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Humorvoll-bissige, witzig-ironische Geschichten über den Alltag unter Mitmenschen, Männern und Kindern Eine Frau sein ist kein Sport und schon gar nicht olympisch, aber oft schweißtreibend genug. Im Dauerlauf zwischen Haushalt und Beziehungskisten, zwischen Eheleben und Kindererziehung kann einem schon manchmal die Luft ausgehen, die frau zum Lachen braucht. Denn kein Problem, vor das einen der ganz normale Wahnsinn des Familienalltags stellt, ist so ernst, dass es sich nicht mit Humor lösen ließe. Das beweist Christine Nöstlinger auf ihre unnachahmliche Weise, voller Witz und Gelassenheit, mit einem liebevoll ironischen Blick auf das Leben und seine kleinen wie größeren Herausforderungen. Dieses Buch versammelt ihre schönsten Glossen und ist Trost und Rat in allen Lebenslagen.
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Seitenzahl: 324
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Christine Nöstlinger
Eine Frau seinist kein Sport
Eine Frau seinist kein Sport
herausgegeben von Hubert Hladej
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
www.residenzverlag.at
2. Auflage 2011
© 2011 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.Keine unerlaubte Vervielfältigung!
ISBN ePub:978-3-7017-4245-5
ISBN Printausgabe:978-3-7017-1575-6
Glaubt der Mensch, dass der Tag 48 Stunden und er selbst drei Hände habe, nimmt er sich viel vor. Etliches von dem, was mit zwei Händen in 24 Stunden nicht zu tun ist, lässt sich verschieben, etliches nicht. Und üblicherweise kommt zum »Vorgenommenen« noch »Unvorhergesehenes«. Da bringt die Nachbarin das Paket, das ihr der Briefträger anvertraute, und will Dank für die Gefälligkeit in Form eines Plausches abgestattet haben. Da ruft der Mann an und bittet, dass man die Schuhe vom Schuster, den Anzug aus der Putzerei hole, und die Waschmaschine pumpt das Wasser nicht ab und muss »entleert« werden. Und überhaupt klingelt pausenlos das Telefon! Jedenfalls beginnt man nicht, wie geplant, »in aller Ruhe um vier« mit den Vorbereitungen für das 8-Leute-Essen, sondern »in aller Hast um sechs«.
Man täte gut daran, sich nun selbst zu hypnotisieren und den Befehl zu geben: »Net hudeln!« Doch dazu hat man keine Zeit! Wie der tanzende Derwisch wirbelt man in der Küche rum, in der Abwasch türmen sich Geschirr und Küchengerät, man braucht die Quirle vom Mixer, vermutet sie unter dem Berg in der Abwasch. Zeit, den Berg wegzuwaschen, ist nicht, auch nicht, ihn abzutragen, man »untergreift« ihn, wodurch er wankt, hierauf rutscht. Blech scheppert zu Boden, Porzellan hinterher, und die Quirle waren nicht in der Abwasch, die waren unter den Erdäpfelschalen, die aus Zeitnot nicht in den Mist kamen.
Dafür muss man nun Leukoplast suchen, weil man sich beim Aufklauben der Porzellanscherben schnitt. Und mit drei Hansaplast-Fingern ist man halt ungeschickt bei der Handhabung des Geschirrtuchs, das man als Topflappen nimmt. Brennheiß spürt man es am bisher heilen Daumen, sofort wegstellen muss man den verflixten Suppenhäfen! Im Chaos erspäht man ein freies Platzerl auf der Arbeitsfläche, knallt den Häfen drauf. Zu heftig für das randvoll gefüllte Gefäß. Ein Viertelliter Suppe ist nicht viel, aber wenn er von der Arbeitsfläche in die Esszeuglade tropft und das Esszeug »netzt«, nimmt er sich reichlich aus. Und sehr fett! Weil im Suppentopf Fett oben schwimmt.
Während man Esszeug wäscht, blubbert die Soße auf dem Herd schäumend hoch. Kommt davon, dass einem in der Hektik der Obersbecher kippte, statt einem Löffel voll der ganze Becher drin ist. Obers schäumt halt und stinkt beim Übergehen! Nun, irgendwie ist die Schlacht geschlagen, wenn die Gäste klingeln. Und dass sie nicht Orangen, sondern Creme Caramel zum Dessert kriegen sollten, wissen sie nicht. Und die mit Karamell ausgegossenen Förmchen, die vergeblich darauf harrten, mit Eiermilch gefüllt zu werden, die kann man »einweichen«, damit sie im Laufe der Zeit so gnädig werden, sich vom Karamell zu lösen.
Ehefrauen und Mütter tun Ehemännern und Kindern bitter unrecht, wenn sie ihnen Faulheit und Unwilligkeit unterstellen, wo es um die »Mithilfe im Haushalt« geht. Abgesehen von raren, uneinsichtigen Exemplaren, sind Ehemänner und Kinder nämlich sehr wohl bereit, im Haushalt nicht bloß »einen Finger«, sondern »zwei emsige Hände« zu rühren!
Ganz egal, ob es ums Entleeren des Mistkübels geht, ums Tischdecken oder Tischabräumen, ums Säubern der Badewanne, ums Einschrauben neuer Glühbirnen in Lampen, die nur mit Hilfe einer Leiter erreicht werden können, Ehemänner und Kinder wären da wirklich willig zur Tat, wenn ... ja wenn ... ihnen die Ehefrau und Mutter nicht unentwegt so »enge, knappe Termine« setzen würde!
Der Jammer ist nämlich, dass zwischen Ehefrau bzw. Mutter und Ehemann bzw. Kindern die gröbste Meinungsverschiedenheit über das kleine Wort »gleich« herrscht. Die Mutter und Ehefrau verwechselt nämlich leider irrigerweise »gleich« mit »sofort«!
Und wenn das liebe Kind verspricht, »gleich« den Tisch abzuräumen, oder der ebenso liebe Ehemann gelobt, »gleich« einkaufen zu gehen, glaubt die Ehefrau und Mutter, diese Hilfsleistungen würden »sofort« vollbracht werden. Obwohl sie einsehen müsste, dass da noch weit dringlichere »Sofort«-Taten anstehen, wie: telefonieren, entspannen, Kreuzworträtsel lösen, fernschauen und dergleichen mehr.
Frustriert sind dann Ehemann wie Kinder, wenn sie sich nach Erledigung der Sofort-Taten ans Gleich-Werk machen wollen und bemerken, dass dieses bereits getan ist.
