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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Gabriella Auweiler erhielt den Notruf, als sie gerade beim Abendessen saß und die TV-Nachrichten sah. Erschrocken ließ sie die Gabel fallen. Notrufe gab es immer mal wieder im Bereitschaftsdienst der Gemeindeschwester, aber sie hatte konzentriert den Informationen gelauscht und war abgelenkt gewesen. Deshalb der Schreckmoment. Sie nahm ihr Handy und meldete sich dennoch routiniert. »Schwester Gabriella vom Pflegedienst ›Herzensgut‹. Wie kann ich Ihnen helfen?« »Ich bin es, Schwester Gabriella. Lennart Steinbrecher. Mein Opa …« Gabrielle hörte ein Aufschluchzen. »Lennart? Ich komme. Bleib, wo du bist. Ich bin in ein paar Minuten da«, sagte Schwester Gabriella so ruhig es ihr möglich war. Sie ließ alles stehen und liegen, griff nach ihrer Diensttasche und lief los. Unterwegs im Auto spielte sie mögliche Szenarien durch. Was konnte passiert sein? Walter Steinbrecher war der Opa von Lennart.
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Seitenzahl: 131
Gabriella Auweiler erhielt den Notruf, als sie gerade beim Abendessen saß und die TV-Nachrichten sah. Erschrocken ließ sie die Gabel fallen. Notrufe gab es immer mal wieder im Bereitschaftsdienst der Gemeindeschwester, aber sie hatte konzentriert den Informationen gelauscht und war abgelenkt gewesen. Deshalb der Schreckmoment. Sie nahm ihr Handy und meldete sich dennoch routiniert.
»Schwester Gabriella vom Pflegedienst ›Herzensgut‹. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich bin es, Schwester Gabriella. Lennart Steinbrecher. Mein Opa …« Gabrielle hörte ein Aufschluchzen.
»Lennart? Ich komme. Bleib, wo du bist. Ich bin in ein paar Minuten da«, sagte Schwester Gabriella so ruhig es ihr möglich war. Sie ließ alles stehen und liegen, griff nach ihrer Diensttasche und lief los. Unterwegs im Auto spielte sie mögliche Szenarien durch. Was konnte passiert sein? Walter Steinbrecher war der Opa von Lennart. Vielleicht war der alte Herr gestürzt oder er hatte einen Infarkt oder etwas stimmte mit seinem Blutzucker nicht. Walter Steinbrecher hatte Diabetes mellitus. Sie wusste, dass sie es vor Ort herausfinden musste und es wenig Sinn gehabt hätte, den achtjährigen Lennart nach Symptomen zu fragen. Das würde das Kind nur überfordern. Gabriella parkte im Halteverbot, legte aber einen Dienstausweis hinter die Windschutzscheibe und lief im Eiltempo auf die alte Stadtvilla zu. Der von hohen Tannen gesäumte Weg bis zum Eingang war ihr noch nie so lang erschienen. Lennart stand mit angstvoll geweiteten Augen in der Tür. Sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Sein kleiner Körper war angespannt.
»Ich bin jetzt da, Lennart. Du brauchst keine Angst zu haben«, behauptete Schwester Gabriella, obwohl sie noch nicht wusste, was sie erwartete. Lennart versuchte zu erklären, was er gesehen hatte.
»Er hat plötzlich ganz doll gezittert. Ich sollte etwas für ihn machen, aber ich habe ihn nicht verstanden. Dann ist mir das mit dem Knopf eingefallen …« Der Junge hatte den Notfallknopf betätigt, den sein Großvater am Handgelenk trug, und den ihm Gabrielle neulich erst erklärt hatte, weil der Achtjährige davon fasziniert gewesen war.
»Das hast du sehr gut gemacht Lennart«, lobte sie den Jungen und strich ihm über das blonde Haar. Dann hastete sie weiter. Sie vermutete ihren Patienten in seinem Lieblingssessel im Salon. So war es. Aber Walter saß nicht, sondern hing in seinem Sessel, den Kopf vornüber gebeugt. Gabriella sprach ihn laut an. Er reagierte nicht. Die Krankenschwester sah sich wie eine Spurenermittlerin um. Da lag der Pen. Die Abenddosis an Insulin war korrekt eingegeben worden, wie ihr ein Blick auf das Sichtfeld der Ampulle verriet. Er hatte also das Insulin gespritzt. Aber sie sah weder ein Getränk noch etwas zu essen auf dem Tisch.
