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Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500 - 1620 Im Jahr 2013 waren in Mitteleuropa 12,7% der deutschsprachigen Bevölkerung Menschen mit sogenannter Behinderung, also mehr als jede zehnte Person. Dennoch wurden diese Menschen lange Zeit von der Geschichtsschreibung vergessen. Menschen mit Behinderung haben aber sehr wohl eine lange Geschichte, die sich auf ihre Gegenwart und ebenso auf ihre Zukunft auswirkt. In seinem Buch Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung. Dis/abled in 500 - 1620 zeichnet Robert R. Keintzel die Geschichte der Menschen mit Behinderung in Mitteleuropa vom Jahr 500 bis zum Jahr 1620 nach. Der Autor geht folgenden Fragen auf den Grund: Was ist eigentlich Behinderung? Gab es Behinderung zwischen 500 - 1620, und wenn ja, wie sah diese Behinderung aus? Welche bekannten Herrscher waren behindert? Wie nahmen die Wissenschaft, das Rechtssystem, das Christentum und die Medizin das Phänomen der Behinderung wahr, und wie gingen sie mit Menschen mit sogenannter Behinderung um? Wie sah Medizin in dieser Zeit aus, und wie entwickelte sie sich? Wer wurde medizinisch behandelt, und wie gestaltete sich eine medizinische Behandlung früher im Vergleich zu heute? Wie sah die Gesellschaft von 500 - 1620 aus? Wurden alle Menschen in der historischen Gesellschaft gleichbehandelt und medizinisch versorgt? Waren Menschen mit sogenannter Behinderung in dieser Zeit abled oder disabled? Welchen Einfluss hat die Geschichte der Menschen mit Behinderung auf unsere heutige Zeit? Viele Fragen, auf die der Autor in diesem Buch eine Antwort sucht.
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Seitenzahl: 340
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Robert Ralf Keintzel
EINE GESCHICHTE DER MENSCHEN MIT BEHINDERUNG
DIS/ABLED IN 500 – 1620
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© Herausgeber: Robert Ralf Keintzel
Ichenhauserstr. 64, 89312 Günzburg
Graphische Gestaltung: Vithusan Vijayaratnasingam
Der Autor
Robert Keintzel studierte Medizin an der Universität Ulm. Neben dem Studium absolvierte er das Certified Science Training an der Charité Berlin und erweiterte seine medizinischen Kenntnisse an der Sanitätsakademie in München.
Schon während seines Studiums arbeitete der Autor im Universitätsklinikum Ulm und im Bundeswehrkrankenhaus Ulm.
Während seiner praktischen Tätigkeit hatte Herr Keintzel Kontakt zu Menschen, die mit einer Behinderung leben. Diese prägenden Erfahrungen führten zu dem Entschluss, mit dem Studium der Sonderpädagogik und dem Fach Geschichte sein Wissen zu vertiefen. Zurzeit arbeitet Herr Keintzel als wissenschaftlicher Berater in einem medizingeschichtlichen Institut in München und beschäftigt sich hier mit Disability History sowie Medizingeschichte.Der Autor engagiert sich ehrenamtlich im Bereich Inklusion, unter anderem mit großem Erfolg als Trainer bei den Olympischen Winterspielen 2020 für Menschen mit geistiger Behinderung. Während dieser Zeit reifte in ihm die Idee, die Geschichte der Menschen mit Behinderung zu erforschen.Robert Keintzel wurde von der Bundesrepublik Deutschland, den Bundesländern Bayern und Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde dem Autor in Anerkennung der bemerkenswerten Beiträge für die deutsche Gesellschaft vom Bundespräsidenten a.D. Christian Wulf im Jahr 2019 eine Auszeichnung verliehen.
Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung
Dis/abled in 500 - 1620
Im Jahr 2013 waren in Mitteleuropa 12,7% der deutschsprachigen Bevölkerung Menschen mit sogenannter Behinderung, also mehr als jede zehnte Person. Dennoch wurden diese Menschen lange Zeit von der Geschichtsschreibung vergessen. Menschen mit Behinderung haben aber sehr wohl eine lange Geschichte, die sich auf ihre Gegenwart und ebenso auf ihre Zukunft auswirkt. In seinem Buch Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung. Dis/abled in 500 - 1620 zeichnet Robert R. Keintzel die Geschichte der Menschen mit Behinderung in Mitteleuropa vom Jahr 500 bis zum Jahr 1620 nach.
Der Autor geht folgenden Fragen auf den Grund: Was ist eigentlich Behinderung? Gab es Behinderung zwischen 500 - 1620, und wenn ja, wie sah diese Behinderung aus? Welche bekannten Herrscher waren behindert? Wie nahmen die Wissenschaft, das Rechtssystem, das Christentum und die Medizin das Phänomen der Behinderung wahr, und wie gingen sie mit Menschen mit sogenannter Behinderung um?
Wie sah Medizin in dieser Zeit aus, und wie entwickelte sie sich? Wer wurde medizinisch behandelt, und wie gestaltete sich eine medizinische Behandlung früher im Vergleich zu heute? Wie sah die Gesellschaft von 500 - 1620 aus? Wurden alle Menschen in der historischen Gesellschaft gleichbehandelt und medizinisch versorgt?
Waren Menschen mit sogenannter Behinderung in dieser Zeit abled oder disabled? Welchen Einfluss hat die Geschichte der Menschen mit Behinderung auf unsere heutige Zeit?
Viele Fragen, auf die der Autor in diesem Buch eine Antwort sucht.