Hat die Mutter glatt den Tisch wieder selber abgeräumt! Ist die Ehefrau glatt wieder selber in den Supermarkt gelaufen! Hat die Frau keine Nerven? Kann sie kein bisschen warten? Muss denn alles immer nach ihrem neurotisch-hektischen Zeitplan gehen? Wohl deshalb, damit sie hinterher keppeln kann und als das ausgebeutete Familienopfer dasteht, dem niemand auch nur ein bisschen hilft!
Eine meiner Freundinnen hat sich diesen Vorwurf zu Herzen genommen. Seit Wochen erledigt sie keine einzige Arbeit mehr selber, die ein Familienmitglied per »Mach ich gleich«-Gelöbnis übernommen hat. Es geht ihr ganz gut dabei! Abgesehen von ein paar winzigen Lästigkeiten.
Eine dieser Lästigkeiten hat sie heute aus der Welt geschafft, indem sie sich eine 1000-Liter-Mülltonne für ihre Küche anliefern ließ!
Angeblich verbringt der umweltbewusste Haushalt mit Sortieren und Entsorgen des Abfalls zweiundvierzig Stunden im Jahr. Das sind pro Woche etwa achtundvierzig Minuten! Ich weiß echt nicht, wie man das in dieser Zeit schafft!
Zweimal die Woche trage ich Altpapier zum Container hinter dem Haustor. Ja, ja, Lift habe ich! Die Wegzeit (inklusive Papier bündeln, Tür auf- und zusperren) beträgt maximal vier Minuten. Aber immer, wenn ich zur roten Tonne komme, ist die bummvoll! Vordergründig freilich nur. Da ist stets ein riesiger Karton drin, den muss ich rausholen und falten. Leicht geht das nicht (sonst hätt’ es ja der Karton-Ableger selbst getan), aber mit Zerren und Reißen ist’s zu schaffen. Wenn nicht, hilft sportives Draufspringen. Jedenfalls dauert das, laut ureigenem statistischem Erfahrungswert, vier Minuten. Und so verbrauche ich für das Altpapier sechzehn Minuten die Woche.
Halt, falsch! Einmal pro Woche ist im Karton, den ich klein mache, Styropor. Das gehört nicht ins Papier, das muss eine Umweltbewusste in den Hof zum Restmüll tun, was wieder vier Minuten dauert. Flaschen machen weniger Mühe; dafür ein schlechtes Gewissen! Da sind die Tonnen an der Ecke, dauert nur sechs Minuten, bis das Glas entsorgt ist. Und das schlechte Gewissen habe ich nicht deshalb, weil zweimal pro Woche zwei Sackeln mit Glasflaschen von Trinkfreudigkeit zeugen, sondern wegen der armen Leute, die im Haus bei den Flaschentonnen wohnen. Denen müssen vom ewigen Glasgeklirre ja die Ohren abfallen! Und zwölf Glasminuten sind es immerhin auch die Woche!
Mühsamer ist die Bio-Tonne. Die ist etliche Quergassen weiter! Könnt’ direkt mit der Straßenbahn fahren. Aber im Sommer ist das nix! Das grüne Bio-Küberl duftet sehr säuerlich! Darum muss ich es auch jeden zweiten Tag ausleeren laufen. Und das macht dreimal die Woche hastige elf Minuten, also dreiunddreißig Minuten! Dann renn’ ich noch mit Leuchtstoffröhre und Batterie zum Händler, mit Pillen in die Apotheke, Dosen wie Plastikbecher müssen weg, Restmüll sowieso, jeden zweiten Donnerstag ist im »Grätzl« Lack-Fleckputzmittel-Säuren-Laugen-Annahme, und wenn ich die Sauerei einrechne, die wegzuputzen ist, weil der Trichter tropft, durch den ich Backfett in den Altöl-Kanister fülle, und wenn ich den Altöl-Kanister endlich dorthin fahren würde, wo man bereit ist, ihn mir abzunehmen, dann hätt’ ich – so ich nicht auch hin und wieder schuldhaft umweltsündigen tät – fast eine Halbtagsbeschäftigung!
Gerade hat wieder einmal jemand ausgerechnet, was eine Hausfrau verdienen würde, käme sie ihrer Arbeit nicht um Gotteslohn, sondern um Stundenlohn nach. Auf umgerechnet etwa 2.500 Euro im Monat beläuft sich diese Rechnung, die von einer 70-Stunden-Woche ausgeht. Ein ganz nettes Sümmchen also!
Aber natürlich ist so ein fiktiver Hausfrauen-Stundenlohn eine sehr zwiespältige Sache: Nehmen wir nur der Hausfrau Putztätigkeit im trauten Heim. Es gibt Bedienerinnen, die für fünf Euro bereit sind, Dreck zu putzen, und es gibt Raumpflegerinnen, die unter zehn Euro nicht zum Wischtuch greifen. Ist also schwer zu beurteilen, wie sich die jeweilige Hausfrau »außerhäuslich« verkaufen könnte.
Oder der Hausfrau Hilfe bei den Hausübungen der Kinder! Hat sie beispielsweise drei Stück begriffsstützigen Nachwuchs daheim und ist sie fähig, diesem das Wiederholen der Klasse zu ersparen, dann wären ja die Arbeitsstunden, in denen sie die Funktion eines Nachhilfelehrers übernimmt, gleich mit 25 Euro – oder noch mehr – zu entlohnen, und ihr Monatsgehalt würde rapide hochschnellen!
Und gar nicht zu ermessen ist der Lohn, wenn es um der Hausfrau Kochkunst geht. Eine kocht, dass ihr nicht einmal der Gutmütigste dafür mehr als einen Stundenlohn von einem Euro bieten würde, eine produziert Menüs, der 2-Hauben-Entlohnung würdig. Und wenn sich eine Hausfrau des Nähens und Strickens befleißigt und dabei so perfekt wie meine Freundin Lotti ist, ufert die Sache überhaupt aus.
Vergangene Woche hat sich Lotti ein Kostüm – ganz à la Armani – geschneidert. Würde glatte 1.500 Euro kosten! Und diese Woche macht sie den Pulli für ihre Tochter fertig. Jacquard-Gestrick in sieben Farben! Die Tochter hat haargenau so einen Pulli für 700 Euro in der Auslage einer Luxus-Boutique gesehen.