»Herr Steinbrecher. Walter! Hören sie mich.« Gabriella tastete nach dem Button des Sensors, den ihr Patient am Oberarm trug und hielt sein Handy an den Sensor. 42mg%. Sie bereitete die Glukagon-Spritze vor, die sie als Notfallset in ihrer Diensttasche immer mit sich führte.
»Was machst du, Gabriella?«, hörte sie die helle Stimme von Lennart, der dicht hinter ihr stand und sie beobachtete.
»Dein Opa hat zu wenig Blutzucker. Wenn er wach wäre, könnte ich ihm einfach ein Glas Cola geben oder Traubenzucker. Aber er schläft. Deshalb gebe ich ihm jetzt eine Spritze mit Glukagon. Dann rufen wir den Notarzt«, erklärte sie dem Kind. Dass Walter nicht nur schlief, sondern komatös war, musste der Junge nicht wissen. Gabriella verabreichte Walter Steinbrecher die Spritze und wählte dann die Nummer des ärztlichen Notdienstes.
»Guten Abend, Schwester Gabriella Ich bin bei einem Patienten im Farnweg 17. Herr Steinbrecher ist insulinpflichtiger Diabetiker. Ich habe Glukagon gespritzt, weil er nicht ansprechbar ist. Aber er braucht vielleicht zusätzlich Glucose. Könnten Sie bitte schnell jemanden schicken?«
»Natürlich. Farnweg 17, Steinbrecher. In zehn Minuten müsste jemand da sein.«
»Danke«. Sie legte auf und kümmerte sich wieder um ihren Patienten. Zugleich erklärte sie Lennart, was er tun konnte.
»Schalte das Licht im Flur an und mach die Tür auf, damit der Notarzt und die Sanitäter gleich wissen, wohin sie gehen müssen. Es war schon fast dunkel und der Weg zum Haus wegen der Tannen stockdunkel, wusste die Krankenschwester. Sie legte Walter Steinbrecher eine Decke über und versuchte ihn bequemer zu lagern. Sie wollte in nicht aus seinem Sessel zerren, um ihn in eine stabile Seitenlage zu bringen, wie sie es getan hätte, wenn er bereits am Boden gelegen hätte. Der Notarzt würde ihm einen venösen Zugang legen wollen und Glucose als Infusion geben. Das vermutete sie und kontrollierte noch einmal seinen Zucker. Das Display zeigte 47mg%. Besser als vorher, aber immer noch zu wenig. Das Glukagon sollte eigentlich den Speicherzucker in der Leber freisetzen, aber die Wirkung hatte noch nicht im gewünschten Maße eingesetzt.
»Hat dein Opa zu Abend gegessen, Lenny?«, fragte sie den Jungen, der von seinem Auftrag zurück war und sie fragend ansah.
»Nein, ich glaube nicht. Opa sagte, dass er heute gar keinen Hunger hätte. Aber dann hat Papa angerufen und sie haben lange gesprochen. Opa hat sich aufgeregt. Ich glaube, sie haben gestritten. Ich bin rausgegangen, weil ich das nicht mag, wenn Opa und Papa streiten.«
»Hm, verstehe Lenny. Du hast also nicht gesehen, dass dein Opa etwas gegessen hat?«
»Nein, ich habe ja auch nichts gegessen. Und wir essen immer zusammen.«
»Sind wir hier richtig?«, drang eine tiefe Stimme zu ihnen in den Salon.
»Ja, kommen Sie bitte. Wir sind hier!«, rief Gabriella laut, damit das Notfallteam am Klang ihrer Stimme hörte, wo sich die Krankenschwester befand. Die alte Stadtvilla war etwas eigenwillig in der Aufteilung der Zimmer, was an verschiedenen Umbaumaßnahmen lag, die das alte Gebäude schon erlebt hatte. Auch Gabriella hatte sich anfangs immer verlaufen. Doch die Sanitäter fanden den Weg in den Salon und die Notärztin war kurze Zeit darauf auch zur Stelle. Gabriella erklärte ihr, was sie wusste, bereits getan hatte und die mögliche Ursache der plötzlichen Erkrankung.
