Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
9125 Tage saß Jake Parks hinter Gittern. Als er entlassen wird, ist die Welt jenseits der Mauern nicht mehr dieselbe. Alkohol ist landesweit verboten, Straßen durchziehen die Prärie, Städte wachsen in die Breite und in die Höhe. Den Wilden Westen, wie er ihn kannte, gibt es nicht mehr. Doch der alternde Revolverheld hat noch Rechnungen zu begleichen. Der Durst nach Rache führt ihn nach Chicago, wo sich der Mann, der ihn einst verraten hat, einer neuen Bande angeschlossen hat. Von der Mafia hat Jake Parks zwar noch nie zuvor gehört, aber Menschen, die ihre Probleme mit Waffen lösen, sind in dieser neuen Welt eine willkommene Erinnerung an bessere Zeiten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 255
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
In dieser Reihe bisher erschienen:
7001 Stefan Melneczuk Marterpfahl
7002 Frank W. Haubold Die Kinder der Schattenstadt
7003 Jens Lossau Dunkle Nordsee
7004 Alfred Wallon Endstation
7005 Angelika Schröder Böses Karma
7006 Guido Billig Der Plan Gottes
7007 Olaf Kemmler Die Stimme einer Toten
7008 Martin Barkawitz Kehrwieder
7009 Stefan Melneczuk Rabenstadt
7010 Wayne Allen Sallee Der Erlöser von Chicago
7011 Uwe Schwartzer Das Konzept
7012 Stefan Melneczuk Wallenstein
7013 Alex Mann Sicilia Nuova
7014 Julia A. Jorges Glutsommer
7015 Nils Noir Dead Dolls
7016 Ralph G. Kretschmann Tod aus der Vergangenheit
7017 Ralph G. Kretschmann Aus der Zeit gerissen
7018 Ralph G. Kretschmann Vergiftetes Blut
7019 Markus Müller-Hahnefeld Lovetube
7020 Nils Noir Dark Dudes
7021 Andreas Zwengel Nützliche Idioten
7022 Astrid Pfister Bücherleben
7023 Alfred Wallon Der Sohn des Piratenkapitäns
7024 Mort Castle Fremde
7025 Manuela Schneider Die Waffe des Teufels
7026 Rudolph Kremer Die Turmkammer der schreienden Alraune
7027 Alfred Wallon Heimtückische Intriegen
7028 Marco Theiss Ein Texaner gegen Chicago
7029 Uwe Niemann Das unreine Herz
7030 Nils Noir Damn Evil
7031 Rudolph Kremer Die Höhle des blauen Drachen
Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen
und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.
In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.
Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.
* * *
Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
Redaktion: Danny Winter
Grafik & Umschlaggestaltung: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
www.blitz-verlag.de
20.02.2025
ISBN: 978-3-68984-315-1
9.130 Tage
Freiheit
Relikte vergangener Tage
Trocken
Schöne neue Welt
Tom Wilbury
Stacheldraht
Chicago
Der Koch
Nacht in Chicago
Die andere Seite des Flusses
Duke’s
Rache
Spirale./Gewalt erzeugt Gegengewalt
Der Don
Siege – damals und heute
Die Ruhe vor dem Sturm
Frohe Weihnachten!
Zwischen den Jahren
Bloody New Year!
Epilog
Nachwort
Über den Autor
Für Clint Eastwood.
9.130 Tage
Treibt man eine Spitzhacke in Fels, gibt es einen Schlag. Kurz und scharf und fast ohrenbetäubend laut. Dem Krachen eines Revolvers nicht unähnlich. Je nach Stärke des Schlags, und bei passendem Winkel, sprühen sogar Funken zwischen Metall und Stein, als würde ein Schlagbolzen auf das Zündplättchen einer Patrone treffen.
Jake Parks kannte die Geräusche genau. Er hatte tausende Kugeln abgefeuert ... und in den letzten fünfzehn Jahren abertausende Male seine Spitzhacke in Stein getrieben. Es war die Strafe für die Anzahl an Kugeln, die er zuvor in Menschen getrieben hatte. Stein und Mensch hatte er dabei mit der gleichen Kaltblütigkeit bearbeitet.
Trockenes Brot, Wasser und harte Arbeit hatten seinen Körper ausgedörrt wie einen alten Baum. Er war hager. Drahtig. Bestand nur noch aus den Muskeln und Sehnen unzähliger Wiederholungen, bedeckt von sonnengegerbter Haut, die sich anfühlte wie Leder.
Der Sommer war erbarmungslos und nirgendwo brannte die texanische Sonne heißer als zwischen den hohen Wänden. Als würden sie die Hitze gefangen halten, eingesperrt mit Jake Parks und all den anderen, die mit ihm den Stein bearbeiteten. Dutzende waren es. Manche mit eiserner Routine, andere – die jungen, die neuen – verzweifelten an ihrer Aufgabe. Was sie taten, hatte keinerlei Sinn. Sie bearbeiteten den Fels nicht, um daraus Häuser zu bauen oder Brücken oder sonst irgendwas. Sie klopften nur Steine. Manche von ihnen brach es. Andere, wie Jake Parks, zerbrachen Stein auf Stein.