Da kommt also Lotti allein in diesem Monat auf zusätzliche 1.980 Euro, wenn man die Materialkosten für Pulli und Kostüm wegrechnet! Und wenn sie noch den Pflegeaufwand für den grippekranken Ehemann dazurechnet und für das Einsetzen der Kohlrabipflanzerln die Gärtnerkosten und das Hemdenbügeln mit Wäschereipreisen berechnet, kommt sie doch glatt auf ein ordentliches Manager-Salär.
Ungeklärt ist allerdings noch, wie das mit der ehelichen Liebe ist! Wird die auch nach »käuflichem Tarif« berechnet? Oder fällt die ins Freizeitverhalten?
Meine Mutter pflegte oft zu sagen: »Wer sich nicht g’fretten kann, kann nicht hausen.« Auch ich versuche, mit der Devise durch den Alltag zu kommen, und es funktioniert prima. Da ist zum Beispiel meine Erdäpfelpresse! Die ist insofern tückisch, als sie aus drei Teilen besteht. Teil eins ist der, wo die Erdäpfel reinkommen. Teil zwei der, mit dem man auf die Erdäpfel Druck ausübt, und Teil drei ist ein zwölf Zentimeter langer Stift, welchen man durch je zwei Ösen in Teil eins und Teil zwei steckt, um sie miteinander zu verbinden.
Nun geschah es unlängst, dass die gekochten, geschälten Erdäpfel der Pressung harrten, um zu Knödeln gemacht zu werden, ich aber Teil drei der Erdäpfelpresse nicht finden konnte, denn so ein dünner Stift verkriecht sich gemeinerweise leicht in einer Lade. Und in einem Haushalt, wo nebst mir Ehemann, Putzfrau und auf Besuch weilende Töchter gewaschene Gerätschaft wegräumen, ist nie zu sagen, wo Dinge deponiert wurden.
Ich suchte und suchte also, dachte dabei an meine Frau Mutter, sprach zu mir: »Wer sich nicht g’fretten kann …«, nahm einen metallenen Grillspieß und steckte ihn statt des Stiftes durch die Ösen der Erdäpfelpresse. Leider war der Grillspieß aus weicherem Metall als der Stift und verbog sich während der Presserei gewaltig. Aber bis zum letzten Erdapfel hielt er durch, erst dann brach er in zwei Teile.
Da ich nicht besonders an irdischen Gütern hänge, blieb mir der Verlust des Spießes nicht im Gedächtnis. Sein Hinscheiden fiel mir erst wieder ein, als ich für sechs Personen Spießchen braten wollte, aber nur fünf Grillspieße in der Lade fand. Aber auch da sprach ich zu mir: »Wer sich nicht g’fretten kann ...« und holte mir eine hölzerne Socken-Stricknadel zu Hilfe. Filetstückchen ist es schließlich völlig egal, ob sie auf einem Metallspieß oder auf einer Stricknadel gegart werden. Bloß war der Gast, der die Stricknadel-Portion bekam, beim Runterziehen der Fleischstücke unsanft, und die Stricknadel brach entzwei.
Das erwies sich erst als arger Verlust, als es Sonntag war und ich einem dicken Socken ein neues Randerl anstricken wollte. Glücklicherweise fiel mir das Mikado-Spiel ein, ich lieh mir eines der Staberln als fünfte Nadel. Man muss sich eben »g’fretten« können!
Manche Leute können das nicht. Zum Beispiel die drei, die jetzt bei meinem Esstisch sitzen und jammern, dass sie ohne den »Mikado« nicht Mikado spielen können. Dabei haben sie eh noch jede Menge Staberln! Ich werde doch nicht, nur damit sie noch eins mehr haben, den »Mikado« aus dem halb fertigen »Randerl« ziehen. Sollen sie ruhig die ganze Wohnung nach ihrem »Mikado« absuchen, in den Sockenkorb schauen sie garantiert nicht rein.
Natürlich gibt es auch Menschen, die noch nie fluchend vor einer Waschmaschine gestanden sind und dieser pastellfarbene Textilien, die noch vor 90 Minuten reinweiß gewesen sind, entnommen haben! Das sind die armen Pessimisten, die von jedem knallbunten T-Shirt und jeder neuen Jean gleich das Allerschlimmste annehmen. Aber allen anderen Menschen, den halbwegs optimistischen, passiert es doch immer wieder, dass ihre Wäsche in der Waschmaschine ganz unvermutete Farbtöne annimmt. Wir Optimisten wissen eben aus Erfahrung, dass nur jedes zweite T-Shirt und jede dritte Jean überschüssige Farbe abgeben. Und warum sollten hoffnungsfrohe Menschen unbedingt argwöhnen, dass ausgerechnet ihnen jedes zweite T-Shirt und jede dritte Jean angedreht werden? Außerdem kann man ja beim »Verfärben« auch ein wahrer Glückspilz sein. Unter Umständen ergibt eine Trommel voll weißer Unterwäsche, kombiniert mit einem dunkelbraunen Pyjama, Wäsche in der Modefarbe »Champagner«, die gerade »irre in« ist.
Ich allerdings neige eher dazu, zu marmorieren. Schlierenförmig in den diversen Grundfarben! Und bloß weil noch kein »Herrenausstatter« auf die schöne Idee gekommen ist, »geschlierte« Unterhosen für Männer auf den Markt zu bringen, hält mein guter Mann meine Waschergebnisse für untragbar. Mein tröstlicher Hinweis, dass wir wäschemäßig den »Partner-Look« haben, weil mein Unterzeug ja im gleichen Design prunkt, überzeugt ihn leider auch nicht recht. Und so hat er gestern, ganz nach dem Motto »Selbst ist der Mann«, sein marmoriert schlieriges Unterzeug aus der Wäschelade genommen und eine Packung Entfärber aus dem Badezimmerregal. Dann hat er sich ans bleichende Werk gemacht. Knapp ein Stündlein später hat er zufrieden lauter Reinweißes aus der Waschmaschine geholt; abgesehen von einem Jeansrock. Der war blassrot mit weißen Schlieren! »Also, der muss mir irgendwie irrtümlich druntergekommen sein«, hat er gestaunt. Und bevor ich noch meine Stirn so indigniert runzeln konnte, wie mein guter Mann das immer vor seiner Wäschelade zu tun beliebt, schwenkte er meinen Jeansrock herum und frohlockte: »Schaut aber doch irgendwie äußerst apart aus! Findest du nicht auch?«
Na sowieso! Drunter weiß mit roten Schlieren und drüber rot mit weißen Schlieren, so komplett »durchgestylt« zu sein, das schafft nicht bald wer!
