGENES

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft, Origenes

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660789

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung. 2

Vorrede.49

Erstes Buch.54

Erster Abschnitt. Von Gott.54

Zweiter Abschnitt. Von Christus.61

Dritter Abschnitt. Vom heiligen Geiste.72

Vierter Abschnitt. (V. Cap.) Von den vernünftigen Wesen.80

Fünfter Abschnitt. (VI. Cap.) Vom Ende oder der Vollendung.85

Sechster Abschnitt. (VII. Cap.) Vom Körperlichen und Unkörperlichen.89

Siebenter Abschnitt. (VIII. Cap.) Von den Engeln.93

Zweites Buch.97

Erster Abschnitt. Von der Welt.97

Dritter Abschnitt. Vom Anfang der Welt und ihren Ursachen.101

Vierter Abschnitt. Der Gott des Gesetzes und der Propheten und der Vater Jesu Christi ist Einer.107

Fünfter Abschnitt. Ueber die Eigenschaften „Gerecht“ und „Gütig“.111

Sechster Abschnitt. Von der Menschwerdung Christi.116

Siebenter Abschnitt. Vom heiligen Geist.122

Achter Abschnitt. Von der Seele.125

Neunter Abschnitt. Von der Welt (den Willensrichtungen der vernünftigen Geschöpfe, guter und böser, und deren Ursachen).130

Zehnter Abschnitt. Von der Auferstehung und dem Gerichte, (von dem Feuer und den Strafen der Hölle).136

Eilfter Abschnitt. Von den Verheißungen.195142

Drittes Buch.148

Erster Abschnitt. Von der freien Selbstbestimmung. 148

Zweiter Abschnitt. Von den feindseligen Mächten.167

Dritter Abschnitt. (IV. Cap.) Von den bloß menschlichen Versuchungen.181

Vierter Abschnitt. (V. Cap.). Vom zeitlichen Anfang der Welt.305186

Fünfter Abschnitt (VI. Cap.). Vom Ende der Welt.192

Viertes Buch.200

Erster Abschnitt. Von der göttlichen Eingebung der heiligen Schrift.200

Zweiter Abschnitt. Von der Art, die heil. Schrift zu lesen und zu verstehen.206

Summarische Wiederholung. 226

Fußnoten. 236

 

 

Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Einleitung Sprache: deutsch Bibliographie: Einleitung In: Origenes über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft. Wiederherstellungsversuch von Dr. Karl Fr. Schnitzer, Professor an der Kantonsschule in Aarau. Stuttgart, Verlag Imle und Kraus, 1835. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann.

 

Titel Version: Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft (De principiis) In: Origenes über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft. Wiederherstellungsversuch von Dr. Karl Fr. Schnitzer, Professor an der Kantonsschule in Aarau. Stuttgart, Verlag Imle und Kraus, 1835. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann.

 

 

 

 

Einleitung

 

1.

 Das vorliegende Werk verdient in mehr als einer Beziehung eine aufmerksame Behandlung: als Inbegriff der Hauptlehren einer eigenthümlichen theologischen Richtung und zumal als erster Versuch einer christlichen Dogmatik; dann in Rücksicht auf die Folgen, die es seinem Verfasser zuzog, und auf die Schicksale, die es selber erfahren hat. Diese vier Gesichtspunkte werde ich in der Einleitung festhalten, welche die Geschichte des Werkes erzählen soll. Die beiden ersten, auf den Ursprung und den Zweck desselben gerichtet, führen hauptsächlich von dem jetzigen Standpunkt der Wissenschaft zu einer neuen Betrachtung, und erfordern auch eine ausgedehntere Entwicklung, als sie hier gegeben werden kann. Jede christliche Dogmatik unserer Zeit enthält Elemente aus den verschiedensten vorausgegangenen Perioden, sie kann also nur auf dem Wege historischer Vermittlung zum Begriff gelangen und begriffen werden. Diese Vermittlung ist die dogmatische Aufgabe der Zeit, und spricht sich in der ganzen theologischen Richtung aus, thatsächlich aber durch die — nach einer fünfjährigen politischen Ueberschwemmung — neu erwachte Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der historischen Theologie. Auf jenem Wege muß erkannt werden, aus welchen historischen und philosophischen Elementen die christliche Glaubenswissenschaft, oder das Christenthum überhaupt zum Wissen, sich gebildet hat. Ich möchte dieß als den eigentlich historisch-kritischen Standpunkt, gegenüber dem speculativ-historischen, welcher jetzt offen der mythische genannt wird, bezeichnen. Hier entsteht die Frage: können wir die Gestaltung der christlichen Dogmatik zurück bis zu ihrem Anfang, im ersten Auftreten als System, verfolgen? Und dann, wenn wir das können, wird die weitere Aufgabe seyn: diese erste Erscheinung eines Christenthums als Wissenschaft, einer Glaubenswissenschaft, so in ihre Elemente zu zerlegen und sie bis zum Ursprung zu verfolgen, daß hieraus erst die Grundlage der Dogmatik und ihr wesentliches Verhältniß zum Urchristenthum erkannt werden mag. Allernächst beschäftigt uns nur die erstere Frage. Ich habe zu zeigen, daß diese durch eine kritische Bearbeitung des vorliegenden Werkes von Origenes in der Hauptsache bejaht sey.

 

2.

Es ist das Erzeugniß eines Mannes und seiner Zeit. Der Verfasser desselben erhielt schon in früher Jugend eine Richtung die wir nicht mit Neander eine beschränkte, sondern eine eigenthümlich ernste und hohe nennen wollen. Magnus vir ab infatia, sagt, Hieronymus von ihm, an einem Orte, wo er ganz geharnischt ist, ihn zu verdammen (Apol. Adv. Ruf. I.). Es war die Stufe der Entsagung und Aufopferung, auf welcher Origenes göttliche Kraft und Begeisterung zu höherer Einsicht zu erlangen strebte. So wollte es der damalige Gang der Erkenntniß, der christlichen insbesondere: durch εγκρατεια, ασκησις zur θεωρια, γνωσις. Wie Origenes fast als Knabe auf jener Stufe bestand, dieß beweisen die wenigen Worte aus einem Briefe, den er seinem Vater Leonidas, dessen Loos zu theilen er von der Mutter verhindert ward, in das Gefängniß schrieb. Eusebius (KG. VI, 2.) hat sie als αγχινοιαςκαιπεριτηνθεοσεβειανγενναιοτατηςδιαθεσεωςτεκμηριον aufbewahrt: „Επεχε schreibt Origenes, μηδι’ημαςαλλοτιφρονησῃς.“ Der Vater entsprach der Aufmunterung des Sohnes und starb im 10. J. Sever’s (202 n. Chr.) den Märtyrertod. Origenes, der Aelteste von sieben Söhnen, 17 Jahre alt, hatte die unter Anleitung des Vaters begonnenen Studien 1 noch nicht vollendet, und wurde von einer reichen Frau in Alexandria aufgenommen und unterstützt. Er setzte seine Studien durch eigenen Fleiß so unermüdet fort, daß er bald durch Unterricht in der Grammatik reichlichen (δαψιλως) Unterhalt erwarb, und sich von seinem Weghause, das ihm wegen des gezwungenen Umgangs mit einem Häretiker drückend geworden war, lossagen konnte. Bei seiner Kenntniß der heiligen Schriften und seiner Hinneigung zur christlichen Lehrweise — er selbst besuchte zu gleicher Zeit die Vorträge des Katecheten Clemens 2 — gewann er schon als Lehrer der griechischen Literatur Viele für das Christenthum. Als aber die christlichen Lehrer durch die Verfolgung unter Sever von Alexandria vertrieben waren, füllte Or., Anfangs nur für sich, ihre Stelle aus. Bei dem großen Zulaufe, den er hatte, übertrug der Bischof Demetrius ihm allein das Lehramt des Katecheten. Ein eigentliches Amt war es nicht; wenigstens kein kirchliches, denn es wurde keine Weihe dazu erfordert. Es war wie der Beruf eines Philosophen, der öffentliche Vorträge hielt, διατριβη· daher bei Niceph. v. A. ιερα, χρισιανικη, θειαδιατριβη· wie auch Or. früherer Beruf, die Grammatik zu lehren, bei Euseb. διατριβη heißt. Die übri- gen Ausdrücke bei Letzterem deuten an, daß der Katechet nicht einmal öffentliches Local hatte (ενοικῳ, ενθακατεμενε, vergl. Valesius zu VI, 19. not. 26.), daß mehrere zugleich es versehen konnten, (αυτῳμονῳ, ausnahmsweise), daß sie nur der Einwilligung des Bischofs (επιτετραμμενης) bedurften, und keine Besoldung hatten, sondern höchstens von ihren Zuhörern unterstützt wurden (παρ’ετερωνεπικουρια) und endlich nach Belieben abtreten (απεδημησε, cf. Phot. Cod. 118. χωριςτουοικειουεπισκοπουγνωμης), oder Hülfslehrer anstellen (VI, 15.) konnten. Der Zweck des Unterrichts war Vorbereitung zum Christenthum, hauptsächlich für gebildete Heiden (ακουσομεοιτονλογοντουθεου, von denen nicht einmal alle wirklich übertraten (πειραντηςεντοιςιεροιςλογοιςικανοτητοςτ’ανδροςληψομενοι); und die Schule selbst hervorgerufen durch das Bedürfniß der gelehrten Alexandria. Die Lehrart war die jetzt sogenannte katechetische: denn Orig. sagt mit deutlicher Beziehung auf diese Schule (c. Cels. VI, 10.) „Andere suchen wir durch Fragen und Antworten so gründlich als möglich zu überzeugen, — und bemühen uns von den christlichen Lehren noch weit triftigere Gründe anzugehen, als diese sind, die ich hier angedeutet habe.“ Origenes erkannte sogleich in seiner neuen Stellung drei Dinge als unabweisbar nöthig: Zeit, Sorgenfreiheit, Kenntniß der philosophischen und der häretischen Systeme. Daraus entstand ein viertes: ein philosophisch-dogmatisches Lehrbuch für seinen Unterricht. Er gab also vorerst seinen Sprachunterricht auf, um sich ganz der Theologie widmen zu können. Dann verkaufte er eine Sammlung von ihm selbst sehr schön (φιλοκαλως) geschriebener Handschriften alter Classiker für eine tägliche Leibrente von 4 Obolen, um sorgenfrei zu seyn. Denn er nahm zu großer Betrübniß seiner zahlreichen Zuhörer (μυριουςοσουςλυπων) nie ein Geschenk an.

 

3.