Jake hatte ein Ziel vor Augen, obwohl er es seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Die Welt auf der anderen Seite der Mauer. Und er hatte einen Antrieb. Wut. Sie war ein mächtiger Motor, der ihn an den heißesten Tagen riesige Felsbrocken in kleine Kiesel verwandeln ließ und ihn in kalten Nächten ohne Decke warm hielt.
Das Land draußen, jenseits der Mauer, war frei. Mit diesem Versprechen hatte es die Menschen gelockt. In die endlose Weite voller Klapperschlangen, Skorpione und Indianer. Jake Parks war wütend, dass er nicht mehr frei war. Diese Freiheit nur eine Lüge war, voller Wenns und Abers.
Er schulterte die Spitzhacke und richtete sich zu seinen vollen einsneunzig auf. Ließ den Blick aus Augen, schmal wie Schießscharten und kalt-blau wie Eis, schweifen. Über die Mauer, die ihn hielt. Die Männer, die darauf patrouillierten und ihn und die anderen Gefangenen bewachten. Die Gewehre über ihren Schultern geladen, bereit, sich donnernd unter das Schlagen von Metall auf Stein zu mischen, sollte jemand versuchen, zu fliehen oder das Werkzeug in seiner Hand für etwas anderes zu nutzen, als Steine zu spalten.
Vor fünfzehn Jahren hatte Jake darüber nachgedacht. Als sich das riesige Tor gerade erst krachend hinter ihm geschlossen hatte. Er hatte das Gefängnis nach Schwachstellen abgesucht. Rissen in der Mauer. Tunneln unter dem Zellentrakt. Jake war aus zahllosen City Jails ausgebrochen, manchmal mit Hilfe, manchmal nur auf sich gestellt. Aber das war etwas anderes. Manche der Zellen, in die man ihn über die Jahre gesperrt hatte, wurden nachts nicht mal bewacht. Man vertraute einfach auf Holz und Stein und darauf, dass es Lärm machte, eines davon zu durchbrechen, um zu entkommen. Nun, Lärm machte Jakes Colt auch, wenn er sich den Weg aus der Stadt freischoss, nachdem er Holz oder Stein überwunden hatte.
Hier draußen, irgendwo im Nirgendwo von West-Texas, war es etwas anderes. Die Männer oben auf den Mauern waren immer da. Schlimmer noch: Es waren immer neue von ihnen. Sie schoben Dienst in wechselnden Schichten, so dass er nicht einmal darauf bauen konnte, dass sich Müdigkeit bei einem von ihnen einschlich. Sie waren gute Schützen. Dass er nie einen Fluchtversuch gewagt hatte, bedeutete nicht, dass er nie erlebt hatte, dass es jemand tat. Über die Mauer geschafft hatte es jedoch noch keiner, seit er hier war. Er hatte Häftlinge an der Mauer hängend sterben sehen, am Tor und im Zellentrakt. Sie alle waren wehrlos und unbewaffnet gewesen. Das war nicht die Art, wie Jake Parks abtreten wollte. Solange er hier drinnen war, würde er nicht sterben!
Er hörte auf, die Tage zu zählen. Schließlich sogar die Winter. Er vermied, die Regelmäßigkeit von Kutschen wahrzunehmen, die Lebensmittel lieferten oder den frisch geschlagenen Kies abtransportierten und dafür neue Steine brachten. Was ihm zum einzigen Kalender wurde, war das unzuverlässige Auswechseln seiner Sträflingskleidung, wenn wieder mal ein Satz des gestreiften Schwarz-Weiß von harter Arbeit verschlissen war. Die Gefängnisleitung war nicht in Geberlaune und so schuftete er oft noch tagelang in Lumpen, die ihm nur noch in Fetzen vom Körper hingen, bevor man ihm knurrend eine neue Hose und ein neues Hemd in die Hand drückte.
Jake trieb Eisen in Stein, schuftete, damit andere irgendwo neue Mauern um andere Männer wie ihn bauen konnten, als das schwere Tor des Gefängnisses einmal mehr ächzend und knarzend geöffnet wurde.
Ein Moment besonderer Anspannung für die Wachen oben auf der Mauer. Der kurze Moment alle paar Tage, an dem Gefängnis und Freiheit einander die Hand schüttelten. Normalerweise war der Moment begleitet vom Durchladen von Gewehren oben auf der Mauer, während das Schlagen von Spitzhacke auf Stein nachließ. Weil Häftlinge die Arbeit unterbrachen, um in die Runde zu blicken. Rüber zum Tor. Dieser unwiderstehlichen Verlockung. Weil sie überlegten, es zu wagen.
