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Dank sich stets verbessernder boden- und weltraumgestützter Teleskope stehen der Kosmologie inzwischen Daten zur Verfügung, die Rückschlüsse auf immer frühere Phasen des Universums und Vergleiche mit Modellvorstellungen erlauben. Daher gewinnt die Kosmologie in den Astronomiekursen der Universitäten beständig an Wichtigkeit. Die "Einführung in die Moderne Kosmologie" ist eine anschauliche und leicht verständliche Darstellung moderner kosmologischer Konzepte, die neben zahlreichen Beispielen und Übungsaufgaben auch Hinweise und Endergebnisse enthält, sodass das Erlernte sofort ausprobiert und kontrolliert werden kann. Das Buch ist klar eingeteilt und behandelt in sechs separaten Kapiteln Themen für Fortgeschrittene, darunter relativistische Kosmologie und Neutrino-Kosmologie. Die vorliegende Übersetzung der zweiten Auflage wurde wesentlich ergänzt und erweitert und umfasst neueste Beobachtungsergebnisse sowie zusätzliches Material zur empirischen Kosmologie und Strukturbildung.
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Seitenzahl: 297
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Konstanten, Umrechnungsfaktoren und Symbole
1 Ein historischer Abriss kosmologischer Theorien
2 Beobachtungen – ein Überblick
2.1 Im sichtbaren Licht
2.2 In anderen Wellenbereichen
2.3 Homogenität und Isotropie
2.4 Die Expansion des Universums
2.5 Teilchen im Universum
3 Newton’sche Gravitation
3.1 Die Friedmann-Gleichung
3.2 Über die Bedeutung der Expansion
3.3 Schneller als das Licht
3.4 Die Flüssigkeitsgleichung
3.5 Die Beschleunigungsgleichung
3.6 Über Masse, Energie und verschwindende c2-Faktoren
4 Die Geometrie des Universums
4.1 Die flache Geometrie
4.2 Die sphärische Geometrie
4.3 Die hyperbolische Geometrie
4.4 Unendliche und beobachtbare Universen
4.5 Wo fand der Urknall statt?
4.6 Die drei Werte von k
5 Einfache kosmologische Modelle
5.1 Das Hubble-Gesetz
5.2 Expansion und Rotverschiebung
5.3 Lösen der Gleichungen
5.4 Teilchendichten
5.5 Die Evolution inklusive Krümmung
6 Beobachtbare Parameter
6.1 Die Expansionsrate H0
6.2 Der Dichteparameter Ω0
6.3 Der Abbremsparameter q0
7 Die kosmologische Konstante
7.1 Die Einführung der kosmologischen Konstante Λ
7.2 Die Flüssigkeitsbeschreibung von Λ
7.3 Kosmologische Modelle mit Λ
8 Das Alter des Universums
9 Die Dichte des Universums und die Dunkle Materie
9.1 Wie schwer ist das Universum?
9.2 Was könnte Dunkle Materie bloß sein?
9.3 Die Suche nach der Dunklen Materie
10 Die kosmische Hintergrundstrahlung
10.1 Die Eigenschaften der kosmischen Hintergrundstrahlung
10.2 Das Verhältnis der Photonenzahl zur Baryonenzahl
10.3 Der Ursprung der kosmischen Hintergrundstrahlung
10.4 Der Ursprung der kosmischen Hintergrundstrahlung (Fakultative Betrachtung für Fortgeschrittene)
11 Das frühe Universum
12 Die Nukleosynthese: Der Ursprung der leichten Elemente
12.1 Wasserstoff und Helium
12.2 Vergleich mit Beobachtungen
12.3 Gegenüberstellung von Entkopplung und Nukleosynthese
13 Das inflationäre Universum
13.1 Probleme der Urknalltheorie
13.2 Die inflationäre Expansion
13.3 Die Lösung der Probleme der Urknalltheorie
13.4 Wie viel Inflation?
13.5 Die Inflationstheorie und die Teilchenphysik
14 Die Anfangssingularität (der Urknall)
15 Das Standardmodell der Kosmologie im Überblick
15.1 Expansion
15.2 Geometrie
15.3 Alter
15.4 Das Schicksal des Universums
15.5 Der Inhalt des Universums
15.6 Frühgeschichte des Universums
15.7 Ausblick
Themen für Fortgeschrittene
F1 Relativistische Kosmologie
F1.1 Die Raumzeit-Metrik
F1.2 Die Einstein’schen Gleichungen
F1.3 Exkurs: Die Topologie des Universums
F2 Klassische Kosmologie: Abstände und Leuchtkräfte
F2.1 Lichtausbreitung und Rotverschiebung
F2.2 Das beobachtbare Universum
F2.3 Die Leuchtkraftentfernung
F2.4 Winkelabstand
F2.5 Die Statistik beobachteter Quellen
F3 Neutrino-Kosmologie
F3.1 Masselose Neutrinos
F3.2 Massive Neutrinos
F3.3 Neutrinos und Strukturbildung
F4 Die Baryogenese
F5 Strukturen im Universum
F5.1 Die beobachteten Strukturen
F5.2 Die Gravitationsinstabilitäten
F5.3 Die Verteilung der Galaxien
F5.4 Anisotropien in der kosmischen Hintergrundstrahlung
F5.5 Der Ursprung der Struktur
F6 Einschränkende kosmologische Modelle
F6.1 Kosmologische Modelle und Parameter
F6.2 Kosmologische Schlüsselbeobachtungen
F6.3 Kosmologische Datenanalyse
F6.4 Das kosmologische Standardmodell – Ausgabe 2008
F6.5 Die Zukunft
Bibliographie
Lösungen und Tipps zu den Aufgaben
Sachregister
Weitere Titel zu diesem Thema
A. Weigert, H. J. Wendker, L. Wisotzki
Astronomie und Astrophysik
Ein Grundkurs
2009
ISBN: 978-3-527-40793-4
R. Dvorak (Hrsg.)
Extrasolar Planets
Formation, Detection and Dynamics
2008
ISBN: 978-3-527-40671-5
G. Horneck, P. Rettberg (Hrsg.)
Complete Course in Astrobiology
2007
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A. M. Shaw
Astrochemistry
From Astronomy to Astrobiology
2006
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S. W. Stahler, F. Palla
The Formation of Stars
2004
ISBN: 978-3-527-40559-6
P. Coles, F. Lucchin
Cosmology
The Origin and Evolution of Cosmic Structure
2002
ISBN: 978-0-471-48909-2
Autor
Prof. Andrew Liddle
Department of Physics & Astronomy
University of Sussex
Brighton
United Kingdom
Übersetzung
Sybille Otterstein
Originaltitel
An Introduction to Modern Cosmology, Second Edition (Extended and updated version) Andrew Liddle (2003)
All rights reserved. Authorised translation from the English language edition published by John Wiley & Sons, Ltd.
