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Eine neue Novella aus MacAlisters erfolgreicher Vampirserie: Eigentlich sollte die junge Wächterin Noelle ihre Freundin bei den Dreharbeiten zu einer neuen Reality-Serie unterstützen, die in einem alten Gemäuer in Tschechien aufgezeichnet wird. Als ihr dort der attraktive Vampir Grayson Soucek begegnet, weiß sie sofort, dass sie füreinander bestimmt sind. Nur ihn muss sie noch davon überzeugen ...(ca. 120 Seiten)
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Seitenzahl: 143
Titel
Zu diesem Buch
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Die Autorin
Die Romane von Katie MacAlister bei LYX
Impressum
KATIE MACALISTER
mich allein
Ins Deutsche übertragen
von Antje Görnig
Zu diesem Buch
Eigentlich sollte die junge Wächterin Noelle ihre Freundin bei den Dreharbeiten zu einer neuen Reality-Serie unterstützen, die in einem alten Gemäuer in Tschechien aufgezeichnet wird. Als ihr dort der attraktive Vampir Grayson Soucek begegnet, weiß sie sofort, dass sie füreinander bestimmt sind. Nur ihn muss sie noch davon überzeugen …
»Diese Frau ist als Einbrecherin vollkommen untauglich.«
Die weibliche Gestalt, die sich an der Oberkante der Mauer festklammerte, von der das Grundstück zu beiden Seiten des großen schmiedeeisernen Tores gesäumt wurde, drohte jeden Augenblick abzurutschen.
»Wenn sie nicht aufpasst«, sagte ich zu dem Kater neben mir, während ich beobachtete, wie die Frau zu den Sträuchern am Fuß der Mauer hinabschaute, »dann fällt sie mitten in den … Da, schon ist es passiert!«
Bei der Einbrecherin handelte es sich nicht, wie ich mit einem gewissen Interesse feststellte, um die hagere Blondine, die mich am Tag zuvor angegriffen hatte. Diese Frau hier war kleiner und rundlicher, ganz nach meinem Geschmack, und hatte ihre roten Locken zu einem Zopf zurückgebunden. Ein paar Strähnen hatten sich gelöst, als sie versucht hatte, die Mauer zu erklimmen, und ich fragte mich, ob sie gemerkt haben mochte, dass sich ein Zweig mit Blättern in ihren Haaren verfangen hatte.
Ihr musste aufgefallen sein, dass sie in einem Giftsumach gelandet war, denn schreiend sprang sie auf, murmelte etwas vor sich hin und zeichnete hastig einige Symbole in die Luft.
»Hat sie da gerade einen Schutzzauber gemacht?«, fragte ich den Kater.
Er grinste höhnisch.
»Hab ich mir doch gedacht.« Stirnrunzelnd sah ich zu, wie die Frau die Sachen zusammensammelte, die ihr aus dem Rucksack gefallen waren. Als sie sich umdrehte, konnte ich ihr Gesicht erkennen. Ein Schauder jagte mir über den Rücken, als ich feststellte, dass sie tatsächlich die Nonne war, die ich bereits am Vorabend gesehen hatte. »Aber was für eine Dienerin Gottes versteht sich auf Zauberei?«
Johannes sagte darauf kein Wort. Nicht dass er überhaupt sprechen konnte – dies bedeutete ein Geschenk, für das ich im Lauf der vergangenen drei Jahrhunderte immer sehr dankbar gewesen war.
»Ganz egal«, bemerkte ich mit grimmiger Entschlossenheit und folgte der Frau, als sie an mir vorbei über die Kiesauffahrt huschte. »Was immer die kleine Nonne hier treiben mag, ich werde es auf der Stelle unterbinden.«
Sie hörte mich erst, als ich bei ihr angekommen war, und als sie sich erschrocken zu mir umdrehte, hielt ich ihr den Mund zu und fasste sie mit der anderen Hand am Nacken.
Drei Sekunden lang starrte sie mich mit weit aufgerissenen Augen an, bevor ihre Lider erst zu flattern begannen und schließlich zufielen. Dann kippte sie um. Ich ließ ihren Nacken los und fing sie auf. »Jetzt werden wir ein paar Antworten bekommen«, sagte ich zu der bewusstlosen Frau und trug sie ins Pförtnerhaus.