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Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Der Autor
Das Buch
Einleitung
2. Verständnis von Behinderung
3. Mitteleuropäische Herrschaftsstrukturen / (Dis)abled rulers
4. Gesellschaftliche Machtstrukturen
4.1 Der arbeitende Stand
4.2 Der Adel
4.3 Der Klerus
5. Wissenschaft im Mittelalter und Renaissance
6. Übergang der antiken in die mittelalterliche Medizin
7. Byzantinische Medizin
8. Phasen der Medizin des Mittelalters und der Renaissance
8.1 Monastische Medizin
8.2 Weltliche Medizin
8.3 Die Medizin der Renaissance
9. Wissen über die Anatomie und Physiologie
9.1 Verdauungsphysiologie
9.2 Herz-Kreislauf-System
9.3 Zeugungsphysiologie
10. Exemplarischer Vergleich der Medizin des Mittelalters und der Renaissance
10.1 Behandlung von Depression mittels des Johanniskrautes
10.2 Diagnostik
11. Multidimensionale Wahrnehmung von Behinderung
11.1 Behinderung in der Medizin
Kennzahlen und Rahmenbedingungen
Monastische Medizin
Weltliche Medizin
Medizin in der Renaissance
11.2 Behinderung im christentum
11.3 Wahrnehmung im Rechtssystem
12. Behinderung im Wandel
13. Fazit
14. Abbildungsverzeichnis
15. Quellen- und Literaturverzeichnis
EINLEITUNG
Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620. Ein Titel, welcher hohe Erwartungen weckt, die erfüllt werden wollen. Die Intentionen, weshalb man zu diesem Buch greift, können sehr vielfältig sein. Ein Leser möchte vielleicht die eine einfache Wahrheit erfahren, der andere eine wissenschaftliche Erfassung der Geschichte der Menschen mit Beeinträchtigung und ein anderer einfach eine Mischung aus Unterhaltung und Wissenszuwachs. Dieses Buch versucht, mehrere Zielgruppen anzusprechen; Personen, die nach wissenschaftlichem Input suchen, um später im wissenschaftlichen Diskurs die Thematik weiterzutragen, zu unterhalten sowie mit lebensnahen Geschichten zu sensibilisieren und ein Geschichtsbewusstsein zu schaffen respektive zu schärfen. Geschichte erzählt uns, wie etwas war und wie etwas zu dem wurde, wie es heute ist. Die Geschichte ist nicht Vergangenheit, sie ist relevant für unser Leben. Wir können daraus lernen und gegenwärtige Zusammenhänge besser verstehen. Eine Geschichte für Menschen mit Behinderung ist daher zwingend notwendig, diese darf aber nicht einseitig erzählt werden, da Behinderung nicht homogen, sondern vielfältig ist. Sie kann sich auf unterschiedlichster Weise ausdrücken, betrifft verschiedene Personengruppen in spezifischer Weise und ist dem zeitlichen Wandel unterworfen. Im Zentrum der Fragestellung steht daher die Frage, was Normalität in verschiedenen Kontexten und zu welcher Zeit ist. Dabei sind besonders das Mittelalter und die Renaissance zu betrachten. Dieses sogenannte Dunkle Mittelalter, das in der dunklen Mitte zwischen Antike und Renaissance steht und die Renaissance als Wiedergeburt des antiken Wissens. Inwieweit das antike Wissen beziehungsweise die Hinterfragung des antiken Wissens eine Rolle für die Festlegung der Norm gespielt hat und wie Menschen ausgegrenzt wurden, bleibt zu hinterfragen.
Dieses Buch möchte einen Beitrag leisten für die Fragestellung nach der Geschichte von Menschen mit Behinderung, es greift neben Aspekten der Disability History auch Aspekte aus der Medizingeschichte auf. Behinderung ist so viel mehr als beispielsweise ein fehlender Arm. Es spielen hier vielfältige Faktoren mit hinein, die in diesem Buche aufgezeigt und untersucht werden. Die Gesellschaft von 500-1620 war eine ganz eigene mit spezifischem Sinn und System, was erfasst werden muss, um Behinderung zu verstehen. Hierbei tut sich ein System von wechselseitigen Beziehungen auf, die im Verhältnis miteinander stehen und diese Zeit prägen. So lassen sich unter anderem das Geschlecht, der Stand, die geographischen Faktoren wie auch das Alter anführen. Dieses Buch versucht dabei, nicht getrennt in einzelnen Formen von Beeinträchtigung zu arbeiten, sondern vielmehr chronologisch einen Überblick sowie auch relevantes Detailwissen zu liefern. Dies erscheint zunächst als eine Sache der Unmöglichkeit, da eine Vielzahl von Quellen und Literatur vorherrscht, die gesichtet, eingeschätzt und bearbeitet werden will. Diese Form der Geschichte hat den Vorteil, einen chronologischen Prozess besser zu erfassen, dennoch kann an dieser Form berechtigter Weise auch Kritik geübt werden. Der Autor hat sich dennoch für dieses Format entschieden, da so eine Geschichte entsteht, welche interessiert gelesen werden kann, nicht nur von ausgebildeten Wissenschaftlern, sondern auch von Personen, die sich für die Thematik interessieren. Behinderung ist ein gesellschaftlich relevantes Thema und benötigt daher ein Publikum in der Mitte der Gesellschaft, eine Geschichte, die nicht nur Fakten liefert, sondern vielmehr eine Geschichte, die ein Geschichtsbewusstsein vermittelt. Mit einem Geschichtsbewusstsein können historische Prozesse erst erfasst sowie verstanden werden und eine Innovationsfähigkeit kann daraus entstehen. Diese Innovationsfähigkeit führt im, vom Autor erwünschten Fall, in ein besseres Verständnis als auch die Praxis der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung.
2. VERSTÄNDNIS VON BEHINDERUNG
Unser Verständnis von Behinderung ist über die Zeit gewachsen, es ist dabei keine isolierte Geschichte der Medizin, des Rechts, der Philosophie oder der Religion, vielmehr zeigt die Begrifflichkeit der Behinderung unsere Gesellschaft, wie sie miteinander umgeht, sich voneinander abgrenzt und wie unsere Gesellschaft Normalität definiert. Es ist daher falsch, Behinderung nur aus einer Perspektive zu betrachten. Behinderung als Begriff mit einer technischen Definition, welche eine Wesenseigenschaft und Minderwertigkeit beschreibt, trifft nicht die sozialen Prozesse dahinter. Etikettierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung gehen mit der Abweichung von der Norm einher. Howard S. Becker formulierte im Jahr 1973 den Prozess der Etikettierung wie folgt:
„Ich meine, dass gesellschaftliche Gruppen abweichendes Verhalten dadurch schaffen, dass sie Regeln aufstellen, deren Verletzung abweichendes Verhalten konstituiert, und dass sie diese Regeln auf bestimmte Menschen anwenden, die sie zu Außenseitern abstempeln.