Titelbild
Antennae Galaxies NGC 4038-4039
© NASA, ESA, and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration.
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber, Übersetzer und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.
Satz Manuela Treindl, Laaber
Druck betz-druck GmbH, Darmstadt
Bindung Litges & Dopf Buchbinderei GmbH, Heppenheim
ISBN: 978-3-527-40882-5
Meinen Großmüttern gewidmet
Die Entwicklung der Kosmologie wird zweifelsohne als ein Triumph der Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhundert angesehen werden. Am Anfang des letzten Jahrhunderts existierte die Kosmologie als wissenschaftliche Disziplin praktisch noch nicht. Hundert Jahre später galt die Kosmologie des Heißen Urknalls als allgemein anerkannte Beschreibung für das ganze Universum. Moderne Teleskope, wie z. B. das Hubble-Weltraumteleskop, sind in der Lage, weit entfernte Galaxien, deren Licht sich schon fast seit Beginn des Universums auf uns zu bewegt, zu erfassen. Die kosmische Hintergrundstrahlung, ein Relikt des frühen Universums, welches damals sowohl dichter als auch heißer war, wird heutzutage routinemäßig gemessen, und ihre Eigenschaften werden untersucht. Die gegenwärtige Expansion des Universums ist inzwischen unbestritten.
Wir befinden uns am Beginn einer Ära, in der sich das Verständnis der Kosmologie, durch technologische Fortschritte angetrieben, vom Qualitativen zum Quantitativen verlagert. Zur Jahrtausendwende wurde das so genannte Standardmodell der Kosmologie etabliert, das allgemein von Kosmologen als die zufriedenstellendste Beschreibung unseres Universums anerkannt wird. Nichtsdestotrotz gibt das Modell Anlass zum Staunen aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnis, dass die Expansion des Universums zurzeit beschleunigt. Nimmt man noch das fortbestehende Rätsel der Eigenschaften der Dunklen Materie hinzu, die allgemein für die vorherrschende Materieform im Universum gehalten wird, dann wird schnell deutlich, wie weit wir noch von einem annähernd vollständigen physikalischen Verständnis des Universums entfernt sind.
Ein solch kühnes Unterfangen wie die Kosmologie beflügelt leicht die Fantasie, und in den letzten Jahren wurde der Ruf danach, Studenten die Kosmologie als verständliches Studienfach zugänglich zu machen, immer lauter. Traditionellerweise wurde Kosmologie, so auch mir, am Ende eines Seminars über die allgemeine Relativitätstheorie mit einer Herleitung der Metrik für ein expandierendes Universum und einigen Lösungen gelehrt. Dieser Art von Unterricht schafft es nicht, den wahren Charakter der modernen Kosmologie zu vermitteln, welche die klassischen Disziplinen der Physik wie Thermodynamik, Atomphysik und Gravitationslehre nimmt und diese auf das gesamte Universum anwendet.
In der Tat kann man eine Einführung in die moderne Kosmologie unterrichten und dabei die allgemeine Relativitätstheorie vollständig umgehen. Mit etwas Glück und ein klein wenig Flunkerei kann man die korrekten Gleichungen zur Beschreibung des expandierenden Universums aus der Newton’schen Gravitation herleiten. Auf dieser Grundlage ist es möglich, alle Triumphe der Theorie des Heißen Urknalls – die Expansion des Universums, die Vorhersage seines Alters, die Existenz der kosmischen Hintergrundstrahlung und die relativen Häufigkeiten der leichten Elementen wie Helium und Deuterium – zu studieren und darüber hinaus auch so spekulative Ideen, wie die der inflationären Kosmologie, zu diskutieren.
Die Originalausgabe dieses Buches, das 1998 zum ersten Mal in englischer Sprache veröffentlicht wurde, entstand auf der Grundlage einer kurzen Vorlesungsreihe an der Sussex-Universität, die aus 20 Vorlesungseinheiten für Bachelor-Studenten im letzten Studienjahr bzw. für Master-Studenten im vorletzten Studienjahr bestand. Die dafür notwendige Voraussetzung ist die Kenntnis elementarer Physik, und der Schwerpunkt liegt eher auf physikalischer Intuition denn auf mathematischer Exaktheit. Seit der Veröffentlichung des Buches hat sich die Kosmologie rasch weiterentwickelt und mir wurde auch die Notwendigkeit, den Umfang des Buches ein wenig zu erweitern, bewusst, daher gibt es nun eine zweite Ausgabe. Zusammenfassend kann man sagen, dass die neue Ausgabe im Unterschied zur ersten mehr Material enthält und das bereits vorhandene Material aktualisiert wurde.