Warm und weich lag sie in meinen Armen, während mir ein zarter Fliederduft in die Nase stieg. Ich verbot meiner Libido, sich damit zu beschäftigen, wie verlockend dieser Duft war und dass sie Sommersprossen im Gesicht hatte und ihre Haut seidenglatt war, was alles zusammen das Verlangen in mir weckte, ihre hübschen Rundungen zu liebkosen. Ihr Mund, der ebenso köstlich aussah wie alles andere an ihr, war so rosarot, als hätte sie Erdbeeren gegessen. Als mir urplötzlich das Blut in die Leisten schoss, rief ich mir in Erinnerung, dass es nicht gerade angebracht war, eine Nonne zu begehren – und erst recht keine, die neu installierte Ketten und Schlösser und unzählige »Betreten verboten«-Schilder rings um das Grundstück ignorierte. Dennoch kostete es mich einige Mühe, den Blick von ihren verführerischen, sinnlichen Lippen loszureißen.
Es dauerte eine Weile, bis ich die Schnur von einer alten, kaputten Transportkiste gelöst hatte. Doch nach ein paar Minuten trat ich zurück und bewunderte mein Werk. Die Frau saß zusammengesunken auf einem Stuhl, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, und hatte einen Knebel um den Hals, den ich ihr sofort anlegen konnte, falls sie zu schreien begann.
Johannes schnupperte an ihren Füßen und wandte sich scheinbar gelangweilt ab. Doch davon ließ ich mich nicht täuschen. Er interessierte sich grundsätzlich für jede Frau.
»Hm?« Die kleine Nonne öffnete blinzelnd die Augen und stutzte. Ich baute mich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr auf. »Wo bin ich?«
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte ich. »Oder Französisch? Oder Deutsch?«
»Ich bin Engländerin«, antwortete sie und blinzelte noch ein paar Mal in dem offensichtlichen Bemühen, ihren Blick scharf zu stellen. »Wer sind Sie? Haben Sie mich – au, mein Kopf! – k.o. geschlagen?«
»Ich habe Druck auf Ihren Hals ausgeübt, sodass Sie ohnmächtig wurden«, erklärte ich ernst und gab mir die größte Mühe, nicht wahrzunehmen, wie ihre Brüste anschwollen, als sie versuchte, die Arme nach vorn zu halten, und mit ihren Fesseln rang.
»Sie haben den vulkanischen Nackengriff angewendet? Warum bin ich gefesselt? Und wussten Sie schon, dass Sie ein Dunkler sind?«
Ich sah sie argwöhnisch an. »Was weiß eine Nonne über den vulkanischen Nackengriff und Dunkle?«
Sie hörte auf, an ihren Fesseln zu zerren. »Ich bin keine Nonne, ich bin Wächterin. Und eine Auserwählte, deshalb erkenne ich Dunkle auf den ersten Blick. Haben Sie zufällig Schmerztabletten? Schon bevor Sie mich vulkanisiert haben, hatte ich nämlich schreckliche Kopfschmerzen, und jetzt sind sie noch schlimmer geworden.«
»Nein«, entgegnete ich und blickte zunehmend finster drein. Es schien der kleinen Nonne überhaupt keine Angst zu machen, dass sie gefesselt war und von einem Fremden gefangen gehalten wurde.
»Was soll das heißen? Dass Sie nicht wissen, dass Sie ein Dunkler sind, oder dass Sie keine Schmerzmittel haben?« Sie sah mich gespannt an.
»Natürlich weiß ich, dass ich ein Dunkler bin«, blaffte ich verärgert und zugleich sonderbar erfreut darüber, dass sie sich anscheinend nicht vor mir fürchtete. »Das bin ich schon fast mein ganzes Leben lang. Aber Sie sind keine Auserwählte.«
»Doch, bin ich«, sagte sie und schaute zu Boden. »Oh, hallo! Ist das Ihr Kater?«
»Nein. Reden Sie nicht mit ihm.« Schnuppernd hob ich den Kopf. Das Pförtnerhaus war wie der Rest des Klosters ein feuchtes, moderiges, verfallenes Relikt aus besseren Zeiten. Es roch nach Schimmel, Nässe und den Hinterlassenschaften diverser kleiner Tiere, die inzwischen darin lebten. Die Tapetenfetzen, die von den schmutzigen Wänden herabhingen, bewegten sich müde in der leichten Brise, die durch eine zerschlagene Fensterscheibe hereinwehte.
Doch trotz der üblen Gerüche des verkommenen Baus hielt sich der Fliederduft in der Luft und rüttelte tief in meinem Inneren etwas wach.
