Ein Geheimnis wird gelüftet - Friederike von Buchner - E-Book

Ein Geheimnis wird gelüftet E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Die Sonne tauchte den Morgenhimmel in rötliches Licht. Erika Hansen saß im bodenlangen Hausmantel auf der Terrasse und trank Kaffee. Sie hörte Schritte und drehte sich um. Es war Ole. Er hatte sich auch einen Becher Kaffee genommen. Er stellte den Becher ab, beugte sich liebevoll zu seiner Frau und gab ihr einen Kuss. »Guten Morgen, Schatz! Schon ausgeschlafen?«, fragte er. Sie mussten beide schmunzeln. »Lass uns in die Küche gehen!«, flüsterte Ole. Er deutete mit dem Finger nach oben. Dort stand das Fenster des Zimmers offen, in dem Wendy schlief. Sie gingen in die Küche und schlossen die Tür. »Wendy war noch lange wach. Ich habe sie mehrmals gehört«, sagte Erika. »Ja, sie war in der Küche. Wahrscheinlich hat sie gekocht.

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Toni der Hüttenwirt – 325 –

Ein Geheimnis wird gelüftet

Die Wunderkräfte der Natur

Friederike von Buchner

Die Sonne tauchte den Morgenhimmel in rötliches Licht. Erika Hansen saß im bodenlangen Hausmantel auf der Terrasse und trank Kaffee. Sie hörte Schritte und drehte sich um.

Es war Ole. Er hatte sich auch einen Becher Kaffee genommen. Er stellte den Becher ab, beugte sich liebevoll zu seiner Frau und gab ihr einen Kuss. »Guten Morgen, Schatz! Schon ausgeschlafen?«, fragte er.

Sie mussten beide schmunzeln.

»Lass uns in die Küche gehen!«, flüsterte Ole. Er deutete mit dem Finger nach oben. Dort stand das Fenster des Zimmers offen, in dem Wendy schlief.

Sie gingen in die Küche und schlossen die Tür.

»Wendy war noch lange wach. Ich habe sie mehrmals gehört«, sagte Erika.

»Ja, sie war in der Küche. Wahrscheinlich hat sie gekocht. Das hat sie immer gemacht, wenn sie in einer Sache unsicher war, Zweifel hatte oder sie etwas beunruhigte. Sehen wir mal nach, was im Kühlschrank steht.« Ole schaute nach und schmunzelte. »Typisch Wendy!«

Erika trat neben ihn und schaute hinein. Im Kühlschrank stand eine Torte. »Dann können wir heute Nachmittag schlemmen«, lachte sie. »Und danach muss ich drei Tage Diät machen.« Sie setzte sich.

»Erika, ich will ehrlich sein. Ich mache mir Sorgen. Ich bin lange wach gelegen und habe die Fakten durchdacht. Aber wie man es auch dreht und wendet, es bleiben Fragen. Ich gestehe dir, ich verstehe es nicht.« Er zählte auf: »Wir wissen, dass Sebastian krank ist. Und es ist kein harmloser Schnupfen. Es ist Malaria. Punkt! Er wird von Martin in Waldkogel auf der kleinen Bettenstation behandelt. Daraus ergibt sich für mich die Frage, warum überweist ihn Martin nicht ins Klinikum nach München? Und die nächste, für mich noch gewichtigere Frage ist, warum sollen Toni und Anna es nicht erfahren? Warum soll Wendy nicht mit ihnen sprechen? Die beiden müssen doch davon ausgehen, dass Sebastian hier in München ist, dass er sich wieder wohlfühlt und arbeitet. Warum diese Geheimnistuerei?« Ole trank einen Schluck Kaffee. »Ich weiß nur, dass Wendy das sehr belastet. Das Madl ist völlig durcheinander. Zuerst ist sie die Person, die Sebastians Vertrauen hat. Jetzt ist Franziska da, und Wendy wird, wie ein Besen, den man nicht mehr benötigt, in die Ecke gestellt.«