Philosophisch war sodann der Unterricht der Katecheten von jeher gewesen. Athenagoras und Pantänus hatten den Philosophenmantel beibehalten: der erstere scheint nach der Angabe des Phil. Sidetes (Dodw. ad Iren. P. 497.) neben seinem wirklichen Amte als Vorsteher der Akademie (ακαδημαïκηςσχοληςπροïσταμενος), den katechetischen Unterricht gegeben zu haben, und ist vielleicht ebendeßwegen von Euseb. nicht unter den Katecheten aufgezählt (VI, 6. und Ruf. versio VI, 3.) Clemens, (strom. I, 20. VII, 3.) erklärt die Philosophie für die Propädeutik des Gnostikers, für eine Mitarbeiterin in der Erforschung der Wahrheit. Clemens, und wahrscheinlich auch sein Ideal Pantänus, so wie Athenagoras 3 gehören zu der Classe der Eklektiker mit Hinneigung zum Platonismus (Φιλοσοφιανουτηνσωικηνλεγω, ουδετηνπλατωνικην — — αλλ’οσαειρηταιπαρ’εκασῃκαλως, δικαιοσυνηνμετ’ευσεβουςεπιστημηςειδιδασκοντα, τουτοσυμπαντοεκλεκτικονφιλοσοφιανφημι I, 7.) Dieß war seit Philo allgemeiner Charakter der alexandrinischen, christlichen und nichtchristlichen Schulen, und es war nur eine mehr asketische Richtung, die ihnen das Christenthum, ηκατ’ευσεβειανφιλοσοφια, gab. Das Ziel, das schon Philo der Wissenschaft setzt (ed. Mangey 35, 3, τελος — ηπροςτονγεννησανταθεονεξομοιωσις; 2, 197, 45. καιειςτοονβλεποντεςεναργειςεικοναςκαιτυπουςταιςεαυτωνδιανοιαιςδιαχαραττωμεν: ad Gen. 6, 12. 194, 9. 692, 1. μηζητειτηντουοντοςπολινενκλιμασιγης — αλλ’ενψυχῃαπολεμῳκαιοξυδορκουσῃ), dasselbe war es auch für Clemens (strom. 11, 10. ζητειντονθεον — ητιςανθεωριαειημεγιστη, ηεποπτικη, ητῳοντιεπιστημηηαμεταπτωτοςλογῳγενομενη — höchste, anschauliche, allein wahre, in ihrem Grunde unumstößliche Wissenschaft) und blieb das leitende Princip der katechetischen Schule. Denn es war die fruchtbarste Idee für die Vermittlung griechischer Spekulationen und praktischer Lehren des Christenthums, welche hauptsächlich Clemens sich zur Aufgabe gemacht und mithin auch seinem Zuhörer als Ziel seines Strebens, gesetzt hatte. In demselben vorwaltenden ängstlichen Eklecticismus des Clemens aber ist auch der Grund zu suchen, warum es bei ihm mit dem Christenthum nicht zur Wissenschaft, zum System kam, und seine Gnostik mehr eine erworbene Fertigkeit als ein Wissen, ein Begriff ist. Ueber den Lehrvortrag des Clemens dürfen wir einigermaßen nach seinen Schriften urtheilen. Zwar ist κατηχειν der Bedeutung nach, bloß mündlicher Vortrag, allein zu Folge Euseb. V, 10. war von jeher damit auch Unterricht durch Schriften verbunden (Πανταινοςτουκατ’Αλεξ. ηγειταιδιδασκαλειουζωσῃφωνῃκαιδιασυγγραμματωντουςθειωνδογματωνθησαυρουςυπομνηματιζομενος). Clemens scheint in dreien seiner Schriften, die, ihrer Fassung nach, entweder aus seinem mündlichen Unterrichte hervorgiengen, oder ihm als Grundlage dienten, dem Protreptikos, dem Pädagogos und den Stromateen — drei Classen von Zuhörern im Auge zu haben. Im Eingang der zweiten Schrift (Παιδαγ. I, 1.) ordnet er sie nach der Lehrart der alten Philosophen so, daß die erste (προτρεπτικος) die ηθη, die zweite (υποθετικος) die πραξεις, die dritte (παραμυθικος) die παθη zum Gegenstand hat. Diese Eintheilung ist jedoch bloße Accomodation: denn er erklärt sich sogleich deutlicher, daß die erste die Bekehrung vom Heidenthum zum Christenthum, die zweite die Anweisung zu einem christlichen Leben, die dritte (die er noch erwarten läßt) die Einführung in die höhere Religionserkenntniß (τηνοντοςαληθειαςγνωσιν) bezwecke. Es ist klar, daß unter der letzten Schrift die Stromateen zu verstehen sind, in welchen er sich (17, 1.) wiederum auf den Pädagogos, als eine Vorarbeit, bezieht, und worin er hauptsächlich die Bildung zum „Gnostiker" behandelt. So kennen wir also den Gang des katechetischen Unterrichts unter Clemens. Die Lehrart selbst war, wie er Päd. 1, 1. gesteht, „mehr praktisch als methodisch“, und in der eigentlichen Reli- gionsphilosophie — obwohl mit beständiger Festhaltung und Wiederholung der Hauptidee — fragmentarisch: weßhalb er den Inhalt der Stromateen für Reminiscenzen (υπομνηματα) aus dem Vortrage seiner früheren Lehrer erklärt 4 und sich mehrmals besonders VII, extr. wegen der Unordnung (αταξια) seines Vortrags entschuldigt. Aus jener Erklärung können wir auf den Gehalt des katechetischen Unterrichts vor Clemens zurückschließen und im Allgemeinen wenigstens die Folgerung ziehen, daß Origenes den gesammten Lehrbegriff seiner nächsten Vorgänger, die auch seine Lehrer waren 5 in den Schriften des Clemens, namentlich, den Stromateen, vor sich hatte. Allein dieser konnte ihm auch der Form nach nicht genügen. Die äußere Anregung zu philosophischer Forschung (εξετασαι) fand er nach seinem eigenen Zeugniß, das Uns Euseb. (17, 19.) nebst einem andern von Porphyrius über ihn aufbewahrt hat, in dem großen Zulaufe von Häretikern, von heidnischen Gelehrten und hauptsächlich von Philosophen, die von ihm im Christenthum unterrichtet seyn wollten. Er suchte nun sowohl die Lehrmeinungen der Häretiker als die Behauptungen der Weltweisen zu prüfen. Um dieß Verfahren zu entschuldigen, beruft er sich auf das Beispiel des Pantänus und des nachmaligen Bischofs Heraklas, welcher schon 5 Jahre vor ihm („πρινεμεαρξασθαιακουεινεκεινωντωνλογων“) den Unterricht des Lehrers der Philosophie genossen habe. Auch ohne das ausdrückliche Zeugniß des Porphyrius, daß er unsern Origenes in der Schule des Ammonius Sakkas kennen gelernt habe, wußten wir, wer unter dem damaligen „διδασκαλοςτωνφιλοσοφωνμαθηματων“ zu verstehen sey. Wenn nun Porphyr sagt „εγωκομιδηνεοςωνετιεντετυχηκα“ und wenn Heraklas selbst Schüler des Origenes und Mitarbeiter im katechetischen Unterricht, jeden Falls jünger als dieser, schon lange vorher den Ammonius gehört hat, so haben wir hierin Beweises genug, daß Origenes erst auf äußere Aufforderung hin, die Schule des heidnischen Philosophen betreten habe. Dieß stimmt auch mit seiner frühern Abgeschlossenheit überein. Die Absicht, überall die Leute aufzusuchen, welche sich besonderer Einsichten rühmen, erklärt Origenes dann auch auf seinen Reisen durch einen großen Theil der damals bekannten Welt verfolgt zu haben (Cels. VI, 24. Vorr. zu π. Α. §. 2,). Ueberhaupt konnte in seiner, Zeit und in seinen Umgebungen keine religiöse oder philosophische Lehre außer Berührung mit seinem Bildungsgange bleiben. So war ihm auch die Weisheit der Indier (nach einer merkwürdigen Stelle π. Α. III, 2, 9.) nicht unbewußt die Wurzel orientalischer Philosophie. Und wenn er sich öfter, sogar für eine christliche Allegorie auf den Rabbi beruft, so war dieß sicher ein Essäer (I, 3, 4.), dessen nähere Bekanntschaft er der allegorischen Exegese wegen gemacht hatte. Denn die pharisäischen Auslegungen, und die der Grammateus betrachtet er als eine schlechte Sophisterei (IV, 2, 10.). Seine Bekanntschaft aber mit der Philosophie gieng vorzugsweise aus dem Studium ihrer Schriften hervor. Außer Plato las er unausgesetzt die Bücher der platonischpythagoräischen Eklektiker (des Numenios, Kronios, Moderatus, Nikomachos, Longinus) und der Stoiker (des Apollophanes, Chärmon, Kornutus). Wenn diese Schriften besonders dadurch für ihn an- ziehend waren, daß sie vielleicht durch allegorische Spielereien seinem Hang zu tieferer oder künstlicher Schriftauslegung nährten, so waren sie doch auch nicht ohne Einfluß auf seine philosophische Bildung. Plato selbst beherrscht ihn fast ganz und selbst in seiner Sprache ist dieß ausgeprägt. Nicht bloß wird ihm von einigen Alten vorgeworfen, daß er die Sprache des Evangeliums mit platonischen Redensarten vermische; er gebraucht wirklich die letztern wie seine eigenen (z. B. c. Cels. 17, 43. und öfters). Zwar ist es der Plato seiner Zeit, dessen Ideen ihn gefesselt haben; Plato, wie diesen die alexandrinische Mystik zu begreifen und zu deuten gewohnt war, und von dem ein einfältiger Witz sagte, ηΠλατωνφιλωνιζει, ηΦιλωνπλατωνιζει; dennoch aber erhob sich Origenes über den gewöhnlichen Platonismus seiner Zeit, weil das Eigenthümliche dieser Philosophie der Idealismus, die geistigere Weltansicht in ihm mit Klarheit und reinsittlicher Tendenz hervortrat. Dieß kann nicht anders als ein Gewinn seines gründlichern Studiums der klassischen Philosophie verbunden mit seiner strengsittlichen Lebensweise genannt werden. Es ist hier Nichts von einer περιθεωνεμφυτοςγνωσις (Philo. de myster. Aegypt. I, 3.). Nichts von jener Idee der intellectuellen Anschauung eines aus dem Urgrund emamirenden Lichtes, welche sich erst neben und nach ihm in Plotin ausbildete; „der menschliche Geist muß vermöge seiner Freiheit, die sein unveräußerliches Wesen ist, durch Reinheit des Herzens und klaren Verstand die Erkenntniß (γνωσις) sich zum Eigenthum machen.“ Diese in der That freie Richtung des Gedankens mußte unsern Origenes auf eine hohe Stufe der Speculation stellen, wenn ihm seine Zeit angemessene Mittel an die Hand gab, um den Gedanken zu vollenden, oder ihn in den Stand gesetzt hätte, die dargebotenen Mittel frei genug zu gebrauchen.