»Wenn Sie eine Auserwählte wären, wüsste ich es«, sagte ich.
»Stimmt was nicht mit seinem Maul?«, fragte sie und lockte Johannes mit leisen Schnalzlauten an, bis er ihr – wie ich erwartet hatte – auf den Schoß sprang und sie mit halb geschlossenen Augen anschnurrte.
»Ja. Und Sie sind definitiv keine Auserwählte.«
»Das dachte ich mir, denn bei den meisten Katzen steht die Oberlippe nicht so hoch, dass die ganze Zeit ein Reißzahn zu sehen ist. Hatte er mal eine Verletzung oder so was?«
»Nein, er sieht einfach so aus«, entgegnete ich und wollte sie gleichzeitig schütteln und küssen.
Sie sah mich kritisch an. »Er gehört Ihnen nicht, aber Sie wissen, dass er nicht verletzt wurde?«
»Er gehört mir wirklich nicht. Er lebt einfach nur bei mir und begleitet mich, wohin ich auch gehe. Das ist alles. Warum tut eine Wächterin so, als wäre sie eine Auserwählte und Nonne?«
»Und warum entführt ein Dunkler unschuldige Leute?«, erwiderte sie.
Ich beugte mich zu ihr vor, um sie einzuschüchtern. »Warum sind Sie über die Mauer geklettert, obwohl auf den Schildern deutlich zu lesen steht, dass Ihre Anwesenheit hier nicht erwünscht ist?«
Sie richtete ihre wunderschönen grauen Augen auf mich. »Sie sind also derjenige, der die Schilder aufgestellt hat? Haben Sie auch das Tor mit der Kette versehen? Wir dachten, es wären die örtlichen Behörden gewesen, obwohl Teresa der Polizei die Unterlagen gezeigt hat, die sie von dem Maklerbüro bekommen hat. Aber Sie wissen ja, wie die tschechischen Beamten sind – die nehmen es mit dem Papierkram ganz besonders genau – und Teresa hat vermutet, dass sie irgendwo einen i-Punkt oder einen t-Strich vergessen hat.«
»Ich bin Tscheche«, sagte ich würdevoll.
»Tatsächlich?« Sie legte den Kopf schräg und musterte mich völlig unverhohlen. Verdammt, sie war wirklich kein bisschen eingeschüchtert. »Sie klingen gar nicht tschechisch. Eher britisch, so wie ich. Wer sind Sie eigentlich?«
»Mein Name ist Gray. Grayson Souček, falls Sie das fragen wollten - und davon gehe ich aus, denn Sie scheinen jede Frage auszusprechen, die Ihnen gerade in den Sinn kommt.«
Sie lachte, und der Klang ihrer Stimme fuhr mir direkt ins Gemächt. Ich verdrängte das Gefühl und rief mich mit aller Entschiedenheit zur Ordnung. Sie bedeutete in jedem Fall … Schwierigkeiten. Wenn sie keine Nonne war, so musste sie unbedingt eine Einbrecherin sein - oder bestenfalls eine Hausbesetzerin. Und weder das eine noch das andere war ich zu dulden bereit.
»Hi Gray, ich bin Noëlle. Ich bin von Natur aus neugierig und habe schon vor langer Zeit gelernt, dass man Fragen stellen muss, um etwas zu erfahren. Keine Fragen – keine Antworten. Mir gefällt Ihr Name, und er klingt sogar richtig tschechisch, aber was machen Sie hier? Und warum haben Sie mich entführt? Warum haben Sie einen Kater, der Ihnen nicht gehört? Und warum denken Sie, ich wäre keine Auserwählte?«
Du riechst nicht so.
»Das könnte daran liegen, dass der Mann, der mir zugedacht war, eine andere wollte«, sagte sie, und schlagartig wich alle Heiterkeit aus ihrer Stimme.