An diesem Tag war alles anders. Das Tor öffnete sich und die Männer im Hof ließen die Arbeit schleifen, doch die Männer oben auf der Mauer luden ihre Gewehre nicht durch. Stattdessen lauschten alle gemeinsam einem Geräusch, das sie so noch nie gehört hatten. Es war nicht das Klappern von Pferdehufen oder das Schaukeln eines beladenen Planwagens, der über die unebene Sandstraße auf das Tor zurollte. Es war lauter. Regelmäßiger. Eine Art Knattern, das stetig anschwoll.
Die Häftlinge bewegten sich auf das Tor zu – und niemand schoss auf sie.
Jake sah rauf zur Mauer. Kaum jemand dort oben beachtete sie auch nur. Die Blicke der Wächter waren auf die andere Seite der Mauer gerichtet. Auf das mysteriöse Knattern. Manche von ihnen redeten über das, was da draußen vor sich ging.
Jake sah zum Tor. Sperrangelweit offen, und selbst die beiden Männer, die es geöffnet hatten, hatten einem ganzen Hof voller Mörder und Verbrecher den Rücken zugewandt und starrten nach draußen in die Freiheit.
Jake machte einen Schritt auf das Tor zu. Dann noch einen und einen weiteren. Mehr, als er je zuvor in diese Richtung gemacht hatte, wenn sich die riesigen Metallflügel ächzend geöffnet hatten. Es war fast, als wollten sie, dass er ging. Dass alle gingen. Er hatte die schmale Zufahrtsstraße fast erreicht, die vom Tor bis hinter zum Zellentrakt führte, musste nur noch den Kopf nach rechts drehen, um den ersten Blick in die Freiheit zu werfen.
Stattdessen vergaß er die Sehnsucht danach in dem Moment, in dem er sie erblickte. Hatte kein Auge für die Weite da draußen, sondern nur für das knatternde Ding, das in diesem Moment den Torbogen durchquerte. Was er sah, hatte Ähnlichkeit mit einer Kutsche. Vier Räder, ein Kutschbock, eine hölzerne Verkleidung. Doch es waren keine Pferde vorgespannt. Trotzdem fuhr es. Bewegte sich von ganz allein und stieß dabei schwarzen Rauch aus, wie eine Lokomotive.
Jake sah zu Boden, als wolle er sichergehen, dass keine Schienen von draußen ins Gefängnis verlegt worden waren. Er wusste, dass dem nicht so war. Er war jeden verdammten Tag in diesem Hof gewesen. Hätte die Schienen wahrscheinlich selbst verlegt, hätte es welche gegeben. Doch da waren keine. Nur der festgestampfte Sand, auf dem die Kutsche ein- und ausfuhr, ohne steckenzubleiben.
Jake bemerkte, dass die anderen Häftlinge um ihn herum in Reih und Glied standen, Spalier zu beiden Seiten der Zufahrt. Sie alle starrten auf das Gleiche. Keiner von ihnen dachte mehr an Flucht oder an das offene Tor.
Ein Schuss donnerte. Der gesamte Hof zuckte erschrocken zusammen. Trotzdem entbehrte keiner der Gefangenen mehr als einen flüchtigen Blick hoch zu dem Wärter, der in die Luft geschossen hatte und mit dem Repetiermechanismus seiner Winchester die nächste Patrone in den Lauf beförderte.
„Alle von der Straße zurücktreten!“, bellte er in lautem Befehlston in den Hof.
Die Häftlinge folgten der Anweisung im Gleichschritt einer Kompanie. Dann waren alle Blicke wieder auf das Automobil gerichtet, das an ihnen vorbeifuhr.
Das Ding stank nach Schmierfett, Öl und Dampf. Auf dem Kutschbock saß Direktor Benedict Powell. Er blickte in die Gesichter der Gefangenen, überheblich, wie er sonst hinter seinem Schreibtisch thronte oder auf dem Balkon seines Büros, von dem aus er das Treiben im Hof überblickte. Gestern war er noch auf einer Kutsche zur Arbeit gekommen. Eine schlanke, weiße Chaise mit einem tiefschwarzen Rappen davor. Ein wunderschönes Tier. Umgedreht hatte sich keiner danach. Doch diese unförmige, stinkende Kiste ...
Jake hatte die Tage nicht gezählt. Auch nicht die Winter. Er hatte keinen Kalender und wusste weder, wie viele Tage zwischen diesen Mauern er hinter sich hatte, noch wie viele vor ihm lagen. Was er an diesem Tag jedoch mit Sicherheit wusste, war, dass es nicht mehr 1895 war.