Erika schmunzelte über den Vergleich. »Wendy ist in erster Linie gekränkt, Ole. Das kann ich verstehen. Aber seien wir ehrlich. Wendy ist die Stiefschwester, Franziska ist Sebastians leibliche Schwester. Ihn verbindet mit Franziska doch viel, viel mehr, als mit Wendy, auch wenn sie sich sehr zugetan sind.«

Ole seufzte. Sein Herz war voller Mitleid für Wendy. In seinem Herzen war sie seine Tochter. Zwar war Wendy aus der Liebe zwischen Toni und Jette hervorgegangen. Doch Ole hatte Jette, noch im Krankenhaus, nach ihrem schweren Unfall geheiratet, als bekannt geworden war, dass sie schwanger war. Ole war schon immer heimlich in Jette verliebt gewesen. Er gab vor, der Vater zu sein und Jette, die lange an Amnesie litt, hatte ihm geglaubt. Sie war bei ihm geblieben, als sie sich wieder erinnern konnte und nahm Oles Liebe und Fürsorge entgegen. Als sie nach Jahren doch an den Langzeitfolgen des Autounfalls starb, vergingen noch Jahre bis zu Wendys Volljährigkeit. Erst dann sollte sie erfahren, dass Ole nicht ihr leiblicher Vater war, sondern ein Toni aus Waldkogel. Obwohl Ole und Wendy sich engverbunden fühlten, suchte sie nach ihrem leiblichen Vater. Nach anfänglichen Irritationen hatte Toni Wendy in sein Herz aufgenommen.

»Wendy ist unglücklich. Das tut mir weh«, sagte Ole leise.

»Ich kann das nachempfinden. Es sollte dir ein Trost sein, dass sie hergekommen ist und dir ihr Herz ausgeschüttet hat.«

»Das ist es auch, Erika. Ich überlege, was ich tun kann.«

Sie sahen sich an. Erika kannte Ole gut. Sie schmunzelte.

»Falls du daran denkst, dass du Martin nicht dein Wort gegeben hast, dann sage ich, dass das richtig ist. Du bist nicht verpflichtet zu schweigen.«

»Das stimmt, Erika. Ich könnte, wenn ich wollte, mit Toni und Anna sprechen.«

»Richtig! Wie du das sagst, klingt das ziemlich zögerlich, Ole. Bist du dir unsicher?«

»Ja, das bin ich. Genau genommen geht mich die Sache nichts an. Wendy ist nicht meine leibliche Tochter. Ich habe keine Legitimation, mich einzumischen.«

»Das ist das Dümmste, was ich seit langem gehört habe, Ole. Du sollst keine Legitimation haben?«

Erika runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.

»Wendy ist deine Herzenstochter. Du hast sie über zwanzig Jahre großgezogen. Du bist ihr ›Papa‹ gewesen.«

Erika sprach das Wort Papa betont norwegisch aus.

»Ist das nicht Legitimation genug? Und noch ein Punkt. Du bist Tonis Freund geworden. Verpflichtet Freundschaft nicht zur Wahrheit? Ich sage dir noch etwas. Toni ist Wendys leiblicher Vater. Sie verstehen sich gut und sind sich sehr nahe. Zählt diese Nähe nicht mehr, als Martins Wunsch, Toni und Anna nicht einzubeziehen?«

Ole zuckte mit den Schultern. »Erika, es ist alles so verwirrend. Dass Sebastian Wendy entlasten will, weil Franziska zu Besuch ist, kann ich nachvollziehen. Ich werde später noch einmal mit Wendy sprechen. Sie soll das nicht überbewerten, dass Sebastian mit seiner Schwester allein sein will. Wendy empfindet das als Kränkung. Das kann ich verstehen, aber es muss doch nicht so sein, dass Sebastian Wendy kränken wollte.«

»Das ist mir schon klar, Ole«.

