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Elinor liebt Musik, moderne und klassische, und schreibt gerade für einen guten Freund Texte, die er für sein Musical benötigt. Als gelernte Musiktherapeutin hat sie verschiedene Ideen und Träume für ihre zukünftige Existenz. Überraschend erbt sie gemeinsam mit einer fremden Frau ein großes Haus. Kann diese Erbschaft ihr helfen, die Zukunftsträume zu verwirklichen? Da gibt es noch Max, John und Ben, die eine Rolle in Elinors Leben spielen wollen. Auch im Privatleben findet die junge Frau für viele Menschen einen guten Rat. Aber kann man sich als Therapeutin auch selbst helfen, wenn man Probleme hat?
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Seitenzahl: 171
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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher circa 80 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Inhaltsangabe:
Elinor liebt Musik, moderne und klassische, und schreibt gerade für einen guten Freund Texte, die er für sein Musical benötigt. Als gelernte Musiktherapeutin hat sie verschiedene Ideen und Träume für ihre zukünftige Existenz. Überraschend erbt sie gemeinsam mit einer fremden Frau ein großes Haus. Kann diese Erbschaft ihr helfen, die Zukunftsträume zu verwirklichen? Da gibt es noch Max, John und Ben, die eine Rolle in Elinors Leben spielen wollen. Auch im Privatleben findet die junge Frau für viele Menschen einen guten Rat. Aber kann man sich als Therapeutin auch selbst helfen, wenn man Probleme hat?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Der sanfte Sommerregen hatte im Stadtpark einen zarten Glanz auf den Blättern der alten Bäume und den Gräsern der frisch gemähten Wiese hinterlassen.
Elinor eilte zu dem kleinen Pavillon, in dem Max schon auf sie wartete.
„Hallo! Ich hoffe, du wartest noch nicht sehr lange auf mich! Ich konnte leider nicht pünktlich Mittagspause machen, denn die letzte Klientin musste mir unbedingt noch ein paar private Probleme mitteilen.“
„Ich bin auch gerade erst angekommen“, tröstete er sie. „Aber wenn sich deine Träume einmal verwirklichen, und du selbstständig bist, kannst du vermutlich deine Zeit besser einteilen.“
Die junge Frau strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Meine Chefin sagt immer, das Gegenteil sei der Fall und sie habe nie Feierabend. Aber wenn ich tatsächlich einmal eine neue Art von Therapie entwickeln kann, wird es mir wahrscheinlich trotzdem mehr Freude machen.“ Sie setzte sich neben ihm auf die kleine Bank, die der Regen wegen des Pavillondaches nicht erreichen konnte.
„Vielleicht kannst du doch bald anders planen, je nachdem, was du mit dem geerbten Häuschen anfangen kannst. Hast du es dir schon angeschaut?“
Sie blickte einem kleinen Vogel nach, der sich in die Lüfte erhob und flügelschlagend verschwand. „Ich bin morgen dort und schaue mir alles an. Dabei werde ich auch Larissa kennen lernen, der die andere Hälfte der Erbschaft gehört. Ich hoffe nur, dass ich irgendwie mit ihr klarkomme.“
Er lächelte. „Du bist doch bisher noch mit jedem gut ausgekommen. Mit den schwierigsten Klienten hast du bereits deine Erfahrungen gemacht. Sicher seid ihr bald gute Freundinnen. Ist sie in deinem Alter?“
„Nein, sie ist schon etwas älter, neunundvierzig Jahre, wenn du es genau wissen willst, und damit könnte sie schon meine Mutter sein. Damit gehört sie einer anderen Generation an, und das gibt schon einmal Probleme.“
„Du wirst schon das Beste aus dieser Erbschaft machen“, tröstet Max. „Vielleicht verkaufst du ihr auch deine Hälfte und verwirklichst dir mit dem Erlös deine Träume. Hast du schon wieder eine neue Strophe für mich?“ erkundigte er sich.