Herrenhosentaschen, welche nicht nur als Aufbewahrungsort für ein Papiertaschentuch herhalten müssen, sondern auch tagtäglich mit einem dicken Schlüsselbund und einer erklecklichen Menge Kleingeld belastet werden, neigen zum vorzeitigen Verschleiß. Wenn die Hose noch »wie neu« ist, sind sie bereits von etlichen Stellen durchsetzt, die nur mehr Querfäden aufzuweisen haben (ob es sich dabei um Kettfäden oder Schussfäden handelt, weiß ich nicht).
Die Ehefrau erkennt diesen lädierten Taschenbeutelzustand zuerst einmal daran, dass ihrem lieben Ehemann, so als wäre er ein Dukatenesel, beim Gehen Münzen aus einem Hosenbein kullern. Es soll ja Ehefrauen geben, die dann sofort den Herrn Gemahl aus der Hose knöpfen und sich hurtig ans Flickwerk machen. Ich kenne aber nur solche, die mit eingenähten Männerhosentaschen so wenig wie nur möglich zu tun haben wollen und wegschauen, wenn es aus dem Hosenbein klimpert. Aber das hilft ja nicht viel! Ein paar Tage später steht der gute Mann da, mit der Hose in den Händen, und spricht mit brav eingelernter Softie-Miene: »Bitte, könntest du mir schnell mit ein paar Stichen ...«
Okay, wer eine Arbeit noch nie getan hat, kann weder ihre Dauer noch ihre Mühsal recht einschätzen. Aber was würde denn der gute Mann sagen, wenn ihn seine gute Frau – mit ihrem allerliebsten Weibchenblick – ersucht, mit ein paar schnellen »Hammerschlägen« die Einbauküche von der linken Wandseite auf die rechte zu bringen? Wer diesen Vergleich für übertrieben hält, der hat noch nie einer Männerhose einen neuen Taschenbeutel eingesetzt! Ja freilich, man könnte pfuschen. Man könnte, so noch Querfäden vorhanden, wie bei einem Socken und sehr unhübsch durchstopfen. Oder, von Hand, einen zierlichen Flicken aufnähen. Aber Pfusch hält leider auch bei Hosentaschen nicht! Eine Woche später kriegt man die Hose wieder und muss einsehen, dass da bloß eine radikale Taschenbeuteltransplantation helfen kann. Es gibt Hosen, die muss man zu 60 Prozent auftrennen, um den Taschenbeutel ordentlich zu entfernen, und wenn man dann alle Nähte wieder schließen will, streikt die Haushaltsnähmaschine, weil es ihr nicht gegeben ist, über acht Lagen Stoff in verzwickte Ecken reinzusteppen. Und hat man die Tortur endlich hinter sich, sagt der gute Mann: »Hätt’ ich geahnt, dass du das so ungern machst, hätt’ ich sie zum Schneider getragen!« Drei Monate später jedoch steht er wieder mit einer Hose da und redet von »ein paar schnellen Stichen«. Und dass er versprochen hatte, kein Kleingeld mehr in die Tasche zu tun, hat er auch vergessen. Ein Mann von Format hat eben bloß ein Taschenbeutel-Kurzzeitgedächtnis.
»Das Leben ist am schwersten drei Tage vor dem Ersten«, seufzte meine Großmutter immer gegen Monatsende und kochte dann so lange Krautfleckerln und Bröselnudeln, bis der Großvater »am Ersten« mit dem Lohnsackerl kam. Manchmal war die Großmutter aber am Monatsende schon so pleite, dass sie nicht einmal mehr Geld für Kraut und Nudeln hatte. Dann ließ sie beim Greißler »aufschreiben« und genierte sich dafür gewaltig. Wenn sie »aufschreiben« ließ, wartete sie, bis keine andere Kundin in der Greißlerei war. Niemand sollte sie »ausrichten« können. Es sollte nicht heißen: »Die kann ja nicht wirtschaften!«
Das sind Sorgen von gestern. Der »Erste« spielt heute für Lohnempfänger keine große Rolle mehr, und »aufschreiben« ist im Supermarkt nicht üblich. Dafür hat unsereiner, wenn er nicht »wirtschaften« kann, seine Bank. Bei der überzieht er sein Konto; was nichts anderes als »aufschreiben« bedeutet. Der Unterschied ist bloß, dass die Banken saftige Zinsen fürs »Aufschreiben« verlangen, während das der Greißler gratis tun musste. Dafür wird ein Kontoüberzug aber nicht öffentlich. Keine Nachbarin weiß um ihn Bescheid, und wenn der Bankomat die Scheckkarte frisst, weil der Überzugsrahmen bereits überzogen ist, geht das auch diskret und unauffällig vor sich. Eine Nachbarin jedenfalls wird nicht gerade Augenzeugin dieses Vorfalls sein und wird daher auch nichts Abträgliches in der Gegend herumtratschen können.
Und wenn der hinterhältige Bankomat die Scheckkarte gefressen hat und nicht mehr ausspucken will, dann ist das kein großes Unglück. Dann nimmt man halt bei seiner Bank einen Kredit auf, Umschuldung heißt das, und schon ist das Konto – hokuspokus – wieder in den schwarzen Zahlen, und man bekommt eine neue Scheckkarte, und der Bankomat spuckt wieder brav Scheinchen aus, und man kann kaufen, was man nur mag.
Die neue Scheckkarte kostet zwar eine Kleinigkeit, und die Kreditgebühren muss man natürlich auch berappen, und den Kredit und die Zinsen für den Kredit muss man klarerweise auch zurückzahlen. Aber abgesehen davon ist das doch wie im guten alten Schlaraffenland!
Hin und wieder bekommt man leider böse Träume und Albdrücken im Schlaraffenland. Träume voll Zahlen. Und alle Zahlen sind rot!
Solche bösen Träume mit roten Zahlen blieben meiner Großmutter erspart. Sie hatte stets einen tiefen, traumlosen Schlaf. Angeblich deshalb, weil ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen sein soll. Aber was hatte die arme Frau denn außer einem sanften Ruhekissen sonst schon?
Krautfleckerln am Vorletzten und Bröselnudeln am Letzten! Und ein kleines schwarzes Bücherl beim Greißler!