 

4.

Das Mittel, das ihm seine Zeit bot, um die idealere Ansicht im Christenthum zu begründen, oder, wie Andere wollen, dieses selbst zu idealisiren, war bekanntlich die allegorische Interpretation. Es müßte über jene Zeitrichtung überhaupt höchstwichtige Aufschlüsse geben, wenn der Ursprung dieser Erklärungsmethode evident nachgewiesen wurde. Bis jetzt ist die vulgäre Meinung, die alexandrinischen Juden, Aristobul, Philo, haben sie, sey es erfunden oder von den Griechen entlehnt und ausgebildet. Die heidnischen Schriftsteller und Philosophen behaupten das letztere: Porphyr sagt geradezu (in einem Briefe bei Euseb.), Origenes habe sie aus den Stoikern gelernt. Gewiß ist, daß Hellenen sie in gleichem Sinne wie Philo angewandt haben. So beruft sich Origenes mehreremal (z. B. c. Cels. I, 15.) auf den Numenios als allegorischen Ausleger der Propheten, um dem heidnischen Philosophen ein Beispiel aus seiner eigenen Secte entgegenzustellen. Dadurch ist jedoch die Sache um Nichts klarer: denn wenn gleich Plato schon Neigung zum Allegorisiren der Mythen hatte, so war es ihm offenbar mehr um poetische Ausschmückung, als um die Entwicklung einer Geheimlehre aus Symbolen zu thun. Dieses Streben ist rein orientalisch, sein Ursprung muß im Orient gesucht werden. Mit ihm werden wir auch den Ursprung der allegorischen Erklärungsweise gefunden haben. Die Griechen übertrugen sie auf Alles: die homerischen Allegorien sind bekannt genug; aber keine Spur von geschichtlichem Zusammenhang läßt sich zwischen der platonischen Mythendeutung und jener alexandrinischen Hermeneutik entdecken.

 

5.

Der Verfasser von „Philosophie der Geschichte, oder über die Ambition" sieht in ihr den Ausfluß einer unmittelbar-göttlichen Urtradition, welche von den Patriarchen her durch das Judenthum hindurchgehe und von Christus bestätigt bis in’s Christenthum hereinreiche. Wollen wir nun von der besondern Tendenz dieses Buches, das als Zeugniß von einer gegenwärtigen Zeitrichtung immerhin merkwürdig ist, ganz absehen, so hat doch der Verfasser, aus seiner großen Belesenheit in den jüdischen Schriften mehr als wahrscheinlich gemacht, daß schon unter den Juden vor Christus eine mystische Interpretation herrschte. Und wenn der Nehmliche nachweist, daß von Esra an diese überlieferte Mystik mehr äußerliche Formen betraf, indem die symbolische Bibelschrift (die große Quadratschrift) ihr Hauptgegenstand wurde, so haben wir hier vielleicht eine Spur, von welcher aus der Uebergang jener orientalisch-mystischen Interpretation in das Judenthum bestimmt werden könnte. Um diese Zeit nehmlich, da die Bücher des A. T. in neuer Schrift vielfach verbreitet wurden, und die allegorische Auslegung an den Inhalt selbst noch nicht angeknüpft war, ist es natürlich, daß sich die Zahlen- und Buchstaben-Mystik an die äußeren Zeichen heftete. Und weiterhin ist es ebenfalls wahrscheinlicher, daß der Uebergang von der Symbolik bey Schriftzeichen zur allegorischen Auslegung des Inhalts, als daß derselbe umgekehrt gemacht wurde. Das erstere war immer ein Fortschritt. Neander (KG. Bd. I. S. 36. der ger. Ausg.) scheint eigentlich den Pharisäern die allegorische Bibelauslegung als ihre Erfindung zuzuschreiben, wiewohl er (S. 52) auch von den Therapeuten bemerkt, daß sie alte theosophische Bücher gehabt haben, die dazu Anleitung gaben. Auf historisch-kritischem Wege versucht es aufs Neue Gfrörer, der jüdisch-alexandrinischen Mystik auf den Grund zu kommen, in einem Werke, dessen Vollendung wir in Bälde zu erwarten haben (kritische Geschichte des Urchristenthums, 2r Bd., welcher die Untersuchung der Midraschim und des Talmuds enthalten wird.)

 

6.

Für unsern jetzigen Zweck mögen diese Hinweisungen genügen: denn in dem religiösen und philosophischen Bewußtseyn der alexandrinischen Kirchenlehrer war der Ursprung ihrer Interpretation keine Frage. Clemens sagt (Strom. V, p. 682. Ed. Potter): „die Geheimnisse des Alten Testaments oder die Wahrheiten, welche in jenen Büchern verborgen liegen, sind bis auf die Zeiten der Apostel unbekannt geblieben; Jesus hat sie seinen Aposteln geoffenbart, und diese haben sie wiederum den Eingeweihten (τουςαγιοις) mitgetheilt." Diese Geheimnisse, meint der gute Clemens (VI, 15. p. 806.), habe auch Er mit einigen andern Gelehrten und Gläubigen seiner Zeit mündlich empfangen: für diese werde das Alte Testament ein ganz neues Buch, indem sie jetzt Dinge darin lesen, welche die Juden Sclaven des Buchstabens, nie hätten lesen können. Diese Aeußerungen kommen ohne Zweifel aus voller Ueberzeugung, so sehr sie auch ihre apologetische Tendenz verrathen. Die Auslegung durch Allegorieen war mannigfaltig und willkührlich. Philo läßt sich hierin noch ganz gehen und gibt z. B. von der Himmelsleiter vier verschiedene Deutungen, welche die Luft, die Seele, die Askese und endlich den Weltlauf zum Gegenstand der Allegorie machen. Man konnte also leicht einwenden, wie wissen nun die Christen, welches der wahre Sinn ist? Und hierauf gibt es keine bessere Antwort als die obige.

 

7.

Die biblischen Allegorieen sind also die Geheimlehre der alexandrin. Kirchenväter, die sogenannte disciplina arcani, eben insofern der Aufschluß derselben von Christus hergeleitet wurde. So wenigstens bei Clemens, wenn er einerseits auf den mündlichen Vortrag verweist: απορρηταλογῳπιστευεται, ουγραμματι· anderseits den öffentlichen Widerspruch scheut: μεγαςοκινδυνοςτοναπορρητονλογονεξορχησασθαιτοιςαφειδωςπαντααντιλεγουσιν. Origenes steht auch hier auf einem freiern Standpunkt. Er schreibt zwar den Trägern der Offenbarung bestimmt die Kenntniß des höhern Sinnes zu, kennt aber keine Ueberlieferung desselben. Ihm ist die γνωσις nichts Traditionelles; die Auslegungskunst beruht auf dem freierworbenen Verständniß. Denn c. Cels. VI, 6., wo er entschieden von ungeschriebenen Lehren Christi redet, gibt er nicht die geringste Andeutung, daß Er solche zu besitzen wähne. Vielmehr verweist er vor und nach einzig auf das fleißige Studium des einfachen Schriftsinns, wodurch allein das höhere Licht angefacht werden könne. Ausdrücklich erklärt er sich aber gegen jede Tradition von Geheimlehren c. 13., wo er die drei Kreise des christlichen Bewußtseyns gestützt auf 1 Cor. 12, 8. 9. so beschreibt: Glaube, Erkenntniß, Weisheit (πιστις, γνωσις, σοφια) die höhern Kreise aber denen zutheilt, welche sich vor den Andern auszeichnen. Ebenso ist im 4. Buch unsers Werkes sittliches Verdienst und ernstes Forschen als die Bedingung höherer Einsicht dargestellt (vgl. c. Cels. VI, 42.).

 

8.

 Die Allegorie war für seine Zeit überhaupt diejenige Form, unter welcher allein höhere Erkenntniß mitgetheilt wird. In sofern bildet sie durchaus keinen Differenzpunkt zwischen den alexandrinisch-christlichen Lehrern und den übrigen spekulativen Richtungen, Philo, Gnosis, Neuplatonismus; nur gegen den grassen Chiliasmus, die Buchstabentheologie, traten jene durch die Voraussehung der Allegorie in entschiedenen Gegensatz, und mußten sie auch als das einzige Mittel zur Bestreitung dieser Art von Gegnern betrachten. Alle andern gebrauchen zu gleichem Zwecke die Allegorie. Der Unterschied liegt demnach nur in der Behandlung, dem Princip der Anwendung, und in dem Umfang, welcher derselben eingeräumt wird.

 

9.

Von den Gnostikern unterscheidet sich die alexandrinische Richtung wesentlich durch die Behandlung, weil für die Gnosis die Allegorie nothwendiges Element der Speculation ist und diese selbst nur in der Allegorie sich bewegt; 6 während Origenes die reinen Begriffe aus gegebenen Allegorieen abstrahirt. Demgemäß ist die Gnosis in der Anwendung sowohl als im Umfang der Allegorieen unbeschränkt; bei Orig. ist beides bestimmt. Anders dagegen ist das Verhältniß zum Neuplatonismus, welcher seine Ideen wie Origenes aus gegebenen Vorstellungen, denen der Mythologie entwickelt, aber, nachdem er sie durch die allegorische Hülle hindurchgefühlt, eben diese vernichtet; 7 während bei Origenes die gegebene Allegorie die stets gültige Auctorität für die Resultate der Speculation und eine unerschöpfliche Fundgrube für neue Ideen bleibt. Eine größere Verwandtschaft findet Statt zwischen Philo und Origenes, indem Beide gewisse und in einem bestimmten Umfange gegebene Allegorien voraussetzen: wiewohl Philo sich darin wieder entfernt, daß er doch auch in der Spekulation selbst allegorische Formen gebraucht. In der Behandlung der Allegorie gehen zwar Beide von dem Grundsatze aus, daß in den göttlich eingegebenen Schriften, mit dem Bewußtseyn der Verfasser, alle Ideen der Philosophie mitenthalten seyen; dabei läßt es jedoch Origenes dahingestellt seyn (c. Cels. IV, 39 u. a.), ob Plato aus Moses geschöpft habe; während Philo, und noch sein Vorgänger Clemens 8 geradezu die hellenische Philosophie für einen Raub erklären, der an Moses begangen worden. Vielmehr ist Origenes geneigt, auch die Ideen der griechischen Philosophie als unmittelbare Erleuchtungen des Logos anzuerkennen, sofern sie mit den in der göttlichen Allegorie niedergelegten Ideen übereinstimmen. Clemens und Origenes sind darin ganz einverstanden, daß sie überhaupt nur Auslegung der Allegorie zulassen, dieß charakterisirt sie im Allgemeinen. Auch in Bezug auf den Umfang, in welchem die Allegorie zu suchen sey, gilt dasselbe. Wenn Philo natürlich nur die Uebersetzung der LXX. (neben dem hebräischen Original) und einige Apokryphen annahm, so enthält für jene weiter auch das Ganze, was wir canonisches neues Testament, was wir apokryphische Bücher von späterer Entstehung nennen, der Brief des Barnabas, das Buch des Hermas, Enochs, Mosis’ Himmelfarth u. a., welche augenscheinlich voll mystischer Allegorien sind, durchgehends Allegorie. 9 Selbst wenn ihnen, namentlich dem Origenes, Zweifel über die Aechtheit solcher Schriften bewußt sind, wirkt dieß nicht auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft. Es ist also ein geschlossener Kreis von heiligen Büchern, in welchen die göttlichen Wahrheiten absichtlich unter der allegorischen Hülle niedergelegt sind. Der Unterschied des Alters, sowie des Grades der allegorischen Form derselben ist in dem dogmatischen Bewußtseyn des Alexandriners völlig 10 aufgehoben. Und es ist auch natürlich auf seinem Standpunkt eine kritische Scheidung dieser Art undenkbar, indem eigentlich nur er, der allegorisirende Exeget den richtigen Begriff von Inspiration festhalten kann, vor welchem jene Fragen ganz verschwinden. 11 Dagegen führte dieses Bewußtseyn den Origenes consequent auf zwei andere wesentliche Punkte. Die Auslegung selbst mußte wissenschaftliche Haltung gewinnen. Daher stellte Er zuerst eine Theorie derselben auf, die