Jake eiste seinen Blick von dem Automobil los und sah in Richtung Tor. Er wollte einen Blick nach draußen erhaschen. Wissen, ob die Welt da draußen noch andere Überraschungen parat hielt. Stattdessen sah er die beiden Hälften des Tors vor seinen Augen zuschlagen. Die Welt wieder aussperren, wie auch immer sie aussehen mochte. Und Jake Parks wieder einsperren.
* * *
An diesem Nachmittag gab es auf dem Hof nur ein Gesprächsthema. Oben auf der Mauer ebenso. Ob Wärter oder Insasse, alle Blicke wanderten immer wieder auf die knatternde, stinkende Sensation, die vor dem Verwaltungstrakt des Gefängnisses stand.
Das Automobil blieb die Sensation, als der Direktor das Gefängnis an diesem Abend wieder verließ und auch in den folgenden Tagen.
Nur Jake hasste es bereits am zweiten Tag. Es war ihm zu laut, zu schmutzig und zu wenig Pferd. Also hielt er sich raus aus den aufgeregten Gesprächen auf dem Hof und zwischen den Zellen. Er war sowieso kein Mann großer Worte. Hasste das Geplauder der anderen Häftlinge. Wie Waschweiber wurden sie hier drinnen. Jake Parks hasste viele Dinge.
Mit der Zeit wurde der Anblick des Automobils zu etwas Normalem. Bald blieb es nicht nur bei einem. Weniger Pferde kamen und zogen weniger Kutschen. Stattdessen mehr dröhnende Motoren. Sie wurden zahlreicher und größer. Automobile brachten die neuen Gefangenen in den Hof und lieferten Lebensmittel und die neue Kleidung, die Jake sich überstreifte. Schließlich brachten Lastwagen den Nachschub an Steinen in den Hof und transportierten den frisch geklopften Kies ab. Luden mehr davon, als ein Gespann mit vier Pferden je hätte ziehen können.
Jake interessierte all das herzlich wenig. Was war schon dabei? An seinem Leben änderte das gar nichts. Automobil oder Kutsche – hier drinnen blieb Scheiße nun mal Scheiße.
So verbrachte Jake Parks Nacht um Nacht auf dem unbequemen Gestänge, das sie Bett nannten, ohne eine davon zu zählen, schob sich Tag für Tag altes, trockenes Brot und Bohnenpampe rein, ohne einen davon zu zählen, und wartete doch sehnsüchtig darauf, dass der letzte davon anbrechen würde. Gelegentlich prügelte er sich mit einem Mitgefangenen und verbrachte einige der ungezählten Tage und Nächte im Loch, einer winzigen, fensterlosen Zelle ohne Licht ... und ohne Freigang. Doch meistens wollte er mit den Streitereien der anderen genauso wenig zu tun haben wie mit ihrem Geplapper. Ob harter Kerl oder Tratschtante – hier drinnen blieb Scheiße weiterhin Scheiße. Also sparte er seine Kraft. Seine Wut. Seinen Hass. Staute ihn in sich auf für die Zukunft. Die Freiheit. Den Tag, an dem er endlich wieder einen Revolver in die Finger bekam. Bis dahin würde er geduldig Metall auf Stein knallen lassen.
Freiheit
„Sie dürfen gehen“, sagte ihm Henry Bauer, der Wärter im Zellenblock war, eines Tages.
Jake glaubte seinen Ohren kaum. Wie konnte er auch, während das Echo von Metall auf Stein noch immer in ihnen widerhallte. Die kontinuierliche musikalische Begleitung der letzten Jahre.
Es waren fünfundzwanzig davon, schoss Jake das Strafmaß durch den Kopf, das der Richter 1900 angesetzt hatte. Es musste jetzt also 1925 sein.
Fünfundzwanzig gottverdammte Jahre.
Also war er inzwischen vierundfünfzig.
Er hatte das Altern gespürt. Sein Rücken hatte irgendwann begonnen, ihm Probleme zu bereiten. Erst während der Arbeit im Hof, dann in den Pausen und Nächten und schließlich rund um die Uhr. Aber er hatte ihn in den vergangenen Jahren mit genügend Muskeln gepolstert, die das schlimmste abfingen. Und jetzt, nach fünfundzwanzig Jahren ... durfte er einfach gehen.
Jake zögerte. Er setzte sich auf der Pritsche auf und sah Henry Bauer an. Fragte sich, ob der Bursche überhaupt schon fünfundzwanzig Jahre auf der Welt war. Auch nur annähernd erahnen konnte, was für eine Nachricht er hier gerade überbrachte?
„Mister Parks“, hakte der Wärter nach. „Haben Sie verstanden was ich gesa...“
Jake federte nach oben, richtete sich bis zu einer Kopfhöhe Vorsprung vor Henry Bauer auf. Der Junge zuckte zusammen, seine Hand griff automatisch nach dem Griff des Schlagstocks, der von seinem Gürtel baumelte.