Überrascht wich ich einen Schritt zurück. »Was haben Sie gesagt?«
»Sie kennen ihn nicht zufällig, oder? Er heißt Sebastian, und seine neue Auserwählte – die eine gute Freundin von mir ist, und wirklich, ich könnte mich nicht mehr für die beiden freuen als jetzt, wo sie ihr erstes Kind erwarten, aber es ist ja wohl verständlich, dass es das Ego verletzt, wenn dein Dunkler eine andere will … Also, seine neue Auserwählte heißt jedenfalls Belle. Eigentlich Ysabelle. Wir haben mal zusammengewohnt. Könnten Sie mich bitte losmachen? Ihr Kater möchte von mir gestreichelt werden.«
Ich atmete tief durch und schüttelte innerlich den Kopf darüber, dass ich diese Frau - eine Einbrecherin oder Nonne oder was auch immer sie sein mochte - mit jedem Wort, das aus ihrem bezaubernden Mund kam, anziehender fand. »Nein, ich kenne keinen Dunklen, der Sebastian heißt. Aber ich hätte Sie niemals nach ihm gefragt. Ich mache Sie los, nur … wenn Sie versuchen zu fliehen, werden Sie sich in einer Lage wiederfinden, die weitaus schlechter ist als Ihre gegenwärtige.«
»Sie haben sehr wohl gefragt«, sagte Noëlle, als ich hinter den Stuhl trat, um die Schnur durchzuschneiden, mit der ich sie an den Handgelenken gefesselt hatte. »Sie sagten, ich rieche nicht wie eine Auserwählte, und ich habe Ihnen daraufhin erklärt, warum ich überhaupt nicht rieche.«
Erneut hatte ich das Gefühl, vollkommen überrumpelt zu werden. Ich habe nichts dergleichen gesagt.
»Doch, haben Sie. Ich hab es ja gehört. Hallo, mein dickes Katerchen, wie heißt du denn?«
Johannes, antwortete ich und überlegte im selben Moment, ob ich plötzlich verrückt geworden war.
»Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, da ich Sie erst seit zehn Minuten kenne, aber es ist nicht gerade normal, Leute zu überfallen und mit dem vulkanischen Nackengriff auszuschalten. Ob Sie deshalb komplett verrückt sind, ist schwer zu sagen. Du bist so ein liebes Katerchen, nicht wahr, auch wenn du einen ziemlich ungewöhnlichen Namen hast.« Sie beugte sich über Johannes und flüsterte ihm zärtliche Worte ins Ohr. Er würde gierig jedes einzelne verschlingen, das wusste ich, und allen das Leben zur Hölle machen, bis er ihrer irgendwann überdrüssig wurde.
»Das kann nicht sein«, sagte ich kopfschüttelnd. »Nein. Sie irren sich. Sie können mich nicht hören.«
»Doch, kann ich«, sagte sie und kraulte Johannes.
Aber das ergibt doch keinen Sinn.
»Was ergibt …? Oh!« Ihre Augen weiteten sich, als ihr bewusst wurde, dass ich keinen Ton gesagt hatte. »Sie haben … Ihr Mund hat sich nicht … Heiliger Riesenkater!«
Johannes ist alles andere als heilig, das können Sie mir glauben.
Ihre Augen wurden noch größer. »Da, schon wieder! Weißt du, was das bedeutet?«
Ich beobachtete sie misstrauisch, als sie Johannes herunterließ und aufsprang. »Ja, es bedeutet, dass ich irgendwie … äh …«
»Dass du mich gefunden und erkannt hast!«, rief sie, hüpfte mit einem Freudenschrei über Johannes hinweg und fiel mir um den Hals.
Verstandesmäßig mochte mir klar gewesen sein, dass ich sie nicht in den Armen halten sollte, doch mein Körper jubelte darüber, dass sie genau dort war, wo ich sie haben wollte: fest an mich gepresst, während ihr anschmiegsamer, sinnlicher Körper diverse Feuer in mir entfachte. Obendrein weckte ihr verlockender Geruch den Hunger, den ich erst wenige Stunden zuvor gestillt hatte; diesen quälenden, überwältigenden Drang, der mich zwang, den Kopf zu neigen und ihren Fliederduft tief in mich einzusaugen.
Es war der reinste Wahnsinn, ihr zu gestatten, meinen Hals mit Küssen zu bedecken, aber irgendwie konnte ich sie nicht abweisen.
»Du bist mein Dunkler! Unfassbar! Nach Sebastian dachte ich, ich würde nie mehr einen finden, zumal Allie und Belle alles in Bewegung gesetzt haben, um ihn für mich zu suchen. Aber bei mir hat es einfach nie klick gemacht – und jetzt stehst du plötzlich vor mir, richtig geheimnisvoll und auf diese dunkle Art gut aussehend, und ich liebe das Grübchen in deinem Kinn, und du hast hinreißende grüne Augen, genau wie dein Kater, und ich bin deine Auserwählte! Du kannst gedanklich mit mir kommunizieren! Ich bin so glücklich!«
»Nein«, sagte ich schließlich und nahm meine ganze Kraft zusammen, um sie wegzuschieben. Es fühlte sich zwar völlig falsch an, aber ich wusste, dass es so am besten war. Um ihr eine große Kränkung zu ersparen, musste ich es beenden, bevor es richtig angefangen hatte.