1. auf der Unterscheidung des dreifachen Schriftsinnes beruht: des buchstäblichen, des moralischen, und des übersinnlichen, welche nach der Analogie von Leib, Seele, Geist der somatische, psychische, pneumatische sind.

2. auf dem Grundsatz daß jede Schriftstelle einen pneumatischen, nicht jede aber einen buchstäblichen Sinn habe, so daß in vielen Fällen Buchstabe und Geschichte, an sich unwahr und bedeutungslos, nur Träger des idealen Sinnes sey (π. Α. IV, 1, 7.).

3. in der Aufgabe: überall nur einen der Idee Gottes würdigen Sinn zu finden.

Wenn auch in mancher Hinsicht die Polemik sowohl gegen die Gnostiker, die die Auctorität des A. Testaments vernichteten, als gegen die Aeußerlichkeit und Zusammenhangslosigkeit der chiliastischen Ansicht, den Origenes auf diese Theorie hingeleitet haben mag, so lag sie offenbar nothwendig im Begriff seiner Theologie.

Der andere Punkt ist die Frage nach dem eigentlichen und ursprünglichen Ausdruck der Allegorie, welche die biblische Kritik in Origenes hervorrief. Bei der canonischen Gültigkeit der LXX. stellte er eine sechsfache Vergleichung derselben mit 5 andern griechischen Uebersetzungen und, so gut er konnte, mit dem hebräischen Texte an: die bekannte Hexapla, deren Bruchstücke Moutfaucon gesammelt hat. Diese Untersuchung, sollte man glauben, habe der allegorischen Interpretationsweise gerade entgegengewirkt, sie lag aber ebenso nothwendig in seinem Princip von der einzigen und absoluten Auctorität des Wortes im strengen Sinne, des einzelnen selbst. Daß diese kritische Arbeit seinen Glauben an die Inspiration der LXX. nicht erschütterte, beweist sein Briefwechsel mit dem Julius Afrikanus, dessen bescheidene Zweifel an der Richtigkeit der Uebersetzung er sehr ernstlich zurückweist.

 

10.

Aus den angezeigten philosophischen und historischen Elementen hat sich in Origenes, zugleich im Conflikt mit der Zeit, namentlich mit der Gnosis, die eigenthümliche Ansicht gestaltet, welche wir sein Glaubenssystem nennen. Es ist ebendaher nicht ein Glied in der Entwicklungsreihe der Gnosis, sondern der Anfang der dogmatischen Reihe. Wenn selbst einige Seiten desselben große Verwandtschaft zeigen mit der hellenisirenden Gnosis des Valentin, welchen er vor Andern bekämpft, oder mit dem Neuplatonismus, so liegt der Grund nicht im Prinzip, sondern in einzelnen von beiden angenommenen platonischen Ansichten. Jenes ist bei Origenes hauptsächlich ein anderes, neues. Die Gnosis ist dem Princip nach Spekulation über alle Religionsformen, welche sie nur als Vermittlung des Begriffs der Religion betrachtet; 12 die Glaubenswissenschaft, wie sie in Origenes zum Begriff gekommen ist, schließt sich bestimmt an eine positive Religion an, welche sie ebendaher auch über die Philosophie stellt, und in welcher sie die letztere involvirt findet. Das Christenthum ist dem Origenes wesentlich eine Heilsanstalt. Nach den Begriffen seiner Zeit und nach seinem bis daher angedeuteten Bildungsgange sollte die Heilung nicht bloß die Sünde, sondern vorzüglich und zuerst den Irrthum in Wissenschaft und Religion zum Gegenstand haben: der wesentliche Inhalt des Christenthums mußte daher ihm und seiner Zeit als Lehre, als Erkenntniß (θειαφιλοσοφια) erscheinen. Diese den ersten Jahrhunderte eigene Ansicht, daß das Christenthum wesentlich Lehre sey, aus welcher der ganze Gang der Theologie in jener Zeit zu erklären ist, entwickelte sich demnach nicht sowohl, wie es neuerdings dargestellt wird, aus dem Gegensatz zum Juden- und Heidenthum, oder aus irgend einer Polemik gegen die gnostischen Systeme, als vielmehr aus der Richtung der Zeit, namentlich der alexandrinischen Schule. In Origenes kam diese Ansicht zum klaren Bewußtseyn, ihm wurde sie Axiom. Denn der Glaube, das reale Mittel der Heilung muß ihm auf das Ideale, auf philosophische Ueberzeugung gegründet seyn (πιστευωπεπιστευμαι), und wird somit selbst zum Begriff, d. h. Dogma.

In diesem Sinne lehrte er, wie uns sein Schüler Gregor der Wunderthäter (Panegyr. in Orig. §. 8 —14.) erzählt, in demselben Sinne verfaßte er auch für seinen öffentlichen Unterricht 13 eine seiner ersten Schriften, in welcher er gleich zu Anfang der Vorrede (§. 1, 2.) jenes Axiom ausspricht und die bis dahin kirchlichgewordenen Dogmen der philosophischen Untersuchung unterzieht. Dieß ist das Werk ΠΕΡΙΑΡΧΩΝ.

 

11.

Ueber die Zeit der Abfassung desselben haben wir folgende Angaben: Eusebius sagt (17, 24.), daß es vor der Entfernung des Origenes von Alexandria, also vor dem Jahr 231. geschrieben sey. Natürlich, wenn wir finden werden, daß es vielleicht das Meiste zu jener Entfernung (μεταναστασις nennt es Euseb.) beitrug. Außerdem setzt Euseb. die Abhandlung über die Auferstehung, eine Erklärung der 25 ersten Psalmen, acht Theile des Commentar’s zur Genesis, und die 5 ersten des Commentar’s zum Johannes (übereinstimmend mit Origenes in Joh. VI, 1. μεχριγετουπεμπτουτομου, εικαιοκατατηνΑλεξανδρειανχειμωναντιπραττεινεδοκει, ταδιδομεναυπγορησαμεν) in jene Zeit. In der Reihe dieser Werke also haben wir dem vorliegenden seine Stelle zu suchen. Den Commentar in Joh., nennt Origenes am Anfange desselben seine erste Arbeit (απαρχαςτωνπραξεων) seit seiner Rückkehr nach Alexandria. Er war nehmlich im Jahr 218. zu Mammäa, Mutter des Kaisers Alex. Severus, nach Antiochia berufen worden und kehrte 219. zurück. Da es nun nicht wahrscheinlich ist, daß er in den Jahren 219 bis 231, neben seinem Unterricht und den schon begonnenen kritischen Arbeiten, alle obgenannten Werke geschrieben habe; noch mehr, da er in dem ganzen Werke περιΑρχων nirgends sich auf die Erklärung des johanneischen Evangeliums beruft, wozu er soviel Gelegenheit hatte, vielmehr in den ersten Abschnitten des 1. Buchs weitläufige Exegesen aufnimmt, die sich in jenem Commentar wieder finden; endlich, wenn er in letzterem (praef. 3.) schon den eifrigen Förderer seiner gelehrten Arbeiten (εργοδιωκτην), Ambrosius nennt, den er in π. Α. noch nicht zu kennen scheint; so ist wohl kein Zweifel, daß das Werk vor dem Jahr 218. geschrieben wurde. Dazu kommt noch, daß Origenes π. Α. die LXX zum Theil nach Lesarten gebraucht, von denen in den Ueberresten seiner kritischen Arbeiten keine Spur zu finden ist, während er in spätern Schriften (Matth. XV, 14.) dem gereinigteren Texte folgt. In dem Werke selbst bezieht sich Origenes auf die Erklärung des 2. Psalms und die Abhandlung von der Auferstehung. Von dem Commentar über die Genesis spricht er bei Gelegenheit der zwei Stellen Gen. 1, 1. und 1, 2., mithin nur von dem ersten tomus (π. Α. I, 5, 3. II, 3, 6.); der dritte tomus enthält nach den vorhandenen Fragmenten die Schöpfung des vierten Tages, und die Erklärung des sechsten Tagewerks fällt also dem vierten und fünften tomus zu; diese Erklärung aber läßt eben Origenes π. Α. I, 2, 6. noch erwarten; folglich ist entschieden das Werk π. Α. nach dem ersten und vor dem vierten oder fünften tom. des Commentars in Genes, geschrieben, d. h, mitten unter seinen ersten exegetischen Arbeiten über das alte Testament. Nun beruft sich Origenes ferner in unserm Werke mehrmals auf den Lehrer im Hebräischen (doctor hebraeus, sagt Rufin) und es ist bekannt, daß er erst nach seiner Zurückkunft von Rom die hebräische Sprache zu lernen anfieng (Eus. VI, 16.). Nach allem diesem müßten wir die Abfassung zwischen die Jahre 212 und 215 setzen, und wir möchten wohl wenig irre gehen, wenn wir das Jahr 213 annehmen, da Eus. (VI, 19.) erzählt, daß „einige Zeit vor Ausbruch eines Krieges" (Stroth vermuthet die Unruhen unter Caracalla, im J. 215) ein arabischer Fürst den Origenes eiligst habe rufen lassen, um ihm seine Lehren vorzutragen (κοινωνησονταλογωναυτῳ). Was könnte diesen eiligen Ruf (μετασπουδηςαπασης) eher veranlaßt haben als das Bekanntwerden ebendieses Werkes?

 

12.