Erbärmlich langsame Reflexe, dachte Jake. In jeder Schießerei wäre der Junge tot. Zumal er so heftig schnaubte, dass er, selbst wenn er es schaffen würde, seinen Colt aus dem Holster zu bekommen, nicht geradeaus schießen würde.
Jake gab ihm keinen Grund, den Stock aus der Halterung zu ziehen. Er ließ der ersten plötzlichen Bewegung keine zweite folgen, obwohl er sich fragte, ob er schnell genug bei dem Jungen gewesen wäre, um seinem ersten Schlag zu entgehen. Dicht genug an ihn ranzukommen, dass ihm die Schlagwaffe nichts mehr nutzte, weil er sie nicht mehr schwingen konnte.
Als Jake Parks hier reingekommen war, hatte er die Reflexe einer Klapperschlange. Er musste dringend rausfinden, ob das noch immer so war. Aber erst, wenn er außerhalb dieser verdammten Mauern war! So sehr er sich selbst und den Jungen testen wollte, es würde bedeuten, dass sich die verdammte Gittertür wieder vor ihm schließen würde und er die nächsten Jahre an diesem Ort verbringen würde.
Da draußen würde es andere Jungs geben. Jungs, die Ärger machten. Ihn provozierten. Weil sie sich einen Namen machen wollten. Weil der Westen da draußen nun einmal wild war. Und weil Jungs zu Männern werden mussten. Und am Ende wurden Männer von anderen Männern getötet. Doch Henry Bauer konnte sich erstmal entspannen.
Jake sah sich in der Zelle um, die die letzten fünfundzwanzig Jahre sein Zuhause gewesen war. Er entdeckte nichts, das es sich mitzunehmen lohnte. Also trat er durch die Gittertür hinaus auf den Gang und ließ alles andere zurück.
Bauer begleitete ihn durch die langen Korridore bis in einen Raum mit einer brusthohen Theke darin, hinter der sich endlose Regale und Schränke erstreckten. Ein untersetzter Mann stand dahinter, sah Jake durch dicke Brillengläser hindurch an, studierte die Nummer auf der rechten Brust seiner Sträflingsuniform und glich sie mit der Liste in dem dicken Buch vor sich ab. Sein Zeigefinger raste über das Papier, stoppte dann abrupt.
„Jake Parks“, sagte er mit einer Bestimmtheit, die ausschloss, dass ein astreiner Bürokrat wie er Fehler mit Listen, Namen und Nummern machte.
Der Mann war auf seinem Gebiet wesentlich mehr Profi, als Henry Bauer es wohl je werden würde.
Jake nickte. Der Mann hinter dem Tresen winkte ihn an sich heran. Jake machte einen Schritt in den Raum und blieb an der weißen Linie auf dem Boden stehen, von der es noch etwas mehr als eine Armlänge bis zur Theke war. Antrainiertes Verhalten. Wärtern und anderen Gefängnisbediensteten nicht auf die Pelle rücken, sonst lernte man den Knüppel kennen. Oder Schlimmeres. Er hatte keine Ahnung, wie frei er schon war. Ob er die Linie mit der Sicherheit eines freien Bürgers eines freien Landes übertreten durfte. Also ließ er es. Er würde alles vermeiden, was ihn wieder in den Flur des Zellentrakts zurück und hinter Gitter bringen könnte.
Der Angestellte hinterm Tresen wandte sich einem der Regale in seinem Bereich zu und förderte eine Holzkiste aus einem der mittleren Fächer hervor, die er auf der Theke abstellte und die ihm den Blick auf Jake fast vollständig verdeckte. Dann zog er eine weitere Liste aus der Kiste hervor und legte sie daneben. Begann Gegenstände aus der Kiste zu holen, einen nach dem anderen, und sie mit der Liste abzugleichen.
„Ein Hemd“, begann er aufzuzählen, hielt den von Motten zerfressenen Lappen in die Höhe, den fünfundzwanzig Jahre Einlagerung davon übriggelassen hatten, und legte es auf der Theke ab. „Eine Hose, schwarz.“ Sie hatte es augenscheinlich besser überstanden und landete auf dem Stapel von Jakes Besitztümern. „Eine Lederweste.“ Das dunkelbraune Leder landete auf dem Stapel, ausgezehrt, aber unkaputtbar. „Ein Staubmantel.“ Recht hatte er. Der Staub von Jahren in der Prärie stieg in einer Wolke auf, als er ihn etwas zu schwungvoll auf die anderen Klamotten warf. „Ein Paar Stiefel.“ Weiteres Leder, das die Jahrzehnte scheinbar gut überstanden hatte. „Ein Cowboyhut.“ Ein unförmiger Klumpen Stoff landete ganz oben auf dem Stapel und Jake wünschte sich, er wäre vor fünfundzwanzig Jahren ganz oben in der Kiste gelandet, statt unter all den anderen Sachen. „Außerdem ...“, fuhr der untersetzte Bürokrat fort, „sieben US-Dollar.“ Er zählte die Scheine einzeln vor Jake auf den Tresen, sah ihn dann durch das dicke Brillenglas abwartend an. „Haben Sie irgendetwas hinzuzufügen?“
Jake hatte keine Ahnung, was er dabeigehabt hatte, als man ihn vor fünfundzwanzig Jahren eingesperrt hatte, also schüttelte er den Kopf.