Sie lächelte. „Ja, damit auch du deinem Traum bald näherkommst. Wie weit bist du mit deinen Kompositionen?“
Stolz leuchtete in seinen Augen. „Ich habe das Musical fast fertig geschrieben. Und gestern hat sich auf meine Annonce hin eine Choreografin gemeldet, sie will sich die Tanzschritte dazu ausdenken.“
„Da hast du richtig Glück“, fand die junge Frau. „Damit hättest du ja schon die wichtigsten Personen zusammen, dein Freund John entwirft das Bühnenbild und deine Schwester Ella zeichnet die Kostüme. Was fehlt dir jetzt noch?“
„Eine Räumlichkeit haben wir bereits, dann müssen wir noch etwas Geld für die Werbung auftreiben, für Anzeigen in der Zeitung, Werbeplakate und so weiter. Clara, meine zukünftige Choreografin kennt wiederum einen reichen Industriellen, der unter anderem auch hier in Bonn ansässig ist. Er spendiert gern schon einmal etwas, wenn er das selbst werbemäßig absetzen kann.“
Elinor freute sich, zog einen zusammengefalteten Zettel aus der Jackentasche und reichte ihn ihm. „Das ist mir eben so zwischen zwei Patienten eingefallen. Ich hoffe, dass es dir gefällt.“
Er las sich den Text durch und nickte zufrieden. „Genauso habe ich mir den Dialog an dieser spannenden Stelle vorgestellt. Wir sind doch ein gutes Team! Schade, dass du nur mit mir befreundet sein willst“, scherzte er. „Wir passen so gut zusammen.“
Sie schmunzelte. „Das sieht nur so aus. Weil ich ganz genau weiß, was du so in den Texten erwartest, kann ich sie so formulieren, dass sie dir gefallen. Aber wenn das mein Musical wäre, sähe das bestimmt ganz anders aus.“
„Vielleicht solltest du es auch einmal versuchen“, riet ihr Max. „Du bist Musiktherapeutin, hast also Musik im Blut. Lass einfach einmal deiner Fantasie freien Lauf!“
„Natürlich kannst du mit deinem Musical auch vielen Menschen Freude machen“, gab sie zu. „Aber mein Traum ist es, jedem einzelnen Menschen bei seinen Problemen zu helfen. Da kann ich nicht jedem ein Musical schreiben.“
Max lachte. „Die Zeit hat man leider nicht.“ Er sah auf seine Uhr. „Ach du liebe Zeit! Der nächste Klavierschüler kommt in zehn Minuten, da muss ich mich beeilen. Und das ist keiner, auf den ich mich freue. Er ist völlig unbegabt und hat nicht das geringste Interesse an Musik. Er kommt nur, weil es ihm seine Eltern so befohlen haben.“
Elinor hob die Augenbrauen. „Das kann ja heiter werden. Dann wünsche ich dir viel Vergnügen, und ich muss auch wieder zurück. Meine Chefin schaut genau auf die Uhr und schenkt mir keine fünf Minuten zum Überziehen der Mittagspause.“
Sie erhob sich rasch, winkte ihm noch einmal zu und eilte davon.
Das alte Haus lag am Waldrand und etwas abseits des kleinen Dorfes. Der Garten schien verwildert, und die Farben des Holzes am Zaun und am Haus wirkten matt und vom Wetter gebleicht.
Die Frau mittleren Alters, die Elinor entgegenkam, zeigte der Ankommenden ein verschlossenes Gesicht. Das dunkle Haar trug sie hochgesteckt, und ihre schlanke Figur kam in einem eng geschnittenen, grauschwarzen Hausanzug dezent zur Geltung.
Die junge Frau streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Elinor Riva und hatte mit Ihnen einen Termin ausgemacht. Bin ich hier richtig?“
„Larissa Baumeister. Ich führe Sie erst einmal hinein und durchs ganze Haus. Und ich hoffe, Sie haben viel Zeit mitgebracht, damit wir alles besprechen können“, sagte sie, während sie den festen Händedruck erwiderte.
