Eine Million für deine Liebe? - Michelle Smart - E-Book + Hörbuch

Eine Million für deine Liebe? Hörbuch

Michelle Smart

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Beschreibung

Dante Moncada braucht eine Verlobte - wenn auch nur für ein Wochenende. Ein wichtiger Business-Deal steht auf der Kippe, und der smarte Sizilianer muss sich als seriöser Geschäftsmann präsentieren, mit einer Frau an seiner Seite. Da kommt ihm die zauberhafte Aislin gerade recht. Eine Million verspricht er ihr, wenn sie in den Vorschlag einwilligt. Geld, das sie dringend braucht, um ihrem kranken Neffen zu helfen. Für Dante ist es nur ein Geschäft. Er hält nichts von Bindungen. Warum aber raubt Aislin ihm dann den Atem, wann immer er ihr nahe ist?

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Zeit:5 Std. 12 min

Sprecher:Nadja Herbst
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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Michelle Smart Originaltitel: „The Sicilian’s Bought Cinderella“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2427 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Elisabeth Hartmann

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733713935

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Dante Moncada sprang neben seinen Chauffeur ins Auto, zwei seiner Leute stiegen im Fond ein. Das fehlte ihm gerade noch, dass jemand in das alte Landhaus einbrach, das sich seit Generationen im Besitz der Familie Moncada befand.

Während sein Fahrer den Wagen durch die engen Straßen von Palermo hinaus ins hügelige Land steuerte, dachte Dante an seine vorangegangenen Gespräche mit Riccardo d’Amore. Das Oberhaupt der Familie d’Amore hatte einen Deal ausgebremst, den Dante seit einem halben Jahr verhandelte. Riccardo führte ein sauberes, mustergültiges Unternehmen und hatte Angst, dass Dantes Ruf ihm schaden könnte.

Er fluchte leise und konnte sich gerade noch verkneifen, aufs Armaturenbrett zu schlagen.

Welcher Ruf? Gut, er mochte die Frauen. Das war kein Verbrechen. Sein Geschäftsimperium basierte auf ehrlichem Geld. Er verzichtete auf die Spielchen, die viele Sizilianer so gern trieben. Er machte sich die Hände nicht schmutzig. Er trank und feierte gern, na und? Drogen rührte er nicht an, vom Glücksspiel ließ er die Finger und mied die Kreise, in denen Waffen-, Drogen- und Menschenhandel als einträgliche Geschäfte betrachtet wurden. Er arbeitete hart. Der Aufbau eines Milliarden Euro schweren Technologie-Imperiums auf der Basis eines im Vergleich dazu bescheidenen Millionenerbes erforderte Engagement.

Aber dass Riccardo in Bezug auf den Deal, an dem Dante und Alessio, Riccardos ältester Sohn, monatelang gearbeitet hatten, ein Machtwort sprach, hatte nichts mit der Unbescholtenheit des Unternehmens zu tun. Die d’Amores hatten die nächste Generation eines Sicherheitssystems für Smartphones entwickelt, das sich als Hacker-resistent erwiesen hatte und sämtliche Konkurrenz in den Schatten stellte. Alessio und Dante waren im Begriff, einen Exklusivvertrag zu unterzeichnen, der es Dante erlaubte, dieses System auf den Smartphones und Tablets seines Unternehmens zu installieren, das in Europa Marktführer war. Dieses System würde ihn mit dem Rüstzeug zur Eroberung des amerikanischen Marktes ausstatten, wo Dante bisher noch nicht hatte Fuß fassen können.

Riccardos Bedenken wegen Dantes Ruf liefen nur auf eine Sache hinaus: Dantes Abstammung. Sein kürzlich verstorbener Vater, Salvatore, war ein notorischer Spieler und vollendeter Playboy gewesen. Seine Mutter, Immacolata, war wenig schmeichelhaft als Schwarze Witwe bekannt, ein Name, den Dante schon immer unfair fand, denn sie hatte keinen ihrer Ehemänner umgebracht. Sie hatte die Betroffenen bei der Scheidung jeweils nur gründlich geschröpft. Dantes Vater war ihr erster Mann gewesen. Inzwischen war sie bei Nummer fünf angelangt. Seine Mutter lebte wie eine Königin.

