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Einfach nachhaltig Bauen: Ihr Leitfaden für eine grüne Zukunft Nachhaltiges Bauen ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Der Green Deal und neue EU-Vorgaben setzen klare Ziele für den Bausektor – den größten Verbraucher von Energie und Ressourcen. Doch wie gelingt die Umsetzung? Dieses Buch gibt Ihnen die Antworten. Von den Grundlagen der Nachhaltigkeit über konkrete Maßnahmen bis hin zu rechtlichen und technischen Anforderungen: Peter Maydl, renommierter Experte im Bereich nachhaltigen Bauens, liefert in seinem Fachbuch „Einfach nachhaltig Bauen“ das grundlegende Know-how, wie Bauprojekte, die ökologische, ökonomische und soziale Standards erfüllen. Er gibt einen Überblick über die wichtigsten Aktionsfelder und wie die Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung in Planung, Errichtung, Betrieb und Rückbau von Bauwerken realisiert werden können. Nach dem „Woher“ und „Warum“ skizzieren Beschreibungen der aktuellen Rahmenbedingungen das „Wohin“ in Form von Ansatzpunkten zur Umsetzung in der Planung. Themen wie Kreislaufwirtschaft, Bauproduktmanagement und Nachhaltigkeitszertifikate werden praxisnah erklärt. Ein innovativer „Zielsetzungskatalog Nachhaltigkeit“ zeigt Ihnen, wie Sie wichtige Nachhaltigkeitsziele in der Planung und Ausführung erreichen – mit oder ohne Zertifizierung. Ergänzt durch einen Ausblick auf den Gebäudetyp e3, der nachhaltiges und kosteneffizientes Bauen vereint. Dieses Buch ist ein unverzichtbares Praxis-Werkzeug für alle Auftraggeber, Immobilienentwickler, Architekten, Planer und Bauunternehmen. Machen Sie den nötigen Schritt zu einer nachhaltigen Bauweise, um Ihre Projekte zukunftssicher zu gestalten – mit klarer Orientierung, praktischen Lösungen und dem profundem Expertenwissen dieses Praxishandbuches.
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2025
ISBN 978-3-85402-466-8
Auch als Buch verfügbar:
ISBN 978-3-85402-465-1
1. Auflage 2025
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Lektorat
Anna Giricz
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Gestaltung
Alexander Mang
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort von Werner Sobek
Vorwort des Verfassers
1 Einleitung
1.1 Motivation zu diesem Buch
1.2 Zum Begriff „Nachhaltigkeit“
1.3 Ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung der Nachhaltigkeit
1.4 Gedanken außerhalb der gängigen Betrachtungsweisen
2 Warum nachhaltig bauen?
2.1 Daten zum Ressourcenverbrauch
2.2 Daten zum Abfallaufkommen
2.3 Daten zu den Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen)
2.4 Daten zum Flächenverbrauch
3 Die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Bauen
3.1 Auf europäischer Ebene
3.1.1 Politische Intentionen
3.1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.2 Auf nationaler Ebene
3.2.1 Politische Intentionen
3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
4 Das Regelwerk zum nachhaltigen Bauen
4.1 EN-Normen
4.2 ISO-Normen
4.3 Sonstige technische Regelwerke
4.3.1 Level(s)
4.3.2 Weitere Regelwerke, Leitfäden, Empfehlungen
4.4 OIB-Grundlagendokument
5 Die 3 Dimensionen der Nachhaltigkeit
5.1 Das 3-Säulen-Modell
5.2 Der Lebenszyklusgedanke
5.3 Ökologische Nachhaltigkeit
5.3.1 Schutzziele ökologischer Nachhaltigkeit
5.3.2 Umweltwirkungen von Bauaktivitäten
5.3.3 Grundsätze der Ökobilanzierung
5.3.4 Funktionale Einheit / funktionales Äquivalent
5.3.5 Umweltdeklarationen
5.3.6 Kenngrößen (Indikatoren) ökologischer Nachhaltigkeit
5.3.7 Datenquellen und Werkzeuge
5.4 Ökonomische Nachhaltigkeit
5.4.1 Lebenszykluskosten
5.4.2 Wertstabilität und Wertentwicklung
5.5 Soziokulturelle Nachhaltigkeit
6 Nachhaltigkeitsbewertung
6.1 Möglichkeiten und Grenzen der Nachhaltigkeitsbewertung
6.2 Bewertungsgrundsätze aus der europäischen Normung
6.3 Bilanzgrenzen und funktionales Äquivalent
6.4 Gebäudezertifizierungssysteme
6.4.1 Nutzen von Zertifizierungssystemen
6.4.2 Überblick über die in Österreich gebräuchlichen Gebäudezertifizierungssysteme