»Ich habe den Patienten Walter Steinbrecher mit einem Blutzucker von 42mg% bewusstlos aufgefunden und deshalb Glukagon gespritzt. Sein Enkelsohn hat mir gesagt, dass sein Opa heute Abend nichts gegessen hat, aber er muss die Abenddosis von Insulin gespritzt haben. Sein Pen zeigt die Dosis an und Herr Steinbrecher ist sehr genau. Ich habe noch nie erlebt, dass er vergessen hat, Insulin zu spritzen.«
»Aber er scheint vergessen zu haben, zu essen«, stellte die Notärztin lakonisch fest. Sie streifte schon den Hemdärmel von Walter zurück, um eine Kanüle zu legen.
»Wie ist der Blutzucker aktuell?«, fragte sie die Krankenschwester. Gabriella hielt abermals das Handy an den Sensor.
»52 mg%. Das Glukagon scheint zu wirken, aber das reicht noch nicht.«
»Nein, das ist nicht genug. Auf 100 mg% müsste er schon kommen. Vielleicht reicht der Speicherzucker in der Leber nicht. Wir werden Glucose verabreichen und ihn natürlich mit in die Klinik nehmen. Zur Stabilisierung und zur Beobachtung«, erklärte die Notärztin. Gabriella nickte. Das hatte sie so erwartet. Während einer der beiden Sanitäter die Infusion vorbereitete, fragte die Ärztin, was mit dem Kind sei.
»Lebt der Junge bei seinem Opa?«
»Nein, ich lebe bei meinem Papa. Aber der ist oft unterwegs. Er ist nämlich Pilot. Dann bin ich bei meinem Opa«, erklärte Lennart der Ärztin, als er hörte, dass über ihn gesprochen wurde.
»Aha, so ist das. Und jetzt ist dein Papa gerade nicht da? Wann kommt er denn wieder?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Lennart zaghaft, weil er ahnte, dass diese Antwort Konsequenzen haben würde.
»Könnten Sie die Polizei oder das Jugendamt benachrichtigen, Schwester Gabriella?«, fragte die Ärztin. Lennart griff sogleich nach Gabriellas Hand, was die Ärztin aber nicht registrierte. Sie musste sich konzentrieren. Aufgrund der ausgeprägten Schocksymptomatik, die durch die Unterzuckerung hervorgerufen worden war, konnte sie bei Walter Steinbrecher zunächst keine geeignete Vene für die Kanüle finden.
»Versuchen Sie es links. Da nehme ich ihm auch immer Blut ab«, gab Gabriella der Ärztin einen Tipp.
»Danke … So, jetzt habe ich eine schöne Vene gefunden«, lobte die Notärztin sich selbst und schloss kurz darauf die Glucose-Infusion an. Jetzt konnte es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis sich der Patient langsam aber stetig erholte.
Unterdessen telefonierte Gabriella mit der Polizei, die sich ihrerseits mit dem Jugendamt in Verbindung setzen wollte.
»Wir würden jetzt mit Herrn Steinbrecher in die Klinik fahren. Dürfte ich es Ihnen überlassen, sich um die Unterbringung von dem Kind zu kümmern?« Sie sah Gabriella an, als sei es eine Ehre für Gabriella, diese wichtige Aufgabe übertragen zu bekommen. Gabriella zog die Augenbrauen hoch und blickte die Ärztin erstaunt an.
»Ich bin nicht die Privatangestellte von Herrn Steinbrecher. Ich bin Gemeindeschwester und habe Bereitschaft.«
»Ach so. Dann will ich mal hoffen, dass die Nacht ruhig bleibt, zumindest solange der Junge noch nicht untergebracht ist«, verabschiedete sich die Ärztin scheinbar verständnisvoll. In Wirklichkeit ging sie davon aus, dass eine Gemeindeschwester nicht so viel zu tun und durchaus Zeit hätte, sich um das Kind zu kümmern. Gabriella war baff, als kurz darauf auch die Sanitäter mit Walter Steinbrecher auf der Rolltrage durch die Tür verschwanden und sie realisierte, dass Lennart immer noch oder schon wieder ihre Hand hielt.
»Wieso Polizei? Muss ich ins Gefängnis?«, fragte der Junge und blickte zu der hübschen Krankenschwester mit den goldblonden Haaren und den grünen Augen hoch.
