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Ein Erfahrungsbericht aus Island, welcher durchaus als Reiseführer Verwendung finden kann. Ihr könnt den Fimmvörðuháls sowie den Laugavegur auf meinen Spuren wandeln. Erfahrt, wo ihr Brennstoff erhält, welches Zelt perfekt ist, wie ihr die Flüsse überquert und welch Zeitgenossen euch auf diesem Weitwanderweg begegnen könnten. Erlebt den Kampf mit den Elementen auf einem der weltweit schönsten Trekkingpfade. Kommt Island so nah, wie es keine Fernsehdoku vermitteln kann. Vertraut nicht dem Versprechen des Reisebüros, werdet euer eigener Reiseleiter.
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Seitenzahl: 139
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Roman Alexander Bolli
Ein Schaffhauser auf dem Laugavegur
Mit dem Zelt zwischen Eis und Feuer
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Vor der Reise
Ab in die Lüfte
Skógar - Fimmvörðuskáli
Fimmvörðuskáli - Básar
Þórsmörk - Emstrur
Emstrur - Álftavatn
Álftavatn - Hrafntinnusker
Hrafntinnusker - Landmannalaugar
Schluss
Ich packe in meinen Rucksack
Danke und viel Spass
Impressum neobooks
Schon zum zweiten Mal fühle ich mich berufen, meine Reiseerfahrung einem grossen Publikum zu präsentieren.Warum eigentlich "Ein Schaffhauser auf...".Viele Menschen reisen und gar mancher noch viel weiter, als ich es jemals werde. Auch unter den Schaffhausern. Doch unter selbigen findet man nicht wenige, welche den Rheinfall, unseren Wasserfall wohlgemerkt, als Anfang, Zentrum und Ende des Universums sehen. Nach diesem Wasserfall kommt nichts mehr und wenn doch, dann wollen wir in unserem kleinen Kanton nichts davon wissen. Auch ich war einer von diesen. Und mit dem Gefühl, ein wenig aus diesen Schuhen herausgewachsen zu sein, nehme ich mich mit diesem Titel selbst auf den Arm.
Ihr werdet es wiederholt lesen, ich schreibe keinen Reiseführer.Die Gefahr, dass der geschätzte Leser aus einer Gletscherspalte gezogen wird, triefend, halb erfroren aber unbeirrt den Finger auf einer Zeile in meinem Buch "Aber er hat da geschrieben, dass...." ist mir einfach zu gross. Und nebenbei fehlt mir die Musse, wertvolle Informationen wie die Öffnungszeiten der Öllampenmanufaktur in der Winkelgasse zu recherchieren um ein vollumfängliches Informationswerk zu schaffen.
Euch lockt das Trekking auf dem Laugavegur, dann habt ihr ein unterhaltsames, wertvolles Nachschlagewerk zur Hand. Ihr wollt einfach eine hübsche Reiseerzählung lesen, dann ertappt ihr euch nach der letzten Seite dabei, wie ihr 'Trekkingzelt Shop' googelt. So meine Erfahrung nach "Ein Schaffhauser auf dem West Highland Way" (ISBN: 9783738042405), als mir Leser schrieben, sie würden den WHW nun in Angriff nehmen, oder gar nach dem Lesen meines Buches nochmals gehen.
Für zusätzliche Infos schreibt mir, ebenso, wenn ihr die Daten für Euer GPS oder einfach zum virtuellen Reisen auf Google Earth wünscht.In diesem Sinne wünsche ich Euch, geschätzte Leserinnen und Leser, liebe Trekkingfreunde, viel Spass.