7 Nachhaltiges Bauen in der Praxis
7.1 Ansatzpunkte
7.2 Gebäudezertifizierung – ja oder nein
7.3 Zielsetzungskatalog Nachhaltigkeit
7.3.1 Anlass
7.3.2 Anforderungen an den „Zielsetzungskatalog Nachhaltigkeit“
7.3.3 Auswahl der Kriterien
7.3.4 Anwendung des „Zielsetzungskatalogs Nachhaltigkeit“
8 Ergänzende Themen zum nachhaltigen Bauen
8.1 Lebens- und Nutzungsdauer von Bauwerken und Bauprodukten
8.1.1 Bedeutung und Wissensstand
8.1.2 Begriffsbestimmungen zu Lebens- und Nutzungsdauer
8.1.3 Robustheit und Resilienz
8.1.4 Allgemeines zum Alterungsverhalten und dessen Einflussfaktoren
8.1.5 Datenquellen
8.1.6 Informationsbedarf
8.2 Bauprodukt- und Chemikalienmanagement
8.2.1 Rechtsgrundlagen
8.2.2 Übersicht über die relevanten Schadstoffe
8.2.3 Betroffene Produktgruppen und Gewerke
8.2.4 Anleitungen, Regelwerke und weiterführende Informationsquellen
8.2.5 Hinweise zur praktischen Anwendung im Planungsprozess
8.3 Kreislaufwirtschaft
8.3.1 Hintergrund
8.3.2 Rahmenbedingungen
8.3.3 Grundsätze kreislauforientierten Bauens
8.3.4 Ist Kreislauffähigkeit messbar?
8.3.5 Kreislaufgerecht planen
8.4 Nachhaltigkeitsberichte und Taxonomie
8.4.1 Verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung
8.4.2 Taxonomie-Verordnung (TaxVO)
9 Einfach bauen – der Gebäudetyp e
9.1 Hintergrund und Problemstellung
9.2 Aktuelle Aktivitäten zum Gebäudetyp e
9.3 Zugehörige Rechtsfragen
9.4 Von den Schutzzielen zu den anerkannten Regeln der Technik
10 Schlussbemerkungen und Ausblick
Literaturverzeichnis
Der Autor
Abbildung 1Treibhausgasemissionen 1990 bis 2021 in Österreich
Abbildung 2Anteile versiegelter und nicht versiegelter Flächen an der Flächeninanspruchnahme
Abbildung 3Flächeninanspruchnahme und Versiegelung
Abbildung 4Verlauf der Flächeninanspruchnahme in Österreich
Abbildung 5Zeitlicher Verlauf der Flächeninanspruchnahme
Abbildung 6Die 3 Bewertungsstufen von Level(s)
Abbildung 7Integrierendes Nachhaltigkeitsdreieck
Abbildung 8Struktur, Schutzziele und Ansatzpunkte für nachhaltiges Bauen
Abbildung 9Struktur einer Ökobilanz
Abbildung 10Kostengruppierung gemäß ÖNORM B 1801-1
Abbildung 11Struktur der Errichtungs- und Folgekosten gem. ÖNORM B 1801-2
Abbildung 12Abhängigkeit des Barwerts von Abzinsungsfaktor und Baupreissteigerung in €/m2 BGF
Abbildung 13Rahmen zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden und Ingenieurbauwerken
Abbildung 14Lebenszyklusphasen nach ÖNORM Entwurf EN 15978
Abbildung 15Grundstruktur des DGNB-/ÖGNI-Systems
Abbildung 16Auszeichnungslogik des DGNB-/ÖGNI-Zertifizierungssystems
Abbildung 17Beeinflussbarkeit von Planungsentscheidungen in Abhängigkeit von der Planungsphase
Abbildung 18Bewertungsansätze, auf die bei der Erstellung des ZSK zurückgegriffen wurde
Abbildung 19Ablaufschema der planungsbegleitenden Anwendung des Zielsetzungskatalogs Nachhaltigkeit
Abbildung 20Kennzeichnung gemäßÖNORM EN 13242:2014
Abbildung 21Kennzeichnung gemäßÖNORM EN 12620:2014
Abbildung 22Vom planungsbegleitenden Materialkonzept zu den Produktanforderungen
Abbildung 23Delegierte Rechtsakte zur Taxonomie-Verordnung
Abbildung 24Kriterien zum Nachweis der Taxonomie-Konformität
Abbildung 25Schematischer Ablauf der Kriterienprüfung
Abbildung 26Von den Schutzzielen über die Regeln der Technik zum Standard „Gebäudetyp e“
Tabelle 1Daten zum Rohstoffverbrauch weltweit und in ausgewählten Ländern
Tabelle 2Baustofflager weltweit und in ausgewählten Ländern
Tabelle 3Abfallaufkommen für unterschiedliche Stoffgruppen: weltweit, Deutschland, Österreich
Tabelle 4Quellen und Senken globaler CO2-Emissionen
Tabelle 5Absolut- und Relativwerte der weltweiten jährlichen THG-Emissionen des Bausektors getrennt für Gebäude und Infrastrukturbauten für Herstellung, Nutzung und Rückbau (Bezugswert: anthropogene Gesamtemissionen 52 Gt CO2 eq/a)
Tabelle 6THG-Emissionen in Österreich nach Sektoren
Tabelle 7Weltweite THG-Emissionen in Mio. t CO2 eq/a
Tabelle 8Flächeninanspruchnahme und -versiegelung
Tabelle 9Die 6 Makroziele von Level(s)
Tabelle 10Übersicht über den Aufbau der Level(s)-Dokumentation
Tabelle 11Typen von Umweltdeklarationen der Normenreihe ÖNORM EN ISO 1402x
Tabelle 12Die wichtigsten Kernindikatoren für Umweltwirkungen
Tabelle 13Umrechnungsfaktoren zur Ermittlung des GWP
Tabelle 14Zusätzliche Wirkungsindikatoren
Tabelle 15Gegenüberstellung der wichtigsten Kategorien sozialer Nachhaltigkeit
Tabelle 16Gegenüberstellung der in Österreich gebräuchlichen Gebäudezertifizierungssysteme
Tabelle 17Inhaltliche Struktur des Zielsetzungskatalogs Nachhaltigkeit – 1. Ebene
Tabelle 18Ausschnitt aus der „Nachhaltigkeitsmatrix“
Tabelle 19Ausschnitt aus der Erweiterung der ZSK-Matrix als Monitoring-Dokumentation
Tabelle 20Summary als komprimierte Zusammenfassung der aktuellen Zielerreichung „Nachhaltigkeit“
Tabelle 21Begriffsbestimmungen zu Lebensdauer und Nutzungsdauer in verschiedenen Regelwerken
Tabelle 22Die 10 Grundsätze der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie
Tabelle 23Allgemeine und spezifische Berichtsinhalte gemäß den ESRS
Tabelle 24Grundanforderungen gemäß Bauprodukteverordnung 2024 und Schutzziele
Tabelle 25Wesentliche Inhalte, Schutzziele und Normen der OIB-Richtlinien
AG
Auftraggeber
aRdT
anerkannte Regel der Technik
AWG
Abfallwirtschaftsgesetz
BBSR