Riccardo dagegen hatte eine einzige Ehefrau, elf Kinder, hielt Glücksspiel für Teufelswerk und außerehelichen Sex für eine Sünde. Riccardo fürchtete, Dante könnte der Apfel sein, der nicht weit vom Stamm fällt. Er wollte Beweise dafür, dass Dante nicht nach seinen Eltern schlug und Amore Systems und dadurch Riccardo selbst in Verruf brachte. Inzwischen befand er sich im fortgeschrittenen Stadium seiner Verhandlungen mit Dantes schärfstem Konkurrenten.

Zum Teufel mit Riccardo. Der alte Trottel hätte sich längst zur Ruhe setzen sollen.

Dante blieb noch eine Chance, seine Seriosität unter Beweis zu stellen, bevor der Deal ihm endgültig durch die Lappen ging: Alessios bevorstehende Hochzeit.

Als sein Fahrer auf einer kleinen Lichtung mitten im dichten, die Zufahrt zum Landhaus säumenden Waldgebiet anhielt, stellte Dante seine wütenden Grübeleien über seine geschäftlichen Probleme ein. Ein paar Meter entfernt, geschickt im Wald versteckt, stand ein Kleinwagen …

Dante griff nach dem Baseballschläger im Fußraum, den er nicht gern zum Einsatz bringen wollte.

Flankiert von seinen Bodyguards näherte er sich im Schutz dicker Bäume dem heruntergekommenen Bauernhäuschen.

Die Tür war verschlossen.

Dante furchte die Stirn, zückte seinen Schlüssel und schloss auf.

Er verzog das Gesicht, als das Knarren der Scharniere von den Wänden widerhallte, und zum ersten Mal seit seiner Jugend, als er heimlich Mädchen hierhergebracht hatte, betrat er das Häuschen wieder.

Der offene Wohnbereich war bedeutend kleiner als in Dantes Erinnerung. Das Licht war eingeschaltet, und er sah sich nach Schäden um. Das Fenster über der Spüle war mit Pappe vernagelt. Vermutlich hatte der Eindringling sich dort Zugang verschafft, doch darüber hinaus waren keine Zeichen von Vandalismus erkennbar. Ein Geruch nach Vernachlässigung hing in der Luft und vermischte sich mit dem schwarzen Rauch des Holzfeuers. Auf dem kleinen Tisch stapelten sich Lehrbücher.

Die passten so wenig ins Bild, dass Dante sie mit einem Stirnrunzeln betrachtete.

Über ihm knarrte eine Bodendiele.

Adrenalin schoss ihm ins Blut.

Den Baseballschläger fest in der Hand, forderte Dante seine Männer mit einem Nicken auf, ihm zu folgen, und stapfte langsam die schmale Treppe hinauf. Er fluchte, als jede Stufe unter seinem Gewicht knarrte. Er hätte den Eindringling seinen Männern überlassen können, doch bevor er entschied, was er mit ihm anfangen sollte, wollte er das Gesicht des Mannes sehen, der den Nerv hatte, in sein Haus einzubrechen.

Noch einmal nickte er seinen Leuten zu, dann stieß er die Tür auf.

Sein erster Gedanke, als er das Schlafzimmer betrat, war, dass er zu spät kam und der Einbrecher geflüchtet war. Für einen zweiten Gedanken blieb keine Zeit, denn plötzlich schoss eine Gestalt aus dem Bad und stürzte sich schreiend, einen Duschkopf schwingend, auf ihn.

Es dauerte einen Moment, bis er in der Gestalt eine Frau erkannte.