„Ich habe viel Zeit mitgebracht, denn mein Gefühl sagte mir, dass unsere Situation etwas kompliziert ist.“
Elinor folgte Frau Baumeister in das Innere des Hauses, das sich als ziemlich verwinkelt erwies. „Es gibt vier Räume auf jeder Seite, eine große Gemeinschaftsküche und zwei kleine Duschräume in der Mitte“, erläuterte ihr die Miterbin. „Sicher haben Sie auch schon erfahren, dass wir beide das Haus nicht verkaufen dürfen.“
Die junge Frau nickte. „Ja, das habe ich auch schon im Testament gelesen, und ich frage mich natürlich, welchen Grund meine Tante hatte, diese Einschränkung dort hineinzuschreiben. Was haben Sie mit Ihrer Hälfte vor?“
„Ich wohne schon sehr lange hier und habe das Haus für Ihre Tante instandgehalten. Wenn sie hierherkam, habe ich sie versorgt, für sie gekocht und ihr manche Arbeit abgenommen. Ich habe nicht gewusst, dass sie mir eine Hälfte ihres Hauses vererbt.“
„Dann ist das hier praktisch Ihre Heimat“, stellte Elinor erstaunt fest. „Ich habe von diesem zweiten Haus meiner Tante überhaupt nichts gewusst. Hat sie hier Urlaub gemacht?“ erkundigte sich die junge Frau.
„Ja, das auch. Aber vor allen Dingen hat sie hier sehr viel gearbeitet. Das war so eine Art Refugium für sie. Sie hat es vor fünfzehn Jahren gekauft und eine Hausverwalterin gesucht. Wir haben uns auf Anhieb verstanden, und so bin ich dann mit all meinen Sachen hier eingezogen. Ja, seitdem bin ich hier.“
„Und Sie sind bestimmt an Ruhe gewohnt“, vermutete Elinor.
„Ja. Es ist immer sehr ruhig hier. Nur die Vögel vom Wald hört man, besonders am frühen Morgen. Ansonsten gibt es hier keine störenden Geräusche. Und selbstverständlich gehört dazu auch die Musik.“
Die junge Frau erschrak. „Keine Musik? Ich liebe Musik. Sie gehört in mein Leben, und zwar in mein Privatleben und auch in meinen Beruf. Ich bilde mir ein, ohne Musik nicht leben zu können. Was haben Sie gegen Musik?“
Frau Baumeister machte eine abwehrende Handbewegung. „Es ist eben so, sie gefällt mir nicht. Hatten Sie etwa vorgehabt, in diesem Haus zu musizieren?“
Sie betraten einen Raum, dessen zwei große Fenster zum Wald zeigten und einen weiten Blick in die Natur erlaubten.
„Diesen und andere Träume hatte ich“, gab Elinor zu. „Ich bin Musiktherapeutin und träume seit einiger Zeit von einem Haus, in dem ich kranke Kinder zur Musik führen kann, damit in ihnen eine Heilung beginn.“
„Es gibt Krankheiten, auf die hat Musik keinen Einfluss“, presste Frau Baumeister hervor. „Da habe ich meine Erfahrungen gemacht. Aber reden wir nicht weiter davon. Stattdessen müssen wir überlegen, wie wir unser gemeinsames Problem lösen. Ein bisschen Radio stört mich ja nicht, aber Musik, die über die Zimmerlautstärke hinausgeht, ist absolut unakzeptabel.“
Elinor sah betrübt aus einem der Fenster. „Das macht natürlich alle meine Hoffnungen zunichte. Ein so schönes Haus in der zauberhaften Landschaft und dann noch weit weg vom Lärm der Stadt. Das hatte ich mir als Therapiezentrum so schön vorgestellt. Dann muss ich meine Hälfte wohl vermieten.“
Frau Baumeister hob die Augenbrauen. „Ich glaube, Sie haben das Testament noch nicht richtig durchgelesen. Das Haus darf auch nicht vermietet werden. Auch an diese Bedingung ist die Erbschaft geknüpft. Aber ich könnte mir schon eine Lösung für Ihr Problem vorstellen. Natürlich kommt es darauf an, wie viele Kinder Sie gleichzeitig therapieren wollen.“