Wer wollte da schon mit ihr tauschen? Ach, Sie hätten gar nichts gegen Krautfleckerln und Bröselnudeln, wenn Sie dafür schuldenfrei wären? Ja warum, geneigte Leserin und geneigter Leser, werfen Sie dann nicht einfach Ihre Scheckkarte weg?
Das Verhältnis der »Normalfrau« zu Hüten ist ein sehr problembelastetes.
Unter Hüten verstehe ich nicht Pelzkappen, Baskenmützen, Schirmkappen, regenfeste Südwester oder sonstige wollene, plastikene Dinger, die Frauenköpfe vor Witterungseinflüssen jeglicher Art beschützen. Mit Hüten meine ich die »Zierhüte«, je nach Modelage, üppig mit Krempe, Federn, Schleier, Blümchen oder Flatterband versehen.
Nur sehr selbstbewusste Frauen schreiten mit solchen allerliebsten »Zierhüten« durch die Gegend.
Den Ankauf einer solchen »Kopfkrönung« tätigt freilich einmal im Leben fast jede Frau. Meistens handelt es sich dabei um einen »Spontankauf«, der dann passiert, wenn sich eine Frau gerade psychisch im »allerhöchsten Hoch« befindet und in diesem wunderschönen Seelenzustand eines Hut-Salons gewahr wird. Da hält sie sich dann plötzlich für ein Wesen, welches dazu geeignet ist, »Zierhüte« spazieren zu führen.
Doch die »allerhöchsten Hochs« in einem normalen Frauenleben sind rare Sternstunden, und der Anlässe, so einen Hut aufzusetzen, sind im normalen Frauenleben gar wenige. Also lagert der »Zierhut« im Schrank und wartet darauf, dass endlich einmal Anlass zu seinem Ausgang und positive Gemütsverfassung seiner Besitzerin zusammentreffen mögen. Irgendwann einmal passiert das dann auch. Die Frau holt ihren »Zierhut« aus dem Schrank, setzt ihn auf, schaut sich in den Spiegel und ist sich sicher: Der Hut ist schön! Ich bin schön! Ab jetzt werden wir beide sehr oft miteinander ausgehen!
Und dann kommt ein Stück Nachwuchs ins Zimmer, starrt entgeistert die »behütete« Mama an und fragt: »Mit dem Deckel willst weggehen?« Oder der Ehemann, der die Frau beim »Ausgang mit Hut« begleiten soll, kommt ins Zimmer, schaut nicht minder entgeistert, weist auf sein kariertes Hemd und seine Jeans und sagt vergrämt: »Wennst so angezogen bist, müsste ich mich ja auch umziehen!«
Und dann nimmt die Frau den Hut halt wieder vom Kopf. Es kann sogar ein Hund sein, der den »Zierhut« wieder auf seinen Schrankplatz verweist. Sagte eine Freundin zu mir: »Wie ich den Hut aufgesetzt habe, hat unser Tasso so schrecklich zu bellen angefangen. Das hat mich verunsichert.«
So oder so, irgendwer hindert uns Normalfrauen immer daran, unseren »Zierhut« auszuführen. Trotzdem ist es schön, einen im Schrank zu haben, denn das zeugt davon, dass wir uns selbst – ganz im Geheimen – doch ein bisschen anders sehen als Ehemann, Nachwuchs und Haushund.
Die erste Hürde beim Abnehmen ist die, dass bereits der Entschluss dazu hungrig macht. Man braucht bloß daran zu denken, die Nahrungsaufnahme zu reduzieren, und schon knurrt der Magen wie ein hungriger Wolf und hat Lust auf Zufuhr, selbst wenn er gerade ein dreigängiges Menü in sich beherbergt.
Doch wenn man sich nicht an die erste Schlankheitskur macht, sondern schon etliche hinter sich hat, weiß man das ja, nimmt es nicht weiter krumm und versucht, sich an seinen täglichen tausend Kalorien so gut als möglich zu erfreuen. Die Tricks sind ja bekannt: Winziges Tellerchen nehmen, Bröckelchen artig hinlegen, mit allerlei lieblichem Null-Kalorien-Grünzeug hübsch garnieren, jeden Bissen zweiunddreißigmal kauen und bei dieser Kauarbeit nur ja keine Zeitung lesen! Die hochinteressante Lektüre könnte einen vergessen lassen, dass man schon siebzehnmal zweiunddreißigmal gekaut hat, und man könnte deshalb irrigerweise in aller Unschuld sein Tellerchen noch einmal füllen!
Natürlich hat man auch alles aus dem Haushalt zu entfernen, was in Versuchung führen könnte: Schokolade, Kekse, Bier, Soletti, Eierlikör, Salzmandeln, Hustenbonbons, sogar das uralte Döschen Leberpastete.
Dafür holt man sich einen Vorrat an Salatgurken, Wassermelonen und Mineralwasser heim. Und etwas Ballaststoff. Von wegen Darmtrakt. Man kaut also, als Zwischenmahlzeit, Gurke, süffelt Mineralwasser, schnipselt in regelmäßigen Abständen ein Schnittchen vom Leinsamen-Ballaststoff-Riegel und verliert täglich zwischen hundertvierzehn und zweihundertdrei Gramm an Gewicht.
Das beflügelt, und man eilt beschwingt in die nächste Siebentausend-Kalorien-Woche. Und wieder in die nächste! Aber dann kommt ein Tag, da räumt man im Küchenkasten herum, weil da noch etwas Süßstoff sein sollte, und hat plötzlich ein Glas Cocktailkirschen in der Hand. Letztes vergessenes Relikt aus fetteren Zeiten! Hinterher weiß man nicht, wie das passieren konnte, doch auf einmal hat man total klebrige Finger, und das Cocktailkirschenglas ist leer. Sogar den Zuckersaft hat man getrunken, obwohl der penetrant nach Parfüm geschmeckt hat. Weil sich ein »Sündenfall« auch wirklich »auszahlen« soll, wieselt man aus dem Haus auf ein Gulasch mit Bier oder eine Sachertorte mit Schlag; je nachdem, was man wochenlang speziell entbehrt hatte. Worauf der Hunger-Bann gebrochen ist und die fünf Kilo im Nu wieder da sind.
Aber was soll’s? Schlank zu sein ist ein Vergnügen, und nach Lust und Laune essen zu können ist ein Vergnügen. Man hat auch seine Vergnüglichkeiten abwechslungsreich zu gestalten!
Ob folgende wahre Geschichte zum Lachen oder zum Weinen ist, möge die Leserin, der Leser selbst entscheiden.