Bevor sie ihm mit dem Duschkopf eins überbraten konnte, packte Lino, der flinkere der beiden Bodyguards, die Frau und hielt sie mit seinen kräftigen Armen fest.

Sie trat um sich und schimpfte unflätig, offenbar auf Englisch, aber mit einem starken, ihm unbekannten Akzent.

Verblüfft musterte Dante die zappelnde Einbrecherin im flauschigen weinroten Bademantel.

Dann traf ihr Blick seinen, und Dante sah darin wilde Angst.

„Lass sie los“, befahl er.

Lino nahm ihr den Duschkopf aus der Hand und gab sie frei.

Sofort wich sie vor den Männern zurück. Ihr Blick, immer noch angsterfüllt, huschte von Dante zu Lino und Vincenzo und wieder zurück zu Dante.

Dante konnte ihre Furcht durchaus nachvollziehen. Er selbst war groß und eindrucksvoll gebaut, Lino und Vincenzo waren regelrechte Schränke.

„Geht“, schnauzte er seine Männer an. „Wartet unten auch mich.“

Die Frau fixierte ihn.

Seine Männer waren zu gut geschult, um zu widersprechen, und verließen das Zimmer. Vorsicht war nicht mehr nötig, und sie polterten die Treppe hinab wie eine Herde Gnus.

Jetzt, da er mit ihr allein war, schärften sich Dantes Sinne. Ein wunderbarer Duft erfüllte das Zimmer, umwehte weich und blumig die Einbrecherin, die in eine Zimmerecke zurückgewichen war. Das einzige Geräusch im Raum war ihr schweres Atmen.

Dante ging langsam auf sie zu.

Sie drückte sich weiter in die Ecke und verschränkte die Arme vor ihren offenbar üppigen Brüsten. Wäre sie nicht in sein Haus eingebrochen, hätte sie ihm leidgetan.

Er schätzte sie auf Anfang zwanzig. Sie war zierlich, aber kurvenreich, mit Stupsnase, vollen Lippen und Sommersprossen in einem Gesicht, das entweder von Natur aus blass oder weiß vor Furcht war. Die Farbe ihres langen nassen Haars konnte er unmöglich benennen. Aber dass sie eine ausgesprochen schöne Frau war, ließ sich nicht leugnen.

In jeder anderen Situation wäre er versucht gewesen, anerkennend zu pfeifen.

Sie schluckte mehrfach, sagte aber nichts, sondern fixierte nur sein Gesicht mit diesen seltsamen Augen.

Einen Schritt vor ihr blieb Dante stehen und fragte auf Englisch: „Wer bist du?“

Sie presste die Lippen aufeinander, umspannte ihren Oberkörper noch fester und schüttelte den Kopf.

„Warum bist du hier?“

Doch sie antwortete immer noch nicht. Hätte er ihre Schimpftirade nicht gehört, als sie aus dem Bad stürmte, hätte er Grund zu der Annahme gehabt, dass sie stumm wäre.

„Du weißt, dass das hier Privatbesitz ist? Sì?“, versuchte er es erneut. Dante sprach fließend Englisch, aber mit ausgeprägtem Akzent. „Dieses Haus steht zwar leer, aber es gehört mir.“

Sie kniff ihre seltsamen, jedoch wunderschönen Augen plötzlich zusammen, und daran erkannte er, dass ihm nicht in erster Linie Angst, sondern vielmehr Verachtung entgegenschlug.

„Dass ich nicht lache.“ Sie straffte die Schultern. Er erkannte ihren Akzent als irisch. „Dieses Haus gehört zum Besitz deines Vaters und damit zur Hälfte deiner Schwester.“

Wut stieg in ihm auf.

Darum ging es hier also? Noch so eine Schwindlerin, die vorgab, Salvatore Moncadas heimliches Kind der Liebe zu sein, und sich einen Anteil an Dantes Erbe erschleichen wollte? Die wievielte war sie? Acht oder neun Betrüger seit dem Tod seines Vaters vor drei Monaten?