Es ist besonders interessant Kosmologie zu unterrichten, da sie sich von den meisten anderen Themen des Grundstudiums sehr unterscheidet. Es gibt keine anerkannte und über Jahrhunderte gewonnene Weisheit, die, wie bei Thermodynamik, Elektrodynamik, ja, sogar bei Quantenmechanik und allgemeiner Relativitätstheorie, ein unerschütterliches Fundament bildet. Während wir fortlaufend mehr über unser Universum erfahren, bleiben die Details des nur grob umrissenen Bildes meist unscharf und unterliegen ständigen Revisionen. Während eines Seminars ergeben sich immer wieder Gelegenheiten, neue Ergebnisse, die das Verständnis von Kosmologen beeinflussen, zu diskutieren. Für den Dozenten ist es notwendig, die neuen Beobachtungsergebnisse zu interpretieren. Sofern ich nicht den Arbeitgeber gewechselt habe (in dem Fall wird man mich sicherlich über www.google.com aufspüren können), können Sie meine eigenen aktuellen Interpretationen auf der englischsprachigen Homepage dieses Buches unter http://astronomy.susx.ac.uk/%7Eandrewl/cosbook.html verfolgen. Dort befinden sich die neuesten Beobachtungsergebnisse sowie eine Liste der mir bekannten Fehler des Buches. Sollten Sie glauben, selbst einen Fehler ausfindig gemacht zu haben, der sich noch nicht in meiner Liste befindet, würde ich mich sehr freuen, von Ihnen zu hören.
Das Buch besteht hauptsächlich aus einem zentralen „Gerüst“, den Hauptkapiteln von eins bis fünfzehn, die eine in sich geschlossene Einführung in die moderne Kosmologie bieten. Diese folgen mehr oder weniger dem Wortlaut meiner Vorlesung an der Sussex-Universität. Dazu kommen noch sechs Kapitel für Fortgeschrittene mit ihren jeweiligen Voraussetzungen. Diese können den Kurs, falls gewünscht, ergänzen. Normalerweise ist es am sinnvollsten, die fortgeschrittenen Kapitel durchzuarbeiten, sobald die entsprechenden Voraussetzungen erworben wurden. Natürlich kann man sie ebenso gut zu einem späteren Zeitpunkt behandeln.
Ich bedanke mich sehr bei allen, die mein erstes Manuskript durchgelesen haben, namentlich bei Steve Eales, Coel Hellier und Linda Smith, für zahlreiche detailreiche Anmerkungen, die zu einer wesentlichen Verbesserung der ersten Auflage dieses Buches beigetragen haben. Ich danke auch allen, die mir nützliche Kommentare zur ersten Auflage zusandten, insbesondere Paddy Leahy und Michael Rowan-Robinson, sowie den Mitarbeitern des Wiley-Verlags. Matthew Colless und Michael Turner haben zwei der Abbildungen beigesteuert, und Martin Hendry, Martin Kunz und Franz Schunck halfen mir mit drei weiteren aus. Zwei Abbildungen wurden mit Hilfe von NASA’s virtuellem Teleskop Sky-View erstellt (http://skyview.gsfc.nasa.gov), welches vom NASA Goddard Space Flight Center bei Washington D.C., Maryland, zur Verfügung gestellt wird. Ein vollständiges Bildarchiv, das auch farbige Versionen der hier aus Kostengründen nur in schwarzweiß gedruckten Abbildungen enthält, finden Sie über die o. g. Homepage des Buches.
Andrew R. Liddle
Brighton, im Februar 2003
(geringfügige Aktualisierung im Juni 2008)
Einige fundamentale Konstanten
Einige Umrechnungsfaktoren
Häufig gebrauchte Symbole
definiert auf Seite
z
Rotverschiebung
10, 39
H
0
Hubble-Konstante
12, 51
r
physikalischer Abstand
10
v
Geschwindigkeit
11
f
Frequenz
14
T
Temperatur
16
k
B
Boltzmann-Konstante
16
ε
Energiedichte
16
α
Strahlungskonstante
17
G
Newtons Gravitationskonstante
20
ρ
Massendichte
22
a
Skalenfaktor
23
x
mitbewegter Abstand
22
k
Krümmung
24
p
Druck (oder gelegentlich auch Impuls)
25
H
Hubble-Parameter
39
n
,
N
Teilchendichte, Teilchenzahldichte
45
h
Hubble-Konstante (oder Planck’sches Wirkungsquantum)
16, 52
Ω
0
gegenwärtiger Dichteparameter
53
ρ
c
kritische Dichte
53
Ω
Dichteparameter
54
Ω
k
Dichteparameter der Krümmung
55
q
0
Abbremsparameter
55
Λ
kosmologische Konstante
58
Ω
Λ
Dichteparameter der kosmologischen Konstante
59
t
Zeit
58
t
0
gegenwärtiges Alter des Universums
64
Ω
B
baryonischer Dichteparameter
70
Y
4
Heliumhäufigkeit
104
d
leucht
Luminositätsabstand, Leuchtkraftentfernung
142
d
Durchm
Winkelabstand
147
Δ
T
/
T
,
C
l
Anisotropien in der kosmischen Hintergrundstrahlung
164
Die moderne Kosmologie stützt sich auf die Grundannahme, dass unser Platz im Universum in keiner Weise ausgezeichnet ist. Diese Annahme nennt man das kosmologische Prinzip, es beruht auf einer ebenso ungewöhnlichen wie einfachen Idee. Es ist schon faszinierend, wenn man bedenkt, dass man für einen Großteil der menschlichen Zivilisationsgeschichte geglaubt hat, der Mensch befände sich generell an einer sehr besonderen Stelle des Universums, nämlich in dessen Zentrum.
In der Antike glaubten die Griechen an ein Weltmodell, das später von dem Alexandriner Ptolemäus weiterentwickelt wurde, in dem sich die Erde im Zentrum des Kosmos befand. Der Mond, die Sonne und die Planeten umkreisten die Erde und die „unbeweglichen“ Sterne befanden sich in noch weiterer Entfernung. Eine komplizierte Kombination von Kreisbahnen, Ptolemäus’ Epizykel, wurde ersonnen, um die Bewegungen der Planeten zu erklären, insbesondere die retrograde Bewegung, bei der die Planeten vorübergehend scheinbar umkehren. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts vertrat Kopernikus entschieden seine Ansicht, die zuvor schon von Aristarchos von Samos beschrieben wurde, dass sich die Erde und die anderen Planeten um die Sonne bewegen würden. Unter der Voraussetzung, dass sich die Planeten unterschiedlich schnell bewegten, konnte man auch die retrograde Planetenbewegung leicht erklären. Obgleich Kopernikus das Verdienst zugesprochen wurde, das anthropozentrische Weltbild, welches die Erde im Mittelpunkt des Universums glaubte, abgeschafft zu haben, war er dennoch davon überzeugt, dass sich die Sonne in dessen Zentrum befand.