Von diesem Standpunkt aus ist abweichendes Verhalten keine Qualität der Handlung, die eine Person begeht, sondern vielmehr eine Konsequenz der
Anwendung von Regeln durch andere und der Sanktionen gegenüber einem
,Missetäter‘. Der Mensch mit abweichendem Verhalten ist ein Mensch, auf den
diese Bezeichnung erfolgreich angewendet worden ist; abweichendes Verhalten ist Verhalten, das Menschen so bezeichnen.“1
Danach beschreibt Waldschmidt im Hinblick auf die Disability History, dass „Behinderung keine ontologische Tatsache ist, sondern eine soziale Konstruktion […]. Ihr geht es darum zu zeigen, dass nicht beeinträchtigungsspezifische Aspekte für unser Verständnis von Behinderung entscheidend sind, sondern die gesellschaftlichen Deutungs-, Thematisierungs- und Regulierungsweisen.“2
Dagegen wird das „soziale Modell“ von verschiedenen Seiten, auch wenn nicht im Zusammenhang mit der Disability History, zunehmend kritisiert. So aus einer interaktionistischen beziehungsweise kritisch-realistischen Perspektive, der phänomenologischen Perspektive sowie beispielsweise aus einer sozialkonstruktivistischen Perspektive.3 Zusätzlich ist auch die Theorie der „Normalitätsdispositiven“ von Waldschmidt anzuführen.4
Die Gesellschaft, oder auch eine Minderheit beispielsweise aus Experten, erstellt Regeln, welche das Unnormale technisch definieren, diese technischen Definitionen wiederum wirken auf die Gesellschaft zurück, sodass bei einer historischen Geschichte über Behinderung beide Sichtweisen angemessen erzählt werden müssen. Eine wissenschaftliche Betrachtung rückt darüber hinaus nur an die Realität heran, kann diese aber niemals vollständig erfassen, da Geschichte nach Rüsen keine Meistererzählung ist. Das Fach Geschichte ist ein Spiegelbild unserer heterogenen Gesellschaft und besitzt eine Vielfalt an Perspektiven sowie daraus resultierenden Erzählungen.5
„Man sieht nur, was man weiß.“6
Die Beschränkung auf eine „medizinische“ oder eine „soziale Sichtweise“ erscheint daher nicht angemessen, da beides reziprok miteinander wirkt. Behinderung ist einerseits eine spezifische Unfähigkeit, welche aufgrund von sozialen Prozessen zugeschrieben sowie erzeugt wird und anderseits auch eine Beeinträchtigung, welche aus medizinischer Sicht besteht und einer Rehabilitation legitimiert beziehungsweise aus dieser Sicht bedarf. Zusätzlich ist zu sehen, dass Behinderung kein universelles, sondern ein zeitlich gebundenes Phänomen ist.7 Was richtig oder falsch, schön oder hässlich respektive normal oder unnormal ist, ist nicht pauschal zu beantworten. Dagegen muss Normalität im zeitlichen Verlauf immer wieder neu definiert und hinterfragt werden. Aus diesem Wandel entsteht eine neue gesellschaftliche Wechselwirkung, welche in verschiedenen Bereichen erfasst werden will. Durch den Wandel der gesellschaftlichen Wechselwirkungen verändern sich auch die Etikettierung, Stigmatisierung und die Aussonderung beziehungsweise der Umgang mit Menschen, welche nicht als Normal angesehen werden, sodass die Mehrheitsgesellschaft der „Normalen“ mit in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung rückt.8
3. MITTELEUROPÄISCHE HERRSCHAFTSSTRUKTUREN / (DIS)ABLED RULERS
Die Zeit des Mittelalters ist eine Zeit von wechselnden Herrschaftsverhältnissen sowie -strukturen, der Autor möchte dabei die wichtigsten mitteleuropäischen Herrschaftsverhältnisse und -strukturen im Zeitalter des Mittelalters sowie der Renaissance aufzeigen. Das Römische Reich teilte sich im Jahr 395 n. Chr. in ein westliches und östliches Reich. Später, im Jahr 410 n. Chr., wurde Rom, die Hauptstadt des Weströmischen Reichs, durch die Westgoten erobert und letztendlich fand im Jahr 476 n. Chr. die Absetzung des letzten Weströmischen Kaisers durch den Ostgotischen König Theoderichs des Großen statt.9 In der Zeit der Königsherrschaft von Theoderichs des Großen vom Jahr 476-526 waren germanische Stammesgruppen sowie das Fränkische Reich in Mitteleuropa vorherrschend, zu dieser Zeit war Burgund mit Theoderichs des Großen verbündet. Im Jahre 498 fand ein ereignisreicher Tag am Ort der heutigen Kathedrale Notre Dame statt. Der fränkische König Chlodwig ließ sich taufen und nahm damit gemeinsam mit seinen Untertanen den römisch-katholischen Glauben an. Chlodwig war der erste Germanenherrscher, welcher den römisch-katholischen Glauben annahm, dieses Ereignis war die Voraussetzung für die Verschmelzung von römischer sowie germanischer Kultur und auch Bevölkerung. Mit der Taufe Chlodwigs sicherte er den Aufstieg des Frankenreiches, versöhnte Germanentum und römische Tradition und legitimierte eine spätere expansive Machtpolitik Karls des Großen.10 Die Wahl des Königs war bei den Römern der Spätantike wie auch bei den Germanen die traditionelle Form der Einsetzung eines Königs. Erst die Geblütsheiligkeit begründete eine Vererbbarkeit des Königtums, was im Frankenreich den Merowingern gelang.11 Die Geblütsheiligkeit besagt, wie der Name schon sagt, die hohe Qualität des Geblüts einer Person und einer Familie, da in der damaligen Gesellschaft verbreitet war, dass Charaktereigenschaften sich vererben.
Abbildung 1: Die Ausdehnung des fränkischen Reiches in den Jahren 481-814
Später, im Jahr 531, eroberte das fränkische Reich sowohl Thüringen als auch im Jahr 532 Burgund. Das Herrschaftsgeschlecht der Merowinger, welches Chlodwig angehörte, dehnte ihr Herrschaftsgebiet immer weiter aus, sodass das Frankenreich bald eine Vormachtstellung in Mitteleuropa innehatte.12 Nach König Chlodwig wurde das fränkische Reich unter seinen Söhnen und Nachfolgern aufgeteilt. Erst ab dem Jahr 558 unter König Chlothar I. fanden die drei Reichsteile (Neustrien, Austrien und Burgund) wieder zusammen. Die Herrscher setzten bei der Verwaltung der Reichsteile sogenannte Hausmaier ein. In der Funktion von Hausmaiern gewann das Geschlecht der Pippiniden an Bedeutung. Karl Martell (686–741) konnte sich schließlich als Hausmaier im gesamten fränkischen Reich durchsetzen.13 Mit Karl Martell gründete sich der Hausname eines Herrschergeschlechts, das lange herrschen sollte: die Karolinger. Im Jahr 751 setzte die Adelsfamilie der Karolinger in Person von Pippin III die fränkische Herrschaftsfamilie der Merowinger ab. Pippin III übernahm 751 den fränkischen Königsthron auch mit Hilfe des Papstes,14 welcher im Jahr 756 mit der sogenannten Pippinischen Schenkung für seine Unterstützung belohnt wurde. Hierbei handelte es sich um Territorien in Mittelitalien, worauf sich der Kirchenstaat gründete.15 Pippins Sohn Karl der Große dehnte das fränkische Königreich immer weiter aus und erlangte im Jahr 800 durch den Papst gekrönt die Kaiserwürde.16 Mit der Kaiserwürde trat der Kaiser des Römischen Reiches nun aber, wenn vielleicht auch ungewollt, in Konkurrenz mit dem byzantinischen Reich und seinem Kaiser, was zu 400 Jahre währenden angespannten Verhältnis führte.