»Aber nein, Lenny. Die Polizei muss informiert werden, wenn ein Kind ohne Aufsicht ist. Das Jugendamt wird informiert und dann findet sich eine Lösung. Es ist ja nur für eine Nacht oder zwei. Papa kommt sicher bald zurück und dein Opa wird auch schnell wieder gesund werden«, beruhigte sie das Kind. Tatsächlich kannten sich Lenny und die Gemeindeschwester schon etwas länger, da Lennart oft bei seinem Großvater war. Gabriella kannte die genauen Hintergründe nicht. Wo war Lennys Mutter? Sie wusste nur, dass Lennys Vater als Pilot oft tagelang unterwegs war. Sie hatte den Jungen deshalb schon oft angetroffen, wenn sie ihren Patienten Walter Steinbrecher besuchte. Erst neulich hatte sie gedacht, dass der Junge bei dem alten Bankdirektor, der sich am liebsten über die neuesten Börsennachrichten unterhielt, nicht so gut aufgehoben war. Walter Steinbrecher liebte seinen Enkel, aber wieso hatte der Junge keine gleichaltrigen Freunde? Das hatte Gabriella im Stillen gedacht. Aber eigentlich ging sie das ja nichts an. Lennys Vater hatte sie jedenfalls noch nie gesehen.
»Hast du Hunger, Lenny?«, fragte sie den Jungen.
»Ja, ein bisschen«, gab er zu.
»Dann schauen wir mal, ob wir in der Küche etwas zu essen finden«, sagte sie betont munter. Doch in der Küche erlebte sie eine weitere Überraschung. Der Kühlschrank war nahezu leer und das Brot im Brotkasten vertrocknet. Sie suchte weiter nach etwas Essbarem und fand Haferflocken. Die konnte man zur Not auch mit Wasser aufkochen.
»Ich mach dir einen Porridge, Lenny. Das ist etwas ganz Feines. In England isst man das zum Frühstück.«
»Wirklich?«, fragte Lenny in einem sehr skeptischen Tonfall. Aber die Gemeindeschwester hatte auch noch eine Tüte verklumpten Zucker gefunden und bereitete im Handumdrehen einen Haferbrei zu. Hauptsache war, dass der Junge etwas in den Magen bekam.
»Schmeckt wirklich ganz gut«, behauptete Lenny tapfer und tauchte seinen Löffel in den gräulichen Brei. Gabriella lächelte, war aber in Gedanken woanders. Der Zustand von Walter Steinbrecher hatte sich unmerklich, aber drastisch verschlechtert. Bis vor Kurzem hatte der alte Herr seinen Haushalt allein bewältigt. Walter Steinbrecher konnte ganz gut kochen und der Kühlschrank war immer gefüllt gewesen. Gabriellas Aufgabe bestand lediglich in einer regelmäßigen Kontrolle des Quick-Wertes, weil Herr Steinbrecher einen Blutverdünner einnahm. Sie kontrollierte seine Blutzuckerwerte und den Blutdruck. Aber es gehörte auch zu ihren Aufgaben den Allgemeinzustand des Patienten zu beurteilen und da war ihr offenbar etwas entgangen. Sie war erst gestern bei ihm gewesen. Da schien ihr noch alles in Ordnung gewesen zu sein. Auf Nachfrage hatte Herr Steinbrecher jedenfalls behauptet, sich jung und fidel zu fühlen. Natürlich wusste Gabriella, dass insbesondere ältere Herren gegenüber einer jungen Krankenschwester ungern zugaben, etwas nicht zu können, sich überfordert zu fühlen oder gar Hilfe zu brauchen. Sie pochten auf ihre Selbstständigkeit und übertrieben gerne ihre angebliche Fitness. Gabriella musste sich schon selbst ein Bild machen. Aber gestern war ihr nichts aufgefallen. Sie wurde plötzlich durch einen schrillen Klingelton aus ihren Gedanken gerissen. Lenny hörte auf zu essen und lauschte.
»Kommen sie mich jetzt holen?«, fragte er mit bangem Blick.
»Aber nein, niemand kommt dich holen …«, behauptete die Gemeindeschwester, ging zur Tür und öffnete zwei Männern, von denen der ältere eine Aktentasche trug und der andere jung, sportlich und sehr sympathisch aussah.