„Wenn ich eine heimliche Schwester hätte, wäre ich gern bereit, ihr einen Anteil am Besitz meines Vaters zuzugestehen, aber …“

„Da gibt es kein Wenn und Aber“, fiel sie ihm ins Wort. „Du hast tatsächlich eine Schwester, und ich kann dir Beweise vorlegen.“

Etwas in ihrem Tonfall hinderte ihn daran, zu sagen, was ihm auf der Zunge lag.

Dante musterte das schöne Gesicht noch eingehender, und das Blut gefror ihm in den Adern.

Glaubte diese aufsässige, sexy Frau tatsächlich, sie wäre seine … Schwester?

Das war also Dante? Aislin hatte zahlreiche Fotos des grausamen Sizilianers gesehen, der ihrer Schwester vorenthalten wollte, was ihr moralisch gesehen zustand, aber nichts hätte sie auf seine reale Schönheit vorbereiten können.

In Natura war er viel größer, als sie erwartet hatte, und sein Haar war dichter und dunkler. Außerdem war er unerwartet schlank und muskulös, und auch dem Rest seiner äußeren Erscheinung wurden die Fotos nicht gerecht. Der dunkle Bart tat der Wirkung seines markanten Kinns und der festen, sinnlichen Lippen sowie der klassisch geformten Nase keinen Abbruch. Die grünen Augen unter den dichten schwarzen Brauen konnten nur als wunderschön bezeichnet werden, doch jetzt fixierte er Aislin mit einer Mischung aus Empörung und Fassungslosigkeit.

Ihr war bereits bei den Fotos nicht entgangen, dass Dante ein attraktiver Mann war, doch mit dieser unverstellten Erotik, die er ausstrahlte, hätte sie nicht im Geringsten gerechnet.

Dante Moncada war der schönste, verführerischste Mann, den sie je gesehen hatte, was sie gleichermaßen erregte und abschreckte.

Trotz der Wärme im Raum lief Aislin ein Frösteln über den Rücken. Sie zog den Bademantel fester um sich. Er reichte ihr bis an die Knöchel, doch wegen Dantes eindringlichem Blick fühlte sie sich nackt.

Was sie unter dem Bademantel tatsächlich war.

Vor zwei Tagen war Aislin in das Haus eingedrungen. Seit zwei Tagen wohnte sie hier, wartete darauf, dass man Notiz von ihrer Anwesenheit nahm und die unvermeidliche Konfrontation mit diesem Mann über die Bühne ging. Aber mal im Ernst, musste diese Begegnung ausgerechnet in dem Moment stattfinden, als sie aus der Dusche kam?

Das Knarren der Treppe, als Dante und seine Männer ins Obergeschoss stiegen, hatte Aislin in Angst und Schrecken versetzt. Unvermittelt war sie sich ihrer Verletzlichkeit in dieser Situation bewusst, hatte sich, nass, wie sie war, in den Bademantel gehüllt und den Duschkopf als einzig verfügbare Waffe abmontiert.

Dante musste annehmen, es mit einer heulenden Todesfee zu tun zu haben, und diesen Eindruck musste sie auf der Stelle widerlegen.

Er trat einen Schritt zurück; seine linke Braue zuckte. „Du glaubst, du bist meine Schwester?“

Sie reckte das Kinn vor, um zu kaschieren, wie unbehaglich sie sich fühlte. „Wenn du die Güte haben würdest, mir Gelegenheit zum Anziehen zu geben, will ich dir alles erklären. In der Küche findest du Kaffee.“

Er musterte sie von oben bis unten, dann blinzelte er, schauderte kaum merklich und wich noch einen Schritt zurück.

„Zieh dich an“, sagte er knapp und schloss die Tür hinter sich.