Newtons Gravitationsgesetz verpasste den Theorien einer bis dahin empirischen Wissenschaft – Keplers Entdeckung , dass sich die Planeten auf elliptischen Umlaufbahnen befanden – ein solides Fundament, und es scheint so, als glaubte Newton auch, dass die Sterne kleine Sonnen ähnlich der unseren wären, die gleichmäßig in einer festen Konstellation im unendlichen Raum verteilt sind. Anscheinend war sich Newton jedoch bewusst, dass solch eine statische Anordnung instabil ist.
In den darauf folgenden zweihundert Jahren kam man zu der Erkenntnis, dass die Sterne in unserer Nachbarschaft nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern sich in der uns heute als Milchstraßensystem bekannten scheibenförmigen Ansammlung befinden. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts waren die Geschwister Herschel in der Lage, die Scheibenstruktur zu identifizieren, doch schlossen sie fälschlicherweise, dass das Sonnensystem in ihrem Zentrum läge. Erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde diese Behauptung von Harlow Shapley (1885–1972) überzeugend widerlegt, der feststellte, dass wir uns gut zwei Drittel des Radius’ vom Zentrum der Galaxis entfernt befinden. Trotzdem schien auch er noch immer zu glauben, unsere Milchstraße befände sich im Zentrum des Universums. Erst 1952 bewies Wilhelm Heinrich Walter Baade (1893–1960) überzeugend, dass es sich bei unserer Milchstraße um eine durchschnittliche Galaxie handelt, was zu der modernen Auffassung, dem sog. kosmologischen Prinzip (manchmal auch Kopernikanisches Prinzip genannt), führte, welches besagt, dass das Universum für jeden Beobachter unabhängig von seinem Standpunkt mehr oder weniger gleich aussieht.
Wichtig ist hierbei nur, sich klarzumachen, dass das kosmologische Prinzip nicht präzise ist. Es besteht natürlich ein großer Unterschied zwischen dem Aufenthalt in einem Vorlesungssaal und dem in einer Bar, und das Innere der Sonne kann man auch nicht gerade mit dem interstellaren Raum vergleichen. Es handelt sich vielmehr um eine Näherung, die der Überprüfung umso besser standhält, je größer die zugrunde liegende Längenskala ist. Selbst bei Größenverhältnissen einzelner Galaxien ist das kosmologische Prinzip noch nicht sehr gut; untersucht man aber sehr große Bereiche (jedoch kleinere als das Universum selbst), etwa mit einer Million Galaxien, dann wird erwartet, dass jeder dieser Bereiche mehr oder weniger gleich aussieht. Das kosmologische Prinzip ist daher eine Eigenschaft des globalen Universums, die der Anwendung auf lokale Phänomene nicht standhält.
Das kosmologische Prinzip stellt die Basis für die Urknall-Kosmologie dar. Der Urknall ist die beste Beschreibung für unser Universum und das Ziel dieses Buches ist es, den Grund dafür zu erklären. Die Urknalltheorie ist die Beschreibung unseres Universums als eine sich entwickelnde Einheit, die früher noch ganz anders aussah als heute. Am Anfang konkurrierte die Theorie noch mit einer anderen, der sog. Steady-State-Theorie (Gleichgewichtstheorie), die besagt, dass sich das Universum nicht entwickelt, sondern immer gleich ist und sich stetig neue Materie formt, um die Lücken zu füllen, die durch die Expansion des Universums entstehen. Die von mir im Folgenden beschriebenen Beobachtungen stützen die Urknalltheorie aber in so starkem Maße, dass die Steady-State-Theorie so gut wie nicht mehr in Erwägung gezogen wird.
Für den größten Teil der Geschichte der Astronomie haben sich Wissenschaftler zum Studium des Universums überwiegend auf den sichtbaren Teil des Spektrums beschränken müssen. Eine der größten astronomischen Errungenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts war daher die neu gewonnene Fähigkeit, das gesamte elektromagnetische Spektrum für astronomische Messungen ausnutzen zu können. Heutzutage stehen uns Instrumente zur Verfügung, die Radiowellen, Mikrowellen, Infrarotlicht, sichtbares Licht, UV-Licht, Röntgenstrahlung und Gamma-Strahlung, welche alle Lichtwellen größer werdender Frequenzen entsprechen, messen können. Wir sind sogar schon so weit, über das elektromagnetische Spektrum hinaus zu beobachten und Informationen anderer Art zu gewinnen. 1987 hat man nämlich eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Eine nahe gelegene Supernova konnte auch durch Neutrinos – besonders schwach wechselwirkende Teilchen, die in manchen radioaktiven Zerfällen erzeugt werden – beobachtet werden. Sehr hochenergetische kosmische Strahlung, bestehend aus hochrelativistischen Elementarteilchen, wird heutzutage routinemäßig beobachtet, auch wenn ihr Ursprung noch nicht feststeht. Noch während ich dieses Buch schreibe, hat man mit Experimenten zum Aufspüren von Gravitationswellen, also Wellen der Raumzeit, begonnen, um diese letztendlich zur Beobachtung von astronomischen Ereignissen, wie z. B. Sternkollisionen, zu nutzen.
Die ständige Entwicklung großer sowohl erdgebundener Teleskope als auch Weltraumteleskope, die alle Bereiche des elektromagnetischen Spektrums abdecken, hat unser Wissen über das Universum grundlegend verändert. Es gibt wahrscheinlich noch einige, sogar durchaus bedeutende Erkenntnislücken, doch scheinen wir, aufgrund des kosmologischen Prinzips, ein konsistentes Bild von der Verteilung der Materie in unserem Universum zu haben. Ich will mich hier kurz halten; für eine ausführliche Beschreibung des beobachteten Universums verweise ich auf Professor Rowan-Robinsons Buch „Cosmology“ (siehe Bibliographie). Sie finden darüber hinaus eine Anzahl Bilder sowie farbige Versionen der Abbildungen in diesem Kapitel auf der bereits im Vorwort erwähnten Homepage meines Buches.