Und dieses Mal sollte alles anders werden.Island war das Ziel. Bevor es populär wurde, mit erhobenem Zeigefinger. Es lag mir sehr daran, mich und das komplette Umfeld wiederholt darauf hinzuweisen. Bin doch nicht Mainstream. Im Zuge der europäischen Fussballmeisterschaft wurde das Interesse der Festlandbewohner an den Nachkommen der Wikinger geweckt.Böse, witzige, Zungen behaupteten, die Nationalmannschaft trainiere auf dem Parkplatz eines regionalen Supermarktes. Abends, weil da keine Autos stehen und die Spieler tagsüber während der drei Sonnenstunden ihrem regulären Job nachgehen. Also dem Fischen und fahren des Touristenbusses. Sie spielen auf ein Tor mit halben Mannschaften. Weil da eben nur ein Tor steht und sie keine zweiundzwanzig Mann zusammenkriegen. Gut, erstunken und erlogen, vielleicht abgesehen von der Jobsache. Die isländischen Kicker gehen neben dem Fussball wirklich einer vernünftigen Arbeit nach. Nun, als die Isländer sich bis ins Viertelfinale kämpften, spielten sie sich auch in unsere Herzen. Weil sie eben anders spielen. Nicht die Grazie einer portugiesischen Ballerina, eher die Anmut von Eisbären.
Die eine oder andere Gattin, zum Fussballgenuss genötigt, fand gar Gefallen an diesen Wikingern mit Zottelbart. Welch Gegensatz zu Fussballern mit gezupften Augenbrauen und rasierten Waden.In der Fankurve brunftige Schreie und wuchtiges zusammenschlagen imaginärer Streithämmer
Nun denn, in Island wurde jedes Hotelbett doppelt gebucht, jeder wollte plötzlich auf dieses wilde Eiland zwischen Arktischem Ozean und Nordatlantik. Ohne wirklich zu wissen, warum denn eigentlich.
Mein Beweggrund war in erster Linie der Norden. Dann trifft die Schuld noch ein wenig Walter Mitty, respektive, die Verfilmung von 'The Secret Life of Walter Mitty' warum ich Island in Betracht zog. Rekognoszieren, wenn man so will, ich arbeite daran, als erster europäischer Klimaflüchtling im Umfeld des Polarkreises um Asyl zu bitten.Schweden war in der engeren Auswahl. Bis ich feststellte, dass ich Ausgangs Flughafen einen Bus besteigen würde und beim Verlassen desselbigen schon die Hälfte des Urlaubs durch hätte. Island wirkte eine Idee kompakter, im speziellen bezüglich meines ausgewählten Trekkingpfades.
Die Würfel waren gefallen, ich würde den Laugavegur gehen. Den gefährlichsten Trekkingpfad der Welt, wenn man dem Trekkingführer und Internetblogs glauben möchte. Führende Internetblogs, wenn man die Google-Suche als Massstab nehmen möchte. Im Zweijahresrhythmus segelt ein Wanderfreund in eine Gletscherspalte, verläuft sich im Nebel, gart sich selber in einer heissen Quelle oder ersäuft ganz unspektakulär. Dies ist ungünstig für die Insel. Wenn man nur drei Monate im Jahr Touristen melken kann, setzt man natürlich darauf, diese Kuh nicht vorzeitig zum Schlachter zu führen. Deswegen geben die Isländer einige Verhaltensregeln aus.Darauf werden wir im Verlauf dieses Buches noch stossen.
Der treue Leser stellt fest, im Gegenzug zu meiner letzten Trekkingtour setzte ich mich bereits im Vorfeld intensiver mit dem Vorhaben auseinander.Siehe 'Ein Schaffhauser auf dem West Highland Way', als ich mir meine Sporen abverdiente.
Mit eines der grossen Probleme bei den Schotten war meine überdimensionierte Packung. Nicht nur deren ausladendes Volumen, insbesondere das Gewicht brachte meine Schultern an den Anschlag.