Aislin atmete ein paar Mal tief durch, aber mit Dante schien alle Luft aus dem Raum gewichen zu sein. Nur der Duft seines bestimmt sehr teuren Parfüms war zurückgeblieben. Teuer und … sexy, so wie der Mann selbst.

Wohl wissend, dass sie einen kühlen Kopf bewahren musste, damit Dante sie nicht in der Luft zerriss, kramte sie Jeans, einen silbernen Pulli und Unterwäsche aus dem Schrank, huschte ins Bad und verschloss die Tür hinter sich. Hastig zog sie sich an, fuhr mit den Fingern durch ihr feuchtes Haar und atmete noch einmal tief durch, bevor sie sich auf den Weg zu Dante machte.

Auf diese Konfrontation hatte sie sich gründlich vorbereitet. Theoretisch zumindest. Sie musste diesem imposanten Mann gegenüber einfach nur die Nerven behalten. Sein Aussehen und sein Duft zählten nicht. Dante Moncada, ein Selfmade-Milliardär, hatte den Anspruch ihrer Schwester auf ihren Anteil am gemeinsamen väterlichen Erbe mit Füßen getreten.

Die Treppe führte in den gemütlichen offenen Wohnbereich, wo Dante auf einem der durchhängenden Sofas saß und in einem ihrer Lehrbücher blätterte. Vor ihm auf dem Tisch standen zwei Becher mit dampfendem Kaffee. Von seinen riesenhaften Handlangern war nichts zu sehen.

Dante kniff die Augen zusammen, als Aislin näher kam, und wartete schweigend, bis sie sich so weit von ihm entfernt wie eben möglich einen Platz gesucht hatte.

Er tippte mit dem Zeigefinger auf ihren Namenszug in dem offenen Buch. „Erzähl mir von dir, Aislin O’Reilly.“

Er sprach ihren Namen falsch aus, was sie unter normalen Umständen zum Lachen gebracht hätte.

Sie schüttelte den Kopf. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie in der Gegenwart dieses Mannes irgendwie einen Knoten in der Zunge.

Er warf das Buch auf den Tisch, und Aislin zuckte zusammen. „Du behauptest, meine Schwester zu sein, also erzähl mir von dir. Zeig mir deine Beweise.“

Sie kreuzte die Beine und sah Dante offen in die grünen Augen. „Ich bin nicht deine Schwester. Orla, meine Schwester, ist auch deine Schwester. Ich bin als ihre Stellvertreterin hier.“

Dante furchte die Stirn. Aislin ahnte, dass er versuchte, sich über ihr Verwandtschaftsverhältnis klar zu werden.

„Orla und ich haben dieselbe Mutter“, half sie ihm auf die Sprünge. „Du und Orla, ihr habt denselben Vater.“

Innerlich atmete Dante auf, als ihm bestätigt wurde, dass er mit dieser Einbrecherin nicht blutsverwandt war. Allein schon ihr Hüftschwung, als sie die Treppe hinunterkam, hatte seine Sinne geweckt. Dante war in Bezug auf Frauen nicht übertrieben wählerisch. Er mochte sie in allen Formen und Größen, aber eine Person, die womöglich seine eigene Schwester war, begehrenswert zu finden, hätte ihm doch schwer zu schaffen gemacht.

„Wo sind deine Beweise, Aislin?“

Zwar ließ das Licht im Raum dank der dunkel gestrichenen Wände zu wünschen übrig, doch jetzt hatte er Aislin nahe genug vor sich, um die Farbe ihrer Augen erkennen zu können, aus denen ihm Verachtung entgegenfunkelte. Sie waren grau mit einem dunklen Ring um die Iris, die im Kontrast dazu nahezu durchscheinend wirkte. In Verbindung mit der Schrägstellung ihrer Augen hatte es einen höchst ungewöhnlichen Effekt.

Sie korrigierte seine Aussprache. „Ich heiße Aislin.“ Es klang wie Äschling.