„Na dann, schönes Leben noch, Mister Parks“, wünschte ihm der Mann und schob ihm seinen Stapel bis an die Kante des Tresens vor.
Jake wagte den Schritt über die Linie. Ließ den Gefangenen hinter sich. Zog dabei die Sträflingskleidung aus und griff seine wenigen Habseligkeiten.
Jake hatte abgenommen und die alten Sachen hingen wie Säcke an seinem sehnigen Körper herab. Der Mantel schien ihn verschlingen zu wollen, als er die Arme in die Ärmel schob. Dennoch gaben ihm die muffigen alten Sachen ein Gefühl der Freiheit. Als er in seinen eigenen Sachen steckte, richtete er sich automatisch zu seiner vollen Größe auf. Verschwunden die gebeugte Haltung des Mannes, dem fünfundzwanzig Jahre harter körperlicher Arbeit in den Knochen steckten. Auf dem letzten Stück des Weges durch die Gänge des Zellentraktes begleitete Henry Bauer einen freien Mann, ob er oder die Gefängnisleitung das so sahen oder nicht. Jake Parks fühlte es. Das war entscheidend.
Ein Wärter, der wesentlich kerniger war als der junge Henry, öffnete das Tor und ließ die beiden in den Hof treten. Spitzhacken und Fels spielten einen Auszugsmarsch für ihn. Die Melodie seines Lebens in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren. Er schwor sich, dass es das letzte Mal sein würde. In Zukunft würde er der Wüste lauschen mit ihren Kojoten und Klapperschlangen. Dem Saloon mit seinem verstimmten Klavier und den betrunkenen Gästen. Dem Bordell mit seinen stöhnenden Weibern und klatschenden Leibern. Und wenn er je wieder eine Melodie hörte, die dem Steineklopfen ähnelte, dann würde sie vom Donnern der Colts herrühren. Denn Jake Parks wusste, dass er seinen letzten Schuss noch nicht abgefeuert hatte. Da draußen, auf der anderen Seite dieser verdammten Mauern, waren Männer, die darauf warteten, mit ihm zusammen das Konzert des Bleis zu spielen. Es waren die gleichen Männer, die dafür verantwortlich waren, dass er die vergangenen fünfundzwanzig Jahre als Solist auf Stein und Metall gespielt hatte. Er würde sie besuchen. Jeden einzelnen. Würde sie dafür bezahlen lassen. Würde endgültig mit der Vergangenheit abschließen.
Einige der Insassen blickten auf, als er den Hof durchquerte. Er war kein Automobil, aber einen Mann, der diesen Mauern entkam, sah man hier drinnen auch nicht besonders oft. Der ein oder andere ehemalige Mitgefangene nickte ihm zum Abschied zu. Er erwiderte keine der Gesten. Hatte den Blick starr geradeaus gerichtet – auf das Tor und die Freiheit dahinter.
* * *
Das Tor schlug hinter Jake Parks zu. Er war frei. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Henry Bauer war auf der anderen Seite der Mauer geblieben. Einer der Wärter oben auf der Mauer hatte zwar noch ein Auge auf ihn, machte aber keine Anstalten, die Winchester auf ihn anzulegen, sondern ließ das Gewehr in die Hüfte gestützt und den Lauf gen Himmel gerichtet.
Jake atmete die Luft ein, als wäre sie nicht die gleiche, wie all die Jahre auf der anderen Seite der Mauer. Es war die Freiheit, die er einsog. Die Hacken seiner Stiefel klackten laut, als er seinen ersten Schritt auf Asphalt machte. Er blieb wie angewurzelt stehen. Hatten die Stiefel die Jahrzehnte doch nicht so gut überstanden, wie er dachte? Er trat auf der Stelle, bis er sich ganz sicher war, dass mit den Stiefeln alles in Ordnung war. Die Sohle hatte sich nicht gelöst. Es war einfach das Geräusch, das alte Stiefel in dieser neuen Welt machten. Er hasste es! Drei weitere laute Schritte brachten ihn an den Straßenrand, ein vierter verpuffte ungehört im Sand daneben. Jake atmete auf. Er folgte der Straße, ohne sie noch einmal zu betreten. Hörte, wie auch die Melodie von Metall auf Stein mit jedem Meter leiser wurde, den er zwischen sich und das Gefängnis brachte, bis es endlich still um ihn herum war. Er lauschte dem Zirpen der Grillen und dem Säuseln des Windes, versank darin als, hätte es die letzten fünfundzwanzig Jahre nie gegeben. Er rechnete nicht damit, dass er noch einmal fünfundzwanzig weitere vor sich hatte. Nicht in dem Leben, das er führte. Vielleicht würde es schon morgen vorbei sein. Wollte er es verlängern, brauchte er dringend eine Waffe.