Ich entschloss mich beim Zelt den Hebel anzusetzen. Nicht, dass meine bisherige Behausung unzulänglich gewesen wäre, aber ein neues Zelt geht eigentlich immer. Die Auswahl ist auch zu verführerisch. Gerade im Bereich Leichtgewicht oder gar Ultra-Leichtgewicht wird der belastete Trekkingfreund umgarnt. Eine Behausung mit einem Komplettgewicht von weniger als einem Kilo. Dies muss man sich einmal vorstellen. Ein Zelt mit Gestänge, Heringe und Tüte wiegt weniger als eine vernünftige Packung Speiseeis.Während man beim Elektro-Discounter ums Eck ein kleines Igluzelt als Gimmick zum Six-Pack Bier erhält - welches wiederum ein Goodie für den USB-Stick ist, man muss den Schein des Unterhaltungselektronik-Spezialisten wahren -, bezahlt man beim Outdoorhändler bei vollem Bewusstsein weniger für mehr. Da kratzt man schnell am Bereich der vierstelligen Summen.
Wie immer halte ich nicht mit der Angabe von Herstellern zurück. Wohl werde ich nicht gesponsert, obwohl Salewa ob meiner Fotos ausserordentlich entzückt war und ich kann nun weniges weniger gut als fotografieren, aber es erleichtert dem enthusiastischen Nachahmer bei der Erstellung seiner Packung. Es ist ja nicht auszuschliessen, dass einer eins zu eins in meinen Stapfen gehen will. So gross sind die Schuhe nicht.
Nordisk, die Marke mit dem Eisbären im Logo, machte das Rennen. Mein bevorzugter Hersteller, Salewa, hatte gerade nichts neues im Angebot und mit den Dänen machte ich bisher gute Erfahrungen. Der Unterschied von Ultra-Light zu Light betrug knapp 200 Gramm, die Gewichtsersparung würde mit Carbonstangen anstelle der Aluminium-Stützen erreicht werden. Die Reduktion liess sich Nordisk im Gegenzug in Gold aufwiegen, weswegen ich eine überraschende Vernunft an den Tag legte und mich für die Leicht-Variante entschied.
Eine Konstruktion muss als Ganzes bestehen, daher ist das Tunnelzelt auf Heringe angewiesen, welche solide abgespannt werden wollen. Dies geht schon in Ordnung. An und für sich. Bis ich auf die Zeilen in meinem Reiseführer stiess, welche darauf hinwiesen, dass aufgrund des Untergrundes der Zeltaufbau bisweilen etwas Improvisationsgeschick erfordert. In solide Lava kriegt man Heringe schlecht eingerammt und aus Aschehaufen gleiten die Erdnägel wieder raus, kaum lässt man die Zeltschnur aus den Fingern.Selbstverständlich gewann ich diese Erkenntnis erst, als mein Postbote mit der Handvoll Zelt bereits um die Ecke bog.
Nun, musste eben mein bisheriges Zelt hinhalten. Die üblichen 2,3 Kilogramm.
Ich wandte mich einem neuen Thema zu.Trekkingfreunde, welche bisweilen das Flugzeug als Transportmittel nutzen, kennen das Problem. Eine Packung Streichhölzer oder ein Feuerzeug sind geduldet, sofern man diese im Handgepäck und nicht im aufgegebenen Rucksack befördert. Nur kriegt man mit einem Feuerzeug keine Tasse Kaffee warm, weswegen man einen Brenner mitführt, welcher seinerseits nach einem gewissen Brennstoff dürstet.Man kann sich in der Abflug- und oder Ankunftshalle mit Chanel Nummer 5 oder einem kleinen Eimer M&Ms ausrüsten, doch kein bekannter Zielflughafen, bestätigten mir erfahrene Rucksack-Reisende, bietet Outdoor-Artikel feil.Nun suche man einmal am Sonntag Abend eine Gasflasche. Auch wenn man sich in der grössten Stadt Islands befindet, auch hier schliessen die Outdoorläden irgendwann. Ist ja auch in Ordnung.
Meine Lösung, Benzin. Benzin kriegt man schliesslich überall. Im Extremfall springt ein Schlauch und ein Pfefferminzbonbon in die Bresche.Der amerikanische Hersteller MSR ist ein Garant für Qualität und bietet tolle Artikel feil. Je nach Ausführung kann man den Brenner mit Diesel betreiben, oder in meiner Ausführung, mit Autobenzin, Reinbenzin und, nach einem Tausch der mitgelieferten Düse, mit Kerosin. Bevor ihr nun mit Schlauch und Pfefferminzbonbon unter die Flugzeugtragflächen krabbelt, unter dem Begriff Kerosin wird in anderen Ländern Petroleum vertrieben.