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
BGF
Brutto-Grundfläche
BIM
Building Information Modelling
BML
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
BMVBS
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
BMWSB
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
BNB
Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen
BPV
Bauprodukteverordnung
BREEAM
Building Research Establishment Environmental Assessment Method
CASBEE
Comprehensive Assessment System for Built Environment Efficiency
CLP
Classification, Labelling and Packaging
CSRD
Corporate Sustainability Reporting Directive
CSR
Corporate Social Responsibility
CWA
CEN Workshop Agreement
DAfStb
Deutscher Ausschuss für Stahlbetonbau
DGNB
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
DMC
Domestic Material Consumption (inländischer Materialverbrauch)
DoP
Declaration of Performance
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group
EN
Europäische Norm
EPD
Environmental Product Declaration (Umweltproduktdeklaration)
ESL
Estimated Service Life (voraussichtliche Nutzungsdauer)
ESRS
European Sustainability Reporting Standards
FCKW
Fluorchlor-Kohlenwasserstoff
GaBi
Ganzheitliche Bilanzierung
GHG
Greenhouse Gas
GHS
Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals
GWP
Global Warming Potential (Treibhausgaspotential)
hEN
harmonisierte Europäische Norm
HFCKW
teilhalogenierter Fluorchlor-Kohlenwasserstoff
HFKW
teilhalogenierter Fluor-Kohlenwasserstoff
HQE
Haute Qualité Environnementale
IBU
Institut Bauen und Umwelt e.V.
JRC
Joint Research Centre
LCA
Life Cycle Assessment
LCC
Life Cycle Costing
LEED
Leadership in Energy and Environmental Design
LULUC
Land Use and Land Use Change
LULUCF
Land Use, Land Use Change and Forestry
MF
Material-Fußabdruck
MIPS
Material-Input pro Service-Einheit
naBe
Nachhaltige öffentliche Beschaffung
NaBeG
Nachhaltigkeitsberichtsgesetz
NaDiVeG
Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz
NFRD
Non-Financial Reporting Directive
NGF
Nettogrundfläche
ÖBV
Österreichische Bautechnik Vereinigung
ÖGNI
Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft
OIB
Österreichisches Institut für Bautechnik
ÖROK
Österreichische Raumordnungskonferenz
ÖSTRAT
Österreichische Strategie Nachhaltige Entwicklung
PCR
Product Category Rule (Produktkategorieregeln)
PEF
Product Environmental Footprint
POP
Persistent Organic Pollutants
QNG
Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude
RBV
Recycling-Baustoffverordnung
RdT
Regel der Technik
REACH
Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals
ReqSL
Required Service Life
RICS
Royal Institution of Chartered Suveyors
RSP
Reference Study Period (Betrachtungszeitraum)
SDGs
Sustainable Development Goals
StdT
Stand der Technik
SFDR
Sustainable Finance Disclosure Regulation
SNAP
Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben
SVHC
Substances of Very High Concern
TGA
Technische Gebäudeausrüstung
THG
Treibhausgase
TMR
Total Material Requirement
TQB
Total Quality Building
TR
Technical Report
TS
Technical Specification
UVP
Umweltverträglichkeitsprüfung
WLC
Whole-Life Cost
ZSK
Zielsetzungskatalog Nachhaltigkeit
„Nichts ist stärker als eine Idee,
deren Zeit gekommen ist.“
Victor Hugo (1802 – 1885)
Wie zukünftig alle menschlichen Aktivitäten muss auch das Bauen von Morgen im Einklang mit der Natur stehen. Wir bezeichnen dieses Bauen als Nachhaltiges Bauen und beziehen uns dabei auf ein Prinzip der Nachhaltigkeit, wie es einst von Carl von Carlowitz geprägt und danach immer weiter verallgemeinert und gleichzeitig immer mehr ausdifferenziert wurde. Heute ist die Summe der zwischenzeitlich entwickelten Richtlinien, Gesetze, Gütebeschreibungen, Zertifizierungssysteme und von vielem anderen nur noch für wenige überschaubar. Gleichzeitig sollen sich zukünftig aber alle für das Bauschaffen Verantwortlichen daran halten. In so einer Situation benötigt man einen kompetenten Lotsen, der Fachbegriffe und Zusammenhänge erklärt und der das Dickicht an Regelungen so sortiert und erläutert, dass der dringend benötigte Überblick entstehen kann.
Peter Maydl leistet mit dem von ihm vorgelegten Buch die dringend benötigte Lotsenarbeit. Dank der von ihm gemachten Erläuterungen, Beschreibungen, Kategorisierungen und Verknüpfungen wird es möglich, einen Überblick zu gewinnen, Regelungen zuzuordnen und die Regelungsabsichten im Einzelnen besser zu verstehen. Peter Maydl schließt damit eine der wesentlichen Wissenslücken, die wir im nachhaltigen Bauen immer noch haben.
Es ist wichtig zu betonen, dass Richtlinien, Gesetze und vergleichbare Regelungen stets nur beschreiben, welche Randbedingungen und Ziele das nachhaltige Bauen von Morgen erfüllen soll. Sie beschreiben nicht die planerischen und bautechnischen Lösungswege. Ähnlich ist es mit dem vorliegenden Buch. Es ist kein Handbuch für die Planung, Konstruktion und Herstellung von nachhaltigen Bauwerken, sondern es erklärt den übergeordneten Handlungsrahmen, innerhalb dessen dieses Planen und Bauen zukünftig stattzufinden hat. Es steht damit am Anfang aller Überlegungen, was ihm eine fundamentale Wichtigkeit gibt. Ergo sollte das vorliegende Buch auf allen Schreibtischen derer stehen, die das Bauen von Morgen in Einklang mit der Natur bringen wollen.