In der Geschichte der Astronomie entwickelte sich unsere Vorstellung vom Universum langsam und auf der Grundlage sorgfältiger Beobachtungen im Bereich des für unser Auge sichtbaren Lichts.
Die Hauptquelle sichtbaren Lichts im Universum sind Kernfusionsprozesse im Zentrum von Sternen. Die Sonne, mit einer Masse von ungefähr 2 · 1030 kg, ist ein typisches Beispiel für einen Stern. Ihre Masse, die sog. Sonnenmasse, wird mit MΘ bezeichnet und ist eine gute Einheit für die Angabe der Masse astronomischer Objekte. Die der Erde nächstliegenden Sterne befinden sich in nur wenigen Lichtjahren Entfernung von uns. Ein Lichtjahr bezeichnet die Strecke, die das Licht in einem Jahr hinter sich bringt (etwa 1016 m). Aus historischen Gründen wird in der Kosmologie häufiger eine alternative Einheit, Parsec, verwendet, die mit „pc“1) abgekürzt wird. Ein Parsec entspricht 3,261 Lichtjahren. In der Kosmologie geht es aber selten um einzelne Sterne, denn man zieht es vor, als kleinste Einheit eine Ansammlung von Sternen zu behandeln, die sog. Galaxien.
Unser Sonnensystem liegt etwas abseits vom Zentrum einer gigantischen Scheibenstruktur, auch besser unter dem Namen „Milchstraße“ bekannt. Sie enthält die gewaltige Anzahl von ungefähr einhundert Milliarden (1011) Sternen, deren Massen von einem Zehntel bis zum Zehnfachen der Masse unserer Sonne variieren. Sie besteht aus einer zentralen Ansammlung von Sternen (dem Bulge), einer Scheibe mit einem Radius von 12,5 Kiloparsec (kpc, entspricht 103 pc) und einer Dicke von 0,3 kpc. Wir befinden uns in dieser Scheibe ungefähr 8 kpc vom Zentrum entfernt. Die Scheibe rotiert langsam (und auch unterschiedlich, wobei sich die äußersten Ränder langsamer bewegen, genauso wie sich weiter entfernte Planeten auf ihrer Umlaufbahn im Sonnensystem langsamer bewegen als weniger weit entfernte Planeten). An der Stelle unseres Sonnensystems dreht sich die Milchstraße einmal in 200 Millionen Jahren um sich selbst. Da wir uns in ihr befinden, können wir kein Bild unserer eigenen Galaxie erhalten, aber wir gehen davon aus, dass sie der M-100-Galaxie (Abb. 2.1) ähnelt.
Unsere Galaxie ist von kleineren Sternansammlungen umgeben, den sog. Kugelsternhaufen. Diese sind mehr oder weniger symmetrisch um den Galaxienkern herum, in Abständen von 5–30 kpc, verteilt. Sie enthalten normalerweise eine Million Sterne und man glaubt, dass es sich dabei um die Überreste aus der Zeit der Galaxienbildung handelt. Die gesamte Scheibe mitsamt des Kugelsternhaufensystems soll in einer größeren sphärischen Struktur, dem sog. galaktischen Halo, eingebettet sein.
Galaxien sind die optisch eindrucksvollsten und schönsten astronomischen Objekte im Universum, die ein gewaltiges Spektrum an Eigenschaften aufweisen. Doch in der Kosmologie spielen die einzelnen Strukturen einer Galaxie gewöhnlich eine untergeordnete Rolle, und sie werden normalerweise nur als punktartige, lichtemittierende Objekte behandelt, die in Gruppen, entsprechend ihrer Färbung, Leuchtkraft und Morphologie, unterteilt werden.
Abb. 2.1 Unsere Milchstraße würde wahrscheinlich, von oben betrachtet, sehr der hier vom Hubble-Weltraumteleskop aufgenommenen M-100-Galaxie ähneln. (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der NASA).
Unsere Galaxie befindet sich innerhalb einer kleinen konzentrierten Galaxiengruppe, der Lokalen Gruppe. Die nächste Galaxie ist kleiner, besitzt eine unregelmäßige Struktur und heißt Große Magellan’sche Wolke (GMW); sie befindet sich etwa 50 kpc von der Sonne entfernt. Die nächste, in etwa gleich große Galaxie wie die Milchstraße ist die Andromeda-Galaxie, die ungefähr 770 kpc weit von uns entfernt ist. Die Milchstraße ist eine der größten Galaxien der Lokalen Gruppe. Das Ausmaß einer typischen Galaxiengruppe beträgt wenige Kubikmegaparsec. Megaparsec (Mpc), also eine Million Parsecs, ist die bevorzugte Einheit des Kosmologen zur Messung von Abständen, da es in etwa der durchschnittlichen Entfernung zweier Galaxien entspricht. Das sind etwa 3,086 · 1022 m.
Abb. 2.2 Eine Karte, die die Lage von Galaxien in einem kleinen Abschnitt des Universums zeigt. Diese wurde durch die Untersuchung der Rotverschiebung vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) identifiziert. Unsere Galaxie befindet sich in der Nähe des unteren Scheitelpunktes und die Galaxien am oberen Ende des Bildes befinden sich in einem Abstand von 200 Mpc von uns. Die Galaxienabstände erhielt man durch Messung der Spektrallinienverschiebung, wie im Abschnitt 2.4 beschrieben. Es gibt zwar inzwischen neuere und ausführlichere Untersuchungen der Rotverschiebung von Galaxien, doch diese Untersuchung vermittelt noch immer den besten Eindruck von der Struktur des Universums. (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Lars Christensen).