Karl der Große zeugte nachweislich 18 Kinder, wobei die tatsächliche Zahl darüber liegt, sodass mancher Deutsche oder Österreicher die Gene Karls des Großen in sich trägt.17 Sein ältester Sohn war Pippin der Bucklige, dessen Beiname auf einen sogenannten körperlichen Defekt (gibbo deformis) anspielte. Seine Beeinträchtigung führte dabei zum Ausschluss in der Thronfolge.18 Er ging aus der Ehe zwischen Karl dem Großen und Himiltrud hervor, diese Ehe wurde später als nicht vollwertig bezeichnet, sodass Pippin der Bucklige aus der Reihe der „vollwertigen Nachfolger“ von Karl dem Großen verdrängt wurde. Pippin der Bucklige rebellierte im Jahre 792, wurde besiegt und später in ein Kloster verbannt.19 Mit Karl dem Großen verlagerte sich der Mittelpunkt der Macht vom Mittelmeerraum in den Raum nördlich der Alpen. Dennoch zeigte sich das Frankenreich gegenüber der islamischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel als auch Byzanz im Hinblick auf die Bildung sowie Wissenschaft als unterlegen. Diesen Mangel versuchte Karl der Große durch die sogenannte karolingische Renaissance auszugleichen, hierbei bemühte er sich um die antiken römischen Traditionen sowie um die Zentralisierung und die Angleichung andererseits. So geht etwa die Vereinheitlichung der Verwaltung, der Liturgie als auch der Schrift (karolingische Minuskel) auf Karl den Großen zurück.20 Ziel der Karolinger bereits vor Karl dem Großen war es, eine zentralistische sowie einheitliche Herrschaftsstruktur auszubilden. Dabei sollte eine fränkische Grafschaftsverfassung an die Stelle der germanischen Stammesherzogtümer rücken. Dies konnte aber im westlichen Teil des Frankenreiches besser umgesetzt werden als im östlichen Teil. Im fränkischen Herrschaftsgebiet rechts des Rheins konnten sich die älteren Stammesherzogtümer verstärkt halten, um sich auch unter den Nachfahren Karls des Großen ab Anfang des 10. Jahrhunderts wieder zu entfalten.21 Die Tatsache, der Differenz in der Durchsetzung des Zentralstaats unter Karl dem Großen, hatte weitreichende Folgen. Darin kann auch der Grund gesehen werden, warum sich später Frankreich zu einem zentralistischen Staat und Deutschland zu einem Staat mit vielen verschiedenen einzelnen Kräften im Bund entwickelte. Dieses riesige Reich von Karl dem Großen begann bereits nach ihm zu zerfallen und wurde schließlich unter seinen Enkeln im Jahre 843 in einen romanischen Westen, einen germanischen Osten als auch ein „Mittelreich“ aufgeteilt. Im Vertrag von Verdun wurde die Reichsteilung beschlossen, unter Lothar I., Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen. Ludwig der Deutsche bekam das Gebiet östlich des Rheins und der Aare, Karl dem Kahlen wurden die Länder westlich von Schelde, Maas, Rhône sowie Saône zugesprochen und Lothar I. erhielt das heute nach ihm benannte Gebiet Lothringen, Italien wie auch die Provence. Die Herrschaftsgebiete verschoben sich später auch mit den Verträgen in den Jahren 870 sowie 880.22 Einer der Gründe war der Tod Lothar II. Im Jahre 855 übernahm Lothar II. die Herrschaft über Lothringen. Er hatte zunächst eine Friedelehe mit Waltrada. Diese Form der Ehe ging auf die germanisch-rechtlichen Vorstellungen zurück und war von der katholischen Kirche nicht gern gesehen. Die Bezeichnung leitet sich vom germanischen friudiea ab, was sich mit ‚Geliebte‘ übersetzen lässt. In dieser Form der Ehe steht die Frau nicht unter der Vormundschaft des Mannes. Im Laufe der Zeit verlor die Friedelehe an Bedeutung und wurde durch die Muntehe ersetzt. Bei der Muntehe ist der Mann Vormund der Frau. Lothar II. hatte vier Kinder in der Friedelehe mit Waltrada. Dies war aber problematisch, da es den Kindern an Legitimität fehlte und die Herrschaftsfolge gefährdet war. Daher ließ Lothar II. sich scheiden und heiratete neu in einer Muntehe mit Teutberga. Diese Ehe blieb bis zu seinem Tod kinderlos. Zuletzt versuchte Lothar II. seine Kinder als legitime Erben von der katholischen Kirche anerkennen zu lassen. Der Anerkennungsprozess konnte aber nicht abgeschlossen werden. Davor starb Lothar II. im Jahre 569. Kinderlosigkeit oder das nicht Vorhandensein nicht legitimer Erben zeigt sich als mögliches gravierendes Problem am Beispiel Lothar II.23 Im Laufe der Zeit versuchten sowohl das Ostfränkische Reich als auch das Westfränkische Reich, sich voneinander abzugrenzen, nicht nur die Grenzen von Territorien, sondern auch die von Sprachen wurden gezogen. So entwickelte sich im Westfränkischen Reich die spätere französische Sprache und im Ostfränkischen Reich die spätere deutsche Sprache.24 Für das Ostfränkische Reich gab es aber auch noch ganz andere Nachbarn, so musste man sich gegen Slawen im Osten und plündernde heidnische Völker im Norden wehren.25
Abbildung 2:Die Reichsteilung des Fränkischen Reichen im Jahr 843: Das Westfränkisches Reich mit Karl den Kahlen, das Ostfränkische Reich mit Ludwig den Deutschen und das „Mittelreich“ bzw. Lotharingen mit Lothar I.
Mit dem Aussterben der Karolinger übernahm zunächst von 911-918 Konrad I ein Kompromisskandidat, später im Jahre 919 erlangte Heinrich I aus dem Geschlecht der Ottonen die Königswürde im Ostfränkischen Reich oder „das Reich der Deutschen“, wie es bereits genannt wurde, dehnte das Reich nach Osten aus, besiegte die Ungarn und konnte damit das Ostfränkische Reich etablieren.26 Erst seinem Sohn Otto I war es aber im Jahr 962 möglich, die Kaiserwürde zu erlangen und so das Römische Reich zu gründen. Der Name leitete sich vom Anspruch ab, die Traditionen des Römischen Reiches fortzusetzen sowie das Kaisertum mit Gottes Willen zu legitimieren.27 Otto I benütze darüber hinaus das Reichskirchensystem als Stütze der Königspolitik für die nächsten 120 Jahre, auch vollendete er den Prozess einer Schaffung von Reichsidentität ab dem Vertrag von Verdun. Er ließ sich von allen Stämmen als König wählen und vergab die wichtigsten Positionen und die Herzöge als Ämter.28 Otto I oder auch Otto der Große war ein wahrhaft bedeutender Herrscher, welcher im Jahr 955 einen wichtigen Sieg gegen die Ungarn errang. Was aber häufig nicht bekannt ist, ist, dass er im Jahr 957 schwer erkrankte, so stellte er jedes Jahr durchschnittlich zehn Diplome aus, dies war das vornehmste Geschäft des mittelalterlichen Herrschers. Ab dem 12. Dezember 956 bis zum Januar 958 begann aber eine Pause von gut 13 Monaten, wobei kein Diplom ausgestellt wurde. Seine Krankheit wurde verschwiegen und nur bei den Chronisten Widukund von Korvey findet man verdächtig beiläufig:29
„Um diese Zeit begann der Kaiser auch selbst zu erkranken, aber durch die Verdienste der Heiligen.vor allem durch den Schutz des berühmten Märtyrers Vitus – des Patrons von Korvey – wurde er von seiner Krankheit wieder gesund.“30
Kranksein war für mittelalterliche Könige gefährlich, nach innen, da Thronstreitigkeiten aufflammen konnten, und nach außen durch Nachbarn sowie Feinde, wenn eine Schwäche aufgrund einer Krankheit erkannt wurde. Ein Herrscher musste daher seine Stellung repräsentieren, an der Spitze seines Heeres reiten, sichtbar sein für Volk und Adel, also insgesamt „fest im Sattel sitzen.“ Daher kann man in den Chroniken auch fast nichts lesen, was auf eine Krankheit oder auf eine Beeinträchtigung hindeutet, da dieses durch Weihe und Gottesgnadentum für einen König ein Makel darstellte. Es war daher bereits eine Besonderheit, als der abgesetzte sowie verstümmelte byzantinische Herrscher Justinian II Anfang des 8. Jahrhunderts mit abgeschnittener Nase und nach zehn Jahren Exil den Kaiserthron von Konstantinopel bestieg.31
Abbildung 3:Das Heilige Römische Reich um das Jahr 1000 mit den Grenzen von 972 unter Otto I. und 1032 unter Konrad II. Bereits um das Jahr 1000 war das heutige Deutschland im Gebiet des Römischen Reiches vertreten.