Er wiederholte den Namen probehalber laut. „Aislin … Kein geläufiger Name.“

Sie fixierte ihn mit ihren bemerkenswerten Augen, ohne zu blinzeln. „In Irland schon.“

Er zuckte die Achseln. So ungewöhnlich und interessant ihr Name auch sein mochte, es gab entschieden wichtigere Dinge zu besprechen. „Du sagst, du könntest beweisen, dass … Orla? Sie heißt Orla?“

Aislin nickte.

„Dass Orla meine Schwester ist. Zeig mir deine Beweise.“

Sie erhob sich und ging hinüber zur Küchenzeile. Ihr wohlgerundeter Po lenkte Dante kurzfristig ab. Einer kleinen Tasche auf der Arbeitsplatte entnahm sie einen Umschlag, den sie auf dem Weg zurück zu Dante öffnete.

Sie zog ein Blatt Papier aus dem Umschlag und reichte es Dante mit den Worten: „Orlas Geburtsurkunde.“

Dante rauschte das Blut in den Ohren, als er das Dokument entgegennahm und es bedächtig entfaltete.

Er musste ein paar Mal gegen den Schleier anblinzeln, der sich vor seinen Augen gebildet hatte.

Die Geburtsurkunde war siebenundzwanzig Jahre zuvor ausgestellt worden. Als Vater war Salvatore Moncada eingetragen.

Dante massierte sich die Schläfen.

Dieses Stück Papier war kein Beweis. Womöglich war es eine Fälschung, oder aber Aislins und Orlas Mutter, laut Dokument Sinead O’Reilly, hatte gelogen.

Aus dem Umschlag in ihrer Hand zog Aislin ein Foto und hielt es Dante unter die Nase.

Er wollte es nicht anschauen.

Er musste es anschauen.

Es zeigte die Gesichter zweier Menschen, einer jungen Frau und eines kleinen Jungen.

Dantes Magen krampfte sich heftig zusammen.

Beide Personen auf dem Foto hatten dichtes dunkelbraunes Haar, genau wie Dante.

Die Augen der Frau waren vom gleichen Grün wie Dantes.

2. KAPITEL

Aislin bemerkte, dass Dante aschfahl im Gesicht geworden war, und sie empfand einen Hauch von Mitleid, als sie sah, wie bei dem arroganten Mann der Groschen fiel.

Sie legte den Umschlag auf den Tisch und griff nach dem Kaffee, den Dante für sie zubereitet hatte. Warum ihre Hände zitterten, war ihr ein Rätsel. Sie hatte das Gefühl, auch innerlich zu zittern, als ginge ein Beben durch ihren gesamten Körper.

Sie redete sich ein, es läge an der Situation, ihr Körper würde sich gerade auf den heftigsten Kampf vorbereiten, den sie je ausgefochten hatte. Mit Dantes Person hatte ihre Reaktion nichts zu tun.

Der Wert dieses Hauses und des Grundstücks waren Peanuts für einen reichen Mann wie ihn, doch für ihre Schwester bedeutete er so viel. Das Geld würde sie in die Lage versetzen, Finn ein Heim zu schaffen, in dem er so normal würde aufwachsen können, wie sein Zustand es zuließ. Mehr wollte Orla gar nicht.

Aislin liebte ihren Neffen von ganzem Herzen. Finn war ihr Ein und Alles. Monatelang hatte sie bei ihm gesessen, als er auf der Neugeborenen-Intensivstation in diesem schrecklichen Brutkasten lag, hatte darum gebetet, dass sein winziger Körper wuchs, dass seine Lungen selbstständig arbeiteten, dass er eines Tages kräftig genug sein würde, um nach zu Hause zu dürfen … um zu überleben.

Der kleine Kämpfer hatte es geschafft, aber nicht ohne Komplikationen. Sein gesamtes Leben würde ein Kampf sein, und Aislin war bereit zu tun, was nötig war, um diesen Kampf erträglicher zu gestalten.