Hat nun Orig. dasselbe so früh geschrieben, — im J. 203. hatte er den Sprachunterricht aufgegeben (VI, 3.), — so sehen wir um so mehr darin seinen ersten Versuch einer philosophischen Behandlung der Dogmatik. Damit stimmt auch das Urtheil des Marcellus von Ancyra (Euseb. in Marcell. 4.) überein, obwohl dieses nur als eine subjective Ansicht gelten kann: ετιγαρτωντουΠλατωνοςμεμυημενος14δογματωνκαιτηςτωναρχωνπαρ’αυτῳδιφοραςΠεριΑρχωνγεγραφεβιβλιον; noch ganz versenkt in Ideen der platonischen Philosophie schrieb er das Buch.

 

13.

Der Titel läßt eine verschiedene Deutung zu, je nachdem man αρχαι auf Objecte bezieht, oder formal als Principien eines Systems versteht: Grundwesen oder Grundlehren. Für das erstere scheint der Sprachgebrauch jener Zeit zu sprechen. Longin soll ein Buch περιΑρχων geschrieben haben (Porphyr. vita Plotini); wenn er aber dabei φιλαρχαιος heißt, und Plotin darüber äußerte, Longin sey zwar Philolog, aber nichts weniger als Philosoph, so hätten die αρχαι dort einen ganz andern Sinn (Alterthümer). Dagegen besitzen wir noch unter gleichem Titel ein Werk von dem letzten Neu-Platoniker Da- mascius (Wolfs Anecdota graeca III, p. 195.), welches wirklich die Ursache alles Daseyns „ob sie ein Außerweltliches sey oder mit zum Weltganzen gehöre“, zur Aufgabe hat. Uebrigens verstehen auch die Neuplatoniker unter”πλατωνικαιαρχαι" formale Principien; so Proclus (Theol. plat. I, 5.): δειδεεκαστατωνδογματωνταιςπλατ. αρχαιςαποφαινεινσυμφωνα, wo die Bedeutung von αρχαι noch genauer fixirt ist durch den Beisatz: καιταιςτωνθεολογωνμυεικαιςπραρδοσεσι. In gleichem Sinne nimmt sie auch Marcellus in der angeführten Stelle. αρχικοςγαρολογος bei Clem. Al. Str. IV 13. und VI, 17. heißt lediglich „ein wesentlicher Punkt, Hauptartikel." Bei den Gnostikern dagegen und ebenso auch in dem — dem Orig. zugeschriebenen — dial. c. Marcionitas sind αρχαι reale Principien, die Urwesen. Der Sprachgebrauch gibt also keine Entscheidung, und wir sehen uns somit auf den Verfasser selbst gewiesen. Wie Clemens sich erklärt: ηφρονησις — ανευθεωριαςπροσδεξαμενηςτοναρχικονλογον — πιστιςλεγεται, wo offenbar αρχ. λ. Glaubensartikel sind: so setzt Orig. (c. Cels. III, 12.) αρχη für „Inhalt des Glaubens" „σαφωςδητοσεμνοντηςπαρισταμενημετερας (von den Christen im Allgemeinen spricht er) αρχαςπερισταμεν. " Und ganz speziell kommt αρχηχριστου, τουτεστιστοιχειωσις, im Gegensatz zu τελειωσις vor π. Αρχων IV, 1, 7. gerade wie πιστις zur γνωσις nach Clemens Ausdruck. Hier wäre es also Glaubens-Artikel. Zwar gebraucht er es auch vom höchsten Weltschöpfer (in Joh. tom. I, 22.), und ganz ihm folgend erklärt Methodius das „εναρχῃ“ Joh. 1, 1. als „πατερακαιποιητηντωνολων, ενῳην (οχριστος)“, bei Photius cod. 235. 15 Hingegen gibt Origenes ebendaselbst (in Joh. I, c. 18—21.) 6 Bedeutungen von αρχη an, die einen theologischen Werth haben. Darunter eine „ωςμαθησεως“, als Princip der Wissenschaft, das er ebenfalls in doppeltem Sinne nimmt: διττηηωςμαθησεωςαρχη, ημεντῃφυσει, das objective, ηδεωςπροςημας, das subjective (oder formale) Princip. Beides erklärt er als στοιχεια der einzelnen Wissenschaft, z. B. der Grammatik und gerade diesen Ausdruck scheint er nach Rufins Uebers. (elementa, Vorr. § 10.) von dem gebraucht zu haben, was er dem Werke περιΑρχων zu Grunde legt; von den in der Kirche geltenden Hauptdogmen. Da nun dieß wirklich die Realprincipien seiner Dogmatik sind, diese aber eine Wissenschaft seyn soll, so glaube ich den Sinn des Origenes durch den Ausdruck „Grundlehren der Glaubenswissenschaft” am richtigsten getroffen zu haben. Jedenfalls unvollständig und dem Ganzen des Werkes so wenig als dem entsprechend, was Orig. in der Vorrede ausdrücklich als Gegenstand seiner Prüfung und philosophischen Entwicklung bezeichnet, sind die Erklärungen von Rößler (Bibl. d. K.V. II, S. 80.): „freie Untersuchungen über die letzten Gründe der Dinge“,* und Neanders: „über die Grundprincipien alles Daseyns" (KG. I, S. 794.). Uebrigenß widerspricht Rößler (S. 85.) seiner eigenen Erklärung, wenn er sagt, „daß der Verfasser da gesucht habe, die Lehren des Christenthums mit sich selbst, mit der Schrift und mit der Philosophie zusammen zu stimmen und also in gewissem Verstande systematisch zu machen”, und „daß man es als die erste Probe eines scholastischen Vortrags über christliche Lehrartikel* nehmen könne." Diese beiden Urtheile sind so wahr, daß sie den Inhalt und Zweck des Werkes vollkommen charaktensiren. Die lateinische Uebersetzung von Rufin hat „de principiis vel potestatibus" welches letztere einseitig, nur den Begriff von αρχαι enthält, wovon 1,5. handelt; Hieronymus behält überall den griechischen Titel bei, was auch Münscher und Neander, wie es scheint, im Zweifel über die richtige Erklärung, thun. Stollberg redet bald von „Grundsätzen" (K.G. IX, S. 204.), bald von „Grundlehren" (ebd. XIV, S. 187.).

 

14.

 Ein Blick auf den Inhalt wird unsere Erklärung rechtfertigen.

Nachdem Or. in der Vorr. dargelegt hat, was als apostolische, d. h. neutestamentliche (wie überhaupt der Gegensatz des Alten und Neuen Testaments durch Propheten und Apostel bezeichnet wird), und als kirchliche, d. h. öffentlich verkündigte Lehre gilt; schließt er so: oportet igitur (nach Rufins, Uebersetzung) velut elementis ac fundamentis hujusmodi uti secundum mandatum “Illuminate vobis lumen scientiae” eum, qui cupit seriem quandam et corpus ex horum omnium ratione conficere: ut manifestis et necessariis assertionibus de singulis quibusque quid sit in vero rimetur, et unum, ut diximus, corpus efficiat etc. Ein solches ενσωμα der christlichen Wahrheit will demnach auch der Verf. darstellen, gebaut auf eine philosophische Untersuchung, für welche blos die Gegenstände des Glaubens (die αρχαι der πιστις) an sich und außer ihrer nähern Begriffsbestimmung als bekannt und unmittelbar gültig vorausgesetzt werden. Zu dem Ende, hat sie Or. in der Vorrede zum Werke selbst zusammengestellt.

Man würde ebendaher sehr Unrecht thun, wenn man mit einigen Dogmenhistorikern in dieser Zusammenstellung ein bestimmtes Symbol erblicken wollte, was damals eigentlich gar nicht existirte (vergl. Neand. K. G. I, 2. S. 354. über συμβολον). Erstlich fehlen dazu die eigentlichen Ausdrücke einer Glaubensformel; dann herrscht nicht die Ordnung in der Aufzählung, die sich für eine kirchliche Formel eignete; und, was das wichtigste, Origenes selbst gibt sie, sogar nicht für das aus, sondern beruft sich immer auf die Lehre „in den Kirchen." Vergleichen wir besonders den §. 2. der Vorrede, so ergibt sich, daß Origenes in dieser bloß seine Beobachtungen darüber, wie die Hauptlehren aus den apostolischen Schriften (wozu er auch die Apokryphen des A. Testaments zählt) und den mündlichen Unterricht in den Gemeinden aufgefaßt werden, niederlegt, um durch sie die Grenzen für die freie philosophische Untersuchung festzuhalten.

 

15.

 Man sieht dort auch, daß er das formale Princip der Dogmatik als gegeben voraussetzt, in der göttlichen Auctorität der heiligen Schrift, worüber er sich Vorr. §. 5. deutlich genug ausspricht; und wenn das Ganze als unzusammenhängend und systemlos erklärt wird, so ist dieß ein Vorwurf, der alle nachherigen Compendien bis auf die neuere Zeit ebenso trifft, und, naher angesehen, nicht einmal wahr. Es ist hier durchaus der Ort nicht, zu polemisiren; wenn man jedoch die Leichtfertigkeit bedenkt, mit welcher Origenes System in den Lehrbüchern der Dogmen- und Kirchengeschichte ( Neandern ausgenommen, bei welchem nur die Uebersicht vom Princip aus vermißt wird), ja auch in Monographien obenhin genommen wird, so möchte hier um so mehr ein gedrängter Umriß desselben erfordert werden. Da das ganze vorliegende Werk den Beleg dazu bildet, kann ein solcher auch kürzer gefaßt seyn. Die Vergleichung mit andern Darstellungen (z. B. um die neueste zu nennen, in Hase’s Kirchengeschichte) mag zeigen, ob die gemachte Ausstellung wahr ist. Daß namentlich Origenes die Auctorität der Schrift zu beweisen, und seine Auslegungsprincipien zu entwickeln, dem vierten Buche vorbehalten hat, darf man ihm nicht zum Vorwurf machen. Denn, davon abgesehen, daß es sogar philosophischer seyn könnte, zuerst die Wahrheit ihres Inhalts darzulegen, und, darauf die formale Begründung ihrer Gültigkeit folgen zu lassen, stützt sich Or. Beweis für die formale Göttlichkeit der Schrift auf die großen Wirkungen des Christenthums und auf die Bewährung der Weissagungen; was eine frühere Darlegung ihres Inhalts hinlänglich rechtfertigt. Ueberhaupt aber fällt jener Punkt selbst unter die wesentlichen Artikel der Pistis, unter welchen er Vorr. §. 8. aufgezählt wird. Im Einzelnen hält nun zwar Or. keine strenge Ordnung, kehrt aber doch immer wieder zu der Reihenfolge zurück, die er sich selbst in der Vorrede vorgeschrieben hat. Eine tiefere Ansicht, ein System liegt dennoch zu Grunde: denn die Hauptideen bleiben immer: die Gottheit in ihrem dreifachen Seyn als Vater, Sohn und Geist, und in abstracto die All- macht, Weisheit und Heiligkeit. Unter diese drei Gesichtspunkte fallen auch die 3 ersten Bücher, wovon das erste vorzugsweise die schaffende Gottheit (Sohn, und Geist in ihrem Verhältniß zum Vater) begreift: das zweite die Welt (abgesehen von ihrem Ursprung aus göttlicher Allmacht, was, in das erste Buch fällt) als eine Ordnung aus göttlicher Weisheit, insbesondere die vernünftigen Wesen und ihr Urbild, den λογος, der in jener weiteren Beziehung die göttliche Sophia ist; in dem dritten wird die sittliche Seite des Menschen und der vernünftigen Wesen überhaupt in ihrem Verhältniß zur göttlichen Heiligkeit untersucht. Diese Eintheilung beruht auf einer Ansicht, die Origenes selbst im 1. B. 3, 5. auseinandersetzt.

