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Nach der Rückkehr aus Washington, wo sich Elli nach ihrer Erkrankung eine Auszeit ausbedungen hatte, gelangte sie in Begleitung zu ihrem Hof, dort, wo vor vielen Jahren ein Landwirt sie und andere Personen Willkommen geheißen hatte. Nach kurzer Einschulung der neuen Begleiter, die über die Besonderheit dieses Ausbildungslagers informiert wurden, begann auch für Elli ein neuer Lebensabschnitt. Nicht alles ist Gold, das glänzt, wurde in den folgenden Wochen den Anwesenden bewusst.
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Seitenzahl: 331
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Roman Moore
Elviras Urlaubsplatz
(Pihoqahiak 2. Teil)
Copyright: © 2022: Roman Moore
Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
Softcover 978-3-347-58177-7
Hardcover 978-3-347-58178-4
E-Book 978-3-347-58179-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Teil I
Niederösterreich
Kapitel 1
Der nun abrechende Morgen begann mit einem Kaiserwetter. Ein Ausdruck, der nur in Österreich weitläufiges Verstehen ermöglichte und Menschen aus allen Bevölkerungsschichten geläufig war. Jeder konnte am blauen Himmel, an den milden Temperaturen und an den Zwitschern der unzähligen Vögeln Gefallen finden. Die Fensterläden wurden geöffnet und Ellis Gästen erfreuten sich an der Luft und der Umgebung. Kein eisiger Wind und Schneefall, den alle sehr gut im Gedächtnis hatten. Der Gesang der Vögel ließ die Amerikaner die mühselige Anfahrt und das Gewitter in der Nacht vergessen. Tatjana und Alexandra begannen in ihren Erinnerungen zu kramen. Sie dachten an lang zurückliegenden Epochen in ihrer Jugend. Ihre Ausbildung und ihr zufälliges gemeinsames Kennenlernen. Welch ein Gegensatz zu den Einsätzen in ihren späteren Jahren an der finnischen Grenze. Immer unter einer innerlichen Anspannung. Nebel, Schneefall und die trügerische Stille. Niemals eine wahre Erholung. Immer bereit, auf einen Eindringling zu schießen. »Elli, wir sind glücklich, diese Stimmung mit dir erleben zu dürfen.«.
»Hier bin ich nach meiner Flucht aus Ungarn vor dem ehemaligen Tor gestanden und wir haben nach einem Krug, gefüllt mit Wasser gefragt. Der Landwirt hat uns eingeladen, weiterzukommen. Das werde ich nie vergessen.
Der Frühstückstisch aber soll auf der Terrasse aufgestellt werden. Wir alle werden diesen Morgen würdig beginnen.«
Alle hatten mitgeholfen und Elli hatte die Tischtücher, die lange im Schrank gelegen waren, hervorgeholt. Der grobe Tisch verschwand darunter. Die Stimmung stieg. Das Entladen der Fahrzeuge, sowie die Säuberung der Zimmer, die voller Staub waren, das konnte warten. Sie saßen im Freien, der keinen Einblick aus der Straße oder den umliegenden Feldern bot und freuten sich. Besonders die Kameraden aus Deutschland. Sie kannten Ellis Küche vom Hörensagen. Noch bei der Abfahrt hatte sie Fragen, wohin nun die Reise in den Urlaub geht, mit Lächeln beantwortet. Dieses Frühstück, ohne Unterbrechung durch Vorgesetzte, die immer etwas zu sagen wussten und vorauf von der Mannschaft niemand neugierig war, wird im Gedächtnis bleiben. Auch ein Glück, daß sich Elli für die CIA entschieden hatte. Konkretes über ihre Abstammung kannten sie nicht. Auch nicht, wie sie hier groß geworden war und welche Ängste sie ausgestanden hatte. Darüber hatte sie niemals Details bekanntgegeben. Guten Espresso gab es genug. Die Maschine wurde mehrmals in Gang gesetzt.
»Ein Frühstück, wie in Frankreich, kann ich nicht anbieten.«
»Wenn es nicht schlechter wird, werden wir sicherlich zufrieden sein.«.
»Ab Morgen frisches Brot, Gebäck, sofern der ehemalige Bäcker nicht zugesperrt hat. Das muss ich aber erst nachprüfen. Marmeladen, Butter, Schinken und weiche Eier wird es, sofern dies nicht abgelehnt wird, auch in Zukunft geben.
Vergesst nicht, morgen beginnt das Training. Laufen in der Früh, anschließend Gymnastik, eventuell duschen und erst dann Frühstück. Wenn Nancy eine andere Einteilung hat, wird sie es sicherlich bekanntgeben. Vielleicht ist meine ehemalige Ausbildung längst überholt.«
»Was wurde dir beigebracht?« fragte Gerardo.
»Eine Nahkampftechnik, die tödlich sowohl für den Attentäter, wie aber auch für den Angegriffenen enden konnte.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Dem Angreifer eine geladene und entsicherte Faustfeuerwaffe entwenden und ihn auf den Boden schleudern, gegebenenfalls auch zu töten. Das aber mit der eigenen Waffe, auf die man sich verlassen konnte.«
»Elli hat dies bis zur totalen Erschöpfung erfolgreich trainiert und bei der Vorführung in Deutschland den Angreifer getötet. Der Angreifer hat Patricia Jahre vorher sehr lange misshandelt. Es war eine Meisterleistung und ein Teil der Aufnahmeprüfung vor ihrem Beitritt zur CIA.« erwähnte Nancy.
Gerardo glaubte es nicht. Elli hielt seinem Blick stand. Ihre Augen verengten sich zu einem Schlitz. Ihre Beinstellung hatte sich verändert. Niemand sagte ein Wort. Elli stand noch immer locker.
»Wie oft musstest du diese Technik anwenden« fragte Gerardo.
»Darüber möchte ich nicht sprechen.«
Ellis Lächeln irritierter Gerardo.
Gerardo fragte sich im Stillen, woher hat sie diese Ahnung, wieso hat sie im Sekundenbereich begriffen, was ich nur einen Augenblick gedacht habe? Ich wollte nur wissen, ob sie es mit mir, mit einer ungeladenen Waffe durchführen würde.
»Anlässlich einer Fahrt mit dem U-Boot wollte ein Bootsmann mir ernstlich den Weg verstellen. An den Schmerzen leidet er sicherlich noch heute.« meldete sich Patricia.
»Zurück zum Mittagessen. Solange wir keinen Koch haben, werde ich von den Vorräten, die ich gefunden habe einiges zubereiten.«
Genauso gut hätte sie nun von der bevorstehende Säuberung der Räume sprechen können.