Also: Zwei Frauen, nennen wir sie Elfi und Evi, sind seit Kindertagen befreundet. Vor 18 Jahren bekamen beide einen Sohn, und wie das bei jungen Müttern üblich ist, waren die Söhne Gesprächsthema Nummer 1. Ist ja auch aufregend, wie sich Babys entwickeln! Bloß tat dies Elfis Sohn hurtiger als der von Evi. Das erste Lachen, das erste Kopfheben, der erste Zahn, alles war bei Elfis Sohn ein paar Wochen früher da. Den ersten Schritt tat er natürlich auch früher, und Mama und Nein sagen konnte er bereits, als Evis Sohn nur Dadada herausbrachte. Das vergrämte Evi.
Was sie grämte, war weniger der Entwicklungsrückstand des eigenen Kindes als der Hochmut, mit dem Elfi von ihrem Kind sprach, und die milde Herablassung, mit der sie Evis Sohn behandelte. Einmal nannte sie ihn sogar einen »Spätentwickler«. In aller Unschuld natürlich. Doch Evi traf es in tiefster Seele, und tief getroffene Seelen reagieren sonderbar. Evi fing, ihren Sohn betreffend, zu mogeln an. Klagte Elfi über die Kosten von Windeln, sagte Evi: »Meiner ist schon rein!« Sagte Elfi stolz, ihr Sohn könne bis 10 zählen, sagte Evi: »Meiner kann von 10 zurückzählen!«
Dann kamen die Söhne in die Schule. Elfi berichtete, dass ihr Sohn »Klassenbester« sei. Evi, im Mogeln schon sehr trainiert, berichtete Gleichlautendes. Die dritte Klasse Gymnasium musste Evis Sohn wiederholen. Doch dies verschwieg Evi der Elfi. »Den Triumph gönn’ ich ihr nicht«, erklärte sie ihrem Ehemann.
Nun sollte aber heuer Evis Sohn, wäre er nicht sitzen geblieben, maturieren. Und Evi befand sich in einer abscheulichen Klemme! Wie, fragte sie sich, soll ich denn der Elfi eine Matura samt Maturareise vormogeln? Und im Herbst ein Studium? Richtig erleichtert war sie, als Elfi plötzlich keine Zeit mehr hatte, sich mit ihr zu treffen. Musste sie wenigstens nicht »das Blaue vom Himmel herunter« lügen! Aber verwundert darüber, dass Elfi plötzlich so gar keine Zeit hatte, war sie schon. Die hatte doch immer jede Menge Zeit gehabt!
Vorgestern traf Evi zufällig Elfis Schwiegermutter auf der Straße. Wie es der Elfi gehe, fragte sie. Und was der Sohn von der Elfi im Herbst studieren werde. Antwortete die Schwiegermutter: »Heuer doch noch nicht. Unser Burli ist in der fünften Klasse sitzen geblieben!« Nun hockt die Evi daheim und überlegt sich allerhand. Gern würde sie die Elfi anrufen. Ist doch jammerschade um eine uralte Freundschaft. Die sollte doch nicht wegen zweier gemogelter »Wunderkinder« flötengehen! Zehnmal hat die Evi schon zum Hörer gegriffen und dann wieder aufgelegt. Aber sie wird es schon noch schaffen!
Meine liebe Freundin Suserl ist um Objektivität bemüht. Bespricht man in ihrer Anwesenheit die traurige Lage von gestressten Frauen, die sich zwischen Beruf, Haushalt und Kindern zersprageln und dazu noch Schuldgefühle haben, weil sie weder für die Kinder noch im Beruf und schon gar nicht im Haushalt all das schaffen, was man »optimal« zu nennen pflegt, dann unterbricht Suserl mit einem resoluten »Aber!«. Und hinter diesem »Aber!« erzählt sie dann ausführlich von einer – ihr gut bekannten – Frau, die keinen Beruf hat und keine Kinder, dafür aber eine tagtägliche Putzfrau und einen hobbykochenden Ehemann. Und diese Frau, verkündet Freundin Suserl, die sei schon psychisch krank vor lauter Langeweile und Unausgefülltheit. Und abschließend sagt Suserl noch: »Man muss eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen!«
Spricht man in Suserls Gegenwart davon, dass viele Herren, so sie ihre angeblich besten Jahre erreicht haben, dazu neigen, ihre gleichaltrige Partnerin gegen eine wesentlich jüngere auszutauschen, und dass man dieses für eine Sauerei hält, dann kommt ebenfalls Suserls »Aber!«. Und hinter dem »Aber!« erzählt sie dann ausführlich von einer – ihr gut bekannten – Frau, die, obwohl weit über vierzig, ihrem treuen Ehemann »den Weisel« gegeben habe und nun ihr Bett mit einem Jüngling teile, der leicht ihr Sohn sein könnte. »Man muss eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen«, spricht sie, erhobenen Zeigefingers, abschließend.
Freundin Suserls »Aber!« kommt auch, wenn man davon redet, wie mies und übel verlassene Ex-Ehefrauen mit spärlichen Alimenten zurechtkommen. Da kennt Suserl dann eine Frau, die ihren Ex-Ehemann zugrunde gerichtet hat. Haus, Geschäft und Sparbücher hat sie ihm abgenommen. Und jetzt zahlt er noch die Schulden zurück, die sie gemacht hat! Freundin Suserl kennt sogar »die andere Seite der Medaille« insofern, als dass sie eine Frau kennt, die ihrem Ehemann Ohrfeigen gibt! Und eine Frau, die bis weit über Mitternacht in Wirtshäusern hockt, während ihr Mann daheim den Schlaf der unmündigen Kindlein betreut, die kennt sie natürlich auch.
Weist man Freundin Suserl darauf hin, dass sie uns da bloß von den Ausnahmen erzählt, ertönt wieder ihr allerliebstes »Aber!«. Hinter diesem »Aber!« folgt jedoch keine weitere Erläuterung mehr. So blöd ist Suserl wieder nicht, dass sie ehrlich verkünden würde: »Es ist schön, wenn ich was daherplappere und alle Männer nicken mir begeistert zu!«
Frau Meier ist eine moderne Frau, mit wachem Verstand, Verkitschtem, Verlogenem abhold, Gefühlsduselei und Schönfärberei mag sie nicht. So schätzte sie auch den Muttertag nie, fand ihn verlogen, verkitscht, Realität schönfärbend! Sooft die Rede auf ihn kam, sprach sie funkelnden Auges: »Ja, ja, 364 Tage im Jahr grobe Vernachlässigung, am 365. Ehrentag zum Ausgleich! Damit’s nachher wieder im alten Trott weitergehen kann!«
Schon als junges Mädchen pflegte sie diesbezüglich zu sagen, dass sie dereinst, falls einmal Mutter, nie den lächerlichen Ehrentag begehen werde, ersatzlos streichen werde sie ihn! Nun ist Frau Meier seit geraumer Zeit Mutter und feiert den Muttertag. Zähneknirschend am Anfang, später nur noch leise seufzend, jetzt abgeklärt lächelnd. Das hat sich halt so ergeben.