Werner SobekArchitekt und Ingenieur,Gründer des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEKan der Universität Stuttgart,Gründer der heutigen Werner Sobek AG
Nachhaltiges Bauen ist in der Bauwirtschaft angekommen. Zu diesem Schluss gelangt man unweigerlich, blättert man Branchenmagazine durch oder liest aktuelle Programme von Informationsveranstaltungen aus dem Baubereich. Dieser Eindruck bestätigt sich aber nicht, wenn das Thema bei Planungsbesprechungen aufs Tapet kommt, wenn es darum geht, das komplexe Thema in baufähige und finanzierbare Entwürfe und Konstruktionen umzusetzen. Trotz eines mittlerweile umfangreichen Weiterbildungsangebots und eines langsamen Einsickerns in die Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren an Universitäten und Fachhochschulen ist der Wissensstand noch ausbaufähig.
Dies hat mich bewogen, meine in über 40 Jahren als Ziviltechniker sowie nach mehr als dreißigjähriger Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit gewonnenen Erkenntnisse mit diesem Buch zusammenzufassen und auch neueste Entwicklungen nach Möglichkeit einzubeziehen. Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsmaterie, nicht nur im Bauwesen, die ganzheitliches ebenso wie langfristiges Denken erfordert und voraussetzt. Daher gilt es immer wieder, kurzfristige Auswirkungen ebenso wie langfristige Konsequenzen von Planungsentscheidungen zu berücksichtigen, auf technisch-funktionaler, ökologischer, soziokultureller und natürlich auch auf wirtschaftlicher Ebene. Dies muss ein verantwortungsbewusster Planer auch seinem Auftraggeber und den Ausführenden vermitteln, letztendlich aber auch dem künftigen Nutzer, der mit dem Ergebnis, also dem Gebäude, leben muss. Nachhaltig zu bauen ist ein höchst anspruchsvolles und komplexes Unterfangen, daher können auch nicht alle maßgeblichen Themen abgedeckt werden. Daher sind die für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb wichtigen Themen wie technische Gebäudeausrüstung, Energieversorgung (Bereitstellung und Verteilung) oder Energieraumplanung vorerst nicht abgedeckt. Das Buch ist auch primär auf den Hochbau ausgerichtet, wenngleich Vieles für alle Sparten des Bauwesens gilt.
Architekten und Bauingenieure sind die Gestalter unserer gebauten Umwelt, Bauingenieure haben über die von ihnen entworfenen Infrastrukturbauten (engl. CEWs – Civil Engineering Works) einen noch größeren Einfluss auf unseren Lebensraum. Dieser – leider missbrauchsgefährdete Begriff, wie die Vergangenheit gezeigt hat – beschreibt die Problematik besser, geht es doch darum, den gemeinsamen Lebensraum von Mensch und Natur, also auch Flora und Fauna, zu entwickeln mit dem Ziel, eine langfristig tragfähige Symbiose aller Bewohner zu schaffen. Daraus resultiert eine erhebliche Verantwortung, die in der Vergangenheit und bis heute nicht immer im erforderlichen Ausmaß wahrgenommen wurde und wird. Vielfach geschieht dies unter dem Druck der äußeren Umstände, vielfach nach dem Motto: Wir bauen nur, was der Auftraggeber bestellt hat. „Nein“ zu sagen erfordert dann auch einen beträchtlichen (betriebswirtschaftlichen?) Mut. Ob er will oder nicht, der Bauingenieur (und in gewissem Sinn auch der Architekt) entwickelt sich so vom „civil engineer“ zum „civilisation engineer“. Dieser von der Gesellschaft meist unbedankten Aufgabe und damit auch Verantwortung gilt es im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden.[1]
Dieses Buch soll einen Überblick über die vielfältigen Erfordernisse nachhaltigen Bauens geben, aktuelle und bevorstehende Randbedingungen erläutern und über zahlreiche Literatur- und Quellenverweise eine weiterführende Informationsbeschaffung erleichtern. Ich hoffe, dass es die Arbeit von Architekten und Bauingenieuren in Projektentwicklung, Planung und Ausführung etwas erleichtern und so einen Beitrag zu einer neuen Planungsqualität leisten kann. Auch wenn es anmaßend klingen mag: Ein Bauingenieur – wie eigentlich jeder Architekt und Ingenieur – sollte danach trachten, einen kleinen Beitrag zu leisten, die Welt beim Verlassen etwas besser gemacht zu haben als er sie beim Betreten vorgefunden hat.
Peter MaydlGraz, im Februar 2025
1siehe auch: Lendi, M., Das Recht des Lebensraumes – und die gesellschaftspolitische Verantwortung des Bauingenieurs, disP 126/1996, disP – The Planning Review [188], https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/156217 (Stand 15.9.24)
Nachhaltige Entwicklung und nachhaltiges Bauen im Besonderen sind heute in aller Munde und werden von Politik und Gesellschaft in gleicher Weise gefordert, auch wenn die Konsequenzen und wechselseitigen Abhängigkeiten vielfach verdrängt werden. Dies hat in den letzten Jahren einen beträchtlichen Aufschwung genommen, was damit zusammenhängen dürfte, dass einzelne Auswirkungen nicht nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit zunehmend sichtbar und spürbar werden. Allgemein bekannte Beispiele dafür sind neben dem Klimawandel auch die zunehmende Verknappung wichtiger Ressourcen, Schadstoffemissionen sowie das steigende Abfallaufkommen. Dabei wird auch die Bedeutung des Bausektors deutlich, dessen Produkte, also Gebäude und Infrastrukturbauwerke, in Herstellung, Betrieb und Entsorgung Spitzenreiter beim Umweltverbrauch (im weitesten Sinne) darstellen.