»Nein was?«, fragte sie, und ihr Lächeln erhellte auch die dunkelsten Flecken in meinem Herzen. Der Hunger wuchs. Ich spürte, wie er in mir tobte.
»Nein, du bist nicht meine Auserwählte.«
Die Freude in ihrem Gesicht schwand. »Aber … ich weiß, dass ich es bin.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte ihr keinen Kummer bereiten, aber es war besser, ihre Hoffnungen auf der Stelle zunichtezumachen und nicht zu warten, bis sie so groß waren, dass ihr die Zurückweisung das Herz brach. »Es mag zwar eine gewisse Anziehungskraft zwischen uns geben, aber ich kann keine Auserwählte haben. Ich bin vermaledeit.«
»Du bist was?« Der Schmerz in ihrem Blick verwandelte sich rasch in Neugier.
Ich war fast versucht, ihr die Geschichte zu erzählen, doch schließlich siegte die Vernunft. »Es bedeutet ganz einfach, dass ich keine Auserwählte haben kann. Und nachdem wir das jetzt geklärt haben …«
»Haben wir? Ich finde, von ›geklärt‹ kann keine Rede sein, wenn du einfach bloß sagst, du könntest keine Auserwählte haben, es aber ganz offensichtlich doch kannst.«
Ich überging ihren Einwand. »Nachdem wir das geklärt haben, machen wir doch damit weiter, dass du mir erzählst, was ihr hier treibt, du und deine Komplizen, und dann rufe ich die Polizei und lasse euch vom Grundstück entfernen.«
Sie schaute auf ihre Hände. Mir schnürte sich der Magen zusammen, als ich Tränen in ihren Augen glitzern sah, doch als sie den Kopf dann wieder hob, war ihr Blick klar und fest. »Du willst mich verhaften lassen, nur weil ich deine Auserwählte bin?«
»Du bist nicht meine Auserwählte. Ich dachte, ich hätte mich deutlich …«
»Gefalle ich dir etwa nicht?« Unsicher fuhr sie mit der Hand über ihr leichtes Sommerkleid. »An meinem Aussehen kann ich leider nichts ändern, aber wenn ich eine Diät mache, werde ich bestimmt ein paar Kilo abnehmen.«
»Das wäre ein Verbrechen«, sagte ich ohne nachzudenken, und tadelte mich mental dafür, dass ich es ausgesprochen hatte. Dann tadelte ich mich wiederum für das Tadeln, denn Frauen waren meiner Erfahrung nach immer unzufrieden mit ihrem Äußeren, und ich konnte nicht ertragen, dass sich Noëlle für alles andere hielt als eine wunderschöne, sinnliche Göttin, die auf die Erde gekommen war, um Männer in Versuchung zu führen. »Ganz im Gegenteil, ich finde, du siehst fantastisch aus. Aber das hat nichts damit zu tun, dass …«
»Hast du etwas gegen Wächter? Ich kann nicht aus der Wächtergilde austreten, weil … Na ja, weil ich es nicht will. Ich bin gern Wächterin, und ich helfe anderen gern. Aber wenn es etwas Spezielles gibt, das dich an Wächtern stört, dann könnte ich dir zuliebe vielleicht etwas dagegen tun.«
»Was du in deiner Freizeit machst, du kleine Nonne, das ist mir völlig egal, wenn es sich nicht gerade um das unbefugte Betreten eines Grundstücks handelt.«
»Du hast also nichts gegen mich persönlich?«, fragte sie mit offenkundiger Erleichterung. »Gott, bin ich froh! Ich muss nämlich sagen, wenn ich noch mal von einem Dunklen abgewiesen werden würde, würde ich die Männer wahrscheinlich endgültig abschreiben und Einsiedlerin werden. Es liegt also daran, dass du – wie hast du es genannt? – vermaledeit bist? Das bedeutet doch so viel wie ›markiert‹, oder? Aber das ist Unsinn: Ich bin Wächterin, und wenn du von einem Dämonenfürsten markiert wurdest, bin ich genau die Richtige für dich. Ich kann dir helfen. Wir sind also wirklich füreinander bestimmt!«
Nun sah sie wieder sehr glücklich aus, verdammt!