Zwei aus Deutschland, die sich an den Vorfall der Aufnahmeprüfung von Elli erinnern konnten, amüsierten sich.
Gerardo hatte sich noch nicht beruhigt, wie gibt es so etwas. Er konnte es sich nicht vorstellen.
»Schwer zu erlernen, im Notfall sehr wirkungsvoll.«hörte er von Nancy.
Und das wollte man Tatjana und Alexandra beibringen. Darüber war bisher nicht gesprochen worden. Die Asiatinnen waren der Unterhaltung gefolgt und hatten mit keiner Wimper verraten, was sie darüber dachten. Nun hatten alle verstanden, wie die kommenden Wochen verlaufen würden.
»Auch den Colt in jeder Lage des Körpers einzusetzen, ist ein Teil des Trainingsprogrammes. Das muss so selbstverständlich werden, wie das Leeren der Kaffeetasse. Gerardo, verlass dich nicht darauf, daß Elli durch bestimmte Umstände vielleicht nicht topfit ist.«
Er wollte gar nicht daran denken. Auch den anderen war nun einiges gewiss geworden. Diese beiden Damen sind vielleicht ein wenig aus der Übung gekommen, ausprobieren wollte es aber keiner.
Man entschied sich, den Sattelitenkontakt mit dem verlängerten Mast, den man auch einfahren konnte, aufzustellen. Es gab schönes Wetter und das sollte genutzt werden. Die Verbindung innerhalb des Hauses dort unterzubringen, wo sie dem Mast am Nächsten war. Anschließend eine Message senden und sich von der Funktionstüchtigkeit des Gerätes überzeugen. Den Staub aus den Räumen zu entfernen, dazu war Zeit genug auch beim nächsten Regenguss. Da der Lastwagen am Abend noch nicht entladen worden war, war dies die erste Arbeit. Elli zeigte ihnen die Möglichkeiten in den Kellerräumen. Dann rief sie ihre ehemaligen Freunde an und fragte nach einer Putzfrau. Man teilte ihr mit, daß man den Wunsch weiterleiten wird. Im Augenblick sind sie mit dem Ausräumen des Kellers beschäftigt und haben wenig Zeit zu einem langen Gespräch, sie werden sich aber melden.
Im nächsten Gespräch erkundigte sie sich nach dem jungen Mann, der ihr die regelmäßigen Bestellungen zur größten Zufriedenheit geliefert hatte.
»Sie müssen sich ein wenig in Geduld fassen. Wie war bitte ihr Name?«
»Elli«
Die Dame am Telefon konnte sich an diesen Namen erinnern und verband sie weiter.
»Bonjour, madame!« vernahm Elli.
An den Tonfall konnte sie sich nicht mehr erinnern.
»Hi, mein Name ist Elli. Ich befinde mich mit zahlreicher Begleitung wieder für einige Zeit auf meinem Hof. Vor Jahren hatte ich das Glück einen Ansprechpartner in ihrem Unternehmen zu finden. Er hat mit Vorgeschlagen, bestellte Waren zustellen zu lassen.«
»Daran können wir uns erinnern. Den jungen Mann gibt es nicht mehr. Er hat die Stelle des Versandleiters übernommen. Wir werden versuchen ihren Wünschen nachzukommen. Derzeit sprechen sie mit der Nummer des Versandleiters. Darf ich ihnen meine Nummer geben. So kommen sie direkt zu mir. Was mich aber brennend interessiert, wie es ihnen geht und weshalb haben sie so lange nichts von sich und ihren Kameraden hören lassen.
»Bitte um Entschuldigung, ihre Stimme habe ich nicht erkannt. Jahrelanger Auslandeinsatz haben trotz Urlaubsansprüche eine Wiederkehr nach Europa verhindert.
Nun konnte ich mich aber durchsetzen und bin wieder dort, wo ich als Kind das erste Mal gestrandet bin. Nehmen sie sich Zeit und kommen sie vorbei. Wenn sie Wünsche haben, können wir ihnen diese vielleicht erfüllen.«
»Danke, dieses Angebot nehme ich gerne an. Ich werde sie über meinen Besuch telefonisch verständigen. Nun aber zu ihren Bestellungen.«
Elli gab voller Freude ihre Bestellungen durch. Damit waren die Lebensmittelvorräte für die kommende Zeit in guten Händen.
Die Autos waren entladen worden. Alles was nicht zum Aufbau der Antenne und den Versorgungsleitungen gehörte, hatte man in den Keller abgelagert. Ebenso die Waffen und die Munition.
Der Antennenaufbau dauerte nur kurz. Nach Stromanschluss wurde das Ausfahren der Antenne versucht. Das gelang. Ebenso das Zurückgleiten in die Hülse, die mit einem Verschluss versehen war. Das große Display befand sich im Kellerbereich. Für den ersten Versuch, ob die Anlage tatsächlich funktionierte, wurde eine kurze Mitteilung nach Washington geschickt. Nach Dechiffrierung war sie sofort weg und die Antwort kam ebenso rasch. Es war die Empfangsbestätigung.
»Wir sind verbunden.«
Die Freude war groß. Das Display sollte aber in den Wohnraum. Wer hat schon Lust, in tiefer Nacht, womöglich bei Sturm und Regenguss über den Hof den Keller aufzusuchen. Elli erklärte die Umstände, die einer Direktverbindung in die Kellerräumlichkeiten seit jeher entgegenstanden. Nun waren einige über die Verbindungsmöglichkeiten zur Kirche und in den Wald informiert. Ebenso über die ehemalige Sprengung von bestimmten Teilen des im Untergrund angelegten Ganges. Ob in den vergangenen Jahren an einer Wiederherstellung gearbeitet worden war, darüber hatte man keine Ahnung.
Das Display wurde in das ehemalige Schlafzimmer des verstorbenen Landwirtes verlegt. Der Raum war abgeschottet und konnte nur über die starke Eingangstüre, einen Gang und einen weiteren Raum betreten werden. Stromanschlüsse sowie alle Verbindungskabel wurden noch am Vormittag in den Naturboden verlegt. Tief genug, um bei eventuellen Nachforschungen verborgen zu bleiben. Da alle verfügbaren Männer gemeinsam daran arbeiteten, gelang die Fertigstellung bis zum Mittagessen. Während dieser Zeit besprach Nancy ihr Programm mit den Asiatinnen und holte sich weitere Vorschläge. Die Russinnen wurden gebeten, sich das Programm anzusehen, darüber nachzudenken und eventuelle Einwände oder Verbesserungen vorzubringen. Am kommenden Tag sollte man aber damit beginnen können.