Untersucht man größere Bereiche im Universum, z. B. in einer Größenordnung von 100 Mpc, erkennt man eine Vielfalt großräumiger Strukturen, wie Abb. 2.2 zeigt. Diese Abbildung ist keine Fotografie, sondern eine sorgfältig, etwa im Maßstab von 1 : 1027, erstellte Karte einer nahe liegenden Region unseres Universums. An manchen Stellen sind die Galaxien deutlich als Galaxienhaufen zu erkennen; ein berühmtes Beispiel ist der Coma-Galaxienhaufen. Er befindet sich etwa 100 Mpc von unserer Galaxie entfernt und erscheint in Abb. 2.2 als dicht gedrängte Ansammlung von Punkten im Zentrum der Karte. Die linke Seite in Abb. 2.3 zeigt die Aufnahme des Coma-Galaxienhaufens mit Hilfe eines optischen Teleskops; es erinnert zwar an ein Sternfeld, aber jeder helle Punkt ist eine bestimmte Galaxie. Der Coma-Galaxienhaufen enthält ungefähr 10.000 Galaxien, die sich in ihrem gemeinsamen Gravitationsfeld bewegen; die meisten leuchten jedoch zu schwach, um hier erkannt zu werden. Darüber hinaus gehören die meisten Galaxien, die manchmal auch „Feldgalaxien“ genannt werden, nicht zu einem Galaxienhaufen. Galaxienhaufen sind die größten Objekte im Universum, die durch die Gravitationskraft kollabiert sind. Die Galaxienhaufen bilden manchmal Superhaufen, wozu man vielleicht auch die Galaxienfilamente und -wände zählen kann. Zwischen dieser „schaumartigen“ Struktur liegen große sog. Voids mit wenigen Galaxien, die manchmal über 50 Mpc messen.
Abb. 2.3 Bilder des Coma-Galaxienhaufens mit Hilfe eines optischen Teleskops (links) und eines Röntgenteleskops (rechts) im selben Maßstab. Die Farbversionen dieser Bilder können auf der Webseite dieses Buches betrachtet werden. (Mit freundlicher Genehmigung der Digitized Sky Survey, ROSAT und SkyView).
Erst wenn wir uns auf wesentlich größere Gebiete mit Durchmessern von Hunderten von Megaparsecs und mehr beziehen, scheint das Universum allmählich homogen zu werden. Neuere Beobachtungen dieser immens großen Gebiete, wie die 2dF-Galaxienrotverschiebungs- und die Sloan-Digital-Sky-Durchmusterungs-projekte, berücksichtigten hundertmal größere Gebiete als die CfA-Untersuchung und beinhalten hunderttausende Galaxien. Derartige Durchmusterungen haben keine großräumigeren Strukturen als die der CfA-Untersuchung zu Tage gefördert. Damit sind die oben erwähnten Galaxien-Superhaufen und Voids wahrscheinlich die größten im gegenwärtigen Universum existierenden Strukturen.
Die Überzeugung, dass das Universum, über genügend große Gebiete gemittelt, dem kosmologischen Prinzip entsprechend, tatsächlich immer gleichmäßiger wird, gehört zu den Fundamenten der modernen Kosmologie. Interessant ist dabei, dass diese Homogenität schon seit Jahrzehnten eine Schlüsselannahme der Kosmologie ist, dass es aber erst vor kurzem möglich wurde, dafür auch überzeugende empirische Nachweise zu erbringen.
Beobachtungen im für den Menschen sichtbaren Spektrum vermitteln uns einen guten Eindruck darüber, was im gegenwärtigen Universum vor sich geht. Doch auch andere Wellenbereiche liefern uns entscheidende Informationen.
Dies ist der für die Kosmologie bei weitem wichtigste Wellenlängenbereich. Die zufällige Entdeckung der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung mit einem Schwarzkörper-Spektrum einer Temperatur von ungefähr drei Kelvin, durch Arnold Allan Penzias und Robert Woodrow Wilson im Jahr 1965, war und bleibt eines der wichtigsten Standbeine der Urknallhypothese, auf die sich die moderne Kosmologie stützt. Beobachtungen durch das FIRAS-Experiment (Far InfraRed Absolute Spectrometer) an Bord des COBE-Satelliten (COsmic Background Explorer) haben bestätigt, dass das Spektrum der Strahlung sehr gut mit dem eines Schwarzen Körpers einer Temperatur von 2,725 ± 0,001 Kelvin übereinstimmt. Diese Messergebnisse sind in Abb. 2.4 dargestellt. Außerdem ist die erstaunliche Temperaturkonstanz aus verschiedenen Himmelsrichtungen der beste Beweis dafür, dass das kosmologische Prinzip zutrifft und zu Recht als eines der Fundamente der Kosmologie gilt. Tatsächlich konnten vor kurzem winzige Variationen der Intensität, in der Größenordnung von einem Hunderttausendstel, der aus verschiedenen Richtungen kommenden Mikrowellen festgestellt werden. Diese Variationen sollten direkt aus der Phase der Strukturbildung im Universum stammen. Dieses faszinierende Thema markiert einen gewaltigen Umbruch in der Kosmologie und wir werden im Kapitel F5 noch einmal darauf zurückkommen.
Messungen im Radiowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums eignen sich besonders gut dazu, hochauflösende Karten sehr weit entfernter Galaxien zu erstellen. Viele der am weitesten entfernten bekannten Galaxien sind auf diese Weise nachgewiesen worden.
Die Durchführung von Infrarotdurchmusterungen des Himmels, wie von der sehr erfolgreichen, in den 1980-er Jahren durchgeführten IRAS-Mission (InfraRed Astronomical Satellite), ist die beste Art, um junge Galaxien, in denen sich die Sternenentstehung noch in ihrer Frühphase befindet, aufzuspüren. Bei dieser Art von Durchmusterungen werden etwas andere Galaxienpopulationen gefunden als bei Untersuchungen im optischen Spektrum, aber natürlich werden die hellsten Galaxien von beiden Untersuchungsarten registriert. Infrarotstrahlung ist besonders gut geeignet zum Durchdringen des Staubs in unserer Milchstraße und damit zur Beobachtung entfernter astronomischer Objekte, da sie nicht so leicht absorbiert und zerstreut werden kann wie sichtbare Strahlung. Daher ist sie auch optimal zum Studium der Regionen in der Nähe der galaktischen Ebene, wo Staub sichtbares Licht besonders stark absorbiert.