„Ich habe eine Studie darüber angefertigt und festgestellt, dass natürliche Gruppen, so wie sie in einer Familie vorkommen die besten Möglichkeiten bieten, die Kinder miteinander zu verbinden und sie gleichzeitig therapeutisch zu berühren.“
„Und wie soll das aussehen?“
„Nehmen wir mal an, wir haben da ein Mädchen von zwölf Jahren, einen Jungen von neun Jahren und ein Mädchen von vier Jahren, so wie es auch in einer Familie vorkommen kann. In diesem Verbund kann ich auf die Bedürfnisse eines jedes Kindes eingehen, ohne dass eine Konkurrenz entsteht.“
„Na, dann sehe ich hier kein Problem“, überlegte die Haushälterin. „Wozu gibt es Kopfhörer?“
Elinor schüttelte den Kopf. „Das geht leider nicht so. Sobald ich meine Klienten mit Musik angesprochen und sie dafür interessiert habe, sollen sie selbst die Möglichkeit haben, sich ein Instrument ihrer Wahl herauszusuchen, um Klänge zu produzieren. Musik ist Balsam für die Seele.“
„Ich hasse Musik“, antwortete Frau Baumeister knapp und führte die junge Frau in die Küche. „Nehmen Sie doch Platz, ich habe uns einen Tee vorbereitet. Das wäre zum Beispiel eine Idee für Ihre Patienten. Wir haben hier hinten einen sehr großen Garten, in dem ich einige Kräuter angebaut habe. Pflanzen Sie dort Pfefferminze und Salbei, dazu Rosen und ein paar andere Teepflanzen! Damit kann man kranken Menschen ebenfalls helfen. Lassen Sie hier die Natur sprechen und machen Sie die Musik woanders!“
Elinor stöhnte. „Diese schönen vielen Zimmer! Ich wohne in der Stadt in einem winzigen Appartement, das reicht gerade mal für mich allein. Und dort etwas mit Musik zu machen, ist ganz unmöglich. Zum Glück bin ich im Moment in einer Gemeinschaftspraxis angestellt und habe dort ein kleines, gut schalldichtes Zimmer, in dem ich behandeln und experimentieren kann.“
„Was Sie hier in diesen und mit diesen Räumen tun, bleibt Ihnen überlassen. Sie können sich doch auch einen Raum isolieren, damit keine Geräusche nach außen dringen!“ schlug Frau Baumeister vor.
Die junge Frau seufzte. „Mein Traum sieht schon etwas anders aus. Die Musikzimmer sollten auch ansprechend aussehen und zum Ausprobieren verführen.“ Sie setzte sich an den Küchentisch.
„Vielleicht könnten Sie sich ganz hinten im Garten etwas machen? Eine Art isoliertes Gartenhaus?“ schlug die Gastgeberin vor.
Elinor überlegte. „Ich habe kein Bargeld übrig, um mir etwas aufzubauen. Und in dem Testament stand jedenfalls nichts davon, dass es noch etwas anderes gibt als dieses wunderschöne, große Haus.“
„Die große Villa hat Isa ihren Kindern vermacht,“ wusste Frau Baumeister, „soviel ich weiß, und ob das Barvermögen dann insgesamt an sie fällt, weiß ich nicht. Isa war schon ein großer Filmstar. Haben Sie sie sehr verehrt, Frau Riva?“
Die Augen der jungen Frau leuchteten. „Oh ja! Sie konnte alles spielen, sie war genial, und je älter sie wurde, desto mehr übernahm sie die Charakterrollen, die sie mit Herzblut interpretierte. Leider war sie immer unterwegs, und zuletzt fast nur noch in den USA. Daher haben wir uns in der letzten Zeit fast gar nicht mehr gesehen. Aber das Filmen war ihr eben sehr wichtig, sie wollte der Nachwelt etwas hinterlassen.“
„Und als Mensch war sie sehr liebenswürdig, gar keine Diva, und ganz ohne Zicken“, erinnerte sich Frau Baumeister. „Wenn sie hier war, wurde das Haus noch einmal neu beseelt.“
Elinor lächelte vor sich hin. Endlich taute die Fremde ihr gegenüber auf und zeigte jetzt eine gewisse Sensibilität. Vielleicht konnte man sich doch noch irgendwie mit ihr einigen?
