Ein neues Glück zieht ein - Anna Sonngarten - E-Book

Ein neues Glück zieht ein E-Book

Anna Sonngarten

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.

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Sophienlust - Die nächste Generation – 115 –

Ein neues Glück zieht ein

Unveröffentlichter Roman

Anna Sonngarten

Resi Richter war zu spät. Als sie ohne Schürze und mit offenen Haaren in den noch leeren Gastraum stürmte, schauten ihre Kollegen betreten zur Seite, während Vincent Dubois die Augenbrauen hob und die junge Frau mit einem kritischen Blick bedachte. Resi hatte ihre Schürze unter den Arm geklemmt und wusste nicht, ob sie zuerst ihre langen mittelblonden Haare flechten oder lieber die Schürze umbinden sollte. Am besten beides gleichzeitig, schien Vincent Dubois‘ Blick zu sagen.

„Tut mir leid, kommt nicht wieder vor. Ich bin gestern erst aus München zurück. Oktoberfest. War ziemlich stressig“, teilte Resi ungefragt mit.

Vincent Dubois räusperte sich. Der neue Oberkellner war groß und schlank und hielt sich sehr gerade. Seine dunklen Haare waren korrekt in Form gebracht. Resi schätzte ihn auf Anfang Vierzig.

„Um es gleich vorweg zu sagen: Wir sind hier nicht in einem Bierzelt, sondern im „Maibacher Hof“. Ich erwarte Professionalität von meinen Mitarbeitern. Dazu gehört auch, dass sie pünktlich und ausgeschlafen zur Morgenbesprechung erscheinen.“ Vincent Dubois kam aus Frankreich, genauer aus den Vogesen. Sein Akzent verlieh seinen Worten eine Noblesse, die Resi irritierte und die im krassen Gegensatz zum Umgangston stand, der auf der „Wiesn“ vorgeherrscht hatte. Er schaute Resi direkt an.

„Sie, meine Gute, lassen all das vermissen. Sie sind weder frisiert, noch perfekt gekleidet. Als Oberkellner lasse ich das nicht durchgehen. Bitte richten Sie ihr Haar und Ihre Kleidung und kommen dann gleich noch einmal dazu.“ Er wandte sich von ihr ab.

Resi erstarrte. Sie kam schon seit ein paar Jahren immer wochenweise nach Maibach um auszuhelfen. Alfons Meyerhoff, der Seniorchef, war für die Vierunddreißigjährige wie ein alter Freund. Dieser Vincent Dubois hingegen war neu im „Maibacher Hof“ und schien seinen Beruf über Gebühr ernst zu nehmen. Resi verzog sich. Sie flocht schnell zwei Zöpfe, die sie geschickt zu einem Kranz um den Kopf zusammensteckte. Die Schürze ihres Dirndls war zum Glück kaum verknittert. Als sie schnell zurücklaufen wollte, lief sie Alfons Meyerhoff in die Arme.

„Ah, die Resi. Schön wie immer und frisch wie eine Blume am Morgen“, flötete der Hotelbesitzer.

Resi musste unwillkürlich lachen. „Das sagen Sie mal dem Herrn Oberkellner. Ich glaube, der ist nicht so gut auf mich zu sprechen.“

Herr Meyerhoff winkte ab. „Das wird schon noch, Resi. Wer kann dir schon widerstehen“, zwinkerte er ihr zu. Der alte Herr Meyerhoff war die Seele des Hotels „Maibacher Hof“, aber inzwischen hatte sein Sohn Tobias das Sagen, und der hatte sich für Herrn Dubois als Oberkellner entschieden. Der Juniorchef wollte den gemütlichen Familienbetrieb auf ein anderes Niveau heben. Er hätte die Resi aus Österreich nicht wieder eingestellt. Sie hatte keine Ausbildung und kam nur, um ihre magere Witwenrente aufzubessern.

„Wir sind kein Wohlfahrtsunternehmen, Vater“, hatte er dem Seniorchef vorgehalten. Aber Alfons konnte ein zäher Hund sein. Seine Resi aus Österreich wärmte ihm mit ihrem gewinnenden Lachen sein Herz. Auf sie wollte der alte Chef nicht verzichten.

„Kommt nicht in Frage, Tobias. Die Resi darf hier arbeiten, solange ich lebe“, hatte er unmissverständlich gesagt.