Ein unverzichtbares Mittel zum Nachweis von Galaxienhaufen: Zwischen den Galaxien befindet sich Gas mit einer Temperatur von mehreren Millionen Grad Kelvin, die ausreicht, um Strahlung im Röntgenbereich des Spektrums zu emittieren. Es wird vermutet, dass dieses Gas ein Überrest aus der Epoche der Galaxienentstehung ist, welches nicht kollabieren konnte, um Sterne zu bilden. Die Röntgenstrahlungsemission des Coma-Galaxienhaufens ist auf der rechten Seite von Abb. 2.3 abgebildet. Die einzelnen Galaxien, die man im optischen Bild auf der linken Seite der Abb. 2.3 sehen kann, sind auf der rechten Seite nicht zu erkennen, weil die intensive, diffuse Röntgenstrahlungsemission des heißen Gases das Bild vollkommen beherrscht.
Der Nachweis der Gleichmäßigkeit des Universums auf den größten Beobachtungsskalen rechtfertigt die Anwendung des kosmologischen Prinzips. Daher ist man davon überzeugt, dass unser großräumiges Universum zwei wichtige Eigenschaften besitzt: Homogenität und Isotropie. Homogenität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Universum überall gleich aussieht, während die Isotropie besagt, dass das Universum in allen Richtungen gleich aussieht.Das eine bedingt nicht automatisch das andere. Ein Beispiel zur Klärung: Ein Universum mit einem einheitlichen Magnetfeld ist zwar homogen, da alle Punkte gleich sind, doch ist es nicht isotrop, da die Richtungen entlang der Feldlinien von den Richtungen senkrecht zu den Feldlinien unterschieden werden können. Ein anderes Beispiel: Eine kugelsymmetrische Verteilung ist vom Zentrum aus betrachtet zwar isotrop, aber nicht notwendigerweise auch homogen. Wenn wir aber fordern, dass eine Verteilung, von jedem Punkt aus betrachtet, isotrop sein soll, dann muss sie auch gleichzeitig homogen sein. Wie ich schon erwähnte, ist das kosmologische Prinzip keine exakte Wissenschaft und unser Universum ist daher auch nicht exakt homogen und isotrop. Tatsächlich ist das Studium der Abweichungen von der Homogenität eines der wichtigsten Forschungsthemen der Kosmologie. Ich werde dieses Gebiet in Kapitel F5 einführen, im Hauptteil des Buches jedoch befasse ich mich nur mit dem Verhalten des Universums als Ganzes und unterstelle daher großräumige Homogenität und Isotropie.
Eine wichtige empirische Erkenntnis der Kosmologie ist, dass sich anscheinend alles im Universum von uns entfernt, und zwar umso schneller je weiter entfernt es sich von uns befindet. Diese Geschwindigkeiten werden vermittels Rotverschiebungen gemessen, wobei es sich hierbei im Grunde genommen um den Doppler-Effekt in Anwendung auf Lichtwellen handelt. Die Spektren von Galaxien zeigen Gruppen von Absorptions- und Emissionslinien, deren charakteristische Frequenzen wohlbekannt sind. Wenn sich nun aber eine Galaxie auf uns zu bewegt, werden die Lichtwellen so zusammengedrängt, dass sich deren Frequenzen erhöhen. Da sich blaues Licht im Hochfrequenzbereich des sichtbaren Spektrums befindet, nennt man diesen Vorgang Blauverschiebung. Wenn sich eine Galaxie aber von uns entfernt, verschieben sich deren charakteristische Linien zum roten Bereich des Spektrums hin und man spricht von einer Rotverschiebung. Diese Technik wurde zum ersten Mal um 1912 zur Messung der Geschwindigkeit einer Galaxie von Vesto Melvin Slipher (1875–1969) benutzt und jahrzehntelang von einem der größten Kosmologen, Edwin Powell Hubble (1889–1953), systematisch angewendet.
Abb. 2.5 Diese Abbildung zeigt die Fluchtgeschwindigkeit als Funktion des geschätzten Abstands für 1355 Galaxien. Eine lineare Abhängigkeit impliziert das Hubble-Gesetz. Die erhebliche Streuung wird durch statistische Messfehler und zufällige Galaxienbewegungen verursacht, doch die Ausgleichsgerade stimmt exakt mit dem Hubble-Gesetz überein. (Die x-Achsenskala beruht auf der Annahme eines bestimmten H0-Wertes).
Wie sich dabei herausstellte, entfernen sich alle Galaxien von uns, so dass in der Standardterminologie die Rotverschiebung z definiert wird als
(2.1)
wobei sich λem und λbeob auf die Wellenlängen des von der Galaxie emittierten bzw. von uns empfangenen Lichts beziehen. Wenn sich ein nahes Objekt mit einer Geschwindigkeit v entfernt, ist seine Rotverschiebung
(2.2)
wobei c für die Lichtgeschwindigkeit steht.2) In Abb. 2.5, dem sog. Hubble-Diagramm, wird die Geschwindigkeit von 1355 Galaxien als Funktion des Abstandes der Galaxien dargestellt.
Hubble schloss aus seinen Beobachtungen, die damals natürlich auf eine relativ kleine Anzahl von Galaxien beschränkt waren, dass die Fluchtgeschwindigkeit proportional zum Galaxienabstand von uns ist:
(2.3)
Dies ist das bekannte Hubble-Gesetz und die Proportionalitätskonstante H0 ist die sog. Hubble-Konstante. Das Hubble-Gesetz stimmt nicht genau, da das kosmologische Prinzip nicht auf nahe gelegene Galaxien anwendbar ist; diese besitzen typischerweise zufällige Bewegungen, die sog. Pekuliarbewegungen. Doch es beschreibt mittlere Galaxiengeschwindigkeiten äußerst gut. Dem Hubble-Gesetz entspricht das in Abb. 2.6 dargestellte Bild unseres Universums, in dem sich die uns am nächsten gelegenen Galaxien am langsamsten von uns fortbewegen. Über Jahre hinweg hat man versucht, genaue Werte für die Proportionalitätskonstante zu berechnen, doch, wie wir im Kapitel 6 sehen werden, wurde erst jetzt ein Konsens darüber erreicht.