„Ich habe auch viele gute Erinnerungen an meine Tante“, begann junge Frau. „Und das waren nicht nur die Premieren-Vorstellungen, die mir noch im Kopf herumgeistern. Sie war auch eine gute Zuhörerin, und als ich klein war, konnte ich ihr alles erzählen.“
Frau Baumeister reichte Elinor eine Tasse mit duftendem Tee. „Wir haben uns hier auch immer sehr gut verstanden und im Sommer oft abends draußen auf der Terrasse gesessen und nach den Glühwürmchen geschaut.“
Elinor lächelte. „Oh! Gibt es hier noch Glühwürmchen? Dann ist die Natur sicher hier noch ziemlich unberührt.“
„Mit vielen Glühwürmchen. Sie lieben die Wildpflanzen, ja, aber ihre Larven ernähren sich von Schnecken, das ist schon ein bisschen gruselig, so wie es in der Natur häufig vorkommt. Seit ich das weiß, kommen mir diese leuchtenden, fliegenden Sterne gar nicht mehr so romantisch vor.“
Die junge Frau wagte einen Vorstoß. „Hätten Sie denn grundsätzlich etwas dagegen, wenn ich so ab und zu drei Klienten, drei Kinder mit hierherbringe?“
Die Haushälterin schüttelte kurz den Kopf. „Ich habe nichts gegen Kinder. Die beiden Wohnungen sind sehr groß, da könnten tatsächlich Familien mit Kindern wohnen.“
Elinor atmete auf. „Das ist gut. Denn für mich allein ist die Wohnung auch zu groß. Und wir können auch gern die Mittagspausen einhalten und schon am Nachmittag die Arbeit beenden. Gibt es denn auch am Tag Zeiten, an denen Sie Ruhe brauchen?“
Frau Baumeister betrachtete das Gesicht der jungen Frau. „Sie sind sehr rücksichtsvoll, das merke ich schon. Ich denke, dann werden wir miteinander auskommen können. Normalerweise bin ich zurückhaltend, aber wenn wir uns doch schon auf Dauer ein Haus teilen müssen, dann sollten wir auch „Du“ zueinander sagen. Ich bin die Larissa.“
Elinor stimmte ihr zu. „Danke! Ich glaube, das wird uns das Miteinander hier erleichtern. Aber wie war das jetzt? Was hast du für Wünsche bezüglich der Ruhezeiten?“
„Ach, Mittagsschlaf halte ich nie, da muss es nicht leise sein. Und abends gehe ich auch immer erst sehr spät zu Bett. Also kannst du dich ganz normal verhalten, und auch deine Kinder haben da freie Bahn?“
Die junge Frau sah Larissa irritiert an. „Aber die Musik! Die ist dir doch zu laut!“
„Nein, zu laut ist sie mir nicht. Ich mag sie nicht hören. Ich hasse sie. Es tut mir leid, mehr möchte ich dir nicht darüber sagen. Das musst du so akzeptieren.“
Elinor nickte. „Natürlich, entschuldige bitte! Ich hatte es nur nicht so verstanden. Natürlich akzeptiere ich das, du wirst schon deinen Grund dafür haben. Ich werde mir dann tatsächlich etwas überlegen. Vielleicht lasse ich die Kinder draußen im Wald musizieren, vielleicht finde ich dort ein geeignetes Plätzchen. Und alles das, was man leise machen kann, wird dann im Haus und im Garten ausgeführt.“
„Das ist sehr nett von dir“, freute sich Larissa und lächelte zum ersten Mal. Dann wollen wir mit den Teetassen auf ein gutes Zusammenwohnen anstoßen!“
Max rührte mit dem Strohhalm im Eiskaffee. „Ich bin schon ganz neugierig. Jetzt musst du mir aber erzählen, wie es bei dieser Larissa gewesen ist. Schließlich ist das für dich in der nächsten Zeit lebenswichtig.“
Elinor probierte das Zitroneneis, das ihr der freundliche Italiener auf den Tisch gestellt hatte. „Es ist das beste Eis weit und breit. Dass diese Larissa keine Musik mag, aber nicht darüber sprechen will, habe ich dir ja bereits am Telefon erzählt. Am Anfang hatte ich schon ganz große Bedenken, denn sie wirkte sehr zugeknöpft. Aber nachdem wir ganz kurz über meine Tante gesprochen haben, taute sie etwas auf. Die beiden müssen sich schon verstanden haben. Und schließlich hat ihr Tante Isa ja auch das halbe Haus vererbt, das ist für mich auch ein Zeichen dafür, dass sich die beiden mochten. Nachdem wir zusammen einen Tee getrunken haben, hat sie mir alle Schlüssel gegeben. Die hatte sie in ihrer Wohnung aufbewahrt, und so hatte ich Gelegenheit, einmal ganz kurz in ihre Haushälfte zu schauen. Als sie in einem Zimmer verschwand, konnte ich sehen, dass dort alle Möbel mit Leinentüchern zugedeckt waren. Das finde ich doch sehr merkwürdig. Schließlich wohnt sie doch in dieser Wohnung.“