Die Benutzung eines Benzinkochers will geübt werden. Nicht zuletzt vermitteln die unzähligen Warnhinweise das Gefühl, man hantiere mit waffenfähigem Plutonium.
Zwei Wochen vor Abreise entschloss ich mich, den Rucksack zu ersetzen. Eine Luxusentscheidung, wenn man so will. Es ergab sich, dass ich kürzlich in militärischer Funktion einen Rucksack in siebzig Liter-Ausführung der Schweizer Marke Mammut tragen musste. Durfte. Im Grundsatz patriotisch bis in die Zehenspitzen, verweigere ich mich nach Möglichkeit diesem Lieferanten. Nachdem der Produktsupport meine wiederholten Anfragen in durchwegs kaufwilliger Absicht wiederholt, ich möchte sagen böswillig, ignorierte, keimte der Verdacht, dass ich im Fall einer Beanstandung ganz bestimmt auf weiter Flur in eine dunkle Schlucht brüllen würde. Jeglichen Echos beraubt. Glücklicherweise steht dem Outdoor-Enthusiasten eine geradezu erschlagende Menge an Herstellern und Lieferanten zur Verfügung. Bisweilen sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich darf erwähnen, dass gerade Salewa oder North Face die Chance packt, mit kompetentem After-Sale-Support einen Kunden zu begeistern.Der Unzufriedenheit mit der Hersteller-Firma zum Trotz, musste ich dem Rucksack einen gewissen Tragekomfort zugestehen. Massgeblich durch die schmale, jedoch hohe Bauform. Mein bisheriger Lieferant hat Aussentaschen in das Gesamtvolumen einbezogen. Dies sind dann die Rucksäcke mit der Bezeichnung plus irgendwas. Also etwa 60+10. Aussentaschen sind was feines, nur kriegt man in eine fünf Liter-Aussentasche weder einen Schlafsack noch eine Isomatte rein. Und stopft ihr sie dennoch voll, wirkt ihr wie ein Packesel mit Überbreite. Dennoch bleibt der Hersteller meines Vertrauens diesem Prinzip treu und das neuste Modell wirkt wie ein Hamster mit gefüllten Backen.Spätestens bei knappen Passagen, wie auch in Türen von öffentlichen Verkehrsmitteln, würdet ihr euren Kauf verfluchen denn, wenn ich von mir auf alle schliessen darf, egal welches Packungsvolumen ihr wählt, ihr werdet es füllen. Liegt in der Natur der Sache, da man die Packliste auf die Rucksackgrösse zusammenstreicht.
Ich werde im Anhang eine praktische Packliste aufführen. Dieses Werk soll nicht in Konkurrenz mit Reiseführern stehen, sondern in erster Linie unterhalten. Allenfalls mit einem nützlichen Beigeschmack.Und sind wir ehrlich. Die Abschnitte Land und Leute, Kultur, Geografie und welche Kategorien in gelobten Reiseführern noch alle gepflegt werden, liest ihr sowieso erst in einer ruhigen Minute. Einer langweiligen. Wenn auf dem stillen Örtchen kein Smartphone zugegen ist.