»Morgen sechs Uhr in der Früh wird bei jedem Wetter mit dem Laufen begonnen. Anschließend Gymnastik. Kurze Säuberung und erst dann Frühstück.« Die Russinnen lächelten und stimmten zu. Damit hatten sie nicht gerechnet. Aber sie waren einen wesentlichen Schritt weitergekommen.
Vom Wohnzimmer aus hatten sie die Arbeiten an dem neuen Mast mitverfolgt. Sie ahnten, die Amis wollten in Kontakt bleiben. Sie glaubten an eine Funkverbindung nach Deutschland.
Noch während des Mittagessens wurde die Direktverbindung mit Washington bekanntgegeben. Elli kam mit dem Champagner. Niemand lehnte ab. Die Stimmung stieg.
»Es ist wirklich ein Urlaub.« sagte Daniel, der sich noch nie geäußert hatte.
Das Handfunkgerät meldete die Message.
Aden zog das Los und begab sich zum Display. Nach Entschlüsselung:
„Ihr habt euch an die neue Situation gewöhnt. Vergesst nicht den Bären. Er wird eure Spuren finden.“
Damit kam er zurück zur Gemeinschaft. Die Message war schon längst gelöscht worden. Als alle den Text gelesen hatten, wurde er, noch bevor der Champagner beendet war, verbrannt.
»Sicherheit ist niemals zu vergessen, hat mir Matthew beigebracht. Auch als Patricia ins Lager geholt worden war, konnte sie sich frei bewegen, stand aber Tag und Nacht unter ständiger Beobachtung.«
Elli wollte noch etwas sagen, wurde vom Glockenton des Tores unterbrochen.
Sie ging zum Display, auf dem der Eintritt, die Straße und der Innenhof zu erkennen war. Vor dem Tor standen zwei Gendarmen in Begleitung von einem Mann. Elli ließ sich Zeit. Es war zu Mittag und jeder normale Mensch befand sich in diesem Dorf beim Mittagessen. Was die Beamten unbedingt zu diesem Zeitpunkt wollten, war ihr nicht bekannt. Sie ließ sie ein wenig warten, während die installierten Kameras die Personen von allen Seiten registrieren konnten. Anschließend ging sie hinaus, öffnete die kleine Pforte und fragte, womit sie ihnen dienlich sein konnte. Sie entschuldigte sich für den langen Zeitraum, sie ist die Einzige, die zahlreiche Gäste bewirten müsste. Der Mann in Zivil begann:
»Als Bürgermeister muss ich mich entschuldigen, einen nicht passenden Zeitpunkt gewählt zu haben. Von zahlreichen Personen haben mir Nachbarn berichtet. Sollten sie länger bleiben, bitte sich im Melderegister vormerken lassen. Das könnte in den kommenden Tagen geschehen.«
»Herr Bürgermeister, kommen sie mit ihrer Begleitung weiter. Wir alle sitzen bei Tisch und haben mit einen Umtrunk begonnen. Wir würden uns freuen, wenn sie daran teilhaben wollen.«
Er und die Gendarmen wurden eingelassen. Das Display war mittlerweile abgedeckt worden. Da Elli in Begleitung kam, wurden eiligst drei weitere Stühle in das Esszimmer gebracht. Als nun die Angekommenen endlich Platz genommen hatten, wurde auch ihnen Champagner eingeschenkt.
»Auf ein gemütliches und friedliches Beisammensein.«
Die Gendarmen fühlten sich nicht wohl in ihrer Haut.
Sie waren vom Bürgermeister vorbereitet worden, auf Angehörige der US Armee zu stoßen und waren von der höflichen und charmanten Art von Elli überrumpelt worden. Dazu der Umtrunk.
Erwartet hatten sie einen billigen Wein, keineswegs einen Champagner und eine gut aufgelegte Gesellschaft. Der Bürgermeister hatte seine Beamten instruiert, er werde ein Verhör vornehmen. Doch das konnte er bei dieser Gesellschaft vergessen. Er und seine Begleiter waren von Elli den anderen vorgestellt worden.
»Es ist natürlich, daß die Behörde für nicht angekündigte plötzliche Veränderungen Interesse zeigt. Das ist nur zu begrüßen und darauf sollten wir anstoßen.« kam es von Gerardo.
»Wie lange werden sie bleiben?« fragte der Bürgermeister.
»Das wissen wir jetzt selbst nicht, solange man uns den längst fälligen Urlaub erlauben wird. Immer wieder verschoben und neue Versprechungen unserer Chefs war uns zu bunt geworden. Eine kleine Auseinandersetzung war die Folge und man hat uns ziehen lassen. Einmal müssen wir wieder zurück. Daran wollen wir nicht denken.« fügte David hinzu.
»Darf ich ihnen nachschenken? « fragte Elli den Bürgermeister, die mit einer neuen Flasche angerückt war. Das konnte er akzeptieren. Auch die Beamten kamen in den Genuss des Champagners. Nach wenigen geleerten Gläsern, konnten sich die neuen Gäste nicht mehr erinnern, wie viele Damen am Tisch gesessen waren. Von einer Einvernahme war schon lange keine Rede mehr. Sie bedankten sich für den netten Empfang und schritten zur Pforte. Nach der langen Bauverhandlung, die noch nicht abgeschlossen war, den zahlreichen Beschwerden der Anrainer und der überstürzt eingeschobene Termin des Jagdvereines, wollte der Bürgermeister endlich bei den Amerikanern seinen Unmut loswerden. Einzelne Dorfbewohner hatten sich grundlos über die Rückkehr der Amerikaner beschwert. Die zahlreich genossenen, kleinen Gläser, gefüllt mit hochprozentigem Schnaps, waren noch nicht verdaut, als der Champagner angeboten wurde. Am Nachmittag kam der Anruf aus Krems. Man wollte Details über den Besuch des Bürgermeisters. Man war sich nicht mehr über die Anzahl der vorgefundenen Personen einig.
Beim Mittagessen erwähnte Elli einen Koch, der in wenigen Tagen am Hof erscheinen wird.
»Damit kann ich mich anderen Dingen widmen. Besonders jenen, die ich mir schon lange vorgenommen habe.«
»Wenn er nicht schlechter kocht als Elli, werden wir es zu schätzen wissen.«
»Er wird fallweise auf die Wünsche der Asiatinnen und Russinnen eingehen. Einmal andere Speisen kennenzulernen, als die, die in der Air-Base oder in Deutschland angeboten werden, kann nicht schaden.«.