Ohne der im Kapitel 1.3 dargestellten historischen Entwicklung vorgreifen zu wollen, kann gesagt werden, dass diese Probleme dem Grunde nach seit etwa 50 Jahren bekannt sind. Man denke nur an Dennis Meadows‘ ersten Bericht an den Club of Rome (1972)[2] oder an die erste „Energiekrise“ 1973 (besser: Ölpreiskrise).[3] Damals wurden die Ursachen und Zusammenhänge lediglich auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert, ansonsten hat sich niemand dafür interessiert, vor allem, nachdem die Energiepreise gesunken waren und die autofreien Tage gestrichen werden konnten. Heute sind die Probleme nicht mehr zu leugnen, auch deren Dringlichkeit nicht. Viele Lösungen liegen heute vor, dennoch scheint das Thema insgesamt noch immer in dichten Nebel gehüllt zu sein, aus dem lediglich einzelne Konturen zunehmend sichtbar werden oder (Leucht-)Türme hervorragen. Im Gegensatz zu früheren Generationen von Architekten und Bauingenieuren wissen wir heute, was zu tun ist, vielfach wird es jedoch noch immer nicht oder jedenfalls zu wenig umgesetzt. Insbesondere der ganzheitliche Blick, das Erkennen von Prioritäten, das Unterscheiden von Wichtigem von Unwichtigem ist nach wie vor schwierig. Auch die wechselseitigen Verflechtungen einzelner Aspekte nachhaltigen Bauens machen es nicht leichter, die richtigen Ansatzpunkte zu identifizieren und konsequent abzuarbeiten. Ein gerne gewählter „Lösungsansatz“, der letzten Endes nur eine Ausrede darstellt, ist: zu teuer, zu mühsam, warten wir doch einmal ab.
Daraus ergibt sich auch schon die Motivation für dieses Buch, mit dem vielleicht etwas überheblich anmutenden Anspruch, Orientierung geben zu wollen und einen roten Faden aufzuzeigen, wie nachhaltiges Bauen in der Praxis umgesetzt werden könnte. Es soll keine umfassende und tiefschürfende Darstellung dieses höchst komplexen Themas darstellen, da praktisch tätige Architekten und Bauingenieure erfahrungsgemäß nicht die Zeit haben, hunderte Seiten zu lesen, zumal der zweifellos überreglementierte Bausektor das Überleben im technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld ohnehin nicht leicht macht. Überbordende Vorschriften, primär aus der europäischen Politik, und daraus resultierende technische und vor allem rechtliche Regelwerke lassen viele Entscheidungsträger sowohl auf Auftraggeberseite als auch unter den Planern an der Realisierbarkeit verzweifeln. Dies verhilft oft dem alten österreichischen Lebensprinzip „Schau ma mal, dann seh´n ma schon“ zum immer wiederkehrenden Durchbruch.
Kaum ein Begriff wird in der öffentlichen Diskussion so inflationär verwendet wie das Wort Nachhaltigkeit. Politiker, die Zukunftsfähigkeit demonstrieren wollen, halten das Wort offenbar für unentbehrlich. Wirtschaftsvertreter fordern eine nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitnehmervertreter eine nachhaltige Sicherung der Arbeitsplätze. Das Wort erfüllt alle Anforderungen eines duktilen Werkstoffs: schmiedbar, knetbar, walzbar – noch dazu temperaturunabhängig.[4]
Doch woraus resultiert nun diese Verwendung in höchst unterschiedlichen Bedeutungen? Zum einen ist „Nachhaltigkeit“ oder als Adjektiv „nachhaltig“, ein altes deutsches Wort, das langfristige Nutzung impliziert und seit langem in der Forstwirtschaft gebräuchlich ist, um die langfristige Nutzbarkeit des Werk- und Brennstoffs Holz anzusprechen. Daher gilt auch Hans Carl von Carlowitz als Vater der Nachhaltigkeit, der 1713 in seiner „Sylvicultura Oeconomica“ festgestellt hat, „dass es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung (Anmerkung: des Holzes) gebe / weil es eine unentbehrliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag“.[5][6] Man tut Carlowitz wohl nicht unrecht, wenn man unterstellt, dass es einem sächsischen Berghauptmann des 18. Jahrhunderts nicht um die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit gegangen ist, sondern um die langfristige Verfügbarkeit des damals einzigen geeigneten Energieträgers Holz, also um die ökonomische Dimension. Fünfzig Jahre zuvor hat John Evelyn in Großbritannien ebenfalls auf diese Notwendigkeit hingewiesen[7]. Anderen Quellen zufolge war dieses forstwirtschaftliche Prinzip bereits 1144 in der Forstordnung des elsässischen Klosters Maursmünster (heute Marmoutier) festgeschrieben[8]. Eine umfassende Darstellung der Begriffsentwicklung ist in [7] enthalten.[9][10]
Mit dem Brundtland-Report[11] wurde erstmals „sustainable development“ als ein unverzichtbares Prinzip für eine gedeihliche Entwicklung der Menschheit definiert, woraus sich die Notwendigkeit ergeben hat, „sustainability“ auch ins Deutsche zu übersetzen. Mangels geeigneter deutscher Begriffe wird seither „Nachhaltigkeit“ als deutsche Entsprechung verwendet. Damit sollte die allgemeine Sprachverwirrung um diesen Begriff erklärt, nicht jedoch gelöst sein, nämlich die parallele, undifferenzierte Verwendung für zwei unterschiedliche Eigenschaften bzw. Zustände: langfristig wirksam und langfristig verträglich. Nachhaltigkeit im Sinne von „sustainability“ wird heute auf Basis des Dreisäulenmodells verstanden, also Verträglichkeit in ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Hinsicht, bei Gleichberechtigung aller drei Dimensionen. Nicht alle Insider der Nachhaltigkeitsdebatte sind mit dieser gleichwertigen Gewichtung einverstanden, weshalb auch von „starker Nachhaltigkeit“ gesprochen wird, wenn der ökologischen Dimension der Vorrang eingeräumt wird. Nach dieser Sichtweise macht eine wirtschaftliche oder soziale Entwicklung bei einer zerstörten Umwelt keinen Sinn.