»Guten Abend. Lutz Kerner, vom Jugendamt und das ist Dominik von Wellentin-Schoenecker, der Besitzer des Kinderheims Sophienlust.« Der Jugendamtsmitarbeiter wies auf den jungen Mann an seiner Seite, der Gabriella freundlich anlächelte.
»Gabriella Auweiler. Kommen Sie doch herein. Wir sind in der Küche. Lenny isst gerade etwas …« Sie ging vor und die beiden Herren folgten ihr. Doch als sie zu dritt in der Küche standen, war von Lenny nichts zu sehen.
»Nanu, eben war Lennart noch hier«, stellte die Gemeindeschwester verblüfft fest. Sie sah die beiden Männer irritiert an. Der ältere Mann, der sich als Jugendamtsmitarbeiter vorgestellt hatte, blieb gelassen.
»Erzählen Sie doch zuerst mal, was überhaupt passiert ist, damit wir uns ein Bild machen können«, schlug Herr Kerner vor. Er ahnte, dass der Junge Reißaus genommen hatte, aber noch in der Nähe war.
»Ja, also …« Gabriella begann stockend von dem Einsatz bei Lennarts Opa zu erzählen, weil sie immer noch irritiert war, dass sich Lennart offenbar versteckt hatte.
»Zu der familiären Situation kann ich ihnen leider nichts Genaues sagen. Ich bin ja nicht Lennys Nanny, sondern kümmere mich als Gemeindeschwester um Walter Steinbrecher«, beendete sie ihre Ausführungen.
»Der Vater von Lennart ist also Pilot? Dann kommt er doch sicher in wenigen Tagen zurück«, warf Dominik von Wellentin-Schoenecker ein. »So lange kann der Junge gerne bei uns bleiben. Wir haben in Sophienlust viele Kinder, die sich immer freuen, ein Gastkind kennenzulernen. Und wir haben viele Tiere. Pferde und Ponys, Hunde, Papageien.« Der Besitzer von Sophienlust hatte etwas lauter gesprochen. Dominik vermutete, dass Lennart in der Nähe war und lauschte. Tatsächlich lugte der Junge plötzlich hinter einem Vorhang hervor.
»Ponys und Hunde gibt es in dem Heim?«, fragte er nach.
»Ja, genau. Schön dich kennenzulernen, Lennart. Ich bin Nick.« Der Besitzer des Kinderheims stellte sich gleich mit dem Namen vor, den jeder in Sophienlust für ihn verwendete. Lutz Kerner grinste und beglückwünschte sich insgeheim zu seiner Idee, Dominik von Wellentin-Schoenecker mit ins Boot geholt zu haben. Er hätte den Jungen auch einer Pflegefamilie anvertrauen können, aber mit Sophienlust hatte er bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Gabriella atmete auch auf. Sie hätte nicht gerne die alte Stadtvilla mit den unzähligen Zimmern auf den Kopf stellen mögen, um Lennart zu finden. Während sich Nick weiter mit Lennart bekannt machte, wollte der Mann vom Jugendamt wenigstens eine Telefonnummer von Lennarts Vater haben.
»Sie wissen doch sicher, wo Walter Steinbrecher wichtige Adressen und Telefonnummern aufbewahrt.«
»Ja, in seinem Handy. Aber das wird … Moment …« Sie ging in den Salon und sah es dort auf dem Beistelltisch liegen. »Hier ist es.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob wir an die Nummern kommen oder ob das Handy gesperrt ist.«
Gabriella fragte sich für einen Moment, ob der Mann vom Jugendamt das durfte. Aber Lennarts Vater musste schließlich informiert werden, wo sein Sohn war.
»Das müsste die Nummer sein. Michael Steinbrecher …«
»Ja, mein Papa heißt Michael«, rief Lennart.
»Wollen wir ihn mal anrufen?«, fragte Lutz Kerner.
»Ja, aber wenn er fliegt, dann geht er nicht an sein Handy. Das darf er nämlich nicht«, wusste Lenny.
Tatsächlich war nur die Mailbox dran. Lutz Kerner sprach eine kurze Nachricht auf die Mailbox und gab seine Dienstnummer an.
»Möchten Sie das Handy an sich nehmen, Schwester Gabriella?«, fragte sie Lutz Kerner.