Als Resi erneut in den Gastraum trat, hörte sie wie der Oberkellner das Personal einwies. Sven und Caro sollten die Bar übernehmen. Gundula und Anabel das Restaurant und das Café.

„Resi, Sie übernehmen das Frühstücksbuffet. Da können Sie nicht viel falsch machen. Ich habe gehört, dass Sie keine Restaurantfachfrau sind.“

Resi erstarrte erneut. „Nein, bin ich nicht. Aber ich komme schon seit vielen Jahren regelmäßig in den Maibacher Hof. Ich kenne die Stammgäste. Im Café würde ich auch nichts falsch machen“, erwiderte sie tapfer.

Herr Dubois schaute von seiner Schreibmappe hoch und ließ seinen Blick an Resi herunter gleiten. Das Dirndl stand ihr ausgezeichnet. Dass man im „Maibacher Hof“ in Tracht servierte, hatte ihn anfangs gestört. Aber dieser Resi stand das taillierte Kleid ausgezeichnet. Und die Gretchenfrisur, die Vincent Dubois etwas altmodisch fand, rahmte ein ebenmäßiges rosiges Gesicht. Nun gut. Den Gästen mochte das gefallen.

„Frühstücksbuffet, sagte ich“, parierte er Resis Einwand und ließ sie stehen. Gundula und Anabel raunten sich etwas zu und schauten Resi mitleidig an. Doch Resi zuckte nur mit den Schultern und marschierte Richtung Küche. Dort erfuhr sie vom 2. Koch, was sich übers Jahr geändert hatte.

„Du glaubst es nicht. Ich komme mir vor, wie in einer Diätküche. Ich hätte nicht Koch, sondern Diätassistent lernen sollen“, klagte der zweite Koch Karl theatralisch und zählte auf: „Glutenfrei, laktosefrei, vegetarisch, Vollwert… Dazu noch die ganzen Allergiker mit ihren Sonderwünschen…“, beschwerte er sich. Resi lachte nur. Das kannte sie schon. Sie arbeitete normalerweise in der kleinen Backstube mit Café von ihren Eltern. Ihre mittlerweile alten Eltern hatten ebenfalls Trends kommen und gehen sehen und sich immer neu darauf einstellen müssen. Der kleine Laden warf trotzdem nicht viel ab, weshalb Resi auf einen Zusatzverdienst angewiesen war, um ihren beiden Kindern „Extras“ zu ermöglichen. Vorzugsweise machte Resi das in den Ferien. Lioba und Tom wurden dann von ihren Eltern betreut. In diesem Jahr war es aber anderes.

„Und, wie geht es deinen Kindern?“, wollte Karl jetzt wissen.

„Ganz gut. Sie sind dieses Jahr das erste Mal nicht bei meinen Eltern. Die alten Herrschaften wollten sich mal einen Urlaub gönnen. Ich glaube, dass es ihr erster ist seit…du weißt schon.“

Karl wusste, was Resi nicht aussprach. Seit dem Tod ihres Mannes.

„Wo sind deine Kinder dann untergebracht?“, fragte er.

„Bei meinem Freund“, sagte Resi und wollte eine Platte mit Aufschnitt zum Buffet tragen.

„Nein, habt ihr gehört, Leute. Resi ist vergeben“, rief er laut durch die Küche. Ein allgemeines Raunen war die Reaktion. Resi lachte und trat mit der Aufschnittplatte durch die Schwingtür in den Frühstücksraum. In einer halben Stunde durfte man die ersten Gäste erwarten. Resi musste sich beeilen, wurde aber immer wieder von den Küchenleuten zu Details über ihren Freund befragt. Am Ende hatte die Küchencrew erfahren, dass Resis Freund Marc Altmann hieß und ein Motorradgeschäft für Harley-Davidsons hatte. Natürlich fuhr er selbst eine Harley und sah auch so aus: Bart, lange Haare, Jeans und Karoflanellhemd, Lederjacke mit Fransen. Ein ganzer Kerl. Söhnchen Tom war begeistert von Marcs Laden und hatte sich gefreut, bei ihm die Herbstferien zu verbringen. Seine ältere Schwester Lioba war etwas skeptischer, aber da ihre Freundin in der Nähe wohnte, war sie schließlich einverstanden gewesen. Resi kannte ihren Marc seit einem Jahr und seit acht Monaten waren sie ein Paar.