Dantes Anwalt hatte jede Bemühung ihrer Schwester um Anerkennung abgewehrt. Entschlossen, Dante persönlich zur Rede zu stellen, war Aislin nach Sizilien geflogen, doch auch sie wurde abgewiesen. Dante wurde so gründlich abgeschirmt, dass sie nicht zu ihm vordringen konnte. In ihrer Verzweiflung hatte sie den Einbruch in sein Haus als letzten Ausweg gesehen.

Die Zeit schien stillzustehen, bis Dante endlich den Blick von dem Foto löste.

Aislins Herz zog sich merkwürdig zusammen, als er ihr in die Augen sah. Sein Blick war hart wie Stahl.

„Ich habe nie von dieser Frau gehört. Mein Vater hatte zahlreiche Affären. Seit seinem Tod haben viele Männer und Frauen behauptet, sein verheimlichtes uneheliches Kind zu sein. Du zeigst mir ein Foto und behauptest, die Person sei meine Schwester …“

Sein starker sizilianischer Akzent ging ihr gewaltig unter die Haut.

„Ich behaupte es nicht nur: Sie ist deine Schwester. Siehst du die Ähnlichkeit nicht?“

Er schnalzte auf typisch sizilianische Art mit der Zunge. „Diese Ähnlichkeit kommt sehr gelegen.“

„Nichts daran ‚kommt gelegen‘!“, entgegnete sie hitzig und hätte noch mehr gesagt, wenn Dante nicht Schweigen gebietend die Hand gehoben hätte.

„Wenn sie meine Schwester ist, warum gibt sie sich dann erst nach dem Tod meines Vaters zu erkennen?“

„Sie hatte es nicht nötig, sich ‚zu erkennen zu geben‘. Dein Vater hat bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag Unterhalt für sie gezahlt.“

Diese Eröffnung ließ ihn leicht in sich zusammensinken, doch er hatte sich sekundenschnell wieder gefasst. „Ob das der Wahrheit entspricht, kann ich selbst überprüfen.“

„Es ist die Wahrheit, und wenn du nicht jeden Versuch meiner Schwester, mit dir zu reden, abgeblockt hättest, würden dir sämtliche Fakten längst vorliegen.“

„Mein Vater hat nur ein Kind anerkannt: mich. Von einer heimlichen Schwester war nie die Rede, auch nicht als Beichte auf dem Sterbebett.“

„Das ist nicht Orlas Schuld.“

„Würde sie auch noch behaupten, meine Schwester zu sein, wenn ich dir sagen sollte, dass vom Besitz meines Vaters nichts mehr übrig ist?“

„Nur, weil du längst alles verkauft hast!“

Gespielt mitleidig sah er sie an. „Mein Vater war spielsüchtig. Er hat verkauft, was nicht niet- und nagelfest war, um seine Schulden zu begleichen.“

„Ich habe das Vermögensverzeichnis gesehen.“ Das war das Einzige, was Orlas nichtsnutziger Rechtsbeistand von Dantes erschreckend geschäftstüchtigem Anwalt bekommen hatte. „Er besaß Millionen. Orla ist nicht habgierig. Sie verlangt nur einen kleinen Anteil. Das steht ihr moralisch zu, auch wenn du und dein Anwalt anderer Meinung seid. Ich bleibe in diesem Haus, bis du ihr ihren Anteil entweder überschreibst oder sie auszahlst.“

„Das Recht ist auf meiner Seite. Glaubst du wirklich, es würde dich irgendwie weiterbringen, wenn du dich – illegal – in diesem Haus einnistest?“

Ihre Augen sprühten Funken. „Besitz macht neun Zehntel des Gesetzes.“

„In Irland vielleicht. Aber wir sind hier auf Sizilien. Meine Heimat. Mein Besitz. Mein Land. Mit einem Fingerschnippen kann ich dich aus diesem Haus entfernen und des Landes verweisen lassen.“