Die Nachfolger Otto I. waren Otto II. und Otto III. Otto II. herrschte in den Jahren 973 bis 983 und konnte sich, auch wenn sehr kurz, der Stabilisierung des Reiches nach außen und innen widmen. Otto II. starb im Alter von 28 Jahren anhand einer falsch behandelten Malariaerkrankung. Auf ihn folgte Otto III., der in den Jahren 983 bis 1002 herrschte. Seine Herrschaft wurde durch ein neues Konzept für Europa gekennzeichnet, darin wollte er ein supranationales Reich unter seiner Herrschaft erschaffen. Eine Renovatio Imperii Romanorum, das heißt ein Wiederbeleben des alten Römischen Reiches, unter dessen Herrschaft es keine verschiedenen Nationen gibt, sondern nur ein europäisches bzw. übereuropäisches Gesamtkonstrukt.32 Das deutsche Reich stellte unter den Ottonen wie auch später keinen einheitlichen oder zentralisierten Staat dar. So gab es keinen regelmäßigen Austausch von Informationen, Anweisungen, Rückfragen oder Vollzugsmeldungen zwischen dem König und seinen Grafen. Zusätzlich war die äußere Grenzziehung der Grafschaften nicht klar und die Grundherrschaft im Inneren nicht homogen.33 Auf die Ottonen folgte Heinrich II., dessen Vater ein Urenkel Heinrichs I. war. Heinrich II. hatte viel Arbeit, denn das Reich war von innen und außen bedroht. Trotz der großen Herausforderungen konnte er das Reich sichern, rückte dabei aber von der Renovatio Imperrii Romanorum ab. Stattdessen verfolgte er eine Renovatio Regni Francorum, das heißt eine Realpolitik der Erneuerung des Frankenreiches, da ihm auch die Möglichkeiten von Stabilität im Herrschaftsraum fehlten.34 Im Jahr 1022 marschierte Heinrich II. Papst Benedikt VIII. zu Hilfe. Heinrich II. musste den Feldzug wegen einer Malariaerkrankung abbrechen und starb zwei Jahre später. Seine Gattin Kunigunde überlebte ihn und starb im Jahr 1040. Ihre Ehe blieb kinderlos. Ihre Kinderlosigkeit wurde religiös begründet und war damit weitestgehend akzeptiert. Kunigunde selber war die Tochter des Grafen von Luxemburg. Dieser hatte eine so schwache Gesundheit, dass seine Fürsten ihn für nicht regierungsfähig hielten.35 Ab den Jahr 1024-1125 konnten die Salier sich zu den Herrschern des Römischen Reiches aufschwingen.36 Auf die Salier geht der Ausspruch ‚Hinz und Kunz‘ zurück. Häufig hatten sie die Vornamen Konrad und Heinrich. Später, im 12. Jahrhundert, fiel dann ein Wandel im königlichen Verständnis von Herrschen auf; so wurde das Reich vermehrt als zu gestaltender Herrschaftsraum betrachtet. In dieser Zeit versuchte auch der König, den vorstaatlichen Partikularismus zu unterbinden, indem Bestrebungen der Zentralisierung sowie der Ausweitung des Königsbesitz unternommen wurden. Diese Versuche hatten aber im 12. bis 13. Jahrhundert keinen großen Erfolg.37 Um sich aus der Abhängigkeit der partikulären Kräfte von Klerus und Adel zu bewegen, wurden Unfreie als sogenannte Ministerialen in dem königlichen Dienst eingesetzt, um königliche Interessen durchzusetzen, was langfristig zu einer Steigerung im Hinblick auf die soziale Mobilität führte.38 Im Fokus dieser Zeit standen auch besonders die großen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst, wobei der Investiturstreit maßgebend war. Im Investiturstreit stritten sich beide Seiten darüber, wer den Klerus nach dem Eigenkirchenrecht in ein geistliches Amt einsetzen dürfe. Die Auseinandersetzung eskalierte unter Heinrich IV und Papst Gregor VII, welcher Heinrich IV exkommunizierte. Damit kam der Kaiser des Römischen Reiches in große politische Bedrängnis und musste sich schlussendlich im Jahr 1077 im sogenannten Gang von Canossa dem Papst unterwerfen. Dieser nahm ihn daraufhin wieder in die christliche Gemeinschaft auf, wodurch aber die Position des Kaisers gegenüber dem Papst zukünftig geschwächt war. Im Wormser Konkordat wurde der Investiturstreit im Jahr 1122 schließlich beigelegt.39 In dieser Zeit gab es nicht nur Konflikte zwischen Kaiser und Papst, sondern auch zwischen dem römisch-katholischen Papst und den orthodoxen Patriarchen. Aus diesen Konflikten zwischen römisch-katholischer wie auch orthodoxer Seite resultierte das morgenländische Schisma von 1054, wobei sich die orthodoxe sowie die römisch-katholische Kirche trennten. Nach dem Geschlecht der Salier folgte ein Streit zwischen Lothar III und Konrad III um die Herrschaft im Römischen Reich.40 Erst der Sohn Konrads III, Friedrich I Barbarossa, konnte seine Herrschaft festigen.41 Dass es zum Machtkampf kam, lag auch daran, dass Herzog Friedrich der Einäugige, Barbarossas Vater, auf Grund einer Kampfverletzung nur noch ein Auge hatte. Daneben spielte auch die nicht geheim zu haltende Malariaerkrankung von Konrad III eine Rolle. Barbarossa lernte aus den Folgen für einen beeinträchtigten Thronanwärter und schob frühzeitig seinen beeinträchtigten oder kränklichen Sohn Friedrich zugunsten seines zweiältesten Sohns in der Thronfolge zur Seite. In dieser Zeit setzte dennoch eine stärkere naturwissenschaftliche Beobachtung der Herrschenden ein, da eine längere Krankheit wie bei Raimund IV von Toulouse (1041-1105) oder mehrfache Krankheiten wie bei Richard Löwenherz (1157-1199) nicht geheimgehalten werden konnten.42In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts kam es zu einer spürbaren Veränderung in der Möglichkeit von Herrschaft mit Beeinträchtigung; hierbei markiert der Sommer 1174 mit der Königskrönung eines 13-jährigen Knaben zum König von Jerusalem einen wichtigen Meilenstein. Dieser Knabe war Balduin IV oder, wie manche Franzosen ihn nannten, „le roi mesel“ – der Aussätzige. Balduin IV hatte Lepra, was auch vor seiner Krönung bekannt war. Dennoch