Relikte vergangener Tage
Er fand eine in der Nähe von Silver Bell in Süd-Texas.
Das wenige Geld, das er hatte, tauschte er gegen einen Platz in der Postkutsche ein. Nicht seine bevorzugte Art zu reisen, aber immer noch besser als ein Automobil. Für ein Pferd reichte das Geld nicht. Auch nicht für einen Colt, mit dem er mehr hätte verdienen können. Also ließ er sich zwischen zwei parfümierten Damen und einem Mann und seinem neunmalklugen Sohn die fünfzig Meilen über Land schaukeln und war froh, als er wieder allein durch trockenen Wüstensand stapfte.
Auch nach fünfundzwanzig Jahren hatte er eine präzise Landkarte der Prärie im Kopf gespeichert und fand die alte, zerfallene Mission auf Anhieb. Sie war schon damals eine Ruine gewesen, die Jake und seine Bande als Versteck genutzt hatten, wenn sie sich in dieser Gegend verstecken mussten.
Als Jake ins Gefängnis ging, war von seiner Bande nicht mehr viel übrig. Es war einer dieser elendig heißen Tage gewesen, an dem alles schiefgelaufen war. Mike Cooley und Bernard Miller waren vor der Bank gestorben. Jake hatte sich mit den anderen den Weg die Hauptstraße entlang freigeschossen und dabei eine Kugel in die Schulter bekommen. Bobby Munch hatten sie kurz hinter der Stadt vom Pferd geschossen. Er war nie ein besonders guter Reiter gewesen. Mit seinem Tod hatte er dem verwundeten Jake und den beiden anderen Überlebenden einen kleinen Puffer verschafft. Sie hatten die Ebene vor der Stadt hinter sich gelassen und waren in felsigeres Gelände entkommen. Zumindest vorerst. Denn was weder Jake noch einer der anderen ahnte, war, dass Dwight McGowern sie verraten hatte. Und so wartete der lange Arm des Gesetzes in Form von Sheriff Tom Wilbury in den Canyons auf sie. Der Fluchtplan wurde zum Hinterhalt. Plötzlich pfiffen den drei übriggebliebenen Reitern wieder die Kugeln um die Ohren. Pete Dalton starb auf dem Pferd. Sein Bruder Tucker suchte zusammen mit Jake Deckung zwischen den Felsen. Doch Wilburys Deputies waren überall. Sie kreisten sie von oberhalb des Hangs ein. Hatten freies Schussfeld in die Deckung der Desperados. Dalton verlor die Nerven. Er sprang auf und schoss mit beiden Colts wild um sich. Es war Sheriff Wilbury, der ihn niederstreckte, als er versuchte, aus der Deckung auszubrechen.
Jake war allein. Umzingelt und in der Falle. Er warf sich auf den Boden und presste seinen Körper an einen der Felsen. Versuchte, sich in die Spalten zu drücken, wie es Eidechsen taten. Er fand den einzigen Ort, an dem die Kugeln der Gegner ihn nicht erreichten. Sie prallten pfeifend über ihm vom Fels ab oder schlugen leise ploppend neben ihm in den Staub.
Jake konnte nur ungezielte Schüsse abgeben. Er feuerte blind in unterschiedliche Richtungen, doch die Einschläge um ihn herum kamen näher. Er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn irgendeiner der Deputies ins Visier bekommen würde.
Er dachte darüber nach, Daltons Beispiel zu folgen. Aufzuspringen und sein Glück im Kampf zu suchen. Weniger sein Glück als vielmehr seinen Tod. Tom Wilbury entgegenzutreten und dabei zu sterben, war keine Schande. Von einem seiner Deputies hinterrücks abgeknallt zu werden, während man in einem Loch im Dreck lag, schon eher.
Plötzlich war es still. Keine neuen Kugeln, die abgefeuert wurden und rings um ihn herum einschlugen. Stattdessen drang Tom Wilburys kratzige Stimme an sein Ohr.