»Aber warum macht Martin solch ein Geheimnis aus Sebastians Krankheit? Warum verordnet er Wendy einen Maulkorb? Warum sollen Toni und Anna in Ungewissheit sein? Es ist für mich unfassbar. Martin gehört zu Tonis besten Freunden. Wenn Toni eines Tages erfährt, dass Martin ihm das verschwiegen hat, dann ist das das Ende der Freundschaft. Darauf gebe ich dir Brief und Siegel, Erika.«

Erika stand auf und holte die Torte aus dem Kühlschrank.

»Wenn du gestresst bist, greifst du nach etwas Süßem«, lächelte Ole.

»Warum nicht? Süßes ist Nervennahrung. Nimmst du auch ein Stück Torte?«

»Oh ja, ich nehme ein großes Stück.«

Erika holte zwei Teller und zwei Kuchengabeln. Sie schnitt zwei Stück Torte ab. Sie aßen.

Es war eine Haselnuss-Schoko-Baiser-Torte. Sie schmeckte großartig.

»Die Frage ist, was willst du machen, Ole?«

»Erika, das habe ich mich jedes Mal gefragt, wenn ich heute Nacht aufwachte.«

»Und in welche Richtung schlägt der Zeiger aus?«, fragte Erika.

»Nun, ich könnte zwei Dinge tun. Ich könnte nach Waldkogel fahren und Toni von Wendys Besuch erzählen. Ich könnte mir Martin vorknöpfen und ihm klarmachen, dass Wendy unglücklich und verwirrt ist«, erklärte Ole.

»Du könntest eines nach dem anderen tun, Ole. Ich schlage vor, du solltest zuerst mit Martin sprechen. Dann siehst du klarer.« Erika schaute auf die Uhr. »Kurz nach Fünf«, sagte sie leise.

Sie schauten sich an.

»Du meinst, wir sollten gleich fahren?«, fragte Ole.

»Ja, das denke ich. Du kannst doch an nichts Anderes denken.«

Ole lächelte. Er griff über den Tisch und drückte Erikas Hand.

»Kannst du dir in der Firma freinehmen?«, fragte Erika.

»He, ich bin der Chef!« Ole nahm sein Handy und schickte seiner Sekretärin eine SMS. »So, das wäre erledigt«, sagte er.

»Und was machen wir mit Wendy?«, fragte Erika.

»Wir legen ihr einen Zettel hin. Wecken will ich sie auf keinen Fall. Ich nehme an, sie ist erst kurz bevor wir aufstanden eingeschlafen. Wir schreiben, sie soll uns anrufen.«

»Gute Idee! Wir müssen leise sein. Ich hole unsere Kleider herunter und wir machen uns hier unten im Badezimmer fertig. Oben könnte sie uns hören«, schlug Erika vor.

»Wir nehmen die Torte mit. Damit kann man Martin vielleicht bestechen«, lachte Ole.

»Gute Idee, aber ein Stück Torte lassen wir hier«, antwortete Erika.

Sie ging nach oben und holte die Anziehsachen und die Toilettenartikel. Ole machte sich im Bad im Erdgeschoss fertig. Inzwischen packte Erika die Torte ein.

Während Erika sich anzog und schminkte, ließ Ole das Auto langsam und leise auf die Straße rollen. Erika verließ das Haus durch die Seitentür, die in die Garage führte. Ole schloss vorsichtig und behutsam die Garagentür, um keinen Lärm zu machen.

Bevor sie losfuhren, warfen sie noch einen Blick die Hauswand hinauf.

»Wendy scheint nicht aufgewacht zu sein, Ole. Wenn sie etwas gehört hätte, hätte sie aus dem Fenster im Treppenhaus herausgesehen.«

»Ja ich denke, sie schläft und sie schläft sich aus«, seufzte Ole. Wendys Tränen am Abend zuvor waren ihm sehr nahegegangen.

»Ole, mache dir keine Sorgen! Sie wird sich ausschlafen. Wir haben mehrere Zettel zurückgelassen. Sie wird uns anrufen. Aber vor Mittag rechne ich nicht damit.«

»Wahrscheinlich hast du Recht, Erika«, sagte Ole. »Willst du deinen Bruder Simon besuchen und bei ihnen frühstücken, bevor wir …«, Ole brach den Satz ab.