Die Behörde in Krems konnte keine zufriedenstellende Antwort vom Bürgermeister bekommen. Sie schickte vier Beamte in Zivil. Sie kamen zum Zeitpunkt, als die Damen beim Laufen unterwegs waren. Sie wurden ins Wohnzimmer geführt. Da sie kein flüssiges Englisch verstanden, richteten sie ihre Fragen an Elli und Patricia. Sie wollten die Ursache des plötzlichen Besuches erfahren.
Man sprach von einem langersehnten und immer wieder verschobenen Urlaub in einem Land, das seit dem Staatsvertrag um Touristen aus allen Ländern bemüht war.
Den Urlaub nahmen sie ihnen nicht ab. Im Archiv gab es Aufzeichnungen von einem zerstörten Bauernhof und heftigen Kämpfen. Weniger von neu errichteten Gebäuden und Ausbesserungsarbeiten. An die Harmlosigkeit der Amerikaner glaubten sie nicht. Der ehemalige Kommissar war lange schon in Pension und hatte bei seinem Abschied wenig über seine damaligen Erlebnisse gesprochen. Der neue war mit viel Streitereien der Landbevölkerung über die neu zu errichtenden Gebäude, Geschäfte und Straßenzüge voll ausgelastet. Die dürftige Auskunft des Bürgermeisters hatte ihn veranlasst, sich selbst zu überzeugen. Der LKW und die beiden Jeeps waren ihm aufgefallen. Die neu errichtete Sattelitenverbindung nicht. Worüber er nicht direkt fragte, wurde auch nicht erwähnt. Nach einem kurzen Espresso musste er weiter in ein Nachbardorf. Erst als diese Beamten wieder auf der Hauptstraße waren, kamen die Damen zurück. Die Amerikaner, die kein Deutsch verstanden, wurden von Elli und Patricia informiert. Sie waren mit Patricia beim Rückholen der toten Russen dabei gewesen. Von dem verhinderten Krieg mit dem KGB hatten sie keine Ahnung. Seit der Erwähnung der Ausbildung von Elli kamen ihnen allmählich Gedanken über Geheimnisse, die Elli und Patricia eng verbanden. Ihre Neugierde mehr zu erfahren mussten sie bezähmen. Die Wacheeinteilung kam ihnen nunmehr nicht als absurd vor. Das Display, über das man die Toreinfahrt und die kleine Straße beobachten konnte, war ihnen zu Beginn als eine Spielerei vorgekommen. Die Flutscheinwerfer, die jede Katze das Weite suchen ließ, ebenfalls. Wenn hier ein Überlebenskampf stattgefunden hat, welche Rolle hatte hier Elli übernommen?
Eines wurde ihnen klar, der KGB wird die Russinnen nicht entkommen lassen. Nancy hatte die Damen mit gesichertem Colt begleitet. In den kommenden Tagen und Wochen wird das auch an uns herangetragen werden. Wer nicht zur Wache eingeteilt war, wurde überredet am Gymnastikprogramm mitzuwirken. Zum Aufwärmen teilte man die Sprungschnüre aus. Das führte zur Verwunderung, doch bald hatte man die Vorteile erkannt. Aufgewärmte Muskeln konnten plötzliche Anstrengungen leichter überwinden und verursachten keine Krämpfe.
An einem der folgenden Tage, als alle beim Abendessen saßen, meldete die Torglocke einen Besucher. Gerardo ging zum Display, erzählte von einem Mann in Arbeitskleidung, ging zur Pforte und fragte nach seinem Wünschen. Gerardo verstand die deutsche Sprache. Er war auserkoren worden, bei Kontakt mit der Bevölkerung ihre Beschwerden und Anregungen entgegenzunehmen. Der Mann erzählte ihm, er würde gerne die Hilfe der Amerikaner in Anspruch nehmen. Gerardo glaubte nicht an einen Überfall oder an eine Arglist. Seine Menschenkenntnis sagte ihm, daß dieser Mann ein ehrlicher Geselle war. Er wurde eingelassen, passierte das Display, wurde registriert und gelangte zu der Gemeinschaft. Er grüßte in Englisch. Man bot ihm Platz an und fragte ihn, was er trinken möchte und wo ihn der Schuh drückte.
Nachdem das Bierglas vor ihm stand, schilderte er den herrschenden Zustand im Dorf.
»Der Bruder des Bürgermeisters hat eine Reparaturwerkstätte für Traktoren und Autos im Nachbardorf. Ebenso auch für Landmaschinen. Die Preise sind hoch und das Service nicht immer zufriedenstellend. Das hat mich bewogen einen neuen Traktor direkt in den USA zu bestellen.
Bezahlt habe ich den Traktor vor vielen Wochen, ebenso den Transport bis zu meinem Anwesen und den Zoll. Der Traktor, ein in der USA sehr beliebtes Modell ist aber bisher nicht geliefert worden und eine Nachricht habe ich auch keine bekommen.«
»Haben sie darüber Unterlagen mit?«
»Natürlich.«
Sofort holte er aus seiner Jackentasche die Werbeunterlagen von John Deere, die Bestellung und die Geldüberweisungen hervor. Darunter befand sich auch die Liefervereinbarung. Die Durchsicht dieser Papiere, die Bestellung im holprigen amerikanischen Englischt erweckte Schmunzeln bei einigen Herren.
»Endlich einer, der Vertrauen zu sich hat und sich nicht auf den Kopf xxxxxxxx lässt. Man muss ihm helfen.«
»Wenn sie sich ein wenig Zeit nehmen, wir werden der Sache nachgehen. Wir haben nun acht Uhr am Abend Ortszeit, in den USA ist es nun zwei Uhr am Nachmittag. Dort arbeitet man sicher noch zu dieser Zeit.«
Nach kurzer Beratung wurde Washington DC Headquarter über das Problem eines angenehmen Nachbarn informiert. Man ersuchte um Intervention.
Aden ging in den Keller, aktivierte die Antenne, die hoch hinauffuhr und gab alle Daten verschlüsselt durch. Daraufhin kam er zurück und sagte Michael, dem Landwirt, es wird einige Zeit dauern. Wenn er Appetit habe, soll er zugreifen. Es gibt ausreichend zu Essen. Nebenbei kann er einiges über das Dorf erzählen, wenn er dazu Lust empfinden würde.
