Einführung in die Kern- und Elementarteilchenphysik - Hartmut Machner - E-Book

Einführung in die Kern- und Elementarteilchenphysik E-Book

Hartmut Machner

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Beschreibung

Dieses Lehrbuch gibt eine umfassende Einführung in die theoretischen Grundlagen und experimentellen Methoden der Kern- und Elementarteilchenphysik. Dabei werden durch eine einheitliche Beschreibungsweise die Parallelen zwischen beiden Gebieten aufgezeigt. Entstanden aus einer Vorlesung an der Universität Duisburg/Essen bietet das Buch, unterstützt durch zahlreiche Illustrationen und Beispiele, den gesamten Inhalt einer entsprechenden Kursvorlesung nach dem Vordiplom. Der Autor, selbst leitender Mitarbeiter am Institut für Kernphysik in Jülich, gelingt damit in idealer Weise der Brückenschlag zwischen Forschung und Lehre.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Historische Anfänge

1.1 Aufgaben

2 Experimentelle Methoden

2.1 Beschleuniger

2.2 Detektoren

2.3 Aufgaben

3 Globale Eigenschaften von Kernen und Nukleonen

3.1 Massen, Bindung

3.2 Streuexperimente

3.3 Quantenmechanik der Streuung

3.4 Elastische Elektronenstreuung an Kernen

3.5 Streuung leichter Ionen an Kernen

3.6 Elektromagnetische Momente

3.7 Ladungsverteilung der Nukleonen

3.8 Partonen

3.9 Partialwellenzerlegung

3.10 α-Zerfall

3.11 Halbklassische Beschreibung

3.12 Die Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung

3.13 Aufgaben

4 Kernmodelle

4.1 Fermi-Gas-Modell

4.2 Tröpfchenmodell

4.3 Das Schalenmodell

4.4 Deformierte Kerne

4.5 Das optische Modell

4.6 Einteilchen-Anregungen

4.7 Kollektive Anregungen

4.8 Aufgaben

5 Ungebundene Systeme, Symmetrien

5.1 Resonanzen in Kernen

5.2 Riesenresonanzen

5.3 Erhaltungsgrößen

5.4 Eigenschaften der Feldteilchen

5.5 Empirische Erhaltungssätze

5.6 Das π-Nukleon-System

5.7 Resonanzen im π-π-System

5.8 Die Strangeness

5.9 η-Zerfälle und die C-Konjugation

5.10 Aufgaben

6 Quarkonia und die starke Wechselwirkung

6.1 Multipletts leichter Quarks

6.2 Schwere Quarks

6.3 QCD, Jets und Gluonen

6.4 Struktur der Nukleonen

6.5 Eichinvarianz

6.6 Chirale Störungstheorie

6.7 Streuung von Hadronen bei hohen Energien

6.8 Aufgaben

7 Die elektroschwache Wechselwirkung

7.1 Leptonen

7.2 Der nukleare β-Zerfall, Fermi's Theorie

7.3 Verletzung der Paritätserhaltung, Helizität der Leptonen

7.4 Die V – A-Wechselwirkung

7.5 Test der V – A-Theorie

7.6 Der neutrale, schwache Strom

7.7 Die Feldbosonen der schwachen Wechselwirkung

7.8 Schwache Zerfälle von Teilchen mit Strangeness

7.9 Verallgemeinerung auf sechs Quarks

7.10 Die Vereinheitlichung der elektrischen und der schwachen Wechselwirkung

7.11 Oszillationen, CP-Verletzung

7.12 Neutrinos

7.13 Aufgaben

8 Kerne in exotischen Zuständen

8.1 Hyperkerne

8.2 Mesonische Atome

8.3 Schwerionenphysik bei mittleren Energien

8.4 Suche nach dem Quark-Gluon-Plasma

8.5 Nukleares Brennen, Neutronensterne

8.6 Aufgaben

A Fourier-Transformationen

B Die Raum-Zeit

B.1 Vierervektoren

B.2 Lorentz-Transformationen

B.3 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik

C Kinematik und Phasenraum

C.1 Kinematik

C.2 Zweikörper-Kinematik

C.3 Dreikörper-Kinematik

C.4 Methode der fehlenden Masse

C.5 Rapidität

D Addition von Drehimpulsen

E Die Dirac-Gleichung

E.1 Wellengleichungen

E.2 Lösungen der Dirac-Gleichung

F Matrixelemente aus Feynman-Graphen

F.1 Regeln der QED

F.2 Regeln der QCD

G Generatoren für die Gruppe SU(3)

H Quantenzahlen der Mesonen

Literaturverzeichnis

Index

Autor

Prof. Dr. Hartmut Machner

Institut für Kernphysik

Forschungszentrum Jülich

[email protected]

Umschlagbild

Falschfarbenbild vom Zerfall eines positiv geladenen Pions, aufgenommen mit einer Strömungskammer. (Mit freundlicher Genehmigung des CERN)

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.