 

16.

In jedem dieser drei Gesichtspunkte hat Origenes Etwas, was ihn vor seinen sowohl Vorgängern als Nachfolgern auszeichnet, und das wir noch besonders im Verhältniß zu seinem nächsten Vorgänger Clemens hervorheben wollen.

1. Festgehalten wird von Beiden die Vorstellung des Einen Gottes in der Idee der unendlichen Schöpferkraft, mit Unterordnung aller andern Eigenschaften und persönlichen Gestaltungen der Gottheit; daher Clemens fast immer Gott „παντοκρατωρ„ nennt. Dieß geschieht im Gegensatz gegen den Polytheismus im Allgemeinen; gegen die Vorstellungen der philosophischen Secten von der Gottheit; besonders aber gegen die Häretiker, die den Weltschöpfer des Moses (δημιουργος) von dem höchsten, allmächtigen Gott trennen: (ουδετονθεονλεγουσιπαντοκρατορα, Ep. Cor. ad Paulum Rößler Bibl. d. K. V. IV. S. 357.). Was aber Clemens über den Logos, den Sohn, in der Hauptstelle Strom. VII, 2. sagt, das sind ideologische Floskeln, die ebensowenig einen klaren Begriff geben, als sonst wo, so oft auch der Buntweber von seinem Logos redet, ein Begriff zu Stande kommt. Die universelle Richtung des Origenes geht vorzüglich von der Idee der absoluten Geistigkeit Gottes aus: und hierin hatte er eine große Parthei unter den Orthodoxen zu bekämpfen, die Massiv- gläubigen (s. die Anm. zu I, 1.). In dieser Idee begreift Origenes auch das Grundwesen des Logos; Vernunft ist nichts anderes, denn Offenbarung des Geistes: also der Logos ist die Vernunft, der Ausdruck, das Wort des absoluten Geistes, wie hinwiederum, das Urbild, die ideale Einheit alles Vernünftigen (I, 3. 6.), insofern Alles λογικον nur ist als μετεχοντουλογου (θειου). Daher Methodius in ev. Joann. aus Origenes die Erklärung von λογος gibt: μετατηναναρχοναρχηντονπατερααρχηαυτοςτωναλλωνγινεται. Eine τριας im Sinne der spätern Homousie ist dem Origenes gänzlich unbekannt, so wie dieser Terminus selbst. Ja auch, das Wort τριας (αγια) kommt weder c. Celsum, noch in Joann. vor; und in Jerem. hom. XVIII, 9. deutet Origenes allegorisch auf die Dreigestalt der Gottheit ohne das Wort τριας zu gebrauchen. Nur in Matth. XV, 31. ist beziehungsweise von αρχικητριας die Rede, und in der Glosse zu Ps. 144, 3., welche Grabe aus einer Catena eines Cod. angl. aushebt, heißt es: παντωνμεντωνγεγονοτωνηθεωριαπεπερασθαι, μονηδεηγνωσιςτηςαγιαςτριαδοςεστιναπεφαντος. Hier ist die Authentie zweifelhaft; einige solche Sätze in den Catenen gehören dem Didymus an, oder der Sammler der Catene kann den Ausdruck der Kürze wegen oder in anderer Absicht substituirt haben. Derselbe Fall ist bei der Stelle in Basil. περιπν. α. aus Origenes in Joh. VI., wo sie sich nicht findet: τῃθεοτητιτηςπροσκυνητηςτριαδος. Schon das Beiwort ist verdächtig. Vielmehr scheint der Ausdruck τριας von der Trinität zuerst von Theophilus von Antiochia (Apol. ad Antol. II, §. 22.) gebraucht worden zu seyn. Immerhin ist der Ausdruck bei Origenes höchstselten.

Der Sohn ist durchaus abhängig vom Vater die Manifestation der absoluten Geistigkeit, und so die ewige Zeugung: der heilige Geist wieder eine Entfaltung der absoluten Heiligkeit; daher immer die successive Unterordnung bei Origenes „Vater, Sohn, heiliger Geist.“ Nur die Bezeichnung dieser dritten Hypostase mit dem allgemeinen Namen πνευμα hinderte ihn, den Begriff in seiner ganzen Schärfe darzustellen. Damit hängt denn die in der ascetischen Schrift περιευχης ausgesprochene Ansicht von bloßer Anrufung des Vaters zusammen, weil ihm in der Andacht die ganze Fülle der Gottheit urwesentlich nahe zu seyn, und die Anbetung des Herausgetretenen, menschgewordenen Sohnes vielleicht zu anthropomorphistisch schien. Auch der Begriff der Schöpfung ist unter dem angegebenen Princip schärfer gefaßt. Εξουκοντων im Gegensatz zu dem μηον welches Nichtseyn (die παλαιααταξια des Clem. str. VI, 16.) immerhin ein Chaos, die äußere Bedingung des Seyns wäre, ist dem Origenes bloße Bestimmung des Anfangs der Zeit, (worüber eine ziemlich spitzfindige Erklärung Comment. in Joh. II, 7. 8.). Der Grund aber und die Macht der Schöpfung ist die Vernunft Gottes (λογος). 2. In der Lehre von der Weltordnung und den Weltzwecken stimmen sie nur insofern überein, als beide in dem Weltablauf einen Erziehungsplan, einen Läuterungsprozeß der Geister, zum Zwecke der Vergeistigung erkennen. Origenes gieng hierin um Vieles weiter als der ängstliche, geheimthuende, ohne Zweifel sich selbst unklare Clemens (strom. VII, 2. ταδ’αλλασιγω, δοξαζωντονκυριον und I, 2. αλεγεινεφυλαξαμην). Er adoptirt hierin unbedingt den platonischen Idealismus. Es gibt eine erste und zweite Schöpfung, die geistige und die materielle; welche letztere nur durch die erstere nothwendig gemacht wurde. Alle Körper sind von gefallenen Geistern bewohnt, auch die Gestirne sind belebt. Die Körper bilden eine Stufenreihe von Reinigungsorten: die feinsten und glänzendsten sind die höchste, die groben und finstern die niedrigste Stufe. Diese Einrichtung und Mannigfaltigkeit der physischen Welt ist nach den Willensrichtungen der ersten Schöpfung der Geister, die gefallen oder erkaltet sind, der Psychen (ψυχη von ψυχος). Da aber alle Geister durch ihre Freiheit mehr oder weniger von Gott abgekommen sind, so ist im jetzigen Weltzustand ψυχη auch der Inbegriff der geistigen Schöpfung, IV, 2, 16.

 Jede Welt enthalt immer die Keime einer neuen: zu gewissen Zeitfristen kann auch alles Daseyn vernichtet werden, und die Schöpfung beginnt von neuem, εξουκοντων. Die Reihe der Welten ist daher unendlich, weil immer wieder Geister abfallen, die eine materielle Welt zu ihrer Reinigung nöthig machen. Das Ziel der Welten, die reine Geistigkeit auch der geschaffenen Wesen, oder die Rückkehr in ihren Ursprung (αποκαταστασιςτωνολων) steht in unendlicher Ferne. Demnach ist der ewig zeugende, im Sohne, auch der ewig schaffende Gott, in der Welt. Doch ist die erste Schöpfung endlich, der Zahl nach bestimmt, weil eine unendliche Geisterwelt auch der unendliche Geist (Gott) nicht umfassen könnte. Die Erlösung ist allgemein (universal), und geschieht an den Menschen durch die Vermittlung der Seele, mit der der Logos schon in der ersten Schöpfung (προϋπαρξια) sich verbunden (Christus); daher die Christologie bei Origenes in die Kosmologie fällt. Dieß sind die Hauptsätze des zweiten Buchs. Auffallend ist hier, wie ihn das System in der Christologie zu so ganz scholastischen Wendungen nöthigt, und ich möchte behaupten, daß in seiner Darstellung die ganze scholastische Begriffsbestimmung des Deushomo, der communio naturarum bereits in ihren Elementen vorgebildet liege.

3. Der dritte Punkt ist derjenige, über welchen Clemens, ungeachtet seiner praktischen und pädagogischen Tendenz, am wenigsten eine klare, konsequente Ansicht hat. Zwar geht er von dem freien Willen des Menschen aus; nimmt aber, der allegorischen Auslegung der Genesis ganz vergessend, (Str. III, 16.) eine Erbsünde und (11, 19.) den Tod als Folge der ersten Sünde an; und behauptet endlich mit stoischem Ernste, daß der wahre γνωεικος völlig heilig und rein sey, und keinem Uebel unterworfen. (VII, 11—13.) Ganz anders Origenes. Er findet die einzig mögliche Theodice in der Annahme einer, diesem Daseyn vorangegangenen Schuld des Einzelnen, welche Jedem in dem jetzigen Daseyn seine Stelle anweist. Neben dieser Schuld des Einzelnen behauptet er den unverwüstlichen Besitz der Freiheit des Willens, welche zugleich die Ursache aller Veränderungen der Geister- und Körperwelt und der Haupthebel ist, den gefallenen Geist (Menschen, Dämonen, oder thierische Seele) zu seiner Würde zurückzubringen. Die Heiligung ist die Unterstützung dieser Rückkehr durch Christus und durch die Mittel der Gnade (das πνευμααγιον), welche jedoch dem freien Willen nie vorgreift. Geistige und physische Uebel (Verstockung. z. B. und leibliche Drangsal) sind Besserungsmittel nach dem Plane der göttlichen Erziehung. Es gibt überall keine göttliche Strafe. Wer durch alle Reinigungsstrafen hindurch an keine Rückkehr denkt, der trägt die ewigen Strafen in seinem Gewissen. Doch ist der Funken des Göttlichen, die sittliche Freiheit, in dem verderblichsten Wesen noch mächtig genug, daß alle zur Rückkehr in Gott gelangen und selbst der Teufel selig wird (III, 6, 5. 6.).

 

17.