Die ersten frühen Gäste kamen und Resi nahm die Getränkewünsche entgegen, um gleich darauf festzustellen, dass es einen neuen Kaffeevollautomaten gab, der die verschiedensten Kaffeespezialitäten zubereiten konnte. Resi musste nur überwachen, dass der Bohnenbehälter und Milchtank gefüllt waren. Sonderwünsche gab es keine, was bei dem umfangreichen Angebot nicht verwunderlich war. Resi musste nur zusehen, dass immer alles ausreichend vorhanden war. Trotzdem ließ Vincent Dubois sie nicht aus den Augen. Und er fand auch hier und da eine Kleinigkeit, die er anders gemacht haben wollte.

„Frau Richter, Tisch elf ist noch nicht abgeräumt. Haben Sie den Herrschaften am Fenster schon ein Omelett angeboten? Füllen Sie noch mal Rührei und gekochte Eier auf.“

Resi ertrug die Gängelung mit Fassung. Sie hatte zwei Wochen „Wiesn“ hinter sich. Das war ein echter Knochenjob gewesen und die Gäste nicht immer zivilisiert, um es vorsichtig auszudrücken. Dagegen war die Arbeit im „Maibacher Hof“ ein Kinderspiel. Resi bewegte sich leichtfüßig zwischen den Tischen, lächelte, räumte weg oder trug auf. Die Kunst war, es nicht wie Arbeit aussehen zu lassen. Die Leute machten Urlaub. Sie wollten keine gestresste Kellnerin sehen. Vincent Dubois registrierte das alles und musste im Stillen zugeben, dass diese Resi aus Österreich ihre Sache sehr gut machte.

Zur selben Zeit hatten sich Dominik von Wellentin Schoenecker und Angelika Langenberg an der Rezeption eingefunden. Angelika war aufgeregt und froh den Besitzer von Sophienlust an ihrer Seite zu wissen. Die Fünfzehnjährige wollte ihr Schulpraktikum im Hotel machen. Sie hatte deshalb einen Termin bei der Hausdame, die gerade dazu kam, und die beiden in ihr Büro bat.

„Guten Tag, Herr von Wellentin-Schoenecker. Freut mich Sie einmal persönlich kennenzulernen. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“

„Danke, Frau Lesch. Das ist Angelika Langenbach“, stellte er Angelika vor.

„Freut mich“, sagte Frau Lesch und reichte Angelika die Hand.

Als sie im Büro Platz genommen hatten, wollte die Hausdame von Angelika wissen, warum sie sich das Hotel als Praktikumsplatz ausgesucht hatte.

„Im Hotel gibt es viele verschiedene Bereiche. Das finde ich interessant. Und man lernt viele Menschen kennen“, erklärte Angelika.

Frau Lesch lächelte freundlich. „Das stimmt, aber die Arbeit ist auch anstrengend. Am Anfang würden wir dich als Zimmermädchen einsetzen. Da muss man schon mit anpacken.“

„Das macht nichts. In Sophienlust müssen wir auch helfen und im Pferdestall muss man auch zupacken können“, antwortete Angelika selbstbewusst. Jetzt musste Dominik lächeln.

„Angelika hat recht. Unsere Kinder in Sophienlust sind nicht verwöhnt. Wir tragen ihnen nicht die Sachen hinterher…“, bestätigte er.

„Das höre ich gerne“, sagte die Hausdame zufrieden, denn sie hatte schon Praktikanten erlebt, die gar nicht wussten, wie man ein Bett macht oder ein Zimmer aufräumt. Dann gab sie Angelika eine Art Uniform.

„Größe 36, schätze ich“, sagte sie, nachdem sie einen Blick auf Angelikas schlanke Gestalt geworfen hatte.

„Probier die Arbeitskleidung zu Hause an und trag bequeme Schuhe. Deine Füße werden es dir danken. Wenn alles passt, kannst du gleich in Arbeitskleidung morgen zum Dienst erscheinen“, schlug sie vor.

Mit einer Uniform hatte Angelika gar nicht gerechnet. Sie dachte, dass sie in ihrer Privatkleidung arbeiten würde. Sie nahm das Kleiderpaket an und fühlte sich sofort ganz anderes. Richtig erwachsen. Frau Lesch sah es und lächelte wieder.

Dann verabschiedete sich die Hausdame von den beiden.