Auf den ersten Blick scheint man gegen das kosmologische Prinzip verstoßen zu müssen, wenn man beobachtet, dass sich alles von uns entfernt, da uns diese Tatsache scheinbar ins Zentrum des Universums platziert. Doch nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Tatsächlich ist es so, dass jeder Beobachter meint, alles im Universum würde sich von ihm wegbewegen und zwar mit einer Geschwindigkeit, die proportional zum Abstand ist. Sie können dies auf einfache Weise nachvollziehen, indem Sie auf einem karierten Blatt Papier Geschwindigkeiten eintragen, die proportional zum Abstand eines willkürlich gewählten zentralen Punktes sind. Dann ändern Sie das Bezugssystem, so dass sich ein in der Nähe des Zentrums liegender Punkt nicht bewegt, und das Hubble-Gesetz trifft auch für dieses neue Zentrum zu. Das funktioniert nur aufgrund der linearen Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Abstand; für andere Beziehungen funktioniert es nicht.
Abb. 2.6 Laut dem Hubble-Gesetz entfernt sich eine Galaxie umso schneller von uns, je weiter sie von uns entfernt ist.
Kurzum, das Universum sieht trotz Expansion von jeder Stelle aus gleich aus, unabhängig davon in welche Galaxie wir uns hineinphantasieren. Eine bekannte Analogie dazu ist ein Rosinenkuchenteig, der gebacken wird, oder das Aufblasen eines gepunkteten Luftballons. Während der Kuchenteig im Ofen aufgeht (oder der Luftballon aufgeblasen wird), streben die Rosinen (oder die Punkte) auseinander. Von jeder Rosine (jedem Punkt) aus gesehen, scheint es, dass sich die anderen fortbewegen, je schneller desto größer die Entfernung. Da sich alles von jedem entfernt, können wir daraus schließen, dass sich alles in der fernen Vergangenheit einmal sehr nah beieinander befand. Das stimmt tatsächlich: Geht man nur weit genug in die Vergangenheit zurück, kommt alles wieder zusammen. Die anfängliche Explosion nennt man den Urknall und ein von dieser Explosion ausgehendes Modell der Evolution des Universums nennt man Urknall-Kosmologie. Wir werden später noch herausfinden, warum man häufig vom Heißen Urknall spricht.
Alles im Universum besteht aus Elementarteilchen, und das Verhalten des Universums als Ganzes hängt von den Eigenschaften dieser Teilchen ab.
Eine entscheidende Frage ist die, ob sich ein Teilchen relativistisch bewegt oder nicht. Jedes Teilchen besitzt zwei Formen von Energie: die kinetische Energie und die Ruheenergie, die zusammen
(2.4)
ergeben, wobei m für die Ruhemasse und p für den Impuls des Teilchens steht. Dominiert die Ruheenergie, so kann sich das Teilchen nur mit einer Geschwindigkeit fortbewegen, die wesentlich niedriger ist als die Lichtgeschwindigkeit, und wir sprechen in diesem Fall von einem nichtrelativistischen Teilchen. Für sehr niedrige Geschwindigkeiten können wir die folgende Näherung benutzen:
(2.5)
Der Mensch besteht aus Atomen, und die Protonen und Neutronen der Atomkerne machen den Großteil der Masse der Atome aus. Protonen und Neutronen bestehen aus weiteren Elementarteilchen, den sog. Quarks. Ein Proton besteht aus zwei up-Quarks und einem down-Quark und ein Neutron aus einem up- und zwei down-Quarks. Teilchen, die aus drei Quarks bestehen, nennt man Baryonen. Von allen möglichen Baryonen können nur das Proton und das Neutron stabil sein.3) Man nimmt daher an, dass sie die einzigen in signifikanter Anzahl vorkommenden Baryonen im Universum sind. Die Bezeichnung „Nukleon“ bezieht sich nur auf Protonen und Neutronen, doch ich halte mich an die übliche Praxis und verwende durchgehend den Ausdruck „Baryon“.
In den Einheiten der Teilchenphysik beträgt die Ruheenergie eines Protons und eines Neutrons 938,3 MeV bzw. 939,6 MeV. Hier ist MeV die Abkürzung für Mega-Elektronvolt, eine Einheit der Energie, die einer Million Elektronvolt (eV) entspricht und in diesem Fall dienlicher ist als Joule. Elektronen bestehen keineswegs aus Quarks, werden aber (sehr zum Ärger von Teilchenphysikern) von Kosmologen üblicherweise trotzdem zu den Baryonen gezählt. Eine grundlegende Eigenschaft des Universums ist seine Ladungsneutralität. Es muss also für jedes Proton ein Elektron geben. Da die Ruhemasse eines Elektrons mit 0,511 MeV weniger als ein Tausendstel der Ruhemasse eines Protons ausmacht, tragen Elektronen nur zu einem geringen Bruchteil zur Gesamtmasse bei und müssen daher nicht detailliert besprochen werden.
Im gegenwärtigen Universum bewegen sich Baryonen typischerweise nichtrelativistisch, d. h. ihre kinetische Energie liegt weit unterhalb ihrer Ruheenergie.
Wir können das Universum aufgrund elektromagnetischer Strahlung visualisieren, und elektromagnetische Strahlung verschiedener Frequenzen erfüllt das ganze Universum. In der quantenmechanischen Beschreibung besteht Licht aus einzelnen Teilchen oder Energiepäckchen, den sog. Photonen, auf die wir uns mit dem Symbol γ beziehen. Photonen breiten sich natürlich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Da ihre Ruhemasse null beträgt, ist ihre Gesamtenergie immer durch ihre kinetische Energie gegeben. Die Energie eines Photons hängt von seiner Frequenz f ab:
(2.6)
wobei die Proportionalitätskonstante h