Betrachten wir nun die ganze Lehre im strengeren Zusammenhang vom Princip aus. In den Formen des, nach wem und oder nach was immer benannten, Idealismus wird sich der Begriff des origenischen Systems also darstellen:

1. Gott — die absolute Idee in unmittelbarer Selbstanschauung, dich ουσια an sich — tritt ewig aus sich heraus (υιος), und wird ewig seiner selbst bewußt (λογος) persönliches und substanzielles Selbstbewußtseyn Gottes, der Logos. Erste υποστασις.

2. Mit diesem Heraustreten ist eine in unendlicher Reihe fortgehende Selbstoffenbarung Gottes, durch die ideale Schöpfung gesetzt, welche durch den Logos mit Gott vermittelt wird, (ταλογικα) Zweite υποστασις.

3. Diese ideale Schöpfung ist aber als selbstbewußte (λογικη) wesentlich persönliche Geisterwelt (Νοες, νοεραιυποστασεις auch κτισιςνοερα genannt) in welcher Persönlichkeit zugleich die Freiheit (τοαυτεξουσιον) als unveräußerliches Moment des individuellen Bewußtseyns mitgesetzt ist. Keine Emanation.

 4. Gott ist sich seiner in dieser Schöpfung nur mittelbar bewußt, durch den Logos: mithin kann sie, als unter dem allgemeinen, unendlichen Bewußtseyn Gottes inbegriffen, auch der Zahl nach nur* endlich seyn, und steht zum Seyn Gottes im Gegensatz des Endlichen zum Unendlichen. Keine Immanenz Gottes in der Welt (11, 9, 1.).

5. Der individuelle Geist tritt in den Gegensatz gegen die absolute Idee: daraus entwickelt sich vermöge der Freiheit mehr oder weniger eine feindliche oder entfremdende Richtung gegen Gott: der Fall. Indem dadurch die Geisterwelt (νους) von ihrem Gottesbewußtseyn (λογος, dem πνευματικον) aufgibt, wird sie Psyche.

6. Diesem Abfall der Freiheit von dem Urgrund wird eine endliche, nothwendige Schranke gesetzt: die Materie. Sofern durch dieselbe die Rückkehr der in sich verkehrten Geister, abermal durch die Vermittlung des Logos, möglich werden soll, ist durch den Logos die Materie geschaffen. Die Materie hat aber bloß correctionelle Bedeutung, als Kerker der Psychen; an sich ist sie negativ, Schranke der Idee, des wahren Seyns (τουαληθινου).

7. Um aber in den Psychen selbst wieder das göttliche Bewußtseyn (die ομοιοτηςτουθεου) anzufachen, hat der Logos, das persönliche und substanzielle Selbstbewußtseyn Gottes, sich vorerst in einzelnen Geistern geoffenbaret (Prophetie): dann aber mit einem, vom Ursprung an reinen Geiste verbunden, welcher nicht durch Abfall, sondern durch freie Aufgebung seiner Selbstständigkeit an den Logos, Psyche geworden; durch diese tritt der Logos, in die Erscheinungswelt (ενσωματιζεται); der wirkliche Christus (II, 6, 3. flg.).

8. Indem nun von dem Logos (als σωτηρ) das Gottesbewußtseyn an die abgefallenen Geister mitgetheilt wird, und in diesem die ομοιοτηςτουθεου sich erneuert, kommt die absolute Idee zu einem dritten Selbstbewußtseyn in der Rückkehr der Wesen zur höhern Ordnung der Geister, in der Heiligung, als heiliger Geist (πνευμααγιον I, 3, 7. 8.); dritte υποστασις.

 9. Wie Alles von Gott, dem Urgrund, ausgegangen ist, muß zuletzt auch Alles zu ihm zurückkehren: die absolute Idee kehrt wieder in sich zurück, sie ist selbst das πνευμα, indem dieses die ganze Schöpfung durchdrungen haben wird: Einheit des Selbstbewußtseyns Gottes mit dem der ganzen idealen Welt. Αποκαταστασις III, 5, 1.

10. Nothwendig, wie ihre Entstehung, ist dann auch die Vernichtung der Materie, als bloßer Schranke. Da aber die Schöpferkraft, die Allmacht, unendlich ist, und immer neue Welten geschaffen werden, so ist auch für jedes wiederholte Heraustreten der Geister aus dem Gottbewußtseyn (der νοες aus dem πνευμα) die Schranke an sich gesetzt. Daher bleibt im System des Origenes die Lehre von der Auferstehung immer problematisch, da die Fortexistenz der Materie von zukünftigen Entwicklungsepochen der Geister abhängt; wiewohl er am Schlusse (Summ. Wied. §. 7.) sich zu einer, in unendlicher Ferne liegenden, absoluten Weltvergeistigung, d. h. Rückkehr in die Idee, bekennen muß.

 

18.

Wir haben noch von den Folgen, die das Werk seinem Verfasser brachte, und dann von seinen eigenen Schicksalen und seiner gegenwärtigen Gestalt zu reden. Eine wahrscheinliche, rühmliche Folge ist oben angedeutet. Diese scheint wirklich allgemein gewesen zu seyn; auch den Beifall seines Bischofs Demetrius erwarb Origenes durch Rede und Schrift. Aber bald darauf, als sein Ruhm den Neid des Bischofs erregte, wurde das Werk π. Α. in der Hand pfäffischer Rache ein Mittel zu seiner Verfolgung und Verdammung. Und weil für jene immer noch freiere Zeit die unschuldige Meinung noch nicht hinreichte zur Verketzerung, wurde die Verläumdung zu Hülfe gerufen. Zwar kam Neid und Verfolgung erst nach seiner ersten Reise nach Palästina, wo er zum erstenmal öffentlich in der Kirche auftrat, im J. 215., und nach der zweiten im J. 228., auf welcher er, von den Bischöfen Theoktistos und Alexander ohne Vorwissen des Demetrius zu Cäsarea in Palästina zum Presbyter ordinirt worden war; aber die frühere Veranlassung muß doch, auch nach Euseb. Worten (VI, 8 ορων [Δημητριος] μεγαντεκαιλαμπρονκαιπαραπασιβεβοημενον) der Ruhm des Schriftstellers gewesen seyn. Die Werke, welche Eus. VI, 24. nachdrucksvoll προτηςαπ’Αλεξανδρειαςμεταναστασεως setzt, sind oben angeführt, und da man vor Andern die Schrift π. Αρχων verketzerte, während er in andern vereinzelt das Gleiche aussprach, konnte nicht gerade diese die erste Veranlassung seyn? Daher wohl auch jenes mönchische Epitaphium auf Origenes bei Isidor. Hisp. 8, 5.

„Sola mihi casumπεριΑρχωνdicta dederunt, His me collectis undique tela premunt.“ eine Wahrheit enthalten mag. Wenn nur dieses Werk mit dem schimpflichen Brandmal, welches dem Or. angehängt wurde, in die genannte Berührung kam, so können wir nicht umhin, zu versuchen, eine Schuld der Geschichtschreiber gegen Origenes abzutragen und ihn gegen die entehrende Anklage zu schützen. Wir entheben uns dafür der Mühe, ihn von dem Vorwurf der Ketzerei zu befreien.

 

19.