setzte sich in seinem Fall das Erbprinzip entgegen des Idoneitätsprinzips durch. Die Lepra behinderte Balduin sehr, daher ist der Schritt der Königskrönung bemerkenswert. Später verschlimmerte sich sein gesundheitlicher Zustand und er musste im Jahr 1176 auf einer Sänfte von Askalon nach Jerusalem getragen werden, da er nicht mehr alleine reiten konnte, nachdem er einen Staatsbesuch in Askalon angetreten hatte. Seine Nachbarn warteten, ihn beerben zu können, so der Graf von Tripolis und der Fürst von Antiochia, welche bei einen schweren Schub Balduins IV im Jahre 1180 plötzlich erschienen. Hierbei liegt nahe, dass sie sich nach dem Tod Balduins Jerusalem bemächtigen wollten. Die Beeinträchtigung behinderte Balduin immer mehr, er konnte sich im Jahr 1182 kaum noch aufrechthalten, dennoch reiste er viel im Jahr an der Spitze des Heeres und zog Monate gegen Saladin, ein muslimischer Feldherr, in den Kampf. Hierbei brachte er Saladin seine einzige Niederlage bei. Im Jahr 1183 stand Balduin wieder an der Spitze des Heeres im Kampf gegen Saladin, dabei erlitt er einen erneuten Schub, welcher zur Erblindung Balduins führte und einer endgültigen Verfaulung seiner Extremitäten, sodass er Hände und Füße nicht mehr benutzen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er strikt eine Niederlegung der Königswürde (dignitas) oder der Regierung (administratio) abgelehnt. Obwohl sein Körper ihn behinderte, konnte er mit seinem scharfen Verstand, wachen Geist und seiner königlichen Selbstdisziplin regieren. Nach dem Schub im Jahre 1183 war er aber so geschwächt, dass er das Regierungsgeschäft einem Reichsverweser übertrug, aber dennoch die Königswürde bis zu seinem Tod behielt. Balduin IV markiert damit auch den Wandel im Verständnis: die Trennung von Herrschaft und Regierung, Ausübung der Herrschaftsgewalt und Königswürde kraft eigenen Rechts sowie die erfolgte gesetzliche Konstituierung und nicht die facto-Regelung als Grundlage.43 Barbarossa ließ sich im Jahre 1152 wählen und im Jahr 1155 zum Kaiser krönen, womit die Zeit der Herrschaft unter den Staufern begann. Barbarossa, genannt nach der roten Farbe seines Bartes, musste zunächst die Grenzen des eigenen Landes sichern, bevor er sich um Italien kümmern konnte, was er auch 28 von 39 Herrschaftsjahren tat.44 So wurde Mieszko I Kreuzbein oder Mieszko I Schlenkerbein im Jahre 1163 als Herzog von Schlesien aufgrund der Intervention Friedrichs I nach dem Tod seines Vaters anstatt seines Vaters wiedereingesetzt. Aufgrund des Beinamens von Mieszko I erscheint eine Beeinträchtigung naheliegend, welche ihn aber nicht daran hinderte, in eine herrschende Stellung zu gelangen. So wurde Mieszko I später im Jahr 1210 zum Seniorherzog von Polen ernannt, hierbei nahm er den Namen Mieszko IV ein.45 Bei der Beeinträchtigung liegt eine Osteomalazie nahe, diese kann unter anderem durch einen Vitamin D Mangel entstehen, was beispielsweise häufig durch einen Mangel an Sonneneinstrahlung hervorgerufen werden kann. Die Sonneneinstrahlung wird bei der Vitamin D Produktion im Körper benötigt und führt bei Mangel dazu, dass die Knochendichte und damit die Stabilität abnehmen, da eine Mineralisierung des Knochens aufgrund des Fehlens an Vitamin D verringert ist. Oder einfach ausgedrückt, der Knochen wird weicher und kann sich durch das fehlende Sonnenlicht verformen. Der Mangel an Sonnenlicht kann zu einen sogenannten genus valgus beziehungsweise varus führen, also X- Beine oder O- Beine. Im Fall Mieszko I liegt ein genus valgus nahe, also eine Valgusstellung des Kniegelenks oder einfach ausgedrückt X-Beine.46 Damit wäre der Name Kreuzbein möglicherweise erklärt, daneben bleibt der Beiname Schlenkerbei offen. Eine häufige Folge der Osteomalazie ist die Myopathie, also eine Schwächung der Muskeln, welche sich in einem typischen kurzschrittigen Watschelgang zeigt.47 Diese physiologischen Betrachtungen sind mögliche Erklärungen für die Beinamen von Mieszko I, dennoch führte in seinem Fall die mögliche Beeinträchtigung nicht zu einem kategorialen Ausschluss von Herrschaft beziehungsweise dem Gewohnheitsrecht im Erbe seines Vaters.In der Zeit der Staufer fällt die Zeit mit der Expansion des Reiches in den Osten auch unter anderem durch den Deutschen Orden und die Etablierung von Ostsiedlungen als auch deren Ausweitung,48 daneben leitete die Doppelwahl im Jahre 1198 mit den Thronstreit zwischen Staufern sowie Welfen die Entwicklung des späteren Deutschlands zu einer Wahlmonarchie ein.49 Besonders ist dabei aber Friedrich II hervorzuheben, der im Jahre 1220 mit der „Confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ eine bedeutende Rechtsquelle des Römische Reiches einführte, welche die Regalien sowie Befugnisse der Zentralmacht zugunsten der klerikalen Fürsten einschränkte, wobei dies bereits seit Jahrzenten Gewohnheitsrecht war. So wurde unter anderem die freie Verfügung über Kirchenlehen, das nicht Bauen von Burgen wie auch Städten auf kirchlichem Grund entgegen klerikalem Willen sowie das Verbot von Übergriffen von Vögten auf Kirchengut verfügt. In Anlehnung an die „Confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ erlangten die Fürsten im Jahre 1231 mit dem „Stratum in favorem principum“ ähnliche Rechte wie der Klerus aus dem Jahr 1220. So durfte beispielsweise der König keine neuen Städte, Burgen und Münzstätten zum Schaden der Fürsten errichten. Zudem wurde unter anderem auch die fürstliche Gerichtsbarkeit bestätigt. Das „Stratum in favorem principum“ gilt als wichtiger Schritt zur Dominanz der Fürsten und zum späteren deutschen Föderalismus.50 Dagegen war Sizilien bis