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Der Anfang Dezember 1947 verfasste Gruß wurde in der japanischen Übersetzung in Asahi Shimbun veröffentlicht, der führenden Zeitung in Japan, deren Schweizer Korrespondent auf Thomas Mann zugekommen war. Obwohl eine japanische Gesamtausgabe erst 1971-1972 erschien, hatten die Werke Manns dort bereits zahlreiches Publikum gefunden. Er selbst hatte neben einem allgemeinen Interesse an japanischer Ästhetik und Kultur (das in Europa im frühen 20. Jahrhundert überhaupt neu aufgelebt war) auch einen persönlichen Bezug zu dem Land: Das japanische Ehepaar, das eine Zeitlang im Hause der Familie in Pacific Palisades lebte um den Haushalt zu besorgen, hatte offenbar überaus positive Eindrücke hinterlassen: »Nie haben wir angenehmere, reinlichere, höflichere, kultiviertere Helfer gehabt, als diese.« Klaus Pringsheim, der Bruder Katia Manns, hatte zudem längere Zeit in Japan gelebt und der Familie seine ebenfalls erfreulichen Erfahrungen geschildert.
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Seitenzahl: 14
Thomas Mann
Ein Neujahrsgruß an Japan
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
Daß die große japanische Zeitung »Asahi Shimbun« mir durch ihren Schweizer Korrespondenten den Wunsch aussprechen ließ, ihrer zahlreichen Leserschaft einen Neujahrsgruß von mir zu übermitteln, war mir eine Ehre und Freude. Die Sympathie, die sich in diesem Wunsche ausdrückt, empfinde ich als glückliche Erwiderung meiner eigenen für ein fernes Menschentum, eine alte, noble Kultur, die zu stilkräftig und pittoresk ist, als daß sie nicht jeden Europäer früh beeindrucken und einen stark dekorativen Teil seines Weltbildes bilden sollte.
Wo war das deutsche Bürgerhaus, das europäische überhaupt, dessen Innenzier nicht von japanischer Gerätekunst und Keramik profitiert hätte, in dessen Speisezimmer oder Salon nicht irgendein feines Lackschränkchen, eine Theebüchse, ein Porzellan Service, eine Schale mit Emailmalerei aus dem fernen Inselreiche aufgestellt und in täglichem Gebrauch gewesen wären? War es reich und kunstliebend, ein solches Haus, so schmückten Farbholzschnitte der berühmten japanischen Meister, eines Moronobu oder Utamaro, die Wände. War es freundlich der Literatur und Dichtung, so fehlten in seinen Bücherschränken nicht Übersetzungen japanischer Lyrik aus früheren Jahrhunderten, deren sublimer Zartheit gewisse, aufs Ost-Asiatische spezialisierte deutsche Literaten und Sprachkünstler mit einfühlender Liebe gerecht zu werden suchten.
So kam ein Sprößling der gebildeten Stände eines europäischen Landes früh mit japanischem Lebensstyl, ja mit japanischer Gefühlsweise in Berührung. Lose Bilder zum mindesten, wenn auch kein zusammenhängendes Bild, von der Landschaft, den Sitten Nippons waren ein Besitz unserer Phantasie. Die sonderbare Bergpyramide des Fudschijama; Tempelhöfe {349}