»Du bist dir noch nicht schlüssig, mit wem du zuerst reden sollst, mit Martin oder mit Toni und Anna«, sagte Erika.

»Was meinst du?«, fragte Ole, »Willst du zuerst bei Simon und Eva vorbeifahren?«

»Nein, der Besuch auf den Bichler Hof kann warten«, antwortete Erika. »Ich denke, du solltest zuerst mit Martin sprechen und dir selbst ein Bild machen.«

»Ja, das denke ich auch«, antwortete Ole.

Die Fahrt, so früh am Morgen, verlief ruhig. Es war noch wenig Verkehr. Die Hautverkehrszeit hatte noch nicht begonnen und sie kamen zügig durch München. Die Landstraße in Richtung Berge war noch ruhiger. Auf der Gegenseite kamen ihnen die Pendler entgegen, die nach München zur Arbeit fuhren.

*

Es war kurz nach halb sieben, als Ole den Wagen auf dem großen Hof neben Franziskas Auto parkte.

Aus dem Altenteil kam Walli heraus. »Mei, was für ein lieber Besuch«, rief sie. »Ein herzliches Grüß Gott!«

Erika und Ole begrüßten sie.

»Walli, ich möchte dir gleich sagen, warum wir hier sind.«

»Sebastian!«, sagte ihm Walli auf den Kopf zu.

»Ja! Wendy kam gestern nach München und hat sich ausgeheult. Sie war völlig aufgelöst. Aber wir sind nicht ganz schlau daraus geworden. Deshalb dachten wir, wir fahren her und erkundigen uns selbst bei Martin und besuchen Sebastian«, fuhr Ole fort.

»Das kann ich verstehen. Martin ist im Augenblick nicht hier. Er wurde zu einem Hausbesuch gerufen. Es war ein Notfall.«

»Wie geht es Sebastian? Ist er schon wach?«, fragte Erika.

»Sebastian schläft sich gesund, denke ich«, antwortete Walli und lächelte auf eine seltsame Weise, die Ole und Erika nicht zu deuten wussten. »Katja sitzt am Bett und hält Wache. Franziska schläft auch noch. Doch kommt mit herein! Ich mache uns einen starken Kaffee und Eier mit Speck. Mich könnt ihr alles fragen. Ich unterliege nicht der Schweigepflicht, wie Martin.« Walli blinzelte ihnen zu.

Walli nahm sie mit in die große Wohnküche. Ole und Erika setzten sich an den Tisch. Sie wollten nur Kaffee. Erika holte die Torte aus dem Auto.

»Hier, die hat Wendy heute Nacht gebacken«, sagte Ole. »Sie backt nachts immer Kuchen, wenn sie keine Ruhe findet.«

Walli nahm sich ein Stück Torte. Sie lobte Wendys Backkunst. »So, nun erzählt mal. Wendy kam zu euch nach München?«

»Ja, Walli, und sie ist noch in München. Sie schläft hoffentlich«, antwortete Ole.

»Irgendwann lässt sich der Körper nimmer überlisten und verlangt sein Recht«, erklärte Walli. »Was hat sie erzählt?«

»Sebastian habe Malaria. Martin behandle ihn hier auf der Krankenstation. Franziska sei gekommen. Deshalb habe Sebastian sie weggeschickt. Martin habe auch verhindert, dass Toni und Anna von Sebastians schwerer Krankheit erfahren. Das zerreißt Wendy innerlich. Verstehst du, Walli?«

Walli nickte. Sie schenkte sich Kaffee nach. Sie gab Zucker und Sahne dazu und rührte um. Dabei sah sie aus, als würde sie nachdenken. »Das stimmt alles, Ole. Ich habe mich deswegen mit Martin gestritten. Ich bin auch der Meinung, dass man Toni und Anna nicht im Ungewissen lassen sollte. Aber Martin besteht darauf.«