Was soll man denn tun, wenn Knirpse mit glänzenden Kulleraugen vom Kindergarten kommen und aufgeregt mitteilen, dass sie ein Geheimnis haben, ein wunderschönes, dass sie das nicht verraten dürfen, dass es die Mami erst am Sonntag erfahren und sich dann riesig freuen wird!
Da kann man nicht sagen: »Ich ahne, ihr habt ein Muttertagsgeschenk gebastelt, aber darauflege ich keinen Wert.«
Und wenn die Knirpse am Muttertagsmorgen beim Bett stehen, der eine mit einem Tonfladen, darin »zur ewigen Erinnerung« der Abdruck seiner Patschhand, der andere mit einem getupften Joghurtbecher, angeblich geeignet, Ohrklippse oder Knoblauch darin aufzubewahren, muss man doch beglückt »Danke« stammeln. Und wenn die Knirpse größer sind und in der Schule ein Gedicht lernen, in dem sich Mütterlein auf Sonnenschein und Herz auf Schmerz reimt, kann man ihnen auch nicht verwehren, das mühsam Erlernte aufzusagen.
Außerdem hat Frau Meier nicht nur Kinder, sie hat auch eine Mutter. Und die will einen gefeierten Muttertag! Und wenn Frau Meier bei sich daheim den Muttertag abschaffen würde, würde sie es ihrer Mutter zeigen, dass sie diesen Tag nicht mag. Und die Mutter würde das als Rüge ihres eigenen Bedürfnisses nach Ehrung auffassen und wäre gekränkt. Und kränken will Frau Meier ihre Mutter wahrlich nicht.
Was Frau Meier allerdings nicht weiß, ist, dass sich ihre Mutter seinerzeit auch erst mühsam an den Muttertag gewöhnte. Durch eine kleine Tochter, die mit rosa Papierherz, Vergissmeinnicht-Sträußlein und Verslein darauf bestand, die Mutter zu ehren.
Zu den Spruchweisheiten, die einem ab einem gewissen Alter regelmäßig serviert werden, gehört zweifelsohne: »Der Mensch ist nicht so alt, wie in seinem Taufschein steht, er ist so alt, wie er sich fühlt.«
Sicher, sicher, da ist schon allerhand Wahres dran, aber wie sich der Mensch fühlt, hängt halt leider gewaltig davon ab, wie man mit ihm umgeht.
Da fühlt sich zum Beispiel eine Mutter gerade »unerhört blutjung«. Und dann geht sie mit ihrer tatsächlich unerhört blutjungen Tochter spazieren und muss zur Kenntnis nehmen, dass sämtliche bewundernden Blicke von entgegenkommenden Männern nicht ihr gelten, sondern ihrem Töchterlein. Nach Beendigung des Spazierganges wird bei der armen Frau das schöne Gefühl des »Blutjungseins« wohl erheblich dahingeschmolzen sein.
Und wenn ein gnadenloser Ehemann seiner fünfzigjährigen Ehefrau, die sich »wie dreißig« fühlt, mehr oder minder zart andeutet, dass eine verwegene Lockenpracht in Burgunderrot nicht zu »einer Frau im Oma-Alter« passe, gleicht sich bei der gerügten Fünfzigerin das Gefühls-Alter ziemlich schnell dem Taufschein-Alter an. Umgekehrt funktioniert es freilich auch. Da ist eine vierzigjährige Frau, die hadert seit Tagen mit sich, sooft sie in den Spiegel schaut. Alt, uralt kommt sie sich vor, wenn sie – was sie dreimal täglich tut – ihre beginnenden Fältchen im Vergrößerungsspiegel mustert. Wie hundert und ein bisschen drüber! Und dann geht sie eines Tages mit vergrämtem Sichelmund aus dem Haus, und vor der Haustür trifft sie eine Bekannte, die sie seit Jahren nicht gesehen hat, und die ruft aus: »Gut schauen Sie aus, gar nicht verändert haben Sie sich! Toll, wie Sie sich halten!« Und nach Beendigung des kleinen Gesprächs geht die Frau weiter, und an der Straßenecke stößt bei ihrem Anblick ein junger Mann, der Kartons aus einem Lkw ablädt, einen anerkennenden Pfiff aus. Und wie die Frau in ein Geschäft kommt, hält ihr ein Herr in besten Jahren die Tür auf und sagt: »Nach Ihnen, schöne Frau!« Heimgekehrt, fühlt sich die Dame sicher nimmer wie hundert und ein bisschen drüber.
Bitter an der Sache ist nur, dass es jede Menge Leute gibt, die einem beibringen, sich nicht jünger als im Taufschein vermerkt zu fühlen, aber die Menschen aussterben, die aufbauende Komplimente parat haben. Ob das daran liegt, dass die Menschen immer grantiger werden, oder daran, dass sie immer ehrlicher werden, ist Ansichtssache.
Ich kenne eine Dame, die löst seit drei Jahrzehnten sämtliche ihrer ehelichen Konflikte mit der simplen Methode: Was mich kränkt, macht mich krank. Hat diese Dame am Verhalten ihres Ehemanns etwas auszusetzen, erkrankt sie blitzschnell, wobei sich die Sorte ihres Blitzleidens aus dem Delikt ergibt, welches der Ehemann begangen hat: Linksseitige Migräne bei den kleineren, Magenschmerzen bei den mittleren, Herzbeschwerden bei den ganz großen, ungeheuerlichen Vergehen.
Um mit der Methode Erfolg zu haben, bedarf es natürlich eines Ehemanns, der sich auch nach drei Jahrzehnten immer noch von den Blitzerkrankungen der Frau Gemahlin tief beeindrucken lässt; aber solche Ehemänner sind gar nicht so rar, wie man annehmen sollte. Und dass sie sich so einfühlsam verhalten, hat wohl weniger mit riesengroßer Liebe zu tun als mit riesengroßer Ratlosigkeit.