in das 19. Jahrhundert zentralstaatlich organisiert, entgegen dem „Stratum in favorem principum“ führte Friedrich II die Konstitutionen von Melfi im Jahre 1231 auf Sizilien ein, welche entgegen dem Föderalismus im Deutschen Reich den Zentralstaat auf Sizilien förderte, so galt die Konstitutionen von Melfi noch bis in das 19. Jahrhundert in Süditalien.5152 Die Herrschaft der Staufer endete faktisch mit der Exkommunikation im Jahre 1245 oder nach dem Tod Friedrichs II im Jahre 1250 beziehungsweise spätestens nach dem Tod Konrads IV im Jahre 1254. Nach den Staufern begann eine Zeit des Machtvakuums, die Zeit des Interregnums. Dies war eine Zeit der Zwischenherrschaft, in welcher, auch wenn nicht formal, das Römische Reich herrscherlos war. Dies führte zu internen Auseinandersetzungen, Rechtsunsicherheit sowie darüber hinaus mancherorts zur Anwendung des Faustrechts und dem Erstarken der Territorialfürsten gegenüber der Zentralmacht des Königs.53 So wundert auch nicht die Entstehung des Rheinischen Bundes im Jahre 1254, obwohl dies gegen das Gesetz über das Einigungsverbot von 1231 verstieß. Aufgrund der Führungsschwache an der Spitze des Römischen Reiches schlossen sich freie Städte sowie adelige und klerikale Grundherren zusammen, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. So beinhaltete beispielsweise der Rheinische Bund im Jahre 1256 bereits: 31 Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Herren sowie 100 Städte, auch wenn nur für eine kurze Zeit, da ein Streit über die Neutralität bei der Königswahl entbrannte und der Rheinische Bund sich im Jahre 1256 auflöste.54 Das Interregnum endete mit der Wahl Rudolf I von Habsburg im Jahre 1273. Mit seiner sogenannten Revindikationspolitik erklärte Rudolf I alle erteilten Privilegien nach der Exkommunizierung von Friedrich II im Jahre 1254, außer diese wurden einstimmig von allen Kurfürsten beschlossen, für ungültig. In dieser Entscheidung von Rudolf I zeigt sich auch die Stärke der Kurfürsten und der Einfluss, welchen diese auf die Entscheidungen des Kaisers hatten. Da der König als Zentralmacht von den Adeligen als Partikularkräfte politisch umgeben war und seine Herrschaft auf der Gnade der Kurfürsten beruhte, waren Reformen besonders in Bezug auf adelige Rechte erschwert. Um die Revindikationspolitik effektiv umzusetzen, wurden Neuerungen in der Reichsverfassung eingearbeitet. So verbesserte Rudolf I die institutionelle Verwaltung durch den Zusammenschluss von Reichsgutkomplexen und die Unterteilung in klar abgrenzbare Landvogteibezirke, beispielsweise in Nieder- und Oberschwaben im Süden des Reiches. Im Norden nahm der Kaiser die benachbarten Fürsten des Reichsgut in die Pflicht. Ihnen wurde die Pflicht für die Rückforderung, Gerichtsbarkeit sowie Verwaltung des Reichsguts übertragen. Die königlichen Städte büßten ihre im Interregnum erworbenen Reichsrechte ein und zur Verwaltung setzte der Reichsschultheiß ein. Die Städte waren Rudolf I besonders wichtig, da sie konstante Einnahmequellen darstellten und sie, falls notwendig, zur Heeresfolge verpflichtet waren.55 Auf Rudolf I Habsburg folgte aus politisch taktischen Gründen die Ernennung Adolf I von Nassau, eines politisch unbedeutenden Grafen, im Jahre 1292. Deine Herrschaft dauerte bis zum Jahr 1298, bis Albrecht I von Habsburg von 1298-1308 die Königswürde übernahm. „Er war wenig beliebt was auch auf sein Äußeres zurückgeführt werden konnte. Denn im Jahr 1295 hatte er eine gefährliche Krankheit, die eventuell auf eine Vergiftung hindeutete, wie seine Ärzte vermuteten. Sie hängten ihn an den Füßen auf, um ihn zu entgiften. Dabei wurde der Druck auf einem Auge so groß, dass er seine Sehkraft auf diesem Auge verlor. In seinem entstellten Gesicht zeigte sich kein Lächeln, was viele Menschen erschreckte. Er wird von den Chronisten al furchtloser Mann geschildert, der mit großer Tatkraft und Härte in Krieg und Politik agierte.“56 Albrecht I von Habsburg baute die Verwaltung aus und vergrößerte den Einfluss des Reiches aber auch seine eigene Macht. So erlangte Albrecht I die böhmische Königswürde. Im Fall Albrecht I von Habsburg zeigt sich, dass Beeinträchtigung, in diesem Fall in Form einer Sehbehinderung auf einem Auge, nicht zwangsläufig zu einem Ausschluss von der Königswürde führte. Albrecht I wurde am 1. Mai 1308 von seinen Neffen Johann, genannt Parricida (Verwandtenmörder), ermordet. Das Motiv von Johann lag darin, dass Albrecht I Johann bei seinen Erbansprüchen immer wieder hingehalten hatte, sodass dieser mit der Unterstützung von drei schwäbisch- schweizerischen Adeligen, die ebenfalls unzufrieden waren, Albrecht I ermordete. Im folgenden Jahr wurde über Johann Parricida und seine Komplizen die Acht verhängt und ihre Vermögen eingezogen.57 Nach Albrecht I folgte Heinrich VII von Luxemburg in den Jahren 1308-1313. Dieser wird in der Forschungsliteratur als kleiner Graf gesehen, der große Pläne für Italien hatte, diese aber nicht umsetzen konnte. In seiner Herrschaftszeit lässt sich ein besonderes außerstaatliches Ereignis hervorheben, nämlich die Verlagerung der Papstresistenz von Rom in das französische Avignon bis in das Jahr 1378. Viel mehr als sein Verwandter Heinrich VII konnte Johann von Böhmen als Nationalheld von Luxemburg in die Geschichtsbücher einziehen. Nach seiner vollständigen Erblindung um das Jahr 1340 wurde Johann von Böhmen auch Johann der Blinde genannt. Er regierte als König von Böhmen von 1311-1346 sowie als Graf von Luxemburg und als Titularkönig von Polen von 1311-1335. Im Jahr 1340 erblindete Johann der Blinde aufgrund einer Operation eines Augenleidens. Trotz Erblindung zog er noch mehrfach mitunter erfolgreich in die Schlacht. Mit seinem Tod in der Schlacht beeindruckte Johann der Blinde mit seinen ritterlichen Tugenden tiefgreifend.5859