»Martin ist Tonis bester Freund, Walli. Toni wird es ihm nie verzeihen, dass er es ihm verschwiegen hat.«

»Ole, das ist möglich. Aber wenn Toni deswegen Martin grollt, dann ist er dumm. Ich hoffe, dass Toni nicht so dumm ist oder Anna tieferes Verständnis dafür hat. Tatsache ist, dass Sebastian es nicht will. Sebastian hat es Martin ausdrücklich untersagt. Und Wendy weiß auch nicht, wie ernst es wirklich um Sebastian steht.«

Es war ganz still in der Küche. Ole und Erika sahen Walli erstaunt an.

»Ja, ihr habt richtig gehört. Sebastian will es nicht. Und er will keinen Besuch, weder von Toni und Anna, den Baumberger Großeltern, noch von Wendy. Und das gilt auch für euch. Nur Franziska soll bei ihm sein. Fragt mich bitte nicht, ob das richtig ist! Damit meine ich nicht, dass Martin sich auf seine Schweigepflicht beruft. Ich denke an Sebastian, der nur Franziska um sich haben will. Aber wenn es vielleicht am Ende noch schlimmer kommt …« Sie brach den Satz ab und seufzte. »Ach, denken wir nicht daran! Tatsache ist, dass Sebastian es so will. Und daran kann niemand etwas ändern.«

Ole und Erika starrten Walli an.

»Sebastian schwebt in Lebensgefahr?«, stieß Ole fast tonlos hervor.

Walli zögerte mit der Antwort. »Nun, Malaria ist eine sehr gefährliche Krankheit. Ein Betroffener kann wieder gesundwerden oder auch nicht. Und Sebastian hat es schwer erwischt. Die Tage sah es gar nicht gut aus. Er hatte mehrere schwere Malariaschübe. Es geht immer auf und ab. Wenn dann ein Schub vorbei ist, dann geht es ihm gut.«

Ole und Erika bestätigten das. Sebastian und Wendy waren bei ihnen zu Gast gewesen. Damals hatte Sebastian kerngesund ausgesehen.

»Aber Malaria ist behandelbar, so viel ich weiß«, sagte Erika.

Die alte Walli zog die Augenbrauen hoch. »Mmm! Nun ich bin kein Doktor wie der Martin. Deshalb kann ich euch das auch nicht so genau erklären. Natürlich bekomme ich hier alles mit. Im Grunde unterliege ich auch der Schweigepflicht, genau wie Erna, Martins Sprechstundenhilfe. Aber darauf nehme ich jetzt keine Rücksicht. Also hört! Martin hat mir das so erklärt. Es gibt verschiedene Malariatypen. Und die verändern sich auch und werden dabei auf jedes Medikament resistent. Das ist genau so wie bei den Antibiotika, die oft nimmer wirken. Und jetzt kommt's: Sebastian hat eine neue Form von Malaria erwischt, gegen die es überhaupt keine wirksamen Medikamente gibt. Martin behandelt ihn mit Medikamenten, die wirksam sind für ähnliche Erreger. Das ist alles, was Martin machen kann. Aber helfen werden sie wahrscheinlich nicht, sagt Martin. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie verzweifelt er ist.« Walli seufzte. »Ja, so ist es. Ausgerechnet solch eine Stechmücke hat den Sebastian erwischt. Martin ist durch einen Tipp des Hotelbesitzers draufgekommen und dessen Freund, der schon lange Hausmeister in dem Hotel ist. Vorher standen alle vor einem Rätsel, was die Diagnose anging. Sie vermuten, ein Hotelgast hatte eine Stechmücke als blinden Passagier im Gepäck. Einen ähnlichen Fall soll es schon einmal in einem anderen Hotel im München gegeben haben.«

»Das hört sich schlimm an, Walli«, sagte Ole leise. Er war erschüttert.

»Sicher gibt es im Klinikum, in München, andere Möglichkeiten«, bemerkte Erika.