Was soll man denn, so man nicht an Trennung denken will, auch dagegen tun, wenn der Partner Krankheit als Waffe in Konfliktfällen einsetzt? Meine blitzkränkliche Dame etwa schwindelt ihre Beschwerden ja nicht einfach vor. Sie spürt den Druck im Magen, das Pochen hinter der Stirn, das Stechen in der Brust ja wirklich!
Und da kommt es dann echt nicht darauf an, ob die Fachärzte ihr Herz und ihren Magen für pumperlgesund halten. Und bei Migräne ist ein »Befund« sowieso nicht möglich.
Und zudem tut die Dame ja nichts anderes, als ihrem Ehemann mitzuteilen, dass sie unter seinem Verhalten fürchterlich leidet. Sie schreit es ihm bloß nicht ins Gesicht, sondern stellt es stumm leidend dar, mit der Hand an der Stirn, am Magen oder auf der linken Brustseite.
So war diese Dame übrigens schon im Volksschulalter. Wenn wir im Hinterhof spielten und sie ihren Willen gegen die anderen Kinder nicht durchsetzen konnte, hockte sie sich auf den Hackstock, griff sich mit beiden Patschhänden an den Kopf, verzog das Gesicht und teilte uns mit, dass sie »Kopfi-wehweh« habe. Bloß, bei uns wirkte das halt nicht. Und bei ihren ersten drei »Lieben« wirkte es auch nicht, die zerbrachen.
Erst ihre vierte »Liebe«, ihr nunmehriger Ehemann, stieg willig darauf ein. Der war nämlich bereits tadellos trainiert. Von klein auf! Seine Frau Mutter war ebenfalls eine große Meisterin im Kränkungs-Erkranken. Sie bekam bei allfälligem Bedarf Erstickungsanfälle mit rasantem Gliederzucken, die bei gröberen Vergehen des Sohnes in Ohnmachtsanfälle ausarteten, welche des Notarztes und eines Rettungswagens bedurften. Und so gesehen hat er es sich durch die Heirat ja enorm »verbessert«.
Da in Österreich jede dritte Ehe geschieden wird, haben klarerweise die meisten Leute unter ihren Freunden und Bekannten etliche »Scheidungsfälle«. Erstaunlicherweise scheint aber der »gesellschaftliche Umgang« mit Geschiedenen für viele Leute noch immer ein Problem zu sein. Vor allem geschiedene Frauen erzählen, dass sie sich nach der Trennung vom Partner auch vom gemeinsamen Freundes- und Bekanntenkreis geschieden und allein gelassen fühlen.
Aus der Sicht dieser Frauen sieht das so aus: Knapp vor und knapp nach der Scheidung kann die Frau mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme rechnen; möglicherweise verbirgt sich unter dieser Zuwendung ja blanke Neugier, aber jedenfalls kümmert sich der Freundes- und Bekanntenkreis um die Frau, ruft an, trifft sich mit ihr, hört ihr zu, wenn sie von ihrem Seelenzustand und ihren neuen Lebensproblemen berichtet.
Doch bald danach bleiben die Einladungen der Freunde und guten Bekannten aus, ihre Besuche auch, die Anrufe werden spärlicher, schließlich wechseln sie gerade noch, wenn sie der Frau zufällig auf der Straße begegnen, ein paar nichts sagende Floskeln mit ihr. Meistens mit dem vagen Schlusssatz: »Wir müssen uns unbedingt wieder einmal treffen, ich ruf dich demnächst an!« Aber der Anruf kommt dann doch nicht, und nimmt sich die geschiedene Frau ein Herz und ruft selbst an, kommt auch kein Treffen zustande, sondern wieder nur Vertröstung auf »demnächst«, weil die Freunde und Bekannten im Moment gerade so viel um die Ohren haben und jeden Tag »besetzt« sind. Sie hört wieder: »… ich ruf dich an!«
Der bittere Schluss der Frauen, denen es so erging, lautet: Als Geschiedene bin ich bloß in raren Einzelfällen willkommen, ansonsten sind mir nur die Freunde und Bekannten geblieben, die ich »extra und allein« hatte, mit denen mein Ex-Gemahl nie befreundet gewesen ist. Alle anderen Leute, die wir gemeinsam kennen und schätzen lernten, wurden nach der Scheidung zu »seinen« Freunden, die mit mir nichts mehr zu tun haben wollen. Ist das generell so? Vielleicht wimmelt ja mein Bekanntenkreis vor lauter Ausnahmen mit böser Erfahrung.
Liebe Leserinnen und Leser, überdenken Sie einmal Ihr »Kontingent an Geschiedenen«, rechnen Sie nach, wie oft Sie die Frauen der Ex-Paare seither einluden, anriefen, besuchten. Falls Sie merken sollten, dass der Kontakt tatsächlich »merkwürdigerweise und ohne böse Absicht« abgebrochen ist, dann nichts wie ans Telefon; auch jahrelang unterbrochener Kontakt ist wieder herzustellen, geänderte Telefonnummern lassen sich bei der Auskunft erfragen.
Schaut man sich in Buchhandlungen um, entdeckt man gut ein Dutzend Bücher, von Frauen verfasst, die Leserinnen nahe bringen wollen, dass das Frauenleben, je länger es währt, umso schöner wird. Mit »Hurra« und »Endlich« wird der 40. oder 50. Geburtstag begrüßt, und würden junge Frauen diese Bücher lesen, was sie freilich selten tun, würden sie neidisch auf ihre »reifen bis überreifen« Geschlechtsgenossinnen. Die Autorinnen dieser Art Sachliteratur gehen alle nach der Devise vor: Eine Frau ist so alt, wie sie sich fühlt. Ist sie bereit, sich alternd unverdrossen weiter jung zu fühlen, hat sie dazu aufgrund langen Daseins reichlich Lebenserfahrung und Weisheit und kann das Leben noch besser genießen als in Jugendjahren.
Wäre ich 20 Jahre alt, würde ich’s vielleicht glauben und frohgemut auf Verdoppelung meiner Lenze warten. Da ich aber mehr als Verdreifachung erreicht habe, wage ich zu sagen: Die »Hurra« und »Endlich« sind etwas überzogen. Alt zu werden, ist auszuhalten, sogar sehr gut, aber kein Anlass zum Jubel!