„Lebst du noch Jake?“
* * *
Selbst jetzt, fünfundzwanzig Jahre später, lebte Jake Parks noch. Setzte den Fuß über die Schwelle der nicht mehr existenten Tür der zerfallenen Mission. Er war nicht aufgesprungen. Hatte auch nicht im Dreck gekauert und gewartet, bis ihn irgendeine verirrte Kugel erwischte. Er hatte sich angehört, was Tom Wilbury zu sagen hatte. Es war das übliche Geseier über Tod oder Aufgabe. Er hatte die Kugeln in seinem Revolver gezählt. Die Anzahl der Gegner geschätzt, die über uneingeschränkte Feuerkraft verfügten. Das Ergebnis war eindeutig. Egal welchen Rechenweg er in der Mathematik des Bleis einschlug, er war tot. Wilbury hatte ihm die Zeit gegeben, sie alle durchzurechnen. Letztendlich hatte Jake seinen Revolver hinter dem Stein hervor geworfen und hatte sich mit erhobenen Händen ergeben. Weder Wilbury noch er selbst hatten wirklich damit gerechnet.
So wie Jake Parks nicht wirklich damit rechnete, dass die Truhe mit den Habseligkeiten, die er unter den lockeren Dielen neben dem Kamin versteckt hatte, noch dort auf ihn wartete. Von seiner Bande war keiner mehr übrig, der sie sich unter den Nagel hätte reißen können. Aber hier draußen im Niemandsland gab es Hunderte Männer wie ihn, die nach Verstecken wie diesem suchten. Und wer nach Verstecken suchte, der durchsuchte sie meist auch nach Verstecktem. Und doch begrüßte ihn die Kiste unter den Dielen. Jake hob sie heraus. Das Gewicht ließ ihn hoffen, dass sie unangetastet war. Er öffnete sie und schlug das Tuch zurück, das er vor über fünfundzwanzig Jahren über den Inhalt gelegt hatte. Ein Bündel Dollarnoten lag darin. Jake konnte sich nicht erinnern, wie viel Geld er versteckt hatte, und er machte sich nicht die Mühe, es zu zählen. Was würde es ihm bringen, zu wissen, wie viel Kohle er hatte, wenn er nicht mal wusste, wie viel ein Pferd heutzutage kostete? Oder ein Whiskey. Oder sonst irgendwas da draußen. Die Fahrt in der Postkutsche war jedenfalls deutlich teurer gewesen als noch vor fünfundzwanzig Jahren.
Er ließ die zusammengeknüllten Scheine in der Tasche seines Mantels verschwinden. Dann zog er einen Revolvergurt mit Holster aus der Kiste. Das Leder war hart und steif geworden. Jake knetete es in alle Richtungen durch. Es bekam sanfte Risse und wurde etwas geschmeidiger. Über kurz oder lang würde er einen neuen Gurt brauchen. Doch fürs erste würde er das halten, was er als Letztes aus der Kiste holte. Ein schwarzes Tuch, in das anderthalb Kilo Gewicht eingeschlagen waren. Ein Gewicht, das sich für seine Hand vertrauter anfühlte als jedes andere. Er wickelte den alten Colt Peacemaker aus und wendete ihn in den Händen. Die Waffe machte einen guten Eindruck. Hier und da hatten Zeit und Klima an ihm genagt, aber der Schaden hielt sich in Grenzen. Jake überprüfte die beweglichen Teile, die letztendlich über den tatsächlichen Schaden entschieden. Der Schlagbolzen klemmte leicht, als er ihn spannte, schlug aber klickend zurück in Position, als er den Abzug durchdrückte. Die Trommel drehte weiter zur nächsten Kammer. Der Verschluss klemmte leicht, aber Jake konnte ihn öffnen. Nichts, was ein bisschen Öl und Schmiere nicht hinbekommen würden. Er öffnete die Schachtel mit Patronen und nahm eine Handvoll heraus, ohne sie zu zählen. Trotzdem verriet ihm das Gewicht, dass es vier waren. Er schob sie nacheinander in die Trommel und füllte sie mit zwei weiteren auf. Fünfundzwanzig Jahre im heißen Wüstenklima waren gewagt. Nicht gerade die empfohlene Lagerung. Aber ohne geladene oder funktionstüchtige Waffe durch die Prärie von Texas zu wandern, war auch gewagt. Außerdem musste er jetzt verdammt nochmal einfach eine Waffe abfeuern!
Jake schob den Colt in das Holster. Das steife Leder nahm ihn nur bedingt in Empfang. Dann stapfte er aus der Ruine nach draußen. Er zog die Waffe. Das Holster gab sie nur widerwillig frei. Er würde es definitiv austauschen müssen, wenn er am Leben bleiben wollte. Er richtete den Lauf auf einen ausgemergelten Baum einige Meter vor der Mission und spannte den Schlagbolzen. Beim zweiten Mal klemmte er schon nicht mehr ganz so stark. Ein bisschen Zuwendung und es würde sich ganz legen. Der Peacemaker fühlte sich vertraut in seiner Hand an. Nur seine Hand fühlte sich nicht vertraut an ihm an. Hornhaut und Schlieren hatten seine Handflächen unsensibel und klobig werden lassen. Er spürte den Stiel der Spitzhacke noch immer deutlicher in seiner Hand als den Griff des Colts.