Bibliografische Information

Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden.

Print ISBN 9783527405282

Epdf ISBN 978-3-527-66240-1

Epub ISBN 978-3-527-66239-5

Mobi ISBN 978-3-527-66238-8

Meiner lieben Frau Juliane und meinen Söhnen Moritz und Fabian gewidmet.

Vorwort

Doch muss man bedenken, dass eine fruchtbare Theorie niemals aus dem Nichts entspringt und dass man stets auf die schon vorliegenden Untersuchungen angewiesen ist. Darum muss jeder Forscher, der vorwärts kommen will, vor allem dasjenige kennen lernen, was Andere vor ihm geleistet haben.

Max Planck

Dieses Buch hat wie so viele andere seinen Ursprung in Vorlesungen, die ich mehrfach an der Universität Duisburg-Essen für Studenten nach dem Vordiplom gehalten habe. Historisch haben sich Kernphysik und Teilchenphysik nach gemeinsamen Anfängen getrennt. Heute gibt es jedoch soviel Überlappung zwischen den beiden Gebieten, dass eine gemeinsame Behandlung gerechtfertigt erscheint. Es ist ein Ziel dieses Buches, diese Gemeinsamkeiten sowohl in der experimentellen als auch in der theoretischen Methodik herauszuarbeiten. Es ist also nicht, wie es häufig zu finden ist, ein Nebeneinander von Kern- und Teilchenphysik.

Nicht alles, was in diesem Buch steht, kann in dem zeitlich begrenzten Rahmen einer Vorlesung gebracht werden. Es ist aber sicherlich besser man kann Abschnitte übergehen, als dass sie schmerzlich vermisst werden. Natürlich ist die Auswahl des Stoffes manchmal willkürlich und dem eigenen Geschmack folgend. Dennoch hoffe ich, den Geschmack vieler Lehrenden und Lernenden getroffen zu haben. Eine Einführung kann natürlich nicht an allen Stellen so weit in die Tiefe gehen, dass alles immer umfassend dargestellt wird. Daher habe ich häufig die Originalarbeiten angegeben, bzw. auf weiterführende Literatur hingewiesen.

Der gesamte Komplex der Anwendungen der Kern- und Elementarteilchenphysik sowie der Anwendungen ihrer Methoden und Geräte ist im vorliegenden Text gänzlich unbeachtet geblieben. Dies liegt nicht daran, dass dieses Gebiet uninteressant ist, ganz im Gegenteil ist es äußerst reizvoll, aber eine auch nur ansatzweise Diskussion hätte den Rahmen dieses Buches gesprengt.

Die Feinstrukturkonstante ist α ≡ e2(4π0c) ≈ 1/137. Die Wahl von cgs-Einheiten wird strikt vermieden, da ein fehlender Faktor 4π durch eine Dimensionsbetrachtung nicht zurückgewonnen werden kann.

H. Machner

Jülich, im Januar 2005

1

Historische Anfänge

Die Anfänge der Kern- und der Teilchenphysik liegen am Ende des 19. Jahrhunderts. Hallwachs, ein Student von H. Hertz, zeigte 1888, dass sich eine Metallplatte unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht elektrisch auflädt. Im folgenden Jahr konnte Lenard zeigen, dass es sich bei der emittierten Strahlung um Kathodenstrahlung handelte. Diese waren bereits 1858 von Plücker entdeckt worden. Diese Arbeiten waren Grundlage für Einsteins Theorie des Photoeffektes. 1892 konnte Lenard als Assistent von H. Hertz in Bonn die Kathodenstrahlen durch ein dünnes Fenster aus dem Vakuum austreten lassen, um mit ihnen zu experimentieren. Fünf Jahre später zeigte J. J. Thompson, dass das Verhältnis Masse zu Ladung (m/e) bei den Kathodenstrahlen viel kleiner ist als bei Ionen. Er nannte die Kathodenstrahlen Elektronen. 1897 fand Zeeman die Aufspaltung von Spektrallinien im Magnetfeld (Zeeman-Effekt). Dieser Effekt wurde von Lorentz in seiner Erweiterung der Maxwell’schen Theorie mit Elektronen erklärt. Sie fanden einen viel präziseren Wert für (m/e) und auch das negative Vorzeichen im Vergleich zu Ionen.