Er staunte. „Und du hast sie nicht gefragt?“
„Natürlich nicht. Sie war doch schon so verschlossen, als ich sie auf die Musik ansprach. Wahrscheinlich hat sie ein ganz großes Geheimnis, das sie hütet. Da muss ich natürlich jetzt sehr vorsichtig sein und darf nicht in sie dringen.“
Er lächelte. „Du wirst sicher gut mit ihr umgehen können. Das hast du schließlich gelernt und beweist es täglich mit deinen Klienten. Aber wenn du mich fragst, könnten das irgendwelche Möbel sein, die sie für irgendjemanden dort aufbewahrt, und die ihr vielleicht gar nicht gehören. Ansonsten wüsste ich auch nicht, warum man mit verhangenen Möbeln wohnen soll. Oder hat sie eine Stauballergie?“
„Keine Ahnung! Aber ich glaube, dagegen helfen Leinentücher auch nicht. Jetzt muss ich natürlich umdisponieren, denn so kann ich meine Träume nicht verwirklichen.“
„Bist du sicher, dass du dort überhaupt mit den Kindern arbeiten willst? Wenn die Kinder dort keine Musik machen können, oder vielleicht nur in einem isolierten Zimmer, dann werden sie sich nicht frei bewegen können, und das könnte doch den Heilerfolg stören.“
„Ich habe mir auch schon die ganze Nacht darüber den Kopf zerbrochen. Ich werde also das riesengroße Wohnzimmer als Musikzimmer einrichten, eine richtige Landschaft will ich dort bauen mit einer Bühne und einer Kulisse. In den anderen Zimmern kann gelesen und gespielt werden, und in dem Raum, der an Larissas Wohnung grenzt, gibt es Musikdarbietungen mit Kopfhörern. Dort soll man sogar mit schnurlosen Kopfhörern ein bisschen tanzen können.“
Max schmunzelte. „Da hast du dir ja schon eine ganze Menge ausgedacht. Vermutlich warst du die ganze Nacht wach. Und wann willst du loslegen?“
„Sobald wie möglich. Schließlich habe ich die Idee nicht erst seit gestern, sondern trage sie schon mehrere Jahre in mir. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie überhaupt einmal verwirklichen kann. Ich besitze eine ganze Mappe voller Skizzen und Zettel, angefüllt mit Notizen. Ich hatte immer wieder neue Ideen, das kannst du mir glauben.“
Er lachte. „Ich glaube es dir ungesehen. Deine letzten Strophen waren wieder genial, und deine Fantasie ist grenzenlos. Das fand auch Clara, als sie deine Texte gelesen hat.“
„Clara? Ach so ja, das ist doch deine neue Choreografin, oder?“
„Richtig. Du hast gut aufgepasst, und ich möchte sie dir bald einmal vorstellen. Auf ihre Art ist sie genauso genial wie du.“
Elinor schmunzelte. „Ist sie hübsch?“
„Oh ja, sie sieht aus wie eine Fee aus dem Märchen, eigentlich wie eine Prinzessin. Ihr langes, lockiges Haar fällt fast bis zur Taille den Rücken hinab, wie bei der Kaiserin Sissi. Und sie hat eine traumhafte Figur.“
„Du bist in sie verliebt“, bemerkte Elinor schmunzelnd. „Erzähl mir mehr von ihr!“
„Ich glaube tatsächlich, sie kann Gedanken lesen und in mich hineinschauen. Die Bewegungen ihrer Choreografie passen absolut Ton genau zu meiner Musik. Sie errät meine Vorstellungen und entwirft die Schritte genau so, wie ich es mir wünsche. Dazu muss ich ihr gar nichts sagen, denn sie muss nur meine Musik hören, und schon weiß sie, was ich damit meine.“
Die junge Frau freute sich. „Das ist wirklich ein Geschenk. Du machst mich ganz neugierig auf sie. Wann kann ich sie kennen lernen?“
„Sie hat nicht viel Zeit, um auszugehen“, wusste Max. „Sie hat noch einen kleinen Sohn aus erster Ehe, und den will sie natürlich gut versorgen.“