Entmannt soll er sich haben, nach Eusebius aus einem doppelten Grunde: „um des Himmelreichs willen“, und „weil auch Frauen in seine Schule kamen.“ Das haben nicht nur alle Kirchenschriftsteller nachgesagt, sondern die Schmach ist so bekannt geworden, daß selbst der humane Herder den Namen des Origenes zur Bezeichnung eines in anderm Sinne entmannten Schriftstellers gebrauchen kann (Werke zur Litt. und K. I, S. 83.). Und warum? „Es ist die armselige Neigung, sagt Wieland in den Abderiten (11, 1.), jeden Dummkopf für einen unverwerflichen Zeugen zu halten sobald er einem großen Mann irgend eine überschwengliche Ungereimtheit nachsagt.“ 16 Dennoch ist derselbe Wieland, der den Democrit vertheidigt, gegen Orig. ungerecht genug, ihm als Triebfeder der entehrenden Handlung den Wunsch zu unterschieben, „eine Pagode zu werden.“ — Aber Euseb. war ja ein großer Verehrer des Ori- genes; er würde es ohne Grund nicht erzählt haben. — Ist er deswegen auch ein kritischer Geschichtschreiber? Es wird übrigens nicht nöthig seyn, alle die Zeugnisse von der einfältigen Leichtgläubigkeit desselben zu wiederholen, welche vor Heinichens Ausgabe der Kirchengeschichte zu lesen sind; ein neueres von Scaliger kann genügen: „Nullus plura errata in scriptis suis reliquit, nullius plures halucinationes exstant hodie.“ Und wer erzählt es sonst? Nicephorus, der den Euseb. abschrieb. Kein gleichzeitiger Schriftsteller spricht davon; selbst die Synodalschlüsse erwähnen dieser Anklage nicht einmal. Der Verdacht gegen dieselbe wird verstärkt durch die neue Erdichtung eines gegen Or. sehr gehässigen Schreibers, des Epiphanius (haer. 64, 2.), der von der Verfolgung durch Demetrius Nichts wissen will, aber unter Anderem, dem Origenes Abfall zum Heidenthum, wodurch er allein der angedrohten Schändung durch einen Mohren habe entgehen können, Schuld gibt; eine Beschuldigung, die unter der Menge falscher Angaben bei diesem Schriftsteller ganz verschwindet, um so mehr aber auch an der Glaubwürdigkeit jenes Gerüchtes Zweifel erregen muß, da Epiphan. dieses blos mit den Worten anführt: „Weiter sagt man von ihm“, und am Ende hinzusetzt: „Andere sagen ihm auch noch Anderes nach.“ Orig. wich aus Alexandria 231, sobald er den neuen Sturm herannahen fühlte. Demetrius versammelte eine Synode, und ließ den Origenes „aus Alexandria verbannen, doch ohne ihn der Priesterwürde zu berauben.“ So lautet der Beschluß nach Photius aus bibl. cod. 118. (aus Apol. Pamphili 2.) Da Or. in Palästina Aufnahme fand, berief Demetrius eine zweite Versammlung, ließ die Absetzung des Or. unterschreiben und erklärte im Circularschreiben seine Excommuncation. Nur die Bischöfe von Palästina, Alexander von Jerusalem und Theoktist von Cäsarea, Firmilian, Bischof in Kappadokien, und die von Arabien und von Achaja (Euseb. VI, 27. Rufin in Hier. II.) verließen ihn nicht. Sie selbst aber, die ihn ordinirt hatten, mußten doch nach dem canon 21 handeln: οακρωτηριασαςεαυτονμηγιγνεσθωκληρικος, welcher älter ist als die Nicenersynode. Wie hätten sie diesem und der Anklage des Demetrius vor allen Bischöfen τοιςανατηνοικουμενην (Eus. VI, 8.) zum Trotz auf ihrer Ordination beharren können, wie hätte Alexander in einem Privatschreiben im Dem. (Hieron. cat. 62.) den Or. rechtfertigen können, wenn das Hinderniß wirklich vorhanden war? Zwar glauben Viele (auch Rößler 4. B. S. 236.), jener Canon sey erst auf die That des Origenes gemacht worden, weil sich sonst kein Beispiel dazu in der Kirche finde. Ob der Grund richtig, wird sich unten aus Or. eigener Erklärung ergeben. Für das Alter der can. apost. will ich nicht an die Untersuchungen von Beveridge appelliren; ich bemerke blos, daß Obiges durch eine Synode, die über Orig. Urtheil sprach, geschehen mußte; dieß ist aber nicht der Fall. Vielmehr heißt es in einem spätern Synodalschreiben von Alexandria, nach dem, was Justinian in seinem Erlaß an Menas daraus anführt: χειροτονηθειςαυτοςπρεσβυτεροςυποτουκανονικηςτεκαιμιαςχειροςαληθινης — und weiter werden ihm blos vorgeworfen, βλασφημοιομιλιαι. Eus. selber VI, 23. bezieht ebenfalls, der entehrenden Anklage c. 8. ganz vergessend, die Bewegung gegen Or. nur auf die πρεσβυτεριουχειροθεσιαν durch fremde (προςτωντῃδε) Bischöfe. Auch Orig. spricht in einem Briefe, den er in dieser Angelegenheit an seine Freunde in Alexandria schrieb, nur von verdrehten und verfälschten Lehrsätzen, nach welchen er verurtheilt worden, und führt überhaupt gegen Demetrius eine kräftige Sprache. Zwar haben wir diesen Brief nur im Auszug; allein so viele Schriftsteller, namentlich Hieronymus, welcher uns den Auszug in seiner Invective adv. Ruf. I. aufbewahrt hat, würden nicht versäumt haben, darauf hinzuweisen, wenn Or. wirklich in einem Briefe jener Anklage erwähnte. Am Schlusse desselben Briefes (bei Hieron. c. Ruf. II.) sagt Or. „er überlasse seine Verläumder dem göttlichen Urtheil, und müsse sie mehr bedauern als hassen.“ In Job tom. VI, 1. sagt er von jener Zeit: „Bis zum 5. Theil haben wir, wenn auch der Sturm in Alexandria drohte, die Erklärung hindurch- geführt, indem Jesus den Winden und Wellen des Meeres gebot. Als er aber hereinbrach, zogen wir hin und wichen aus Aegypten, indem der Herr, der sein Volk aus demselben geführt hat, auch uns rettete. Dann aber, als der Feind (Demetrius) am heftigsten gegen uns schnaubte, in seinen neuen Schriften, die wahre Feinde des Evangeliums sind, und alle Winde der Bosheit in Aegypten gegen mich weckte, da berief mich die Weisheit, lieber zu stehen gegen den Kampf und meine Ehre zu behaupten (τηρησαιτοηγεμονικον)“ u. s. w. Daraus geht denn doch hervor, daß Demetrius die besagte Beschuldigung in der öffentlichen Anklage nicht gebrauchen konnte, sondern sie nur unter der Hand ausgestreut wurde, ueberdieß aber leidet sie auch an innerer Unwahrscheinlichkeit. Euseb. sagt „διατο, νεονοντα, καιγυναιξιταθειαπροσομιλειν, ωςανπασαντηναισχραςδιαβοληςυπονοιαναποκλεισειε, — ουκηνδεαραδυνατον, καιπερβουλομενῳ,τοσαυτονεργονεπικρυψασθαι. Kann der Widerspruch klarer seyn? Er wollte dadurch den Argwohn abschneiden, und doch die Sache selbst geheim halten. Man sieht, wie selbst der leichtgläubige Euseb, für das Unglaubliche nach Gründen suchte, die es selbst unglaublich machen. Auch die Anm. Stollbergs (K.G. VIII. G. 42b.) „wahrscheinlich wollte Or. diese Handlung nur eine Zeitlang geheim halten“ kann dem Widerspruch nicht abhelfen. Denn wozu dieß? — Euseb, sagt ferner, Demetrius habe Anfangs die That gelobt, nachher aber (ουμακροιςδεχρονοιςυστερον), als der Neid kam und der Haß ausbrach, dagegen getobt. War doch Demetrius, — zumal im Rückblick auf den 21. canon und auf das Verbot in der bürgerlichen Gesetzgebung, Dio Cass. 67. und Justin. Mart. Apol. 1, 29. ανευγαρτηςτουηγεμονος (der Präfect war Felix) επιτροπηςτουτοπραττειναπειρησθαιοιεκει — seiner eigenen Ehre schuldig, nicht dazu zu schweigen, um so mehr, da es schon allgemein bekannt war; — „γνουςδηταυστερον“ heißt es von ihm; also müßte das Gerücht durch manchen Mund gelaufen seyn, bis es zum Bischof kam; und doch hätte er ihm den katechetischen Unterricht gelassen? und ihn sogar noch belobt? Die Metropolitanen waren so unpolitisch nicht. Wenn je in der Verfolgung gegen Origenes das Gerücht von Demetrius in Anregung gebracht wurde, so mußte es auch erst entstanden seyn. Allein man beruft sich auf Origenes eigene Beichte über jene That. Es bedarf blos der wörtlichen Anführung der Stellen, um zu zeigen, daß diese das Unglaubliche des Gerüchtes noch vermehren.

 

20.

Die Stelle Matth. 19, 12. — aus deren Mißverständniß die That hergeleitet wird — erklärt er (tr. 15. in Matth. §. 1.) also: „Wir werden die zwei verschiedenen Auffassungen dieser Stelle auseinandersetzen, ehe wir uns über die richtige erklären. Es haben Einige (vielleicht meint er die Secte der Valesier, Praedest. 37.) die dritte Art des Verschnittenseyns, nach Analogie des angenommen körperlichen Sinnes der beiden andern, ebenfalls körperlich verstanden, und es gewagt, sich selbst einem ähnlichen Verschneiden zu unterwerfen; wodurch sie nicht blos vor den unserm Glauben Fremden, sondern überhaupt bei solchen in Schmach und Schande gefallen sind (υποβεβληκασιονειδεισμῳταχαδεκαιαισχυνῃ), die allen menschlichen Handlungen eher verzeihen, — weil sie nicht einsahen, daß auch diese Worte geistig zu verstehen sind (οτικαιταυταπνευματιειρηται).“ Darf man hinzusetzen, Or. rede hier aus eigener Erfahrung, wenn man sich auf Nichts anderes als diese Stelle selbst berufen kann? — §. 2. fährt er, nach eigener Erklärung von Luc. 22, 35. 36. 10, 4. gleich der π. Α. IV, 1, 2. also fort §. 2.: „So haben gar Einige vor unserer Zeit (τωνπροημων) keinen Anstand genommen, in eigenen Schriften dazu aufzufordern, den dritten Eunuchismus, ganz ähnlich den zwei ersteren, an sich selbst zu vollziehen“ — die Glosse eines Co. Holm. sagt hiezu noch bescheiden genug: οιμαιαινιττεσθαιαυτοντοπεριαυτουιστορουμενον — „wir aber, wenn wir auch einmal Christus, den Logos Gottes, nach dem Fleisch und dem Buchstaben verstanden, erkennen ihn jetzt anders, und stimmen nicht mit denen, die den dritten Eunuchismus an sich selbst vollziehen, überein, als hätten sie die richtige Auffassung (ουκευδοκουμενωςκαλωςεξειληφοσι); auch würden wir uns nicht so lang mit der Warnung vor einer solchen Auffassung aufgehalten haben, wenn wir nicht Leute gesehen (εωρακειμεν), die jene Verschneidung wagten, und nicht Menschen gefunden hätten, die ein feuriges Gemüth wohl zu einem solchen Wagstück bringen könnte.“ Dann führt er aus den „προημων“ an: den Philo und den Sextus, und mit Beziehung auf deuteron. 23, 14. fragt er: „ειγαρηχειραποκοπτεταιεπιλαμβονομενηδιδυμωνανδρος, πωςουχικαιοεαυτονδι’αγνοιανοδου, φερουσηςεπισωφροσυνην, τοιαυτῃπεριστασειεπιδεδωκως“; und doch auf eine jugendliche „αγνοιαοδου“ gründet selbst Neander die Möglichkeit jenes abscheulichen Verbrechens, über das Or., auch unter Voraussetzung der αγνοια, vor aller Welt das Todesurtheil (αποκοπτεσθω) spricht. Hören wir ihn weiter: „davon nicht zu reden, was einer an sich erführe (απαθοιαντις), wenn, wie die Aerzte sagen, der Samengang vom Kopfe in die Mannestheile gehemmt wird, welcher den Wachsthum der Haare um das Kinn erzeugt, so daß die, welche sich körperlich entmannen zu müssen glauben, des Bartes beraubt werden.“ Spricht er hier auch aus Erfahrung? Dann ist er ein ausgeschämter Mensch.

 

21.

Aus allen diesen entschiedenen Erklärungen hat man daß einzige Participium „χριστονθεουτονλογονκατασαρκακαικαταγραμμαποτενοησαντες,νυνουκετιγιγνωσκοντες“, herausgerissen zur Unterstützung einer Mähre. Einmal spricht aber das ημειςδε — ου stark genug den Gegensatz aus, um das Participium in seiner wahren Stellung zu erkennen: „Ungeachtet (neben) meiner früheren Verehrung des Buchstabens kann ich doch eine solche Auslegung nie gut heißen“; denn daß man ihm von seiner frühern strengen Askese Einwürfe machen konnte, wird nicht bestritten, aber Askese ist noch nicht Entmannung. Alsdann ist dieß nicht der einzige Fall, daß er sich an eine frühere asketisch-strengere Auslegung zurückerinnert; bei ganz andern Veranlassungen geschieht dasselbe, z. B. c. Cels. VII, 25. Hom. in Levit. V, §. 5. extr. Strom. X., bei Hieron. Comment. in ep. ad Rom. 11, 14 ed. de la R. p. 498. Zugleich ist es auch als Ausdruck seiner Bescheidenheit zu fassen: denn so beschränkt, wie Neander vorausnimmt, kann seine Richtung nie gewesen seyn, wenn er schon als Knabe dem Vater mit seinen Fragen nach einem tiefern Schriftsinn lästig Wurde (Eus. VI. 3.). ωςμηδ’εξαρκειναυτῳταςαπλαςκαιπροχειρουςτωνιερωνλογωνεντευξεις, ζητεινδετιπλεονκαιβαθυρατοςηδηθεωριας — τιαραεθελαιδηλουντατηςγραφηςαναπυνθανομενοςβουλημα