Michael, der keine Ahnung über die Verbindungsmöglichkeit der Amerikaner hatte, vertraute Aden und begann langsam zu essen. Vom Zimmer aus konnte er die Antenne sehen, fragte nicht über deren Funktion und machte sich darüber keine Gedanken. Was ihn nun wunderte waren die zahlreichen Damen. Elli, die ihn unter halb geschlossenen Liedern beobachtete, meinte beiläufig:
»Alles, was sie hier gesehen, gehört und worüber wir gesprochen haben, können sie spätestens dann vergessen, wenn die Pforte, durch die sie eingelassen worden sind, hinter sich gelassen haben.«
Ellis Worte, die im Halbdunkel ihren Platz hatte, waren eindeutig genug gewesen. Michael nickte nur, während er kaute. Diese Aufforderung war deutlich gewesen. Er wird dies Zeit seine Lebens nicht vergessen können. Er war noch ein kleiner Junge gewesen, als sein Vater die Situation im Dorf live erlebt hatte. Später hat ihm sein Vater von Elli und ihren Gästen oftmals erzählt. An sie konnte er sich nicht erinnern. Aber an viele Geschichten, über die sein Vater ihm berichtet hatte. Michael war nie verheiratet gewesen und eine passende Frau zu finden, war für einen Landwirt nicht einfach.
Nachdem er einiges gegessen hatte, begann er über die Einstellung des Bürgermeisters zu sprechen. Dem Bürgermeister war die bequeme Art der Bevölkerung, seinem Bruder, um Reparaturen zu ersuchen, sehr willkommen. Er selbst hatte sich aber entschlossen, dem ein Ende zu setzen.
In Krems war er durch Zufall auf eine Zeitschrift gestoßen, die über verschiedene Traktoren publizierte. Ein ausführlicher Bericht über das lange Bestehen von John Deere hatte ihn mit Bauchschmerzen bewogen, die neueste Maschine zu bestellen. Nun hoffte er diese auch zu bekommen. Über seine Bestellung hatte er sich ausgeschwiegen. Die Damen, die nur Englisch verstanden, schwiegen sich aus.
Auch jene Kameraden, denen das Deutsch nicht geläufig war. Die anderen stellten hin und wieder Fragen, die Michael beantwortete.
Damit ergab sich ein oberflächlicher Eindruck über die herrschende Situation im Dorf. Nach zwei Stunden meldete das Handfunkgerät eine eingelangte Message. Aden ging in den Keller und dechiffrierte. Er kam mit der Nachricht zurück.
»Er steht seit einiger Zeit beim Zoll am Frankfurter Flughafen. Er wir morgen am Abend mit einem Tieflader bei ihnen eintreffen. Hier gebe ich ihnen ihre Unterlagen zurück.
Wir verbringen hier auf dem Hof von Elli unseren lang ersehnten Urlaub. Über die zahlreichen Amerikaner braucht sich die Dorfbevölkerung keine Gedanken machen. Das können sie ihren Nachbarn mitteilen. Ihr Besuch ist sicherlich beobachtet worden. Den Besuch zu leugnen ist ungeschickt. Was sie von uns wollten, darüber müssen sie nicht unbedingt sprechen. Sie können aber auf die Erzählungen ihres Vaters hinweisen und sie waren neugierig, was aus Elli geworden ist. Die Antenne, die nicht zu übersehen war, ruht wieder in ihrer Hülle. Ein wenig Kontakt wollen wir schon haben. Sport werden wir betreiben. Das wird hoffentlich erlaubt werden. Wir werden keine Unruhestifter sein und Frieden ist uns willkommen.«
Michael sagte Danke, schmunzelte und freute sich auf den Traktor. Einen Telefonanruf haben sie sicherlich keinen gemacht. Ist diese Antenne fähig über Satellit eine Verbindung herzustellen. Wer nun Unruhe stiftet, darf sich warm einpacken.
»Womit darf ich ihnen danken?«
»Einen Sack Heurige.«
Als der Traktor geliefert wurde, gab es nur wenige Leute, die den Tieflader beachteten. Aber es wunderte manchen Nachbarn, woher Michael so viel Geld hatte. Sicherlich auf Raten gekauft. Er wird einige Zeit benötigen, das Geld abzuzahlen. Oder hat er einige Gründe verkauft. Aber wem? Diese und viele andere Überlegungen machten bald die Runde im Dorf. Dazu kam die riesige in großen Buchstaben geschriebene Bezeichnung John Deere. Wo gibt es diese Firma? Ein weiteres ungelöstes Rätsel. Das wurde dem Bürgermeister nicht nur zugetragen, man wollte auch wissen, wo dieses Unternehmen seinen Sitz hatte. Das konnte aber der Bürgermeister nicht beantworten. Seine Nachfrage bei seinem Bruder Heinrich Schwarzkopf brachte vorerst kein Ergebnis. Erst wenige Tage später erfuhr er, daß dieser Traktor aus den USA stammt.
Michael versuchte mit seinem Wörterbuch, die in englischer Sprache gelieferte Betriebsanleitung, zu übersetzen. Das misslang.
Den Traktor hatte er starten können, war damit auf seinem Hof eine Runde gefahren, die zahlreichen Hebeln und deren Funktion wollte er nicht betätigen. Somit entschied er sich wieder die Amerikaner aufzusuchen. Da sie ihn erkannten, wurde er ohne viel Federlesen eingelassen. Da niemand die einzelnen Hebeln und deren Bestimmungen kannte, wurde direkt die Herstellerfirma befragt.
Der Hinweis von Aden, daß er und seine Kameraden sich auf einem Trainingslager in Österreich befinden und dem Landwirt Michael Haberleitner bei der Anlieferung eines John Deere der letzten Generation geholfen hatten, bewirkte Beflissenheit. Innerhalb einer halben Stunde bekam Aden eine genaue Beschreibung der Hebel.
Deren Funktion und was bei der Bedienung zu beachten notwendig war. Im Nachhinein wurde es klar, zwei der Hebel waren für Maschinenteile bestimmt, die es in Europa noch nicht gab.
Michaels Freude war groß. Er bekannte, Kartoffel der gewünschten Art, hat er im letzten Jahr nicht angebaut gehabt. Er wird aber einen solchen Sack von seinem Nachbarn bringen. Da er nicht genau darüber im Bilde ist, wann die Amerikaner wieder abziehen werden, würde eine neue Aussaat erst Ende Oktober zur Reife kommen. Man beruhigte ihn, sie freuen sich, ihm geholfen zu haben und wünschen ihm viel Erfolg mit dem neuen Traktor. Die Türe bleibt offen. Wenn er die ihm anvertrauten Regeln beachtet, kann er mit weiteren Wünschen jederzeit kommen.