Abbildung 4:Bildnis von Johann von Böhmen / Johann der BlindeJohann von Böhmen wurde wegen seiner Ritterlichkeit und seines Mutes ein Nationalheld. Angebliches Zitat von Edward of Woodstock, Prince of Wales in der Schlacht von Crécy:
„There lies the Prince of Chivalry, but he does not die.“
Sein Leichnam wurde mit allen militärischen Ehren 1946 nach Notre Dame überführt. Auf Heinrich VII von Luxemburg folgte Ludwig IV der Bayer in den Jahren 1314-1347, welcher besonders die Städte förderte, die Verwaltung ausbaute und eine Vereinheitlichung des Landrechts in Bayern durchsetzen konnte, was Vorbildfunktion für andere Regionen hatte. Auch deklarierte er im Jahre 1338 mit dem Gesetz „Licet iuris“ die Stellung des Kaisers und Königs. So erklärte er darin die Identität von königlichen wie auch kaiserlichen Rechten und die Bindung des Kaisertums an das Königtum, sodass die Kaiserwürde mit der Königswürde erworben wurde, ohne dass der Papst zustimmen musste. Dies und die Proklamation der Nichtigkeit der Exkommunikation von Ludwig IV bedeutete auch eine Unabhängigkeitserklärung gegenüber dem Papsttum. Zusätzlich reformierte Ludwig IV der Bayer die Königswahl mit der Einführung des Mehrheitsprinzips.60 Nach Ludwig IV der Bayer folgten weitere Herrscher aus den Häusern Wittelsbach und Luxemburg. Bis zur Königswahl von Albrecht II im Jahr 1438 ist besonders die goldene Bulle aus dem Jahr 1356 als eine Art Reichsgrundgesetz festzuhalten, was für 450 Jahre Bestand haben sollte. Dieses legte unter anderem das Mehrheitswahlprinzip bei der Königswahl wie auch die Unteilbarkeit von weltlichen Kurfürstentümern fest und übertrug den Kurfürsten kaiserliche Vorrechte wie Zoll- und Münzrecht für ihre Gebiete. Damit waren die Kurfürsten gestärkt und konnten eine längere Herrschaftsdynastie gelassener hinnehmen.61 Auch sind die Einführung des Lehenssystems im Jahre 1348 in Böhmen und damit die Ausbreitung des Lehenssystem nach Ostmitteleuropa besonders hervorzuheben.62Aber nicht nur innerhalb des Reiches in der Zeit zwischen Ludwig IV und Albrecht II bewegte sich einiges, mit dem abendländischen Schisma von 1378-1417 gab es eine Zweiteilung der Katholischen Kirche in einen Papst in Rom sowie einen in Avignon. In die Zeit zwischen Ludwig IV und Albrecht II fällt auch die Herrschaft Karl IV Wenzel II und Karl VI. Diese drei Herrscher sind besonders durch ihre Beeinträchtigung hervorzuheben, dennoch sind sie nicht immer bekannt, da nicht zwangsläufig eine Behinderung resultierte.Der Sohn von Johann von Böhmen, Karl IV, regierte von 1346-1378. In Prag ist er nach wie vor unter anderem durch den Karlsplatz oder die Karlsbrücke präsent. Karl IV berichtete in seiner Selbstbiographie über einen Traum aus seiner Jugendzeit, hierbei traf er einen Engel, welcher ihn auf ein Schlachtfeld trug:63„Und er hielt uns über der Schlachtreihe in den Lüften und sprach zu uns: „Blicke hin und schaue!“ Und siehe da, ein anderer Engel fuhr mit feurigem Schwert vom Himmel herab, durchstieß einen Mann in der Mitte der Schlachtreihe und verstümmelte sein Glied mit dem Schwerte; anscheinend zum Sterben verwundet, rang dieser auf dem Pferde sitzend mit dem Tode. Da sprach der Engel, der uns an den Haaren hielt: „Erkennst du jenen, der vom Engel durchbohrt und zu Tode verwundet worden ist?“ - „Herr, ich kenne ihn nicht,“ sprachen wir, „und auch den Ort erkenne ich nicht.“ Er sprach: „Wisse, dies ist der Dauphin von Vienne, welcher wegen der Sünde der Ausschweifung so schwer von Gott geschlagen worden ist. Jetzt also nehmet euch in acht, und auch Eurem Vater mögt Ihr sagen, daß er sich vor ähnlichen Sünden hüte, oder es wird euch noch Schlimmeres treffen.““ 64Karls Cousin, der Dauphin von Vienne, starb kurze Zeit später, wusste Karl IV in seiner Autobiographie zu berichten. Beeinträchtigung wird von Karl IV in seinem beschriebenen Traum als göttliche Bestrafung von Sünden gesehen. Dies Drohung der möglichen Beeinträchtigung wird in dem Traum angewendet, um vor sündhaftem Verhalten zurückzuschrecken. Karl IV war ein vitaler, muskulöser und fröhlicher Herrscher, was sich aber im Alter von 34 Jahren im Jahr 1350 änderte. Im Oktober 1350 erkrankte Karl IV plötzlich, sein Zustand war ernst, so ernst, dass manche Fürsten und auch der Papst sich über eine mögliche Nachfolge Karl IV berieten. Ein zeitgenössischer Chronist Heinrichs Taube von Selbach beschrieb die Krankheit Karl IV als eine Lähmung aller vier Gliedmaßen. Diese Tetraparese dauerte zehn Monate bis im August 1351 und heilte dann aus: Im Jahr 1371 erkrankte Karl IV erneut mit gleichen Symptomen. Eine Autopsie aus dem Jahr 1978 zeigte, dass die Lähmungen auf ein traumatisches Ereignis zurückzuführen sind, so steht ein Trauma während eines Ritterturniers genauer ein gegen den Hals gezielter Lanzenstoß im Vordergrund des wissenschaftlichen Diskurses.65 Dabei erlitt Karl IV eine doppelte beidseitige Fraktur des Unterkiefers, Frakturen des 5. und 6. Halswirbels wie auch ein indirektes Trauma mit Gelenkdeformierungen beider Kiefergelenke. Auch stellte man bei der Skelettuntersuchung fest, dass eine Kyphosierung der Lendenwirbelsäule, Hyperlordose der Halswirbelsäule sowie eine Skoliose in mehreren Bereichender Wirbelsäule vorhanden waren, welche wiederum auf ein Trauma hindeuten. Als mögliche Krankheit steht eine entzündliche Erkrankung der Rückenmarkswurzel gut begründet im Vordergrund.
Abbildung 5:Statue Karl IV in Prag.