Wie bereits oben erwähnt, ist das Prinzip der Nachhaltigkeit im Sinne von langfristiger Wirksamkeit so alt wie die Menschheit. Treibende Kraft dabei war immer das Bestreben zu überleben, also die dazu notwendigen Ressourcen verfügbar zu halten. Es ist bekannt, dass vor allem indigene Völker ein Nahverhältnis zu der sie umgebenden Natur haben und immer bemüht waren, im Einklang mit der Natur zu leben. Wird der Krieg gerne als Vater aller Dinge bezeichnet, so kann die Knappheit (von Ressourcen) wohl als die Mutter der Innovation bezeichnet werden. In diesem Sinne könnte Dennis Meadows‘ Bericht „Grenzen des Wachstums“ [1] als ein erster Meilenstein des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Entgegen vielfachen Behauptungen hat Meadows keine Prognosen über die Endlichkeit der Ressourcen angestellt, sondern mittels der ihm damals am MIT zur Verfügung stehenden Rechenleistung verschiedene Szenarien durchgerechnet, wie lange welche Ressourcen bei unterschiedlichen Verbrauchsannahmen zur Verfügung stehen. Auch wenn dieser Bericht unter Fachleuten großes Interesse erlangt hat, ist er in der Politik auf keine breite Akzeptanz gestoßen.
Zu einem – letztendlich eher befristeten – Bewusstsein in der Politik um die nicht unbegrenzte Verfügbarkeit fossiler Energieträger zu günstigen Preisen führte die erste Energiekrise 1973 (besser: Ölpreiskrise), die dem sogenannten Westen und vor allem Europa seine Erpressbarkeit durch erdölexportierende Länder vor Augen geführt hat. Erdgas hatte damals noch nicht die heutige Bedeutung als Energieträger. Die autofreien Tage als eine Reaktion auf die Verknappung der Erdölressourcen sind heute weitgehend vergessen.
Der sogenannten „Brundtland-Kommission“ gelang es erstmals unter Führung der früheren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland mit ihrem Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Our Common Future) an die Vereinten Nationen, breite politische Akzeptanz zu erlangen. In diesem Bericht wird nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung definiert, „die den Bedürfnissen der Gegenwart dient, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“. Damit war der Schritt von der langfristigen Wirksamkeit zur langfristigen Verträglichkeit getan, wenngleich nur in der ökonomischen und sozialen Dimension. Die Umweltdimension wurde erst mit der Rio-Declaration 1992 anlässlich des UN-Erdgipfels von Rio de Janeiro hinzugefügt[12] und nachhaltige Entwicklung definiert als „eine Entwicklung, die weltweit über Generationen fortgeführt werden kann, ohne Naturhaushalt und Gesellschaft in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen“.
Seither kann es als „common sense“ gesehen werden, Nachhaltigkeit als langfristige Verträglichkeit in den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu betrachten mit der oben erwähnten Einschränkung des Konzepts der starken Nachhaltigkeit, die postuliert, dass gewisse natürliche Ressourcen unwiederbringlich sind und durch menschliche Aktivitäten nicht substituiert werden können[13]. Ohne hier auf weiterführende Konzepte, wie zum Beispiel die kulturelle Nachhaltigkeit, einzugehen, macht es im Bauwesen Sinn, die soziale Dimension um die kulturelle zu erweitern, weshalb hier die Dimension der „soziokulturellen Nachhaltigkeit“ angemessen erscheint.
Ende der 1990er-Jahre wurde das Thema in Europa von der Politik aufgenommen. Seit dem Vertrag von Amsterdam 1999 ist Nachhaltigkeit ein immaterieller Bestandteil der Europäischen Union, dem mit dem Europäischen Rat von Göteborg 2006 die Umweltdimension hinzugefügt wurde. Parallel zur wirtschaftspolitischen „Lissabon-Strategie“ („wettbewerbsfähigster und dynamischster wissensgestützter Wirtschaftsraum der Welt“)[14] wurden in der EU-Nachhaltigkeitsstrategie 2001 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert, insbesondere für die Bereiche Klimaschutz, Verkehr, Gesundheit, Armutsbekämpfung und Biodiversität[15]. Diese Strategie wird laufend überprüft und angepasst.
Österreich hat 2002 eine Nachhaltigkeitsstrategie[16] entwickelt, die 2010 überarbeitet wurde und von Bund und Ländern mitgetragen wird.