„Schau, Schau, der Michael will nicht mehr in meine Werkstätte kommen. Aber wenn er ein Problem mit dem neuen Traktor haben wird, gibt es bei mir keine Ersatzteile. Der wird sich noch wundern.“
Diese und andere Gedanken beschäftigten Heinrich, während er an Bauteilen seine Hände schmutzig machte, seine Gedanken aber nicht bei der zu vollziehenden Arbeit waren. Es entstanden Fehler. Er musste neu beginnen und geriet darüber in Zorn. Ausbaden mussten es die Mitarbeiter. Seine Ungeschicklichkeit wollte er nicht einsehen. Die Stimmung sank. Die Landwirte merkten nichts davon, da Heinrich auf Lieferschwierigkeiten verwies.
Michael war zu seinem Nachbarn gegangen und bat ihn um einen kleinen Sack Kartoffel. Der war darüber erstaunt und wollte die Ursache kennenlernen. Michael erzählte nur über die Bedienungsanleitung, die er nicht übersetzen konnte. Der Nachbar Konrad war nicht auf den Kopf gefallen.
»Du bist dort zweimal gewesen. Was hat dich dorthin getrieben?«
Michael bekannte, worum es ihm das erste Mal ein Bedürfnis war.
»Die haben vermutlich nachgeholfen. Logisch, für die ist es ein amerikanisches Produkt, welches in den USA einen guten Namen hat. Glückwunsch. Selbst habe ich mir schon lange Gedanken gemacht, wie ich Heinrich entkommen könnte. Nur in den USA zu bestellen, habe ich mich nicht getraut.
Dazu meine sehr bescheidenen Englischkenntnisse. Wie hast du es mit der Versicherung und der Anmeldung gemacht.«
»Die Anmeldung und die Versicherung hat mein Vertreter durchgeführt. Meine ehemalige Nummer habe ich behalten und die Versicherungsunterlagen werden mir mit der Post zugestellt.«
»Hoffentlich kommen diese wichtigen Unterlagen wirklich zu dir. Der Versicherungsvertreter arbeitet in einem für ihn bereitgestellten Raum bei Heinrich. Vor kurzem hat Heinrich einen seiner jungen Angestellten entlassen. Kennst du nicht die Geschichte. Ein Kunde hatte Heinrich ein Auto überlassen. Er sollte es überprüfen, gegebenenfalls reparieren und verkaufen.
Der Tachostand des PKW war ungefähr bei 180 000 Km. Als er einen Kunden gefunden hatte befand sich unerklärlicherweise dieser Tachostand bei 140 000 Km. Der neue Kunde erkundigte sich noch vor dem abgeschlossenen Verkauf beim Vorbesitzer. Dieser zeigte ihm alle Rechnungen inklusive den Tankrechnungen. Über die nicht erwähnten 40 000 Km hat der willige neue Kunde nichts gesagt, aber Heinrich zur Rede gestellt und ihn einen Betrüger genannt. Und das vor vielen anwesenden anderen Kunden. Heinrich hatte sich das nicht gefallen lassen, einen Mitarbeiter fristlos gekündigt und gemeint, eine Tachomanipulation hat es bei ihm nie gegeben. Tage vorher hatte der entlassene junge Mitarbeiter Unterlagen auf dem Schreibtisch seines Meisters vorgefunden und diese sofort mit seinem kleinen Fotoapparat aufgenommen. Auf diesen Unterlagen befinden sich Fingerabdrücke von einer ihm unbekannten Person. Später hat vermutlich der Chef diese Unterlagen wieder im Tresor versteckt. Nach seiner Entlassung, hatte sich der junge Mann an seine Rechtsschutzversicherung gewendet und ihr diesen Film anvertraut. Da Heinrich Anzeige gegen diesen Mitarbeiter erstattet hatte, wird in wenigen Tagen in Krems eine Verhandlung anberaumt werden. Der Aufenthalt des jungen Mannes ist auf Anraten der Rechtsschutzversicherung bis dato unbekannt.«
»Wieso weißt du so genau darüber Bescheid?«
»Erstens hat es mir mein Versicherungsvertreter erzählt und zweitens hat der junge Mann bei mir um Schutz ersucht. Du kennst nun bestimmte Ereignisse. Über deren Verschwiegenheit brauche ich dich nicht informieren.«
»Auch was ich dir erzählt habe und wofür ich die Kartoffel brauche. Die Amerikaner möchte ich dennoch über die Gewissenlosigkeit von Heinrich informieren. Vielleicht braucht dein Schützling Unterstützung einer nicht zu unterschätzenden Macht.«
»Ja, tu es.«
Michael kam und berichtete von dem Unheil, das sich über den jungen Mann zusammenbraute.
»Was sollen wir ihrer Meinung dazu beitragen?« fragte ihn Aden.
»Notfalls die Wahrheit nicht unter dem Tisch liegen lassen. Sogar Persönlich würde ich sie darum bitten.«
»Dann benötigen wir unbedingt die Unterlagen über den hoffentlich mittlerweile belichteten Film und eine genaue Vergrößerung der Fingerabdrücke.«
Michael versprach dazu beizutragen.
Aden brachte das aufgetretene Problem beim Abendessen zur Sprache.
»Uns in die Streitigkeiten in einem fremden Land einzumischen, das ist nicht unsere Aufgabe.
Wenn die Rechtsschutzversicherung geschickt genug ist, den Film kopieren zu lassen, Original und Kopie an zwei verschiedenen Orten aufbewahrt und die Fingerabdrücke in Großvergrößerung anfertigen lässt, liegt es am Richter.
Wenn der Richter genug Geld von Heinrich bekommen hat, wird er einen Weg finden, die gefertigten Fotos anzuzweifeln.
Das geschieht weltweit immer wieder. Damit bekommt Heinrich Recht und der junge Mann wird verurteilt. Dann werden wir eingreifen.« schlug Benson vor.
»Doch über den Prozessverlauf benötigen wir verlässliche Daten. Eine der Deutsch sprechenden Damen soll mit einem Aufnahmegerät der Gerichtsverhandlung folgen. Wir brauchen auch jemanden von der Polizei, der in Krems langjährig tätig ist und dem man vertrauen kann.«.
Elli ging zum Telefon und wählte die ihr bekannte Rufnummer von Kommissar Schmidhauser. Eine Dame meldete sich und teilte Elli mit, daß dieser Kommissar bereits in die Pension entlassen worden war.
»Wie war ihr Name?«
»Elli.«
»Sie sind Elvira Landau de…«
Elli unterbrach sie.
»Mein Name ist für alle Elli.«
»Wenn sie diese Elli sind, habe ich seit Jahren den Auftrag ihren Anruf sofort zu Kommissar Schmidhauser durchzustellen, egal wann und von wo sie anrufen, bitte bleiben sie am Apparat.«
Es dauerte nur wenige Sekunden.