Wie Vicco von Bülow alias Loriot schon bemerkte, es ist an sich völlig unmöglich, dass sich ein Polstersessel in die Lüfte erhebt. Vielleicht bin ich deswegen gezwungen, meinen Hintern auf einem mit Kunstleder überzogenen Klappstuhl zu platzieren. In einer Boing 757-200. Obwohl es in meinem Fall keine Rolle spielt, welches Werk die Maschine gebaut hat, schon vor dem Start beginnt meine Kehrseite zu schmerzen. Man windet sich auf diesen null-Komma-eins-sechs Quadratmetern wie ein Aal auf dem Trockenen. Versucht die Beine irgendwo zu platzieren, da Flugzeughersteller aller Kontinente nicht davon ausgehen, dass jemandes Beine länger als 50 Zentimeter gewachsen sind. Wenigstens war mir das Glück hold und ich konnte beim Check-In eine Sitzgelegenheit am Fenster reservieren. Nicht, weil ich so unglaublich gerne rausgucke, aber man kann den Kopf an der Seitenwand anlehnen und in einen Schlaf-Wach-Dämmerzustand verfallen. Während man sein Handgepäck mit den Füssen malträtiert und die M&Ms auf den Boden kullern. M&Ms gehören zu meinem Flug-Rundum-sorglos-Paket. Irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben.Sobald wir Zürich, den Nebel und die Wolken verlassen hatten, begrüsste mich die Sonne. Und heizte meinen Fensterplatz auf muggelige gefühlte dreissig Grad. Meine Outdoor-Hose büsste dank einer halben Dose Imprägnierungs-Spray etwas von ihrer Atmungsaktivität ein, was den Komfort auch nicht erhöhte. Die "ich-will-rausgucken"-Sitznachbarn ignorierend - ich verstehe je nach Situation kein Wort deutsch - zog ich unter international unmissverständlichem "Ooooch" die Sonnenblende runter. Sofort erreichte die gelobte Sonnenblende die Temperatur eines Bügeleisens und ich wurde meiner notdürftigen Schlafgelegenheit beraubt. Nebst eBook-Reader und allerlei elektronischem Krimskrams befand sich in meinem Handgepäck auch ein impulsiv erstandenes Nackenkissen. Platzsparend aufblasbar. Aber irgendwie... nein; Nackenkissen tragen Damen bei einer Wärmedecken-Verkaufsfahrt in den malerischen Schwarzwald. Ein richtiger Mann holt sich eine ordentliche Verspannung und sabbert mit unkontrolliert schlenkerndem Kopf in des Nachbarn Schoss.Selbstverständlich hatte ich das Nackenkissen auch wieder auf dem Rückflug im Rucksack. Trotz des unsinnigen Ballasts trug ich einen der kleinsten Beutel in den Flieger. Eigens für Flugreisen mit Trekking-Gepäck habe ich mir dereinst einen Minirucksack erstanden. Also in männlich potent, nicht einer dieser KAPPA-Beutel, welcher seit einer schweizweiten Sticker-Sammel-Aktion des zweitgrössten Detailhandelsunternehmer in jedem zweiten Schweizer Haushalt rumliegt. Ich entschied mich für einen Rucksack, welchen man bis nahezu zur Selbstauflösung zusammenknüllen und wundersam in der Trekkingpackung verschwinden lassen kann. Eine Wanderkollegin trat selbstbewusst mit einer Aldi Süd-Tüte durch die Zollkontrolle, hauptsache klein und kompakt.Der Rucksack, oder die Aldi-Tüte, verkörpert dies, was ich unter Handgepäck verstehe. Es ist immer wieder erstaunlich, was hier alles in den Flieger geschleppt und trotz genauer Vorgaben vom Personal geduldet wird. Hinter mir stürmte ein Mann mit Kinderwagen durch die Gangway. Nicht in etwa unter peinlich berührt gestammelten Entschuldigungen sondern nach dem Motto, lasst mich durch, ich schiebe einen Kinderwagen. Am Kinderwagen befestigt, ein Packungssystem welches einer ordentlichen DIN-Standard Wickelkommode Platz bieten würde. Zudem war er beladen mit drei grossformatigen Daunenjacken. Weil es in Fliegern ja so entsetzlich kalt ist. Oder er befürchtete, sein Gepäck würde bei