Abbildung 1.1: E. Rutherford (rechts) in Diskussion mit J. J. Thompson.

Eine ganz andere Strahlung fand 1896 Becquerel: Sie stammte aus dem Uran und schwärzte Photoplatten. Das Ehepaar Pierre und Marie Curie suchte weitere Strahler in der Pechblende und fanden dabei zwei neue Elemente: das Polonium und das Radium. Letzteres strahlt viel stärker als das Uran.

Als den Vater der Kernphysik kann man E. Rutherford bezeichnen (s. Abb. 1.1). Er fand 1903, dass die radioaktive Strahlung aus 3 Komponenten bestand: α-, β- und γ-Strahlen. Die α- und β-Strahlen wurden in magnetischen Feldern in unterschiedliche Richtungen abgelenkt, sie haben also Ladungen mit unterschiedlichen Vorzeichen. Im Gegensatz dazu ist die γ-Strahlung ungeladen. Die α-Strahlen konnten als He-Kerne identifiziert werden, die β-Strahlen als Elektronen und die γ-Strahlen als elektromagnetische Wellen. Die Ursprünge dieser drei Strahlungen sind verschiedene Zerfallsprozesse in Kernen. Zu diesen drei Zerfallsprozessen gehören drei fundamentale Wechselwirkungen, die für die Zerfälle verantwortlich sind. α-Zerfälle werden durch die starke Wechselwirkung, β-Zerfälle durch die schwache Wechselwirkung und γ-Zerfälle durch die elektromagnetische oder Coulomb-Wechselwirkung hervorgerufen. Das Studium dieser drei Wechselwirkungen sowie die durch sie bestimmte Struktur der subatomaren Materie sind Gegenstand dieses Buches.

Die vierte fundamentale Wechselwirkung ist die Gravitation. Sie ist sehr viel schwächer noch als die schwache Wechselwirkung. Sie spielt daher bei den Objekten unseres Interesses keine Rolle. Die Teilchen, die an der starken Wechselwirkung teilnehmen, heißen Hadronen. Sie können elektrisch geladen und ungeladen sein. Gleiches gilt für Teilchen, die nur an der schwachen Wechselwirkung teilnehmen. Sie heißen Leptonen.

Die Radioaktivität A eines Strahlers, der aus N Teilchen besteht, ist

(1.1)

Integration ergibt

(1.2)

(1.3)

Daraus ergibt sich der Zusammenhang von Halbwertszeit und Zerfallskonstante

(1.4)

Die Lebensdauer ist durch

(1.5)

gegeben. Die drei Wechselwirkungen haben unterschiedliche Stärken, wie schon in den Namen angedeutet. Als Folge daraus ergeben sich unterschiedliche Lebensdauern für die Wechselwirkungen. Typische Werte für die Lebensdauern von Teilchen sind:

Typ Wechselwirkung

≈ Lebensdauern (s)

starke

< 10

–20

schwache

> 10

–10

elektromagnetische oder Coulomb

10

–20

− 10

–10

.

(1.6)

nach. Dieses Bild des Atoms änderte sich erst durch die Entdeckung des Neutrons nach einigen Irrwegen. Walter Bothe und Herbert Becker untersuchten die Reaktion

(1.7)

wobei die α-Teilchen aus dem radioaktiven Zerfall des Poloniums stammten. Sie interpretierten aber das neutrale Teilchen als Röntgen-Strahlung, was, wie wir heute wissen, eine Fehlinterpretation war. Frederic Joliot und seine Frau Irene, geb. Curie studierten den gleichen Prozess. Sie fanden, dass die neutrale Strahlung Protonen aus Paraffin schlagen kann. Sie nahmen γ-Strahlung als Ursache an, was ebenfalls falsch war. Die Entdeckung des Neutrons blieb der Rutherford’schen Schule vorbehalten. James Chadwick fand, dass die Geschwindigkeit des Protons aus dem Paraffin etwa ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit betrug. Für die Reaktion

(1.8)

Einige Eigenschaften der Atombausteine sind in der Tabelle 1.1 zusammengestellt. Sie werden weiter unten durch weitere Eigenschaften ergänzt. Da die Massen der Protonen und Neutronen ungefähr gleich sind, sprechen wir manchmal von ihnen als Nukleonen. Ein Kern hat also A Nukleonen. Die Bausteine der Materie haben alle den Spin 1/2.