»Hallo Elli, wie geht es dir und von wo rufst du an.«
»Von dort, wo mich ein alter Bauer wohlwollend aufgenommen hat. Mir und meinen Kameraden geht es gut, wenn du Zeit verschwenden willst, komm vorbei und ich kann offen mit dir sprechen.«
»Zeit werde ich mir nehmen, morgen gegen Mittag.«
»Ausgezeichnet«
Elli hörte ein Klicken, die Leitung war unterbrochen worden. Schmidhauser hatte verstanden.
Seine ehemalige Einschulung unter Matthew hatte er nie vergessen. Es muss etwas sehr Heikles sein, Elli hatte nichts verraten und ein eventueller Mithörer konnte sich keinen Reim machen.
Unabhängig von diesen Ereignissen, die nie vorgesehen waren, wurde das Training fortgesetzt.
Nunmehr wurde jeden zweiten Tag eine Runde gelaufen, jeden Tag Gymnastik in der Früh absolviert und die verbliebene Zeit für das Erlernen der amerikanischen Sprache und oberflächliches Deutsch verwendet. Mit einem speziellen Nahkampftraining wartete Nancy ab.
Der Koch war eingetroffen. Mit ihm arrangierte sich Elli und Patricia. Ebenso Nancy, die an einem besonderen Menü interessiert war, welches die Russinnen bekommen sollten.
Es gab noch keine Putzfrau und die Herren mussten ihre Räumlichkeiten alleine reinigen. Das störte sie nur am Anfang. Da allen die Widerwärtigkeit von Heinrich Schwarzkopf bekannt waren, überdachten sie die Möglichkeit eines Eingriffs, ohne aber ihre eigentliche Aufgabe zu gefährden oder ihren Status als Angehörige der CIA offenzulegen. Elli hatte ihnen von dem Telefonat mit Kommissar Schmidhauser erzählt.
Sie waren neugierig, wie dieser Bruder aussehen würde und vor allem auf seine Reaktion, wenn er Einblick in die Situation bekommen hatte. Elli sagte ihnen, das ist kein Bruder, das ist ein Mensch, der über seine Pflichten als Beamter hinaus, hier auf diesem Hof sicherlich auch Ängste ausgestanden hat und dennoch auf unserer Seite war. Das führte zu einem Meinungsumschwung. Die Neugierde stieg.
Kapitel 2
Jedem Nachmittag gab es Training mit Faustfeuerwaffen. Zum Einsatz kamen Colts. Die Russinnen lernten schnell damit umzugehen. Elli zeigte ihnen, wie man sie vor Jahren eingeschult hatte. Auf dem Rücken liegen und über den Kopf Schüsse auf die sich rasch bewegende Scheibe abzugeben. Nicht immer kam sie von Links und auch nicht regelmäßig von der rechten Seite. Sie zu treffen nahmen sich die Russinnen vor. Am Beginn dieses Trainings waren die Treffer selten in der Mitte der Scheibe. Doch auch das gelang ihnen mit der Zeit. Wozu dieses Training gut war, konnten sie nicht verstehen, doch Nancy erklärte ihnen, worin der Sinn dieses Trainings war. Einen eventuellen Gegner auch dann noch zu treffen versuchen, wenn man selbst bereits auf dem Rücken lag. Die Herren wollten es ebenfalls probieren. Munition gab es genug. Wenn sie zur Air-Base zurückbeordert werden, haben sie genug zu berichten. Man wird es ihnen ohnehin nicht glauben. Doch wenn sie auf eine Vorführung bestehen, wird man sie mit anderen Augen betrachten. Der Sinn dieses harmlosen Schiesstrainings bestand in erster Linie darin, die eigenen Sinne zu schärfen und die tägliche Bereitschaft zu haben, im Einsatz nicht zu verzagen. Noch während dies geübt wurde, kam das Rollen am Boden dazu.
Beim Abendessen wurde oft über die Handhabung des Colts gesprochen.
Ruhig am Rücken zu liegen, war unangenehm genug, dazu noch zu Rollen und zu treffen, strengte manche Muskeln an. Blaue Flecken waren die Folge. Hätte es ihnen Elli nicht vorgemacht, niemand hätte es geglaubt. Sie kannten aber noch nicht das Programm von Nancy und den Asiatinnen.
Da die Russinnen bereits durch das ungewohnte Laufprogramm unter Muskelverspannungen litten, wurden sie regelmäßig massiert. Sie bekannten beim KGB niemals eine Massage bekommen zu haben. Längst hatte man sie als Kameradinnen und Damen akzeptiert. Ethan, der bereits bei der Rückholung der toten Russen dabei gewesen war, gewann ihr Vertrauen. Er sprach wenig, reagierte auf jegliche Reaktion ihrer Körper und nahm sich Zeit. Bald hatte er ihre Herzen gewonnen.
Die Russinnen wurden im Melderegister des Bürgermeisters als Irina (Tatjana) und Sonja (Alexandra) geführt. Bei eventueller Weiterleitung der sportlichen Tätigkeit waren diese Namen kein Hinweis auf Russinnen. Beobachtungen seitens der Dorfbewohner gab es genug.
Der Bürgermeister, mit dem neuen Traktor von Michael konfrontiert, brach in kein Jubelgeschrei aus. Womöglich benötigt dieses Ungetüm weniger Treibstoff und war weniger Anfällig für Reparaturen. Sein Bruder stieß in das gleiche Horn. Allein der Name der Firma, die groß genug am Traktor zu lesen war, daß auch Sehgeschädigte ihn deutlich erkennen konnten, war beiden Brüdern ein Dorn im Auge. Gab es nicht genug Traktorenhersteller in Europa. Woher kommt der Traktor? Michael hat ihn ordnungsgemäß versichern lassen und fährt mit dem alten Nummernschild. Wenn nun andere auf ähnliche Gedanken kommen, wird die Werkstätte Kunden verlieren. Doch vorerst tröstete man sich mit der komplizierten Bestellung von Ersatzteilen und der Reparatur.
Elli bekam einen Anruf eines Mannes, der sich Mischa nannte. Am Tonfall konnte man einen Akzent erkennen, der auf ein Land im Osten von Europa hindeutete. Der Mann fragte sie direkt, ob Tatjana und Alexandra der Sprung in den Westen gelungen war. Elli unterbrach die Leitung. Darüber erzählte sie den anderen. Man überdachte, wem die alte Telefonnummer von Elli bekannt gewesen sein könnte. Spekulationen gab es viele. Von der Verheimlichung des Ortes, von dem der Anrufer gesprochen hatte, bis zu seiner Tötung.