*

Zurück in Sophienlust lief Angelika gleich in ihr Zimmer und probierte die Arbeitskleidung an. Sie bestand aus einem rosafarbenen Kleid, das am Kragen und an den Ärmeln weiß abgesetzt war und einer weißen Schürze. Dazu trug das Mädchen weiße Schuhe. Vicky schaute ihre Schwester an, als stünde plötzlich ein anderer Mensch vor ihr.

„Oh, Angelika, du siehst so anders aus…“

„Finde ich auch. Und was denkst du?“, sagte Angelika nachdenklich und betrachtete sich im Spiegel.

„Ich muss mich erst daran gewöhnen. Du siehst so erwachsen aus“, befand Vicky. Sie war dreizehn und ihre große Schwester war ein wichtiger Halt in ihrem Leben. Die beiden hatten ihre Eltern bei einem Lawinenunglück verloren.

„Ich zeige mich mal den anderen“, sagte Angelika und machte ihrer Schwester ein Zeichen mitzukommen. Zuerst ging sie ganz mutig zu den Jungen, die nebenan in ein Quartettspiel vertieft waren.

„Hallo, ihr drei. Was sagt ihr zu meiner Uniform?“ Angelika dreht sich einmal um sich selbst und sah die drei erwartungsvoll an.

Simon van Beek reagierte zuerst. „Rosa steht dir. Aber wozu brauchst du Arbeitskleidung?“

„Sie macht doch ein Praktikum im Hotel „Maibacher Hof“, fuhr Vicky dazwischen und verdrehte die Augen. Typisch, die Jungen hatten es nicht mitbekommen.

„Ach ja. Du arbeitest als Zimmermädchen, stimmt es“, fiel Martin ein.

„Brauchst du da nicht noch so einen Staubwedel aus Straußenfedern?“, fragte Fabian Schöller und machte eine alberne Bewegung, die das Wedeln imitieren sollte.

„Ha, ha. Sehr witzig“, reagierte Angelika.

„Was ist witzig?“, wollte Pünktchen wissen, die gerade aus ihrem Zimmer kam. Natürlich in ihren Reiterhosen, die die passionierte Reiterin fast immer trug.

„Oh, ich sehe es schon. Du hast deine Arbeitskleidung bekommen“, sagte Pünktchen mitleidig, die eigentlich Angelina Dommin hieß, und nur wegen ihrer Sommersprossen Pünktchen genannt wurde.

„Gefällt dir das Kleid nicht“, wollte Angelika nun wissen, da sie auf Pünktchens Urteil mehr gab, als auf das der Jungen.

„Doch, die Uniform steht dir gut. Rosa passt zu dir. Ich könnte das aber nicht tragen. Ich käme mir wie beim Fasching vor.“

Das war nicht das, was Angelika hören wollte. Sie zog ab, um sich von Tante Ma, Regine Nielsen und Magda Rückendeckung zu holen. Regine Nielsen, die Kinderschwester, war mit der kleinen Marie und ihrem älteren Bruder Leon im Spielzimmer sowie mit Heidi und Kim. Regine zeigte ihr nur zwei Daumen hoch, da Marie ihr gerade um den Hals gefallen war. Die Dreijährige musste immer mal wieder zeigen, wie lieb sie Regine hatte. Heidi, Kim und Leon waren zu vertieft in ihr Spiel, um zu registrieren, dass Angelika etwas anderes als ihre Alltagskleidung trug. In der Küche traf Angelika auf Magda und Tante Ma, wie die Heimleiterin Else Rennert von den Kindern genannt wurde. Die rundliche Köchin Magda war sofort begeistert von Angelikas Berufskleidung.

„Das sieht ja ganz apart aus, Angelika“, schwärmte sie. „Immer nur Jeans. Mädchen sollten viel öfter Kleider tragen, finde ich.“

Else Rennert lachte. Sie kannte Magdas Ansichten zu neumodischem Kram, wie sich die Köchin ausdrückte, nur zu gut. Aber dieses Mal musste sie Magda vollkommen zustimmen.

„Ja, Magda hat recht. Die Uniform steht dir ausgezeichnet. Wann geht es denn morgen los?“

„Ich muss um acht Uhr da sein. In der ersten Woche arbeite ich als Zimmermädchen. In der zweiten Woche dann woanders. Das steht aber noch nicht fest.“