Abbildung 1.2: Die Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1933. Sitzend von links nach rechts: E. Schrödinger, I. Joliot-Curie, N. Bohr, I. Ioffe, M. Curie, P. Langevin, O. Richardson, E. Rutherford, T. DeDonder, M. de Broglie, L. de Broglie, L. Meitner, J. Chadwick. Dahinter stehend: E. Henriot, F. Perrin, F. Joliot, W. Heisenberg, H. Kramers, E. Stahel, E. Fermi, E. Walton, P. Dirac, P. Debye, N. Mott, B. Cabrera, G. Gamow, W. Bothe, P. Blackett, M. Rosenblum, J. Errera, E. Bauer, W. Pauli, M. Cosyns, J. Verschaffelt, E. Herzen, J. Cockcroft, C. Ellis, R. Peierls, A. Piccard, E. Lawrence, L. Rosenfeld.

Eine schöne Darstellung der historischen Entwicklung der Kern- und Teilchenphysik hat Segrè gegeben [3]. Eine sehr anspruchsvolle Geschichte der Atom-, Kern- und Teilchenphysik stammt von A. Pais [4]. Die Geschichte der Teilchenphysik anhand von Reproduktionen der Originalarbeiten wurde von Cahn und Goldhaber verfasst [5]. Alle führenden Physiker auf dem Gebiet der Kern- und Teilchenphysik passten 1933 noch auf eine Photographie (s. Abb. 1.2). Autorenlisten großer Kollaborationen in der Teilchenphysik umfassen heutzutage einige hundert Namen!

Kern- und Teilchenphysik benutzen im Großen und Ganzen die gleichen Methoden zur Untersuchung ihrer Objekte. Durch die verschiedenen Energieskalen sehen jedoch die Geräte unterschiedlich aus. Ein weiterer Unterschied ist mehr prinzipieller Natur: Die Kernphysik ist nicht einfach ein Vielfaches der Teilchenphysik, da die gebundenen Konstituenten sich prinzipiell anders verhalten können als die freien Teilchen. So ist zum Beispiel das freie Proton stabil, im Kern kann es aber durchaus über einen β-Zerfall in ein Neutron übergehen. Umgekehrt ist das freie Neutron instabil, es gibt jedoch stabile Kerne, was bedeutet, dass ein Neutron darin stabil ist.

Den Lebensdauern der Kerne sieht man daher nicht direkt die den Zerfällen zugrunde liegende Wechselwirkung an. Anders verhält es sich wie schon diskutiert bei den Zerfällen freier Teilchen.

1.1 Aufgaben

(1.9)

Stellen sie das System gekoppelter Differentialgleichungen für die Kette auf und lösen Sie es.
4. In einer Kernreaktion werden pro Sekunde 500 73Kr-Kerne erzeugt. Die Produktion erfolgt für 10 min. Wie viele 73Se-Kerne gibt es 10 min nach Ende der Produktion? Hinweis: Die aufzustellende Differentialgleichung kann mit der Methode der Variation der Konstanten gelöst werden.
5. Die zwei häufigsten Isotope im Uranerz haben folgenden Häufigkeiten und Halbwertszeiten:

(1.10)

Nehmen Sie an, dass bei der Entstehung des Urans die beiden Isotope 238U und 238U gleich häufig vorhanden waren. Wann ist das Uran entstanden? Die Erdkruste ist etwa 2.5 × 109 Jahre alt. Welcher Anteil des 238U ist nach der Einlagerung in die Erdkruste zerfallen?

2

Experimentelle Methoden

2.1 Beschleuniger

2.1.1 Gleichspannungsbeschleuniger

Schon bald begann man, die elektrisch geladenen Teilchen zu beschleunigen, um so unabhängig von radioaktiven Zerfällen zu werden. Bereits 1932 konnten J. Cockcroft und E. Walton Protonen auf 150 keV beschleunigen und damit die Reaktion

(2.1)

Abbildung 2.1: Links: Prinzip des Cockcroft-Walton-Beschleunigers. Rechts: Cockcroft-Walton-Beschleunigers als Vorbeschleuniger der Anlage am Fermi Laboratory (Photo Fermilab).

Abbildung 2.2: Prinzip des Van de Graaf-Beschleunigers.

Höhere Endenergien für Ionen als mit einem einfachen Gleichspannungsgenerator erhält man durch Umladung (Tandem-Beschleuniger ), so dass die Spannung zweifach durchlaufen wird. Wird zum Beispiel ein 16O–-Ion durch eine Spannung von 30 MV beschleunigt, hat es dann 30 MeV Energie. Nun streift man einige Elektronen in einer Folie aus Kohlenstoff ab und erhält z. B. 16O6+-Ionen. Ein weiteres Durchlaufen der Spannung in nun umgekehrter Richtung ergibt dann insgesamt 7 × 30 MeV =210 MeV. Um Überschläge zu verhindern, befinden sich die elektrostatischen Beschleuniger in Tanks mit isolierenden Gasen bei hohen Drücken, z. B. SF6.