der Ankunft direkt auf den Bordstein spediert. Etwa fünf Mitpassagiere vor mir diskutierte seine bessere Hälfte mittels hektischen Gesten mit dem Flugpersonal, verwies immer wieder auf den Gatten, welcher nicht so schnell durch die Passagiere pflügte, wie sie es begrüsst hätte. Zur Verdeutlichung für den offensichtlich begriffsstutzigen Maître de Cabine, ich mag den schweizerischen Ausdruck, begann er den mittlerweile notdürftig zusammengeklappten Stein des Anstosses gefährlich auf Kopfhöhe zu schwenken und manch Reisender begab sich intuitiv in Deckung. Dabei wies er lautstark in unbeherrschtem Tonfall die im Wege stehenden an, zur Seite zu treten, man würde ihn ja nicht sehen und es sei gerade jetzt wichtig, dass er gesehen würde. Keine Laienspielgruppe hätte dieses klischeebestätigende Spektakel besser inszenieren könnenSolch potentielle, menschliche Zeitbomben dürfen in die Kabine und mir verwehrt man 50ml Camping-Gas im Gepäck.Nicht fehlen darf natürlich die Jack Wolfskin-Delegation. Welche riesige, unförmige Rucksäcke mit sich schleppen, mit dessen flatternden Riemen Brillen von Nasen schlagen und schlenkernde Schnallen, welche den bereits sitzenden Fluggästen hässliche Schrammen auf Wangen zaubern. Gott weiss, wie sie diese Packungen durch die Kontrolle bringen. Steht beim Check-In doch stets ein Korb um die Dimension von Handgepäck zu prüfen.Das einzige erheiternde ist, wenn sie sich mit den Kofferbesitzern zanken, wer nun Anspruch auf den Stauraum über den Sitzreihen hat.
Ich habe nichts gegen Kinder. Im Grundsatz. Aber ein weiteres Klischee wurde bestätigt, als hinter mir in schrillem Tonfall die Langeweile heraus posaunt wurde, bevor überhaupt die Türen geschlossen waren. Papa meinte, ein wenig müsse sich der kleine Johann schon noch gedulden.Ich... will... nicht.... warten, schrie der kleine Johann. Nach der geschrienen Ouvertüre wurde jede dieser folgenden Silben mit stakkatohaften Tritten gegen meinen Sitz bekräftigt. Das Finale endete in einem epileptischen Gehoppse und Gezuckel. Die moderne Nanny, das iPad, wurde gestartet. Die Tasten schienen bereits Nougat- oder Marmeladeverklebt zu sein, in jedem Fall schien die Lautstärke nicht regulierbar. Fix eingestellt auf Stufe Presslufthammer. Und die Kopfhörer wohl im Frachtraum, weil ja unbedingt die Daunenjacken in das Handgepäck mussten. Weiteres Treten und Gekreische, mein Geduldsfaden war schon arg gespannt, bevor wir überhaupt in der Luft waren. In Anbetracht der knapp vier Stunden Reisezeit löste ich meinen Sitzgurt, erhob mich soweit es die obenliegenden Gepäckfächer erlaubten und drehte mich nach hinten. Zum rotgesichtigen Papa mit sehr rundem Kopf. "Sie kriegen DAS"; mit seitlichem Nicken in Richtung des kleinen Treter mit Kinder-Pingui-Flecken auf dem Spongebob-Pullover "schon in den Griff, oder? Sie sitzen ja nicht ganz alleine in diesem Flieger".Ich war überzeugt, hätte ich etwas lauter gesprochen, hätte ich Applaus geerntet. Doch meine dezente Art erreichte nur gerade die nebensitzende Mutter, welche vor Empörung in hektische Schnappatmung verfiel. Was mir eigentlich einfalle, mich dermassen über ihren Pingui-befleckten liebenswürdigen Schatz auszulassen, zetterte es, während sie dem Kleinen eine beruhigende Packung Goldbären zu öffnen versuchte. Ich unterstelle, wollte sie gewiss sagen. Angekommen ist nur ein vor Empörung zitternd hervor gestammeltes "Also... das... also... nei....".Ich sprach ein höfliches Danke aus und bekam während des Hinsetzens noch mit, wie der Gatte zusammengestaucht wurde, er hätte gefälligst die Frucht seiner Lenden zu verteidigen.