„Versuch es doch.“ Sie sprang auf, griff nach dem Umschlag und entnahm ihm ein weiteres Blatt Papier. „Versuch es, und ich werde dafür sorgen, dass alle Medien über das berichten, was du getan hast. Orla verlangt nur das, was ihr zusteht, und dieses Dokument bevollmächtigt mich, für sie zu handeln.“

Dante ignorierte das Schreiben, bemerkte aber durchaus die zarte Hand mit den gepflegten Nägeln, die es hielt. Langsam ließ er den Blick an Aislin hinaufwandern, über die geschwungenen Hüften, die schmale Taille und die vollen Brüste unter dem weichen silbernen Pulli. Ein bemerkenswerter Körper in schlichter Kleidung. Als ihr Duft erneut auf seine Sinne traf, regte sich etwas in seinen Lenden. Betroffen über seine unwillkürliche Reaktion auf diese Frau, noch dazu zu diesem Zeitpunkt, griff er nach seinem Kaffee.

Dante bekannte sich offen zu seiner starken Libido, doch eine Erektion, die so fehl am Platze war wie diese, hatte er zum letzten Mal vor beinahe zwei Jahrzehnten im Mathe-Unterricht erlebt, als er seiner Lehrerin unverhofft in den Ausschnitt spähen konnte.

Die Ähnlichkeit zwischen ihm und der Frau auf dem Foto war frappierend.

„Hat deine Schwester je auf Sizilien gelebt?“

Aislin zog die hübsch geschwungenen Brauen zusammen. „Nein.“

„Nur mal angenommen, deine Einschätzung wäre richtig und mein Vater wäre im Besitz von Millionen gewesen, als er starb, wie kommst du darauf, dass Orla ein Teil davon zustehen würde? Mein Vater hat mich als Alleinerben eingesetzt. Er hat Orla nicht als sein Kind anerkannt. Du musst dir mal vor Augen führen, dass mein Anwalt und ich schon oft genug vor diesem Problem gestanden haben. Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn Orla irgendwann auf Sizilien gewohnt hätte. Sie sollte einen sizilianischen Anwalt aufsuchen und sich erklären lassen, dass sie keinerlei Rechte hat.“ Er lachte ohne eine Spur von Humor. „Hier ist nichts für sie zu holen. Das Verzeichnis, das du da hast, ist alt und geht noch zurück auf den Tod meines Großvaters. Mein Vater hat das meiste von den aufgeführten Posten verkauft. Der Familiensitz hat ihm nie gehört, ebenso wenig wie das Grundstück in Florenz. Beides haben meine Großeltern treuhänderisch für mich verwalten lassen, damit mein Vater nichts davon für seine Spielsucht veräußern konnte. Dieses Haus ist alles, was er noch hatte, und es steht nicht zum Verkauf.“

„Dann zahlst du Orla eben aus. Selbst wenn es wahr ist, was du da sagst, und deine Großeltern deinen Vater wirklich übergangen haben, steht ihr doch sicher etwas zu? Sie weiß, dass sie nicht mit der Hälfte des Erbes rechnen darf, aber moralisch hat sie ein Recht auf einen Anteil. Sie würde voll und ganz mit dem Wert dieses Hauses zufrieden sein.“

In vorgetäuschtem Mitleid schüttelte Dante den Kopf. Ihre Vorgehensweise war perfekt – Vernunft gepaart mit scheinbarer Abwesenheit von Gier. Die ideale Tarnung für einen unverschämten Betrug.

Dante war beinahe überzeugt, dass sie die Wahrheit sagte, aber das war ausgeschlossen. Sein Vater hätte niemals ein derartiges Geheimnis vor ihm bewahrt.

„Dieses Häuschen ist nicht mehr als hunderttausend Euro wert“, sagte er, darauf bedacht, genau das richtige Maß an Bedauern mitschwingen zu lassen. „Das Land ungefähr die gleiche Summe.“