2.1.2 Linearbeschleuniger

Da die hohen Spannungen wegen möglicher Koronaentladungen an Spitzen und Kanten schwierig zu handhaben sind, hat man Linearbeschleuniger mit Wechselspannung entwickelt. Das Prinzip eines Linearbeschleunigers ist in der Abbildung 2.3 dargestellt. Die Protonen oder schwerere Ionen durchqueren eine Reihe von Driftröhren innerhalb eines Vakuumtanks. Betrachten wir einen Zeitpunkt, bei dem ein positives Ion sich am Ende der ersten Driftröhre befindet. Die Spannung an dieser Röhre sei ebenfalls positiv. Dann ist die Spannung an der zweiten Röhre negativ und das Ion wird zur zweiten Röhre hin beschleunigt. Während der nächsten Halbperiode durchläuft das Ion die zweite Röhre, die dann positiv geladen ist. Im Inneren ist aber kein Feld, so dass die Bewegung des Ions nicht beeinflusst wird. Wenn das Ion die Röhre verlässt, hat sich die Spannung wieder umgedreht und es erfolgt eine weitere Beschleunigung. Da die Geschwindigkeit des Ions zunimmt, müssen die Längen der Driftröhren entsprechend ausgelegt sein. Im Photo 2.4 sind die Driftröhren eines Linearbeschleunigers für Protonen gezeugt. Die ganze Beschleunigungsstrecke befindet sich in einem Vakuumtank.

Abbildung 2.3: Prinzip eines Linearbeschleunigers für Protonen und schwerere Ionen (Wideroe-Struktur).

Im Gegensatz zu Ionen haben Elektronen schon nach einer geringfügigen Beschleunigung auf einige MeV nahezu Lichtgeschwindigkeit. Die Driftröhren können daher für solche Energien alle gleiche Längen haben. Am einfachsten sind die Röhren zu Scheiben reduziert, die den Beschleuniger in gleich große Zellen unterteilen. Die einzelnen Zellen eines solchen Linearbeschleunigers bilden Hohlraumresonatoren. Die einzelnen Resonatoren sind durch die Öffnungen und die leitenden Wände derart miteinander verbunden, dass sie mit der richtigen Phasenverzögerung zueinander schwingen. Es bildet sich auf der Achse eine fortlaufende Welle aus, auf der die Elektronen „surfen“. Die einzelnen Resonatoren sind mit Klystron-Oszillatoren verbunden, welche die Energie für die elektromagnetische Welle in Form von Mikrowellen (im cm-Wellenlängenbereich) einspeisen. Der größte so betriebene Elektronenbeschleuniger steht in Stanford/Californien (SLAC) und beschleunigt Elektronen auf 25 GeV. Inzwischen baut man supraleitende Hohlraumresonatoren, mit denen man Beschleunigungen von einigen 10 MV/m erreicht. Diese Maschinen sind im Gegensatz zu warmen Linearbeschleunigern praktisch Gleichstrommaschinen. Ein weiterer Vorteil der Supraleitung ist eine effizientere Nutzung der eingespeisten Energie im Vergleich zu warmen Beschleunigern. Ein solcher Linearbeschleuniger, der aber ca. 6 MV/m hat, ist das CEBAF (continous electron beam accelerator facility) am Jefferson Laboratory (New Port News, Virginia). Hier durchläuft der Strahl mehrfach zwei gleiche Linearbeschleuniger, dazwischen wird er durch Magnete um 180° gebogen (Rennbahn-Mikrotron). In Europa, USA und Japan sind große supraleitende Linearbeschleuniger geplant, bei denen Elektronen sowie Positronen mit ca. 600 GeV aufeinander treffen sollen. Noch ehrgeiziger ist das CLIC Konzept [8], das am CERN (ursprünglich: Centre Européenne pour la Recherche Nucléaire, das europäische Zentrum für Kern- und Teilchenphysik nahe Genf/Schweiz) verfolgt wird. Hier wird die Energie nicht aus Klystrons gewonnen, sondern aus Strahlen von parallel laufenden Elektronenstrahlen mit geringer Energie aber hohem Strom. Während man für die supraleitenden Beschleuniger Gradienten von 25 MV/m erreicht hat, berichtete das CERN, dass es für eine CLIC-Beschleunigungsstruktur einen mittleren Gradienten von 150 MV/m erreicht habe, wobei der Spitzenwert sogar 195 MV/m betrug [9].

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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