Auf internationaler Ebene im Bereich der Vereinten Nationen sind als wesentliche Meilensteine die zahlreichen Klimagipfel seit 1999 zu erwähnen sowie die 2015 mit der Agenda 2030 von den Vereinten Nationen veröffentlichten 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs). Eine Übersicht über die zwischenzeitlich stattgefundenen Klimagipfel findet sich in[17], nähere Erläuterungen zu den SDGs auf der u. a. Website.[18]
Ausgangspunkt der Nachhaltigkeitsdebatte zu Beginn der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts war die Frage der Verfügbarkeit der Rohstoffe und der (fossilen) Energieträger. In der Folge führten Umweltverschmutzung, saurer Regen, Ozonloch und Warnungen von Wissenschaftlern vor dem Klimawandel zu einer zunehmenden Verunsicherung, die erst langsam in den Fokus der Politik rückten. Alle diese negativen Umweltwirkungen drangen langsam, aber sicher ins öffentliche Bewusstsein ein, ebenso, dass viele davon mit unumkehrbaren Veränderungen verbunden sind und Auswirkungen auf Lebensgrundlagen, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Die 1992 auf dem UN-Erdgipfel von Rio de Janeiro beschlossene Agenda 21[19] führte zu globalen Betrachtungen der zunehmend auftretenden Probleme und Handlungsanleitungen auf lokaler Ebene (lokale Agenda 21).[20]
Trotz des seit Mitte des 20. Jahrhunderts herrschenden Ost-West-Konflikts gab es nicht zuletzt aufgrund der wechselseitigen atomaren Abschreckung zwischen den USA und der Sowjetunion vergleichsweise stabile politische Verhältnisse ohne globale und gewaltsame Veränderungen der Weltordnung, zumal China damals noch kein „Global Player“ war. Der praktisch gewaltfreie Zusammenbruch der Sowjetunion 1989, das Ende des sogenannten Ostblocks, des Warschauer Pakts und die deutsche Wiedervereinigung ließen nicht nur in Europa die Hoffnung auf eine friedliche und langfristig stabile Weltordnung aufkommen. Manche sahen bereits das Ende der Geschichte kommen[21]. Zumindest in Europa, allen voran in Österreich und in Deutschland, war man sich einig, dass die Ausgaben für Verteidigung deutlich reduziert werden und die freiwerdenden Mittel umgeschichtet werden können (was nicht unbedingt der mittlerweile dringend gebotenen Energiewende zugutegekommen ist). Die „Friedensdividende“ wurde jedenfalls vom gesamten politischen Spektrum gerne in Anspruch genommen.
Spätestens seit 2014 und insbesondere seit dem Februar 2022 mehren sich die Anzeichen, dass diese Stabilität verloren geht. War nach 1989 ein Krieg in Europa für die meisten denkunmöglich, sprechen Politiker heute von einer Zeitenwende und von der Notwendigkeit, Europa kriegstüchtig zu machen.
Das Konzept der starken Nachhaltigkeit stellt die Ökologie über die beiden anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit, da natürliche Ressourcen nicht durch Human- oder Sachkapital ersetzt werden können. Nunmehr drängt sich aber die Frage auf, welche Bedeutung die drei „traditionellen“ Dimensionen der Nachhaltigkeit ohne Freiheit und (geo-)politische Stabilität haben. Das bedeutet, dass Nachhaltigkeit durch Sicherheit und Resilienz zu ergänzen ist. Verschiedene Autoren in [18] und [19] vertreten die Auffassung, dass ein Leben in Frieden und Wohlstand (Anmerkung: und in einer intakten Umwelt) nur durch strategische Souveränität und internationale Kooperation zu erreichen sind. Daher werden drei Entwicklungsziele definiert: Sicherheit, Resilienzund Nachhaltigkeit (ohne Reihung!). Einerseits ist eine Betrachtung der Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen komplex genug, andererseits hat sich eine getrennte Betrachtung der Dimensionen auch nicht als hilfreich erwiesen, da diese ineffizient ist und meist Nebenwirkungen auf andere Dimensionen und die oben genannten Ziele nach sich zieht.[22][23] Eine Fokussierung auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit wird künftig wohl zu wenig sein; der Klimawandel ist nicht mehr zu verhindern, seine Konsequenzen sind nur zu mildern, weshalb die Klimaresilienz zunehmend an Bedeutung gewinnt (siehe Umweltziele gemäß Annex II der Taxonomie-Verordnung[24]). Dies gilt nicht nur für den Klimawandel, sondern auch für andere Themen wie Rohstoff- und Energieversorgung, da Nachhaltigkeit und Sicherheit einander bedingen. Daher ist auch in der Agenda 2030[43] festgehalten: „nachhaltige Entwicklung kann ohne Frieden und Sicherheit nicht verwirklicht werden, und Frieden und Sicherheit sind ohne nachhaltige Entwicklung bedroht“. Zu bedenken ist, dass Nachhaltigkeit einen Wert darstellt (also freiwillig ist), während Sicherheit ein Grundrecht darstellt.[25] Der Wirkungszusammenhang zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit sollte künftig näher betrachtet werden. Dabei ist zu beachten, dass Resilienz und Effizienz naturgemäß in Konflikt zueinander stehen, da resiliente Systeme Redundanz und Robustheit erfordern, was mehr Aufwendungen verglichen mit der Betrachtung nur auf der Effizienzebene nach sich zieht.[26] Es ist zu vermuten, dass die aktuellen geopolitischen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Globalisierung und Lieferketten auch das Gesichtsfeld der Betriebswirtschafter und (Kennzahlen-)Controller erweitern werden.