Nach diesem Anruf wurde sofort eine Message nach Washington geschickt und darüber berichtet.
Eine halbe Stunde später kam die Antwort:
„Gebt auf pussy acht.“
Man teilte es Irina und Sonja mit. Sir freuten sich über die Erweiterung ihres Wortschatzes und über die Führsorge der CIA. Wenig später kam eine neue Message. Nach Dechiffrierung wurde lang und breit über das Wetter in den USA berichtet. Fast am Schluss von einer Person, die man in Russland eingeschleust hatte und die mit Sergej in Verbindung getreten war. Wo sie sich derzeit befindet, ist nicht bekannt. Nach dem Lesen sofort löschen.
Noch während des Trainings mit den Waffen kam Schmidhauser.
Für ihn waren die Schüsse deutlich zu hören. Ein Läuten an der Glocke verursachte die Wache neben dem Display nachzusehen, und zum Tor zu gehen. Der Polizeiausweis genügte und der ihm unbekannte Beamte in Zivil, durfte in den Hof einfahren. Sein Blick in die Runde und er erkannte den LKW, zwei Jeeps und ein bedecktes Rohr mit Abdeckung.
Nach Passieren der Eingangstüre sah er auch das Display. Derjenige, der ihm das Tor geöffnet hatte, kam zurück und fragte ihn nach seinem Begehren. Schmidhauser nannte seinen Namen und erzählte vom Telefongespräch mit Elli.
»Bitte um ein wenig Geduld, auch die Damen sind mit dem Training noch nicht fertig. Nehmen sie Platz, was möchten sie bitte trinken?«
»Ein kleines Bier.«
»Jawohl.«
Rikardo brachte das Bier.
»Seit wann befinden sie sich auf diesem Bauernhof?« kam es von Schmidhauser.
»Nur wenige Tage sind verstrichen und die Bitte um einen Sack Heurige (Kartoffel) hat einiges ins Rollen gebracht. Elli hat sich entschieden, sie anzurufen. Sie wird ihnen das Notwendigste erzählen.«
Nur wenige Minuten später erschien Elli. Sie war ein wenig aufgeregt. Vor wenigen Minuten war es ihr gelungen im Rollen den schwarzen Punkt in der Scheibe zu treffen. Darüber sagte sie aber nichts.
Doch ihre Kameraden, die zur Tür hereinströmten, konnten sich darüber nicht beruhigen. Lautstark sprachen sie darüber.
»Seid still.« ermahnte sie Elli. »Wir haben hohen Besuch.«
Die Vorstellung begann. Schmidhauser zählte sieben Damen und einige Herren bevor ihn Elli in ein anderes Zimmer schleppte. Dort wurde er kurz informiert.
»Und das alles wegen einem Sack Heuriger.« war Schmidhausers Kommentar.
»Es war eine gute Idee, mich zu informieren. Und das nicht über die Telefonleitung. Ich bin bereits in Pension, wurde aber von höchster Stelle ersucht, bei kritischen Fällen meinen Kollegen Empfehlungen zu geben. Ihr als Angehörige der USA werdet weiterhin Frieden halten. Solange über die beiden neuen Kandidatinnen nichts bekannt ist, wird sich auch der KGB nicht einmischen.«
Schmidhauser hatte Nancy und Patricia in guter Erinnerung. Die Asiatinnen waren sicher im Gefolge von Nancy. Doch die beiden anderen hübschen Damen waren in der Gruppe neu.
»Vermutlich habt ihr eine Anlage errichtet, die die Weiterleitung von Informationen verkürzt.
Dieses Rohr ist weder dem Bürgermeister, noch den bereits vorbeigekommenen Beamten aufgefallen. Eine Fahnenstange ist es nicht.«
»Es freut mich, ihrem scharfen Blick und ihrem Kombinationsvermögen ist nichts verborgen geblieben. Via Satellit können wir direkt mit dem Hauptquartier in Washington in Verbindung treten. Eventuelle Gegner müssen sich warm einpacken. Alle, die nun einige Zeit verbringen werden, wurden von mir über die lang zurückliegenden Ereignisse informiert. Einer 24 Stündigen Wacheeinteilung hatten sie daraufhin nichts entgegenzusetzen.«
»Du hast hier das Kommando?«
»Keineswegs allein. Jene Kameraden, die Patricia beim Rückholen der abgestürzten Russen unterstützt hatten und auch Sergej zurückgebracht haben, der den Strapazen nicht gewachsen war, befinden sich nun hier. Sie kennen bereits die beiden Russinnen, die nicht mit nach Moskau geflogen sind. Ein Eisbär hat dies verhindert.«
»Wie denn das?«.
Elli musste über ihre Erkrankung und die Ereignisse berichten, die sich beim Abflug zugetragen hatten. Nach einiger Zeit des Überlegens, setzte Schmidhauser fort.
»Jemand, der die deutsche Sprache gut versteht, soll dem Prozess mit einem Aufnahmegerät beiwohnen. Er soll versuchen, alle gesprochenen Worte aufzuzeichnen.
Sollte sich der Richter für eine Verurteilung entscheiden, muss der Angeklagte vorerst ins Gefängnis. Der Angeklagte muss aber vorbereitet werden, Ruhe zu wahren, egal was ihm vorgeworfen wird. Die Presse sollte eingebunden werden. Die Meinung der einfachen Leute ist von großer Bedeutung.
Die Überprüfung der Konten des Richters werde ich veranlassen. Auch woher der Kläger Heinrich Geld für einen teuren Anwalt hat. Vermutlich hat der Richter gegebenenfalls das erhaltene Geld in einem Safe versteckt. Doch auch diesen Umstand werden wir berücksichtigen. Gegen Heinrich wird bereits ohnehin ermittelt. Ich bedanke mich für das Bier, muss aber nun weiter zu einem Weinbauern.
Dort habe ich Flaschen bestellt und der hat mich solange aufgehalten. Unter welchem Code kann ich eine Nachricht hinterlassen?«
»Rotkäppchen sucht den Wolf.«
»Sehr gut, das ist für jeden Dummkopf ein passender Ausdruck. Wenn ich selbst verhindert bin, wird ein mir vertrauter Mitarbeiter eine geeignete Nachricht hinterlassen.«
Mit diesen Worten verabschiedete sich Schmidhauser.
Kapitel 3
Elli hatte kein Mittagessen bekommen. Sie ging zu den anderen, die damit nahezu fertig waren. Ihr erschien es wichtig zu sein, die Kameraden über das Gespräch mit Schmidhauser zu informieren. In wenigen Worten erzählte sie die wesentlichsten Punkte.