In der Nachhaltigkeitsdiskussion tauchen häufig die drei Begriffe Effizienz, Konsistenz und Suffizienz auf (die beiden letztgenannten lediglich in wissenschaftlichen Foren, praktisch nie im allgemeinen Bewusstsein). Während Effizienz als Verhältnis von Nutzen zu Aufwand als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, verhält es sich mit den beiden anderen Begriffen deutlich anders: Konsistenz stellt – vereinfacht ausgedrückt – das Gleichgewicht zwischen Ökosphäre und Anthroposphäre dar, also den Ausgleich der Stoffströme im Sinne des Prinzips „cradle to cradle“ bzw. einer umfassenden Kreislaufwirtschaft. Für Suffizienz existiert praktisch keine allgemein anwendbare Definition, man könnte sie als „das richtige Maß“ umschreiben. Letzten Endes geht es aber um die uralte Frage: Wie viel ist genug? Was brauchen wir wirklich? Eine Frage, die wohl keinem Politiker über die Lippen kommen dürfte, mit Sicherheit nicht in Vorwahl-Zeiten. Diese Frage kann wohl als eine der ältesten der Menschheit angesehen werden, stand doch vor mehr als 2500 Jahren über dem Eingang zum Apollo-Heiligtum im griechischen Delphi: „von nichts zu viel“ (Mηδἑν ἄγαν – meden agan). Dabei wäre es durchaus angezeigt, sich mit dieser Frage auch im Bauwesen auseinanderzusetzen, wo die richtige Antwort vielfach hilfreich sein könnte: beispielsweise im Wohnbau im Spannungsfeld Wohnungsgrößen – Qualitäts- und Ausstattungsniveau – Energieeffizienz – Leistbarkeit; weiters im Zusammenhang mit dem Mobilitätsbedürfnis, der Verwendung von Tropenholz oder Natursteinbelägen mit großen Transportrucksäcken etc. „Einfach“ Bauen mit Konzentration aufs Wesentliche wird im Kapitel 9 im Zusammenhang mit dem Gebäudetyp e noch näher betrachtet.
Ein ganz anderes Thema, das in der öffentlichen Diskussion um die nationalen Beiträge zur Minderung des Klimawandels meist untergeht, ist die Frage, welchen Betrag Österreich – abgesehen von den rechtlichen Verpflichtungen – in Anbetracht seines Anteils an der globalen Erwärmung sozusagen moralisch verpflichtet ist zu leisten. Auch wenn unser Anteil eher verschwindend ist, sollten wir dringend unsere Hausaufgaben machen und zeigen, dass frühzeitiges Nachdenken zu intelligenten und „nachhaltigen“ Lösungen führt (also langfristig wirksam und verträglich). Der Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauwirtschaft wird dies sicher keinen Abbruch tun, eher das „Ignorieren, so lange wie möglich“. Ein Blick auf die entsprechenden Zahlen und Fakten erscheint angezeigt.
2Meadows, D. et al., Grenzen des Wachstums (Limits to Growth), 1. Bericht an den Club of Rome, Dt. Verlags-Anstalt, Stuttgart 1972 [1]
3siehe z. B. https://hdgoe.at/oelpreiskrisen oder https://www.wienerzeitung.at/h/ein-pickerl-gegen-die-energiekrise (Stand 20.10.2024)
4Maydl, P., Die langfristigen Belange haben keine politische Lobby, Gastbeitrag, Die Presse, 6.3.2015 [2]
5Carlowitz, H. C. von, Sylvicultura Oeconomica – Anweisung zur wilden Baumzucht, Leipzig, 1713 [3], auch in [4]
6Thomasius, H., Bendix, B., Sylvicultura Oeconomica, Transkription in das Deutsch der Gegenwart, Verlag Kessel, 2013 [4], www.forstbuch.de (Stand 24.5.2024)
7Evelyn, J., Sylva, or a Discourse of Forrest Trees, and the Propagation of Timber in his Majesty´s Dominions, The Royal Society, London, 1662 [5]
8https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/778452 (24.5.24) [6]
9Grober, U., Modewort mit tiefen Wurzeln – Kleine Begriffsgeschichte von ‚sustainability’ und ‚Nachhaltigkeit’, in: Jahrbuch Ökologie, 2003, München: C. H. Beck, 2002, pp.167-175 [7]
10Grober, U., Deep roots – A conceptual history of „sustainable development“ (Nachhaltigkeit), Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), 2007 [8]
11Hauff, V., Unsere gemeinsame Zukunft. Bericht der Brundtland-Kommission, München, 1987 [9]
12UNEP – United Nations Environment Programme, Rio-Declaration, 1992 [10], https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/rio_deklaration_950.htm (Stand 24.5.2024)
13Starke und schwache Nachhaltigkeit, in: Lexikon der Nachhaltigkeit [11], https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/schwache_vs_starke_nachhaltigkeit_1687.htm (Stand 24.5.2024)
14https://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de.htm (Stand 24.5.2024)
15Weiss, D. et al., Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene: Schwerpunkte für eine Überarbeitung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie und Wege der Umsetzung, Umweltbundesamt Berlin, 2017 [12]
16https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/nachhaltigkeit/strategien/nstrat.html (Stand 24.5.2024)
17https://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:Suche?fulltext=Artikel+suchen&fulltext=Search&search=UN+Klimakonferenz+Weltklimakonferenzen+&ns0=1[13] (Stand 24.5.2024)
18https://sdgs.un.org/goals[14] (Stand 24.5.2024)
19https://de.wikipedia.org/wiki/Agenda_21[15] (Stand 24.5.2024)
20https://www.landesentwicklung.steiermark.at/cms/beitrag/12647763/141980309/[16] (Stand 24.5.2024)
21Fukuyama, F., Das Ende der Geschichte, aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm, Ute Mihr und Karlheinz Dürr, Kindler, München 1992 [17]
22BDSV – Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Behörden-Spiegel (Hrsg.), Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit – Beiträge zu einer gesellschaftspolitischen Debatte [18]
23Wörner, J.-D., Schmidt, Chr. M. (Hrsg.): Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit (acatech IMPULS), München 2022, https://doi.org/10.48669/aca_2022-2 (Stand 24.5.2024) [19]
24Verordnung 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung 2019/2088 („Taxonomie-Verordnung“) [154]
25Palt, B., Mit dem Blick nach vorne – Expertise im Umgang mit Nachhaltigkeit und Sicherheit, in [18]
26Renn, O., Anforderungen an eine nachhaltige und resiliente Krisenbewältigung, in [18]